LG Paderborn, Urteil vom 12.03.2015 - 3 Ns 178/14
Fundstelle
openJur 2019, 31125
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Paderborn vom 09.10.2014 wird als unbegründet verworfen.

Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Paderborn vom 09.10.2014 im Rechtsfolgenausspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 30,00 € verurteilt wird.

Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich seiner notwendigen Auslagen werden dem Angeklagten auferlegt.

§§ 130 Abs. 3, Abs. 5 StGB

Gründe

Das Amtsgericht Paderborn hat den Angeklagten mit Entscheidung vom 9. Oktober 2014 wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen in Höhe von je 30,00 € verurteilt.

Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte form- und fristgerecht Revision und die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt.

Da es sich bei der Berufung um das umfassendere Rechtsmittel handelt - auch wenn diese nicht in vollem Umfang eingelegt wird - gebührt dieser der Vorrang und die Revision des Angeklagten war ebenfalls als Berufung zu verhandeln.

I.

In der erneuten Hauptverhandlung hat die Kammer zum Werdegang des Angeklagten und zu dessen persönlichen Verhältnissen folgende Feststellungen getroffen:

Der zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 35 Jahre alte Angeklagte wurde in ... geboren. Im Alter von 8 Jahren ließen sich seine Eltern scheiden. Er verblieb zunächst bis zu seinem 14. Lebensjahr beim Vater und lebte anschließend bei der Mutter. Der Angeklagte hat einen Bruder und einen Halbbruder.

Der Angeklagte wurde altersgerecht in die Grundschule eingeschult. Hiernach besuchte er die Realschule und wechselte ab der 11. Klasse auf ein Gymnasium, wo er sein Abitur erlangte. Es schloss sich ein Studium der Psychologie in ... an, welches der Angeklagte nach Erreichen des Vordiploms jedoch aus finanziellen Gründen abbrach. In der Folgezeit arbeitete er zunächst als Kraftfahrer. 2009 verzog er nach ... und begann hier in der IT-Branche zu arbeiten. Seit 2009 ist er durchgängig als IT-Systemtechniker bei der Firma ...in ... angestellt. Er erzielt dort nach eigenen Angaben ein monatliches Nettogehalt von 1.000,00 €. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin lebt er in nichtehelicher Lebensgemeinschaft. Er ist Vater von zwei Kindern im Alter von 1 und 4 Jahren. Zudem lebt noch das 6-jährige Kind seiner Lebensgefährtin aus einer früheren Beziehung in dem gemeinsamen Haushalt. Für die Warmmiete muss der Angeklagte monatlich 600,00 € aufbringen. Die Familie bezieht zudem Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 500,00 € (Hartz IV), sowie Kindergeld in Höhe von 184,00 und 194,00 € monatlich.

Strafrechtlich ist der Angeklagte bislang einmal in Erscheinung getreten:

Am 13.10.2011 verurteilte ihn das Amtsgericht ... (Aktenzeichen 120 Js 150/10 - 20 b Cs 182/11) wegen Verstoßes gegen das Jugendschutzgesetz zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 25,00 €.

II.

In der Sache selbst hat die Kammer folgende Feststellungen getroffen.

Der Angeklagte war Betreiber und Inhaber der Internetseiten und Interpräsenz "...", das zur Tatzeit am 15.07.2013 u.a. auch mit einem eigenen Account bei YouTube präsent war und unter der Anschrift http: //... zu finden war. Dieser YouTube-Account konnte zur Tatzeit auch über eine Toolbar auf der Startseite der Internetseite ... erreicht werden. Dort befand sich am 15.07.2013 u.a. ein Video des gesondert verfolgten Zeugen ..., der auf den Seiten des ... als "ständiger Gastmoderator" bezeichnet wird. Dieses Video war unter http:/... abrufbar. Hier fand sich unter dem Titel "... spricht: Falsch Zeugnis" ein von ... gesprochener Textbeitrag, der vom 26.09.2012 stammen sollte und am 10.10.2012 als Audiodatei auf der YouTube-Seite des ... veröffentlicht wurde. Dieser lautet Audiotext wie folgt:

"So steht´s geschrieben seid tausenden Jahren, in allen Religionen und Weltanschauungen. Und so bekam man es von Kindesbeinen an beigebracht. Umso mehr bäumen sich die Gefühle auf, wenn die Verleumdung, die Ehrabschneidung gegen Menschen geschieht, die sich nicht oder nicht mehr wehren können. Man vertraut ja zunächst dem geschriebenen Wort dem abgebildeten Foto, allzumal es von einem wissenschaftlichen Institut kommt. Und so war ich besonders getroffen von einem bestimmten Bild der "Wehrmachtsausstellung", die vor einigen Jahren durch die Lande gezogen wurde. Es zeigt wie ein deutscher Soldat auf eine fliehende Mutter mit Kind zielt und wohl auch schießt, wohl auf eine Mutter mit Kind. Auch wenn ich mir sicher war, dass derartiges mein Vater niemals getan hätte, so zielte es doch auf ihn und alle Soldaten. Aber er lebte nicht mehr und konnte dazu nichts mehr sagen. Und so traf es mich - zutiefst!

Ehre und Andenken der Soldaten waren getroffen!

Können da die Söhne außen vorbleiben? Man schluckt. Alle Erzählungen von früher gingen einem durch den Sinn. Immer wieder. Endlich hörte ich von Widersprüchen und dem Zurückziehen der Ausstellung. Gott sei Dank! Dann folgte das Vergessen über der täglichen Arbeit.

Doch welche Wut und Empörung kamen in mir auf, als ich im vergangenen Jahr im Internet auf das Foto stieß, besser gestoßen wurde, welches den ganzen tatsächlichen Sachverhalt wiedergibt.

Dieser Soldat war gar kein heimtückischer Frauenmörder! Im Gegenteil versuchte er, indem er stehend dem unsichtbaren Gegner mit seinem Gewehrfeuer wider hält, Mutter und Kind Deckung zu geben, damit beide die schützende Bodensenke vor ihnen erreichen können. Ohne sein eigenes Leben zu schonen, da er sich ja selbst aufrecht stehend allergrößter Gefahr als Zielscheibe aussetzt. Müßte man nicht sogar sagen, dass dieser deutsche Soldat sich als Held beweist, zumindest voller Mut, Anstand und Ehre im Leib handelt? Und es ist ja nicht einmal gesagt, dass er dies für eine bedrohte deutsche Mutter und Kind tut, sondern es kann genauso gut eine Kampfszene in der Ukraine, Rußland, auf dem Balkan, in Italien oder Frankreich gewesen sein. Irgendeine Mutter und Kind haben durch ihn, durch seine Tapferkeit überlebt.

Und es gibt Deutsche, die das nicht ertragen können!

Ein ...mit seinem "Hamburger Institut für Sozialforschung" und dem leitenden Autor der Ausstellung, einem ..., fälschen und manipulieren, was das Zeugs hält, um endlich nachweisen zu können, dass die Wehrmachtsangehörigen alle Verbrecher waren. Sie, ..., sind wohl mit das Erbärmlichste, was mir an Deutschen bislang untergekommen ist.

Die eigenen Eltern- und Großelterngeneration zu Verbrechern machen!

Ihnen Ehre und Anstand nehmen. Wenn überhaupt, dann haben sie ja nicht viel mehr als ihre Ehre und ihren Anstand über Kriegs- und Gefangenschaftsjahre retten können. Und auch dieses letzte Bisschen wollen diese erbärmlichen Fälscher ihnen noch nehmen. Durch bösartigsten Lug und Trug und Schwindel.

... und ... sind die wahren Volksverhetzer!

So hab ich´s auch zur Polizeivernehmung gesagt und belegt, um zu erklären, warum ich mich mit der Lügerei in Deutschland nicht mehr abfinden will und kann! 90 Prozent des von ... verwendeten Bildmaterials soll gefälscht oder falsch zugeordnet sein laut Expertenkommission - lese ich. Es kann also kein Versehen oder Zufall sei. Es wurde ganz offenkundig ganz offenkundig systematisch, zielgerichtet und bösartig manipuliert. Wie kommen sie dazu, derartiges zu tun? Warum überbieten wir Deutschen uns gegenseitig, uns möglichst tief in den Schmutz zu treten? Mittels eines eigens für solche Zwecke gegründeten Instituts?

Das Hamburger Institut für Sozialforschung eine Fälscherwerkstatt?

Leider ermittelt da kein Staatsanwalt wegen Volksverhetzung. Will sich ... ein reines öffentliches Gewissen erlügen für seine ererbten Zigaretten-Millionen, die aus Sucht, Elend, Krankheit und Tod von Tausenden Menschen zusammengerafft wurden. Oder zeigt er nur das folgerichtige Symptom von 70 Jahren gegen Deutschland und die Deutschen gerichteter Lügenpropaganda der alliierten Siegermächte. Ist er lediglich ihr Knecht und Erfüllungsgehilfe geworden? Lügenpropaganda über wahre Kriegsgründe, -ursachen und Kriegstreiber, über Verbrechen, über Völkermord und Vertreibung durch wen, wann und wo. Es kommen von Jahr zu Jahr mehr Lügen und Propaganda ans Licht, aber es wird nicht darüber gesprochen."

Sodann heißt weiter:

"Die historischen Wahrheiten werden verfolgt,

als Revisionismus diskreditiert oder als Holocaustleugnung und Relativierung von Nazi-Verbrechen mit Kerker bestraft. Ist es deshalb, weil wir unsere Staatsdoktrin gegründet haben als Gegenentwurf zu Auschwitz, dem Vergasen in Deutschland, Katyn, Wannseeprotokoll, Erzählungen eines ...oder dem Tagebuch der Anne Frank. Wird deshalb nicht über die schon vor zehn Jahren nachgewiesene 4-Millionen-Lüge von Auschwitz gesprochen, weil ... und ... sie zur Begründung des Krieges gegen Jugoslawien haben aufleben lassen und gebraucht haben, die Deutschen wieder in den Krieg zu führen? Liegt es an den 25.000 Dollar, die ...pro Auftritt bekommt, wenn er von dem furchtbaren Leben im KZ erzählt, jedoch nicht erklären kann, warum er und Tausende Auschwitz-Insassen freiwillig mit der satanischen SS mitgegangen sind?

Freiwillig heim ins Reich, ins nächste KZ - nach Buchenwald

Oder weil all die angeblichen Zeugen nicht belangt werden sollen, die vor Gerichten gelogen und Meineide geschworen haben, wenn sie wohlfeil behaupteten, es wären auf deutschem Boden, ob in Dachau, Buchenwald oder Bergen-Belsen Häftlinge vergast worden? Genau das Gegenteil hat der britische Chefermittler von Nürnberg schon Ende der vierziger Jahre verbindlich festgestellt und spätestens 1960 der Historiker Dr. ... Warum hat ein Pastor ... erbärmlichst gelogen mit der Behauptung, in Dachau wären über 200.000 Juden vergast worden. [...]"

Durch die kommentarlose Einstellung der oben genannten Rede des ... als Audiodatei vor dem Hintergrundbild "... - Das nationale Weltradio für Kultur, Bildung und Unterhaltung" mit dem Zusatz "Volksaufklärung jetzt auch per Fern- & Funksprecher" auf der Youtube-Präsenz seiner eigenen Internetseite in Kenntnis deren Inhalts, machte sich der Angeklagte die Aussagen des ... zu Eigen und verharmloste durch die oben genannten Formulierungen den Völkermord in den genannten Vernichtungslagern und Konzentrationslagern.

III.

Die getroffenen Feststellungen beruhen auf der Einlassung des Angeklagten, soweit ihr gefolgt werden konnte, und auf der nach Maßgabe des Hauptverhandlungsprotokolls durchgeführten Beweisaufnahme.

Der Angeklagte hat seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie seinen Werdegang entsprechend dem festgestellten Sachverhalt geschildert. Er hat auch die sich aus dem verlesenen Auszug aus dem Bundeszentralregister ergebende strafrechtliche Vorbelastung den obigen Feststellungen entsprechend bestätigt.

Im Übrigen hat er sich dahingehend eingelassen, dass zutreffend sei, dass er zum damaligen Zeitpunkt Betreiber und Inhaber der Internetseiten und Internetpräsenz ... gewesen sei. Er habe sich u.a. für das politische Tagesgeschehen interessiert und entsprechendes auf der Seite publiziert. Irgendwann sei er im Internet auf den Zeugen ... getroffen, habe Beiträge von ihm gelesen und sei schließlich mit ihm in Kontakt getreten. Ihm habe das, was ... geschrieben habe, gefallen. Zwischen den beiden habe lediglich telefonischer Kontakt bestanden. Dabei habe sich der Angeklagte bei dem Zeugen ... auch erkundigt, ob dessen Texte strafrechtlich bedenklich seien, was durch den Zeugen ... jedoch verneint worden sei. In der Folgezeit habe ... dem Angeklagten dann Audiodateien per Email geschickt, welche dieser dann auf YouToube publiziert habe. Auch bei der hier entscheidenden Audiodatei mit dem Titel "... spricht: Falsch Zeugnis" sei man so verfahren. Er habe alle Texte, die ihm ... geschickt habe, auch auf YouTube eingestellt.

Was die Kenntnis des Inhaltes der Datei angehe, so hat der Angeklagte behauptet, dass er lediglich zu Anfang seiner Beziehung zu dem Zeugen ... auf den jeweiligen Inhalt genauer hingeschaut habe. Bei der hier streitgegenständlichen habe er nur kurz auf den Anfang geguckt, sich aber nicht alles angehört. Nachdem er dann später von der Kriminalpolizei angeschrieben worden sei, habe er als Sofortmaßnahme zunächst alle Audiodateien von dem Zeugen ... gelöscht.

Er teile auch nicht alle politischen Ansichten des Zeugen ... Teilen würde er jedoch dessen prodeutsche Haltung, dass nicht alles sofort abgelehnt werden solle, was deutsch sei und die Reduzierung der deutschen Geschichte auf nur wenige Jahre. Zum damaligen Zeitpunkt habe er auch noch nicht so viel über die Einstellung des Zeugen ... gewusst. Zu historischen Dingen habe er von diesem damals auch noch nichts gelesen gehabt, lediglich zu dessen kritischer Haltung gegenüber der Asylantenpolitik, Urteilen gegenüber Ausländern und allgemein überwiegend zu dessen Einstellung zur Ausländerpolitik.

Die Einlassung des Angeklagten ist, soweit sie im Widerspruch zu den getroffenen Feststellungen steht, durch das Ergebnis der Beweisaufnahme widerlegt.

Die Zeugin ..., Kriminalbeamtin beim BKA, hat ausgesagt, dass das Verfahren damals durch einen Hinweis der Internetbeschwerdestelle "..." am 21.05.2013 an das Bundeskriminalamt in Gang gesetzt worden sei. Im Zuge ihrer Ermittlungen habe sie sich sodann mit dem Internetauftritt des "..." befasst. Als Chefredakteur sei dort der Angeklagte und als ständiger Gastmoderator der Zeuge ... ausgewiesen gewesen. Über eine in der Fußzeile eingerichtete Toolbar, sei sie auf eine weitere Präsenz von ... bei YouTube gelangt, welcher am 15.07.2013 unter der Adresse http://youtube.com/user/NetzradioG erreichbar gewesen sei. Dort habe sie insgesamt drei Videos des Moderators ... feststellen können, bei deren Inhalt es sich möglicher um eine strafbare Handlung gehandelt habe. Hierzu habe auch das Video "... spricht: Falsch Zeugnis." gehört, sowie die Videos "... spricht: Holocaust und deutsche Jungend" und "... spricht: Müsst man sei a Jud". Ihre Erkenntnisse habe sie dann an die Auswertungsstelle sowie die zuständige Ermittlungseinheit weitergeleitet.

Der Zeuge ... hat bestätigt, dass Anlass für die Ermittlungen eine Eingabe von außerhalb gewesen sei. Die entsprechenden Daten seien dann im Zuge der Ermittlungen auf einer DVD gesichert worden. Bei einer späteren Nachschau habe er die kritischen Texte des Zeugen ... auf den Seiten des ... nicht mehr finden können.

Angesichts der detaillierten und glaubhaften Angaben der Zeugin ..., welche zudem durch die in Augenschein genommenen Datensicherungen der maßgeblichen Internetpräsenzen und Audi-Datei belegt werden, hat die Kammer keine Zweifel an der Richtigkeit der Einlassung des Angeklagten, dass er zum damaligen Zeitpunkt verantwortlicher Betreiber der Internetpräsenz "..." sowie des hiermit verlinkten YouTube-Accounts gewesen ist. Ebenso wenig ergeben sich Zweifel dahingehend, dass er als verantwortlicher Chefredakteur dort den streitgegenständlichen gesprochen Text des Zeugen ... eingestellt hat. Durch die Angaben der Zeugin sieht das Gericht jedoch seine Einlassung, er habe von dem Inhalt keine genaue Kenntnis gehabt, als widerlegt. Dies erachtet die Kammer vielmehr als reine Schutzbehauptung. Denn die Zeugin hat auch angegeben, dass dieses Video zum damaligen Zeitpunkt von einer Person als "positiv" bewertet gewesen sei, wie auf dem zur Akte gereichten Screenshot (Bl. 15 GA) zu sehen sei. Durch Anklicken dieser Bewertung sei sie wiederum zu dem Account des Angeklagten gelangt.

Die Kammer erachtet es bereits für lebensfremd, dass der Angeklagte, welcher nach eigenen Angaben an den Veröffentlichungen des Zeugen ... einen derart großen Gefallen gefunden hat, dass er zu diesem Kontakt aufnimmt und ihn bittet, seine Texte zu vertonen, damit diese als Audiodatei auf YouTube eingestellt werden können, dann im Folgenden nicht mal mehr deren Inhalt zur Kenntnis genommen haben will. Unabhängig davon, dass derartiges für einen Redakteur in verantwortlicher Position bereits nur als grob fahrlässig bezeichnet werden kann, ist es aber auch aufgrund des eingestandenen persönlichen Interesses an dem Gedankengut des Zeugen ... nicht nachvollziehbar.

Auch vermochte der Angeklagte auf entsprechenden Vorhalt hin, weshalb er den Beitrag denn trotzdem - angeblich ohne ihn zu kennen - "geliked" habe, keine plausible Erklärung zu liefern. Sein "möglicherweise habe ich die Texte prinzipiell geliked" ist in diesem Zusammenhang wenig überzeugend. Vielmehr ist es in der Welt der sozialen Netzwerkplattformen Gang und Gäbe, ein "gefällt mir"-Zeichen in Form eines nach oben gerichteten Daumens nur dann zu setzen, wenn man einen Beitrag zur Kenntnis genommen und als gut befunden hat.

Ebenso wenig überzeugend ist die Einlassung des Angeklagten, dass er bis dato keine Veröffentlichungen des Zeugen ... mit historischem Bezug gelesen habe, sondern nur Auseinandersetzungen mit aktuellen politischen Themen. Denn allein die Titel der von ... gesprochenen Texte, wie etwa "Holocaust und deutsche Jungend" oder "Müsst man sei a Jud" lassen vermuten - jedenfalls deuten sie darauf hin - dass hier nicht nur die aktuelle Asylpolitik Gegenstand der Meinungsäußerung ist. Dass dem Angeklagten dies bewusst war, verdeutlicht auch der Umstand, dass er sich bei dem Zeugen ... explizit danach erkundigt haben will, ob die Inhalte strafrechtlich bedenklich seien, was durch den Zeugen nunmehr in der Berufungsinstanz auch bestätigt worden ist, wohingegen er in erster Instanz vor allem wegen seiner in diesem Zusammenhang mehrfach wechselnden Aussage imponierte. Allein dieses Erkundigen ist ein klarer Hinweis darauf, dass der Angeklagte sich der Brisanz der von ... verfassten Texte - im strafrechtlichen Sinne - bewusst war, da anderenfalls sein Nachfragen wenig nachvollziehbar ist. Seine Erklärung, dass ganz allgemein im politischen Bereich Äußerungen oft kritisch sein können, ist vor dem Hintergrund, dass dem Angeklagten bekannt war, dass der Zeuge ... aufgrund seiner Nähe zur rechtsextremen NPD Anfang Mai 2013 seines Amtes als Bürgermeister des Ortes ... enthoben worden ist, nicht glaubhaft.

Untermauert wird dies durch den gesamten Internetauftritt des ... Allein ein Blick auf die Homepage und deren Verweise zu anderen Seiten ("...", "...", "...") lässt unzweifelhaft erkennen, dass das Gedankengut der Betreiber sich deutlich rechts von der politischen Mitte bewegt.

Die Feststellungen zum Inhalt des gesprochenen Textes des Zeugen ... ergeben sich aus der in der Hauptverhandlung abgespielten Audio-Datei (gesichert auf Datenträger, Bl. 18 GA); die Feststellungen zu der Internetpräsenz des "..." sowie des verlinkten YouTube-Accounts und der dortigen Präsentation des streitgegenständlichen Textes ergeben sich aus der Inaugenscheinnahme von Bl. 15)-17) GA sowie des in Augenschein genommenen Inhalts des Datenträgers (Bl. 18) GA).

IV.

Nach den getroffenen Feststellungen hat sich der Angeklagte wegen Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 3 3. Alt. StGB strafbar gemacht.

Danach wird mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.

Die vertonten Äußerungen des Zeugen ... beziehen sich, dafür steht schon das Synonym "Auschwitz", auf unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlungen der in § 6 Abs. 1 VStGB bezeichneten Art.

Sie wurden zudem durch das Einstellen auf der Internetplattform YouTube öffentlich getätigt.

Der gesprochene Text beinhaltet zudem eine Verharmlosung des Holocaust. Ein Verharmlosen liegt vor, wenn der Äußernde die Anknüpfungstatsachen für die Tatsächlichkeit der NS-Gewalttaten herunterspielt, beschönigt oder in ihrem wahren Gewicht verschleiert. Nicht erforderlich ist das Bestreiten des Völkermordes als historisches Gesamtgeschehen, es genügt ein "Herunterrechnen der Opferzahlen" und sonstige Formen des Relativierens oder Bagatellisierens seines Unrechtsgehaltes (BGH NJW 2005, 689; zitiert nach Juris).

Ein solches Relativieren und Bagatellisieren liegt hier vor. Das NS-Gewalt- und Massenvernichtungsunrecht sowohl im Konzentrationslager Auschwitz als auch in den deutschen Konzentrationslagern Dachau, Buchenwald und Bergen-Belsen ist eine geschichtliche Tatsache. Demgegenüber geht die Aussage der einschlägigen Textpassagen der Rede des Zeugen ... erkennbar dahin, dass es nicht in dem geschichtlich anerkannten Umfang zu dem Massenmord in Auschwitz und anderswo gekommen sei. Vielmehr wird suggeriert durch den mehrfachen Gebrauch der Begriffe Lügen, Propaganda und Lügenpropaganda, dass die Zahl der Opfer in so erheblicher Weise nach unten korrigiert werden müsse, dass es in diesem Zusammenhang als angebracht erscheine, der bisherigen Geschichtsschreibung bewusst betriebene einseitige Kollektivschuldzuweisung gegenüber dem deutschen Volk und den Gebrauch von Lügen zu bescheinigen. Der Kontext der vertonten Rede zeigt ein umfassendes Herunterspielen der Opferzahlen durch den Verfasser ..., nicht nur ein zahlenmäßiges Infragestellen im Randbereich der geschichtlich feststehenden Größenordnung, zumal diese Zahlen von ihm nicht genannt werden. Im Vordergrund des gesamten gesprochenen Textes steht das Anprangern angeblicher Lügen im Zusammenhang mit den Gräueltaten der NS-Herrschaft. So werden nicht nur die Opferzahlen in Frage gestellt, sondern auch Belege wie die Erzählungen eines ...oder das Tagebuch der Anne Frank als vermeintlich falsche geschichtliche Tatsache zu entlarvt. Zeitzeugen werden als Lügner bezeichnet, wenn ... äußert "Oder weil all die angeblichen Zeugen nicht belangt werden sollen, die vor Gerichten gelogen und Meineide geschworen haben, wenn sie behaupten, es wären auf deutschem Boden, ob in Dachau, Buchenwald oder Bergen-Belsen Häftlinge vergast worden?". Dem Zuhörer wird hierdurch suggeriert, dass es auf deutschem Boden nicht zu Greueltaten gegen Häftlinge in den vorgenannten Lagern gekommen ist. Denn der Artikel setzt sich mit keinem Wort damit auseinander, dass - wenn es dort auch nicht zu Vergasungen gekommen ist - dennoch tausende von Menschen aufgrund anderer Umstände wie etwa den menschenunwürdigen Lebensbedingungen, Hunger oder Erschöpfung den Tod gefunden haben.

... erweckt den Eindruck, dass eine zutreffende Beurteilung der Verbrechen durch bewusst betriebene Lügenpropaganda unterbunden wird. Dies impliziert die Aussage, dass die bisherigen als gesichert geltenden Erkenntnisse über Anzahl und Schicksal der Opfer im Konzentrationslager Auschwitz oder in anderen von den deutschen Machthabern unterhaltenen Konzentrations- und Arbeitslagern das Ergebnis einer bewussten und gewollten Geschichtsfälschung seien, deren Richtigstellung zu einer entscheidend günstigeren Beurteilung nationalsozialistischer Unrechtstaten führen werde.

Die vertonte Rede des Zeugen ... war auch geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören. Gestört ist der öffentliche Frieden u.a. dann, wenn das Vertrauen der Bevölkerung in die öffentliche Rechtssicherheit erschüttert wird (BGHSt. 34, 329, 331; 46, 212, 218; zitiert nach Juris), die Äußerungen "auf die Betroffenen als Ausdruck unerträglicher Missachtung wirkt" (BT-Drucks. 9/2090 S. 7).

Der vertonte Artikel ebenso wie der gesamte Internetauftritt des ... richten sich an ein für eine Verhetzung potentiell aufnahmebereites Publikum. Wie sich aus der in der mündlichen Verhandlung in Augenschein genommenen Internetpräsenz ergibt, ist offensichtlich, dass sich die Internetseite ... an ein Publikum am äußeren rechten Rand des politischen Spektrums richtet. Durch die vertonte Rede ist eine Gefahrenquelle geschaffen worden, die insbesondere bei der zum Tatzeitpunkt und auch noch aktuellen politischen Lage geeignet war, das Miteinander zwischen Juden und anderer in Deutschland lebenden Bevölkerungsgruppen empfindlich zu stören und deren Vertrauen auf Rechtssicherheit zu beeinträchtigen.

Der Angeklagte handelte auch vorsätzlich. Er war Chefredakteur und verantwortlicher Betreiber der Internetpräsenz "..." sowie des dazu gehörigen YouTube-Accounts. Die Veröffentlichung des streitgegenständlichen vertonten Textes geschah auf seine Veranlassung hin, wie er in der Berufungsverhandlung eingeräumt hat.

Im Falle der "Verharmlosung" muss sich der Vorsatz auf die Unwahrheit der mit der Verharmlosung verbundenen Tatsachenbehauptung sowie auf die gänzliche Unangemessenheit der geäußerten Wertungen erstrecken (Tröndle/Fischer, StGB, § 130 Rdn. 34). Nach der Überzeugung der Kammer war dem Angeklagten unabhängig von seiner persönlichen Überzeugung die Tragweite der von ... gemachten durch Äußerungen, welche er sich durch das Einstellen im Internet zu eigen gemacht hat, bewusst und der Inhalt auch gewollt. Wenn der Angeklagte, wie er behaupten will, den Artikel nur grob überflogen haben sollte, so ist die Kammer jedenfalls davon überzeugt, dass er es zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat, dass in diesem der Völkermord der Nationalsozialisten an den Juden verharmlost oder geleugnet wird und daher der Straftatbestand zu § 130 Abs. 3 StGB erfüllt ist.

Der Tatbestand des § 130 ist auch nicht nach den §§ 136 Abs. 6, 86 Abs. 3 StGB ausgeschlossen. Denn der streitgegenständliche Artikel dient nicht etwa der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken.

Unter die staatsbürgerliche Aufklärung nach § 86 Abs. 2 StGB fallen Handlungen, die der Vermittlung von Wissen zur Anbringung der politischen Willensbildung und Verantwortungsbereitschaft der Staatsbürger und damit der Förderung ihrer politischen Mündigkeit durch Informationen dienen. Die Strafbarkeitsgrenze ist überschritten, wenn die Information der Öffentlichkeit nur einen Vorwand bietet, um in Wahrheit die in dem Text angestrebte propagandistische Wirkung zu erzielen.

So liegt der Fall hier. Der genannte Artikel soll nicht etwa der staatsbürgerlichen Aufklärung dienen, sondern ist verfasst, um eine propagandistische Wirkung zu erzielen. Dies ergibt sich bereits aus dem Kontext. So enthält der Text lediglich die Anprangerung angeblicher Lügen, ohne jedoch geschichtliche Informationen oder Wissen über geschichtlich gesicherte Erkenntnisse zu vermitteln.

In Ermangelung von Rechtfertigungsgründen war das Verhalten des Angeklagten, der für die Taten auch in vollem Umfang verantwortlich ist, auch rechtswidrig.

V.

Bei der Strafzumessung hat die Kammer den Strafrahmen des § 130 Abs. 3 StGB zugrunde gelegt, welcher Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren vorsieht.

Bei der konkreten Strafzumessung war zu Gunsten des Angeklagten zunächst dessen teilgeständige Einlassung zu berücksichtigen. Dieser hat jedenfalls das äußere Geschehen, wie etwa seine Verantwortlichkeit für die entsprechende Internetpräsenz und das Einstellen des vertonten Artikels, eingeräumt. Auch verkennt die Kammer nicht, dass er nicht selbst Verfasser des streitgegenständlichen Textes war. Die Internetseite des ... wird zudem von ihm zwischenzeitlich nicht mehr betrieben.

Strafschärfend fällt hingegen ins Gewicht, dass der Angeklagte bereits einmal strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Zudem ist dadurch, dass die Veröffentlichung des Artikels über das Massenspektrum Internet vorgenommen worden ist, dieser einer gänzlich unüberschaubaren Anzahl von Personen zugänglich gemacht worden.

Nach Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände sowie seiner Persönlichkeit erachtet auch die Kammer vorliegend zur Einwirkung auf ihn die erneute Verhängung einer Geldstrafe für ausreichend. In Abkehr zu der amtsgerichtlichen Entscheidung hat die Kammer hier jedoch auf eine tat- und schuldangemessene Geldstrafe von

100 Tagessätzen

erkannt. Diese erscheint ausreichend, aber auch dringend erforderlich, um dem Angeklagten das in der Tat liegende Unrecht eindringlich vor Augen zu führen und ihn anzuhalten, sich in Zukunft straffrei zu führen.

Die Tagessatzhöhe war nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten auf je 30,00 € festzusetzen, § 40 Abs. 2 StGB.

V.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 StPO.

...