VerfGH für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 03.09.2019 - VerfGH 21/19.VB-1
Fundstelle
openJur 2019, 31065
  • Rkr:
Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen Ablauf und Ausgang eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wegen eines von ihr angezeigten Sexualdelikts.

1. Die Beschwerdeführerin zeigte am 16. April 2016 eine Straftat an, die im folgenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahren als sexuelle Nötigung / Vergewaltigung eingeordnet wurde. In ihrer Zeugenaussage gab sie ausweislich des polizeilichen Vernehmungsprotokolls an, es sei in den Morgenstunden des 16. April 2016 gegen ihren ausdrücklich und eindeutig geäußerten Willen in ihrer Wohnung zum Geschlechtsverkehr mit einem Bekannten (im Folgenden: Beschuldigter) gekommen.

Ebenfalls am 16. April 2016 erfolgte eine ärztliche Untersuchung der Beschwerdeführerin im Xkrankenhaus; auch wurden bei ihr verschiedene Abstriche genommen. Am späten Abend des 16. April 2016 suchten ein Polizeibeamter und eine Polizeibeamtin gemeinsam mit der Beschwerdeführerin den Tatort auf und sicherten weitere Spuren. Die Polizei wertete ferner einen von der Beschwerdeführerin mit ihrem Mobiltelefon aufgenommenen Audio-Mitschnitt der Tat aus.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 22. Juli 2016 ließ sich der Beschuldigte zum Tatvorwurf ein. Es sei zutreffend, dass er gemeinsam mit der Beschwerdeführerin in deren Wohnung gefahren sei. Zum Geschlechtsverkehr sei es aber nicht gekommen.

Am 30. August 2016 wurde dem Beschuldigten auf freiwilliger Grundlage eine Speichelprobe entnommen. Ein im Auftrag der Polizei vom Landeskriminalamt erstelltes Gutachten vom 17. November 2016 kommt zum Ergebnis, dass allen vier untersuchten Proben der Beschwerdeführerin Speichel anhaftete. Lediglich für einen Abstrich konnte der Nachweis männlicher DNA erbracht werden. Die Menge war jedoch für einen Abgleich zu gering.

Mit Verfügung vom 2. Januar 2017 stellte die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein, wogegen die Beschwerdeführerin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 27. Januar 2017 Beschwerde einlegte.

Mit Verfügung vom 21. April 2017 wies die Generalstaatsanwaltschaft die Beschwerde zurück. Den von der Beschwerdeführerin dagegen gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung verwarf das Oberlandesgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 4. August 2017 als unzulässig und folgte damit einer entsprechenden Empfehlung der Generalstaatsanwaltschaft.

2. Mit eigenhändig unterzeichnetem Schriftsatz vom 15. April 2019 hat die Beschwerdeführerin Verfassungsbeschwerde erhoben wegen Verstoßes "gegen das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung, Unantastbarkeit der menschlichen Würde Art. 1 Abs. 1 GG, sowie Schutz der persönlichen Entwicklung und Freiheit, Art. 2 GG, verwehrt durch die Staatsanwaltschaft Mönchengladbach". Es sei in dem Ermittlungsverfahren wegen sexueller Nötigung und Vergewaltigung mit der Begründung keine Anklage erhoben worden, dass der Beschuldigte glaubwürdig sei und überdies keine männliche DNA habe gefunden werden können. Beides treffe nicht zu. Die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf habe ebenfalls eine Anklage abgelehnt. Sie habe sich dazu auf die Begründung der Staatsanwaltschaft gestützt. Allerdings sei zusätzlich gemutmaßt worden, es sei eine weitere weibliche Person beteiligt gewesen, weil ungewöhnlich viel weibliche DNA in den Proben gefunden worden sei. Eine spätere Untersuchung des Gutachters habe aber ergeben, dass es sich um die DNA der Beschwerdeführerin handele.

Der gesamte Verlauf der Ermittlungen habe auf einer unvollständigen, manipulierten Ermittlungsakte beruht. So fehle der handschriftliche Untersuchungsbericht (wohl: des Xkrankenhauses) sowie der Ablauf des Spurenaustauschs zwischen der Polizei und dem Landeskriminalamt. Da in allen Abstrichen Speichel gefunden worden sei, sei davon auszugehen, dass ausschließlich Speichelproben der Beschwerdeführerin, deklariert als Genitalabstriche, vorhanden gewesen seien. Ein in der Akte befindlicher Vermerk der Polizei über angebliche Aussagen der Beschwerdeführerin über eine Taxibestellung nach der Tat sei inhaltlich falsch. Die in der Akte enthaltene Zeugenaussage entspreche ebenfalls nicht der Original-Aussage der Beschwerdeführerin. Die Spurensicherungsdokumente stimmten nicht mit den im Krankenhaus gesicherten Spuren überein. Es fehlten mehrere Proben und andere Beweismittel. Ferner sei der Verbleib der Ermittlungsakte zwischen dem 6. und dem 25. Juni 2016 ungeklärt.

Aufgrund der beschriebenen Fehlleistungen von Polizei und Staatsanwaltschaft sei das Grundrecht der Beschwerdeführerin auf sexuelle Selbstbestimmung verletzt worden. Es habe Anklage gegen den Beschuldigten erhoben werden müssen.

Eine Verfassungsbeschwerde sei erst seit dem 1. Januar 2019 möglich, weshalb sie bisher eine solche nicht habe einreichen können. Auch sei sie (die Beschwerdeführerin) erst durch den Inhalt der Ermittlungsakte, die sie kurz vor Erhalt der Entscheidung des Oberlandesgerichts eingesehen habe, auf die beschriebenen Ungereimtheiten gestoßen. Eine detaillierte Auswertung der Akte sei innerhalb eines Monats nicht möglich gewesen. Die Verfassungsbeschwerde "fuße" eigentlich nicht auf dem Beschluss des Oberlandesgerichts, sondern auf dem Umgang der Landesbehörden, der Polizei Mönchengladbach, der Staatsanwaltschaft Mönchengladbach sowie der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf mit der Ermittlungsakte. Es seien Beweise ignoriert worden, bei deren Beachtung die Staatsanwaltschaft zu einem anderen Beschluss habe kommen müssen.

II.

1. Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1, § 59 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen (VerfGHG) vom 14. Dezember 1989 (GV. NRW. S. 708, ber. 1993 S. 588), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Verfassungsgerichtshofgesetzes vom 21. Juli 2018 (GV. NRW. S. 400) durch die Kammer zurückgewiesen, weil sie unzulässig ist. Die Antragstellerin hat die Verfassungsbeschwerde nicht innerhalb der Monatsfrist des § 55 Abs. 1 Satz 1 VerfGHG erhoben.

a) Unter Berücksichtigung des maßgebenden, bei unbefangener Betrachtung erkennbaren Begehrens der Beschwerdeführerin (vgl. VerfGH NRW, Beschluss vom 22. Mai 2019 - VerfGH 1/19 -) wendet sich diese gegen die Einstellung des gegen den Beschuldigten geführten Ermittlungsverfahrens wegen sexueller Nötigung / Vergewaltigung und die diese bestätigenden gerichtlichen Entscheidungen. Zwar macht sie geltend, die Verfassungsbeschwerde fuße auf dem "Umgang" der Landesbehörden, der Polizei Mönchengladbach, der Staatsanwaltschaft Mönchengladbach sowie der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf mit der Ermittlungsakte. Ihre Ausführungen zeigen indes, dass es ihr in der Sache darum geht, eine Anklageerhebung gegen den Beschuldigten zu erreichen.

b) Ausgehend davon hat die Beschwerdeführerin die Monatsfrist des § 55 Abs. 1 Satz 1 VerfGHG versäumt. Muss - wie vorliegend (vgl. §§ 172 ff. StPO) - nach § 54 Satz 1 VerfGHG vor Einlegung der Verfassungsbeschwerde der Rechtsweg erschöpft werden, so wird der Lauf der Monatsfrist mit der Bekanntgabe der nach der jeweiligen Verfahrensordnung letztinstanzlichen Entscheidung in Gang gesetzt (vgl. zu den insoweit parallelen Vorschriften der § 93 Abs. 1, § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG BVerfG, Beschluss vom 6. September 2016 - 1 BvR 173/15 -, juris, Rn. 8 m. w. N.). Dabei handelt es sich hier um den Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 4. August 2017, den die Beschwerdeführerin nach eigenen Angaben am selben Tag erhalten hat. Die Verfassungsbeschwerde hat sie erst am 16. April 2019 - und damit ersichtlich weit nach Ablauf der Monatsfrist - erhoben. Gründe für eine Wiedereinsetzung in die Verfassungsbeschwerdefrist liegen nicht vor. Insbesondere hat die Beschwerdeführerin bereits vor Ergehen der letztinstanzlichen Entscheidung die Ermittlungsakte eingesehen. Dass ihr die Auswertung derselben innerhalb eines Monats persönlich nicht möglich gewesen ist, bietet keinen Anlass für eine Wiedereinsetzung. Dies gilt umso mehr als zwischen Akteneinsicht und Erhebung der Verfassungsbeschwerde etwa 20 Monate liegen.

Aus dem Umstand, dass zum Zeitpunkt des Ablaufs der Monatsfrist im Jahr 2017 die Möglichkeit einer Individualverfassungsbeschwerde mangels gesetzlicher Normierung noch nicht bestand, kann die Beschwerdeführerin nichts für sich herleiten. Ausnahmen von der Monatsfrist hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen und damit die Verfassungsbeschwerde nicht gegen Entscheidungen eröffnet, hinsichtlich derer im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes zur Änderung des Verfassungsgerichtshofgesetzes - Einführung der Individualverfassungsbeschwerde zum Verfassungsgerichtshof die maßgeblichen Fristen schon abgelaufen waren.

Von einer weiteren Begründung der Zurückweisung wird gemäß § 58 Abs. 2 Satz 4 VerfGHG abgesehen.

III.

Ihre Auslagen sind der Beschwerdeführerin nicht zu erstatten. § 63 Abs. 4 VerfGHG sieht eine Auslagenerstattung nur für den hier nicht vorliegenden Fall eines Obsiegens der Beschwerdeführerin vor.

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