SG Detmold, Urteil vom 06.06.2019 - S 14 U 104/17
Fundstelle
openJur 2019, 31060
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • nachfolgend: Az. L 17 U 421/19
Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 28.04.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.02.2017 verurteilt, das Ereignis vom 23.01.2016 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand

Der Kläger streitet um die Anerkennung eines Arbeitsunfalles.

Der am 00.00.1955 geborene Kläger ist seit Januar 2008 als Bademeister im Unternehmen W U in C T beschäftigt.

Nach der Unfallanzeige des Unternehmens wurde der Kläger am 23.01.2016 morgens um 06.20 Uhr im Sanitätsraum der U schwitzend, im Weiteren verwirrt angetroffen, musste sich dann übergeben und wurde bewusstlos; festgestellt wurden von der Arbeitskollegin dunkle Ränder um die Augen. Der Rettungstransportwagen wurde gerufen und der Kläger sodann in das Ev. Krankenhaus in C1 verbracht; hier wurde gegen 09.00 Uhr, sodann zur Kontrolle nachmittags gegen 15.00 Uhr eine CT-Traumaspirale nebst CCT durchgeführt; gesichert wurde eine rechtsparietal gelegene Kalottenfraktur sowie eine beidseitige frontobasale Hirnrindenkontusion; bei unklarem Ereignishergang vertrat man im Durchgangsarztbericht die Auffassung, ein Unfall läge nicht vor, da aus innerer Ursache erfolgt. Mit dieser Begründung lehnte die Beklagte sodann gegenüber der Krankenkasse des Klägers bzw. gegenüber dem Ev. Krankenhaus C1 ihre Einstandspflicht mit der Begründung ab, ein Versicherungsfall läge nicht vor, da von einer inneren Ursache auszugehen sei. Auch dem Kläger gegenüber erteilte sie am 28.04.2016 einen abschlägigen Bescheid mit der Begründung, ein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis sei als notwendiges Merkmal eines Arbeitsunfalles nicht nachgewiesen.

Hiergegen erhob der Kläger am 14.05.2015 Widerspruch und machte geltend, er sei am fraglichen Tage, wie üblich, von seinem Wohnort in C1-T1 zum Arbeitsplatz gefahren und habe auf dem Betriebsparkplatz seinen Pkw abgestellt und sei dann zur Arbeitsstätte gegangen; Erinnerungen an den weiteren Verlauf habe er nicht mehr; nach Angaben der ermittelnden Polizei sei der Unfall auf dem Weg vom Parkplatz zur Betriebsstätte erfolgt; beigefügt wurde ein Behandlungsbericht über die anfängliche stationäre Behandlung im Ev. Krankenhaus C1 (vom 23.01. bis 30.01.2016), in welchem nebendiagnostisch auf eine Diabeteserkrankung sowie einen Bluthochdruck hingewiesen wurde; im Durchgangsarztbericht erfolgte im Übrigen ein Hinweis auf eine Keppra-Medikation, einer Behandlung von epileptischen Erscheinungen, als unfallunabhängige gesundheitliche Beeinträchtigungen; aus dem Entlassungsbericht der Klinik ging hervor, dass der Kläger im Rahmen des stationären Aufenthaltes mehrfach generalisiert krampfte.

Zur Sachverhaltsaufklärung zog die Beklagte die kriminalpolizeilichen Ermittlungsvorgänge bei; telefonisch und auch persönlich wurden durch die Kriminalpolizei die Arbeitskollegen des Klägers, Frau S. I., ferner eine nächtlich bis zum frühen Morgen am Ereignistag arbeitende Reinigungskraft sowie auch die Ehefrau des Klägers befragt; abschließend wurde festgestellt, dass kurz vor 06.30 Uhr am 23.01.2016 der Kläger seine Arbeitsstelle erreichte und in einem relativ kurzen Zeitfenster von max. einer halben Stunde nach Eintreffen sich ein lebensbedrohlich darstellender Gesundheitszustand entwickelte; nach telefonischer Auskunft des Ev. Krankenhauses C1 nehme man als Ursache der erlittenen Verletzungen einen allerdings nicht gesicherten Sturz an; am Ereignistage habe verbreitet Eisglätte geherrscht; die Befragung der genannten Personen habe zusammenfassend keinen Aufschluss darüber ergeben, wann und unter welchen Umständen er sich die Fraktur am Kopf zugezogen habe; gegenüber seiner Kollegin bzw. gegenüber der Reinigungskraft habe er keine Angaben über einen Sturzgeschehen, einen gewalttägigen Angriff oder ein sonstiges Vorkommnis gemacht; Hinweise für eine strafbare Handlung ergäben sich nicht; seinen Pkw habe der Kläger auf dem Betriebsparkplatz normal eingeparkt, Auffälligkeiten am Abstellplatz seien nicht vorhanden gewesen; nach seinen Eintreffen an der Arbeitsstelle habe er sich bereits umgezogen, bevor sich der Gesundheitszustand rapide verschlechtert habe; Verletzungen seien nicht erkennbar gewesen, auch sei der Kläger zunächst noch ansprechbar gewesen; letztlich blieben die Geschehnisse für den Zeitraum nach Verlassen der häuslichen Wohnung bis zum Eintreffen am Beschäftigungsort ungeklärt; ob die Witterungsverhältnisse relevant seien, sei nicht zu klären. Hierzu machte der Kläger im Rahmen seiner weiteren Widerspruchsbegründung geltend, die erlittenen Verletzungen seien typische Folgen eines Sturzes; innere Ursachen schieden aus, einzig denkbare Ursache sei ein Sturz auf dem Weg vom Parkplatz zur Arbeitsstätte oder ein Sturz innerhalb der Arbeitsstätte; auszugehen sei von einem Beweisnotstand, weshalb die Beweisanforderungen zu verringern seien und es nicht nötig sei, den genauen Unfallhergang zu beweisen, wenn die sonst nachgewiesenen Umstände, was zu bejahen sei, überwiegend auf einen Versicherungsfall hinwiesen bzw. ernsthafte Möglichkeiten anderer Geschehensabläufe ausgeschlossen würden. Mit Widerspruchsbescheid vom 28.02.2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, unter Berücksichtigung der polizeilichen Ermittlungsvorgänge sei weder eine Unfallzeit noch ein Unfallort oder Unfallhergang ermittelt worden; woher die erlittenen Verletzungen rührten, sei unklar; die anspruchsbegründenden Tatsachen eines Unfalles seien aber vollbeweislich nachzuweisen; mag auch ein Darlegungsnotstand vorliegen, gäbe es im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung keinen Grundsatz, wonach zu Gunsten des Versicherten zu entscheiden wäre; es gälte der Grundsatz der objektiven Feststellungs- und Beweislast, weshalb, da ein Sturz am Arbeitsplatz, aus welchen Gründen auch immer, nicht nachgewiesen sei und sämtliche Begleitumstände im Unklaren blieben, eine Anerkennung nicht erfolgen könne.

Hiergegen richtet sich die am 27.03.2017 erhobene Klage, mit welcher der Kläger sein Begehren mit gleicher Begründung weiter verfolgt.

Zur Sachverhaltsaufklärung hat das Gericht von den Johanniter-Ordenshäusern C P den dortigen Entlassungsbericht über die stationäre Anschlussheilbehandlung des Klägers vom 04.02. bis 03.03.2016, ferner die bei der Stadt C1 über den Kläger geführten Schwerbehindertenakten, ein Vorerkrankungsverzeichnis der Barmer GEK und Befundberichte des Ev. Krankenhauses C1 über dortige radiologische Untersuchungen beigezogen ; wegen des von diesem im Durchgangsarztbericht erfolgten Hinweises auf eine unfallunabhängige antiepileptische Medikation hat das Gericht vom Hausarzt des Klägers, dem Arzt für Allgemeinmedizin L., C1, einen Befundbericht eingeholt, in welchem dieser angab, wegen der Diabeteserkrankung sei der Kläger in der Vergangenheit befriedigend eingestellt gewesen, ein Krampfleiden sei bis zum Ereignistage nicht bekannt, sei vielmehr erst in der stationären Behandlung aufgetreten.

Nach Maßgabe der Beweisanordnung vom 06.04.2018 hat Prof. Dr. C2, Arzt für Neurochirurgie in C Q, nach voriger Beiziehung der bildgebenden Befunde, der Krankenakte des Ev. Krankenhauses C1 einschließlich Notarztprotokollen und hausärztlichen Befunddokumentation von Herrn L. zu den Fragen einer zeitlich näheren Eingrenzung eines Sturzereignisses, anderen Möglichkeiten der Verursachung der erlittenen Verletzungen als durch ein Trauma bzw. inneren Ursachen eines Sturzes ein fachärztliches Gutachten nach Aktenlage erstattet; er gelangte zu dem Ergebnis, das Schädel-Hirn-Trauma sei Folge eines Sturzunfalles; innere Ursachen für ein Sturzereignis seien nicht festzustellen; unter Berücksichtigung des aktenkundigen Verlaufes könne der Sturz nur in dem Zeitraum, nachdem der Kläger sein Kraftfahrzeug abgestellt habe und sich auf dem Weg zur Arbeitsstätte befunden habe, ereignet haben. Auf den näheren Inhalt des Gutachtens vom 16.01.2019 wird verwiesen.

Gestützt hierauf beantragt der Kläger,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28.04.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.02.2017 zu verurteilen, das Ereignis vom 23.01.2016 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie macht die Ausführungen ihres Widerspruchsbescheides zum Gegenstand ihrer Klageerwiderung und vertritt die Auffassung, die Frage einer medizinischen Bewertung stelle sich nicht, da weiterhin nicht bewiesen sei, dass der Kläger sich die Verletzungen im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit zugezogen habe.

Wegen der sonstigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Dieser war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Gründe

Die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG- statthafte Klage ist zulässig und auch begründet.

Der Kläger hat gemäß § 102 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch -SGB VII- (vgl. zur Anspruchsgrundlage BSG, Urteil vom 05.07.2011 -B 2 U 17/10 R-) Anspruch darauf, dass die Beklagte das Ereignis vom 23.01.2016 als Arbeitsunfall anerkennt. Der entgegenstehende Bescheid vom 28.04.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.02.2017 war deshalb aufzuheben.

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Gemäß § 8 Abs. 2 SGB VII sind versicherte Tätigkeiten auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit (Nr. 1, sog. Wegeunfall). Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Versicherte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat, ferner muss die Verrichtung ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; vgl. BSG, Urteil vom 04.12.2014 -B 2 U 14/13 R-).

Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt dabei, dass die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale der versicherten Tätigkeit, der Verrichtung zur Zeit des Unfalles, des Unfallereignisses sowie des Gesundheitsschadens erfüllen , im Grades des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der Ursachenzusammenhänge zwischen diesen der Grad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG E 103, 45).

Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen war das streitgegenständliche Ereignis vom 23.01.2016 als Arbeitsunfall festzustellen. Dabei bestehen zunächst an der sog. haftungsbegründenden Kausalität keine Zweifel. Der Kläger hat einen Unfall im Sinne eines zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignisses, erlitten und dieses Unfallereignis hat einen Gesundheitserstschaden hervorgerufen. Ein Unfallereignis im Sinne eines Sturzes hat unzweifelhaft stattgefunden; ob hierfür äußere Faktoren, etwa eine Glätte auf dem Weg vom betrieblichen Parkplatz zur Arbeitsstätte oder ein Sturz innerhalb der Arbeitsstätte, etwa infolge Nässe/Glätte des Bodens maßgeblich gewesen ist, kann an dieser Stelle dahinstehen. Bedeutsam ist allenfalls die Frage, ob, ausgenommen einen Sturz, sich der Kläger die Schädelverletzung im Sinne eines Schädelbruchs mit bifrontalen Hirnkontusionen, auf andere Weise zugezogen hat, etwa er einen Schlag auf den Kopf durch eine dritte Person erhalten hat. Hierfür gibt es aber nach der Gesamtschau keinerlei Anhaltspunkte und hat auch die Kriminalpolizei im Rahmen ihrer Ermittlungen keine Hinweise gehabt, so dass letztlich als einzige Denkmöglichkeit der erlittenen Verletzungen ein Sturzgeschehen mit Sturz auf den Hinterkopf als stumpfes Schädel-Hirn-Trauma in Betracht kommt. Dies hat auch der Sachverständige in seinem Gutachten nach Aktenlage überzeugend und nachvollziehbar dargelegt und ausgeführt, dass die Kalottenfraktur in Verbindung mit den sich darstellenden Kopfschwartenhämatomen als Ausdrucks eines Aufpralles auf den Hinterkopf darstellten. Dabei sind nicht nur die Kalottenfraktur, sondern auch die Hirnblutungen bifrontal, welche sich als sog. Contre - coup-Kontusionsblutungen darstellen, auf das Sturzgeschehen zurückzuführen. Zum Einen korreliert der Ort der Hirnblutungen im Bereich der frontalen Hirnrinde mit dem Ort der gegenüberliegenden knöchernen Schädigung und spricht für einen Aufprall der Hirnrinde bei rückwärtigem Sturz an der frontalen Schädelkapsel; zum Anderen fehlen Hinweise für eine Minderdurchblutung oder Gefäßverschlüsse im Bereich der Hirngefäße , als solche durch die anfängliche Angiographie der Kopf- und Halsgefäße im Ev. Krankenhaus C1 ausgeschlossen wurden. Mit anderen Worten: Es steht ohne Zweifel fest, dass nicht -aus innerer Ursache resultierende - Hirnblutungen Ursache eines Sturzes mit der Folge einer Kalottenfraktur waren, sondern der Sturz war Ursache sowohl für die Fraktur als auch die Kontusionsblutungen. Wie eingangs ausgeführt, ist unerheblich, ob das Sturzgeschehen durch besondere Gefahren der Zurücklegung der genannten Wege des Klägers am fraglichen Unfalltage bedingt waren, da ein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis nicht nur bei einem besonders ungewöhnlichen Geschehen, sondern auch bei einem alltäglichen Vorgang, wie etwa das Stolpern über die eigenen Füße, vorliegt, weil hierdurch ein Teil der Außenwelt auf den Körper einwirkt (BSG E 98, 79).

Neben der haftungsbegründenden Kausalität ist auch die sog. Einwirkungskausalität gegeben. Das Gericht hat insoweit keine Zweifel, dass eine der versicherten Tätigkeit zuzurechnende Verrichtung des Versicherten zu dem Sturz als Unfallereignis geführt hat. Zwar sind genauer Unfallort, genauer Zeitpunkt des Unfalles und dessen Umstände des Zustandekommens ebenso ungeklärt wie die konkrete Verrichtung des Klägers zum Zeitpunkt des Unfalles; die von der Beklagten aufgeworfene Frage der Beweislastverteilung stellt sich deswegen jedoch nicht. Diese Frage wirft sich erst dann auf, wenn alle Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts erschöpft sind, ohne dass es gelungen ist, eine noch bestehende Ungewissheit zu beheben. Das Gericht hat jedoch an den anspruchsbegründenden Tatsachen der Einwirkungskausalität keine Zweifel. Die Anforderungen an den Beweis anspruchsbegründender Tatsachen können insoweit im Einzelfall vermindert sein; im Fall des Beweisnotstandes, d. h. in Fällen, in denen für die Feststellung der anspruchsbegründenden Tatsachen besondere Schwierigkeiten entstehen, können diese Anforderungen geringer sein als in normalen Fällen, und zwar dergestalt, dass eine Beweiserleichterung dahingehend gewährt werden kann, dass an die Bildung der richterlichen Überzeugung weniger hohe Anforderungen gestellt werden; dies bedeutet, dass das Tatsachengericht schon aufgrund weniger tatsächlicher Anhaltspunkte von einem bestimmten Geschehensablauf überzeugt sein kann (BSG E 24, 25, 28); dabei ist hervorzuheben, dass eine Verringerung des Beweismaßstabes selbst indes unzulässig ist. Zulässig ist es, einzelne Beweiszeichen für die Feststellung einer Tatsache zur richterlichen Überzeugungsbildung ausreichen lassen. In diesem Sinne hat das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (Urteil vom 23.09.1981 in Breithaupt 1982, Seite 763 ff) beispielhaft ausgeführt, dass es zwar keine Rechtsvermutung und keinen Anscheinsbeweis für die Feststellung der anspruchsbegründenden Tatsachen gibt, jedoch im Rahmen der freien Beweiswürdigung auch die typischen Beweisschwierigkeiten, die sich aus der versicherten Tätigkeit ergeben, berücksichtigt werden müssen. Insoweit steht die mangelnde Feststellung eines genauen Unfallvorganges der Annahme eines Arbeitsunfalles dann nicht entgegen, wenn die überwiegenden Umstände auf einen Arbeitsunfall hinweisen und andere Ursachen eines Schadens mit Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden können. Ebenso hat das Bundessozialgericht -BSG- stets hervorgehoben, dass typische Fallgestaltungen, in denen die Unfallkausalität näherer Erörterung bedarf, Fälle einer möglichen inneren Ursache sind, einer gemischten Tätigkeit, einer nicht unerheblichen Unterbrechung dieser oder einer eingebrachten Gefahr, in denen neben die im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehende Verrichtung zur Zeit des Unfalles eine weitere, nicht versicherten Zwecken zuzurechnende Ursache hinzutritt. Dabei hat es betont, dass die Unfallkausalität zwischen der Verrichtung zur Zeit des Unfalles und dem Unfallereignis vermutet wird, weil oft kein Grund zu erkennen ist, warum sich der Unfall gerade jetzt und so zugetragen hat, z. B. bei einem versicherten Weg und dem bekannten "Stolpern über die eigenen Füße". Deshalb sieht es die für die Annahme eines Arbeitsunfalles erforderliche Kausalität zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis stets dann als gegeben an, wenn außer dem kausalen Anknüpfungspunkt der versicherten Tätigkeit keine anderen Tatsachen festgestellt sind, die als Konkurrenzursachen wirksam geworden sein können; mangelt es eines Nachweises einer in Betracht zu ziehenden Konkurrenzursache in ihren Voraussetzungen, kann eine solche als Ursache nicht berücksichtigt werden. Insoweit muss, wenn bei Ausübung einer Verrichtung, die in sachlichem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht, ein Unfallereignis eintritt, vom Vorliegen der Unfallkausalität ausgegangen werden, es sei denn, es ist eine konkurrierende Ursache wie etwa eine innere Ursache, eine eingebrachte Gefahr oder der unversicherte Teil einer gemischten Tätigkeit feststellbar (vgl. zum Ganzen BSG, Urteil vom 30.01.2007 -B 2 U 23/05 R- und vom 17.02.2009 -B 2 U 18/07 R-).

Ausgehend hiervon kann zunächst festgehalten werden, dass nach den wiederum überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen innere Ursachen des Sturzgeschehens als konkurrierende Verursachungsfaktoren nicht festzustellen sind. Insbesondere bieten die im Verwaltungs- und insbesondere gerichtlichen Verfahren beigezogenen Behandlungsunterlagen, maßgeblich Befunddokumentationen des Hausarztes, keine Hinweise auf eine vorbestehende Hypertonie, sondern ist festzustellen, dass eine solche, was mit einer verletzungsbedingten Hirndrucksteigerung zwanglos in Übereinklang gebracht werden kann, erst nach dem Unfallgeschehen aufgetreten ist, so dass festgehalten werden muss, dass etwa eine Synkope in einer bluthochdruckbedingten Krise nicht zu dem Sturz geführt hat. Ebenso wenig ergeben sich Hinweise auf die beim Kläger seit vielen Jahren bestehende Diabeteserkrankung als Ursache eines Sturzgeschehens, etwa im Sinne einer Unterzuckerung oder eines diabetischen Koma. Auch hierfür bieten die Befundberichte aus der Zeit vor dem Unfall und auch die nachfolgend dessen durchgeführte Diagnostik keine Anhaltspunkte, so dass ein Stolpern oder Ausrutschen als Sturzursache unzweifelhaft ist.

Ein solches Stolpern/Ausrutschen kann der Kläger nur auf einem mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weg zur Arbeitsstätte, nämlich dem Weg vom Parkplatz zur Arbeitsstätte bis zum Erreichen dieser erlitten haben, was als Wegeunfall im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII zu qualifizieren wäre, oder innerhalb der Arbeitsstätte, was als eigentliche versicherte Tätigkeit im engeren Sinne zu verstehen wäre. Dabei stand der Kläger, was keiner näheren Erörterung bedarf, nach Verlassen der häuslichen Wohnung morgens um 05.30 Uhr auf seinem mit dem Kraftfahrzeug angetretenen Weg von C1-T1 bis C T bis zum Erreichen des betrieblichen Parkplatzes und Fortbewegung von diesem bis zum Erreichen des Betriebsgebäudes unter Versicherungsschutz auf einem versicherten Arbeitsweg, ebenso wie die versicherte Tätigkeit im eigentlichen Sinne nach Betreten des betrieblichen Gebäudes ihm Versicherungsschutz bot. Es besteht insoweit ein enges zeitliches Fenster, in welchem sich ein Unfall im Sinne eines Stolperns oder Ausrutschens ereignet haben muss, und zwar ein Zeitfenster von 05.30 Uhr bis wenige Minuten vor 06.20 Uhr, dem Zeitpunkt des Eintreffens der Kollegin des Klägers. Vor diesem Hintergrund hat das Gericht durch Einholung des Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. C2 versucht, den Zeitpunkt des Sturzgeschehens näher einzugrenzen. Auf die Minute genau ist dies zwar nicht möglich gewesen, jedoch hat der Sachverständige überzeugend unter eingehender Würdigung des sich darstellenden Beschwerdeverlaufes nach Antreffen des Klägers durch seine Arbeitskollegin und den weiteren Verlauf der medizinischen Behandlung und Diagnostik dargelegt, dass das Trauma nur in dem Zeitraum, nachdem der Kläger seinen Kraftwagen abgestellt hatte, sich ereignet haben kann. Soweit die Beklagte hierzu ausführt, die Frage der medizinischen Bewertung stelle sich nicht, ist dies bestenfalls eine oberflächliche Betrachtung und berücksichtigt nicht die sich darstellende, Rückschlüsse bietende Beschwerdeentwicklung und zeitliche Entwicklung der im Sturzgeschehens eingetretenen Verletzungen. Wie der vom Sachverständigen beigefügten, vom Ev. Krankenhaus C1 morgens nach Aufnahme um 09.00 Uhr und nachmittags zur Kontrolle um 15.00 Uhr durchgeführten Bilddiagnostik zu entnehmen ist, stellte sich nach Übernahme des Klägers im Ev. Krankenhaus C1 eine strangförmige Verdickung der Kopfschwarte als Zeichen eines erlittenen Kopfschwartenhämatoms dar, welches ebenso wie die sekundären Kontusionsblutungen nach Kopfaufprall rückwärtig sich bis zum Nachmittag zunehmend in ihrer Ausdehnung darstellten. Ausgehend hiervon und von der sich insbesondere aus den polizeilichen Ermittlungsakten darstellenden Beschwerdeanamnese, nämlich dass der Kläger noch zu Fuß seine Arbeitsstätte aufsuchen, sich in den Sanitätsraum -möglicherweise um sich selbst zu versorgen- begeben konnte und sich dort erbrochen hat, wobei im Laufe der Beobachtung durch die Arbeitskollegin auch dunkle Ränder um seine Augen auffielen, folgert der Sachverständige aus fachärztlicher Sicht überzeugend rück auf den Zeitpunkt des Stolpern bzw. Sturzgeschehens, welcher innerhalb versicherter Betätigung lag. Die insoweit allmählich zunehmenden Symptome mit Verwirrtheit, Eintrübung, Bewusstlosigkeit sowie die Zunahme sowohl der zunächst nicht auffälligen, dann sichtbaren und sich progredient darstellenden Kopfschwartenhämatome lassen nur den einen Rückschluss zu, dass der Kläger sich das Trauma kurz nach Verlassen und Abstellen seines Pkw zugezogen hat; ein früheres Auftreten wäre mit einer annähernd halbstündigen Autofahrt von C1-T1 nach C T nicht vereinbar. Dass der Unfall bei versicherter Tätigkeit sich zugetragen hat, steht für das Gericht unter besonderer Berücksichtigung der Eigenheiten der besonderen Fallgestaltung außer Zweifel. Anhaltspunkte für eine irgendwie nur geartete eigenwirtschaftliche Betätigung, bei welcher sich der Unfall hätte zutragen können, sind nicht ersichtlich. Aus eigener Kenntnis der Kammer befindet sich die Arbeitsstätte des Klägers außerhalb des Stadtkerns und ist insoweit "letztes Haus" nach Verlassen der Gemeinde, gelegen an der auswärts Richtung L/W1 führenden Straße. Gastronomiemöglichkeiten, in welche der Kläger hätte einkehren können, etwa eine Bäckerei, sind nicht vorhanden, abgesehen davon, dass der Kläger zum Einen Lebensmittel zur Nahrungsaufnahme während des Tages mit sich führte, zum Anderen wegen des frühen Zeitpunktes eines möglichen Unfallereignisses derartige Einkaufsmöglichkeiten auch nicht geöffnet hätten. Sonstige eigenwirtschaftliche Betätigungen, auch innerhalb des Bäderbetriebes, sind ebenso wenig ersichtlich, als etwa die dortige Gastronomie zur morgendlichen Uhrzeit, zumal am fraglichen Tage Badebetriebsbeginn erst um 09.00 Uhr war, nicht geöffnet war. Von daher sind eigenwirtschaftliche Betätigungen, die eine nicht unerhebliche Unterbrechung der versicherten Tätigkeit hätten bedingen können, bei lebensnaher Würdigung schwerlich denkbar; das Gericht konnte sich solche jedenfalls nicht vorstellen und hatte schlussendlich keine Zweifel daran, dass der Unfall sich nur bei versicherter Tätigkeit hat ereignen können, mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit auf dem Weg zur Arbeitsstätte, mit einer gewissen Möglichkeit, dies allerdings als einzige Denkalternative, im Rahmen der eigentlichen versicherten Tätigkeit. Dies konnte letztlich nach den Gründen der sog. Wahlfeststellung dahinstehen; führen nämlich alle denkbaren Verläufe zu dem Ergebnis, dass Versicherungsschutz zu bejahen ist, weil die versicherte Tätigkeit in jedem denkbaren Fall eine rechtlich wesentliche Ursache für den Unfall war, ist nach den Regeln der Wahlfeststellung Versicherungsschutz zu bejahen (vgl. hierzu Lauterbach, Unfallversicherung, Kommentar, § 8 SGB VII Rdnr. 78 f).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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