LAG Köln, Urteil vom 17.11.2016 - 7 Sa 357/16
Fundstelle
openJur 2019, 31039
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 1 Ca 3669/15

Zur Anrechenbarkeit einer sog. Besitzstandszulage auf den gesetzlichen Mindestlohn (vorliegend bejaht).

Tenor

Auf die Berufung des Klägers hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 03.02.2016 in Sachen 1 Ca 3669/15 teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird auf den Antrag zu 3) hin verurteilt, an den Kläger 53,23 € brutto zu zahlen.

Die Klageanträge zu 1) und 2) bleiben abgewiesen.

Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darum, ob die Arbeitgeberin im Zeitraum Februar bis September 2015 die Ansprüche des Klägers auf den gesetzlichen Mindestlohn erfüllt und angemessene Nachtzuschläge im Sinne von § 6 Abs. 5 ArbZG gezahlt hat. Ferner verlangt der Kläger eine anteilige Besitzstandszulage für die Zeit vom 21. - 31.07.2015.

Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die erste Kammer des Arbeitsgerichts Aachen dazu bewogen haben, die Klage vollständig abzuweisen, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils vom 03.02.2016 Bezug genommen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde dem Kläger am 11.03.2016 zugestellt. Der Kläger hat hiergegen am 06.04.2016 Berufung eingelegt und diese am 11.05.2016 begründet.

Der Kläger bleibt bei seiner Auffassung, dass die Beklagte im Anspruchszeitraum den ihm zustehenden gesetzlichen Mindestlohn der Zeitungszustellerbranche in Höhe von seinerzeit 6,38 € brutto/Stunde nicht vollständig erfüllt habe. Die ihm gezahlte sog. Besitzstandszulage dürfe nämlich nicht bei der Erfüllung des Mindestlohnanspruchs angerechnet werden. Sie werde losgelöst von seiner Arbeitsleistung gezahlt. Diese sei abhängig von der nächtlichen Arbeitszeit, den Wetterbedingungen und der Anzahl der Arbeitstage pro Monat und führe monatlich zu sehr unterschiedlichen Lohnhöhen. Die Besitzstandszulage hingegen werde unabhängig davon immer gleichbleibend in pauschaler Höhe von 150,-- € pro Monat gezahlt.

Ferner bestimme § 5 Ziffer 3 der Betriebsvereinbarung vom 22.05.1995, in der die Besitzstandsklausel geregelt sei, dass bei Lohnerhöhungen keine Anrechnung erfolgen dürfe. Auch deshalb sei sie nicht auf den Mindestlohn anrechenbar. Ferner ergebe sich aus Ziffer 4 des Vergleichs der Parteien vom 14.06.2013 in dem vorangegangenen Rechtsstreit LAG Köln 9 Sa 1084/12, dass die Besitzstandszulage in jetziger Höhe auch als Kompensation für die Kürzung des Urlaubsanspruchs, die Streichung von Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld und Jubiläumsgeld gezahlt werde.

Weiterhin bleibt der Kläger bei seiner Ansicht, dass ihm nach § 6 Abs. 5 ArbZG ein angemessener Nachtzuschlag in Höhe von 30 % zustehe und nicht lediglich, wie von der Beklagten für richtig gehalten, von 10 %. Die zum 01.01.2015 in Kraft getretene Betriebsvereinbarung, die dieses vorsehe, verstoße gegen § 6 Abs. 5 ArbZG. Zudem sei die Betriebsvereinbarung unwirksam, weil sie mit der Unabdingbarkeit des Mindestlohnes nach § 3 MiLoG nicht vereinbar sei. Die durch die Betriebsvereinbarung vorgenommene Kürzung des Nachtzuschlags auf 10 % bei gleichzeitiger Erhöhung des mindestlohnfähigen Stücklohnsatzes stelle eine Umgehung des Mindestlohngesetzes dar.

Der Kläger behauptet, er sei Nachtarbeiter im Sinne von § 2 Abs. 5 Nr. 2 ArbZG. Seine durchschnittliche normale Tagesarbeitszeit sei zwar zwischen den Parteien einvernehmlich auf 1 Stunde 46 Minuten festgelegt worden. Dies beziehe sich aber auf normales Wetter und einen normalen Arbeitsumfang. Im Winter bei Glatteis und Schnee oder im Sommer bei Gewitter, Sturm und Regen, oder wenn sog. Sonderzustellungen anfielen, benötige er oft mehr als 2 Stunden für die Zustellung. Der Kläger behauptet, dies sei mindestens 48 x im Jahr der Fall.

Wegen der Angemessenheit eines 30 %-tigen Nachtzuschlages verweist der Kläger auf die Entscheidung des BAG vom 09.12.2015 in Sachen 10 AZR 423/14, deren Grundsätze auf die Zeitungszustellerbranche übertragbar seien.

Zumindest könne er den bis zum 31.12.2014 von der Beklagten aufgrund der Vorgängerbetriebsvereinbarung gezahlten Nachtzuschlag in Höhe von 23,75 % beanspruchen. Dies, so der Kläger, folge schon aus Ziffer 4 des Vergleichs vom 14.06.2013; denn entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts enthalte Ziffer 4 keine dynamische, sondern eine statische Verweisung nur auf die im Zeitpunkt des Vergleichsschlusses geltenden betrieblichen Regelungen.

Schließlich behauptet der Kläger, dass die Beklagte nicht einmal die von der jetzigen BV vorgesehenen 10 % zahle, sondern de facto nur 8,14 %.

Der Kläger bleibt auch dabei, dass ihm die monatliche Besitzstandszulage für die Zeit vom 21.07. - 31.07.2015 nicht gezahlt worden sei.

Auf den vollständigen Inhalt der Berufungsbegründungsschrift des Klägers nebst ihren Anlagen und seinen weiteren Schriftsatz vom 03.11.2016 wird ergänzend Bezug genommen.

Der Kläger und Berufungskläger beantragt nunmehr,

unter Abänderung des am 03.02.2016 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Aachen, 1 Ca 3669/15, die Beklagte zu verurteilen,

1) an den Kläger 380,90 € rückständigen Mindestlohn zu zahlen;

2) an den Kläger 541,60 € zu zahlen;

3) an den Kläger 53,23 € zu zahlen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung des Kläger zurückzuweisen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte hält das arbeitsgerichtliche Urteil für zutreffend und verteidigt dessen Ergebnis. Auf die Einzelheiten der Berufungserwiderungsschrift der Beklagten wird ebenfalls Bezug genommen.

Gründe

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 03.02.2016 erweist sich als zulässig. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft. Sie wurde auch formell ordnungsgemäß und innerhalb der in

§ 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet.

II. Die Berufung des Klägers konnte jedoch nur in geringem Umfang, nämlich mit dem Klageantrag zu 3., Erfolg haben. Die Anträge zu 1. und zu 2. hat das Arbeitsgericht Aachen zu Recht abgewiesen.

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte für den Zeitraum Februar bis September 2015 keinen Anspruch auf rückständigen Mindestlohn; denn die Beklagte hat die Mindestlohnansprüche des Klägers in diesem Zeitraum vollständig erfüllt. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung sorgfältig, vollständig und in der Sache überzeugend begründet. Das Berufungsgericht knüpft an die Ausführungen des Arbeitsgerichts im Abschnitt I 1. seiner Entscheidungsgründe (Seite 6 - Seite 11 oben) an und macht sich diese zu Eigen.

Zusammenfassend und ergänzend bleibt auf Folgendes hinzuweisen:

a. Die Parteien streiten im Kern (nur) darum, ob die dem Kläger zustehende sog. Besitzstandszulage, die die Beklagte nach der Einigung der Parteien im Vergleich vom 14.06.2013 in Sachen LAG Köln, 9 Sa 1084/12 in einer gleichbleibenden Höhe von monatlich 150,- € an den Kläger erbringt, auf dessen Mindestlohnansprüche anrechenbar ist oder nicht. Wäre dies nicht der Fall, blieben die sonstigen auf den Mindestlohn des Klägers anrechenbaren Vergütungsbestandteile unstreitig in dem vom Kläger errechneten Umfang hinter den Mindestlohnansprüchen zurück.

b. Die Besitzstandszulage erweist sich jedoch als anrechenbar.

aa. Das Mindestlohngesetz selbst enthält keine Definition oder Aufzählung derjenigen Vergütungsbestandteile, die auf den gesetzlichen Mindestlohn anrechenbar sind.

bb. Das Mindestlohngesetz bezweckt, ein angemessenes Verhältnis von Arbeitsleistung und Arbeitsentgelt sicherzustellen, damit der Arbeitnehmer in die Lage versetzt wird, durch Arbeitseinkommen seine Existenz zu sichern, was als Ausdruck der Menschenwürde im Sinne von Artikel 1 Abs. 1 S. 1 GG anzusehen ist (BAG vom 25.05.2016, 5 AZR 135/16, NJW 2016, 3323 ff.). Der Begriff des Arbeitsentgelts ist dabei nach zutreffender höchstrichterlicher Rechtsprechung umfassend zu verstehen: Hierunter fallen alle im Synallagma, d. h. im Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleistung stehende Geldleistungen des Arbeitgebers (BAG a.a.O.).

cc. Von den im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis erbrachten Entgeltzahlungen des Arbeitgebers fehlt folglich nur solchen Zahlungen die Erfüllungswirkung, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf eine tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringt oder die - wie z. B. der gesetzliche Anspruch auf einen Nachtzuschlag nach § 6 Abs. 5 ArbZG - auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung beruhen (BAG a.a.O.). Anrechenbar sind dagegen nach der soeben zitierten Entscheidung des BAG auch Jahressonderzahlungen, wenn sie vorbehaltlos und unwiderruflich in jedem Kalendermonat zu 1/12 gezahlt werden und (nur) dann nicht geleistet werden, wenn der Arbeitnehmer in einzelnen Monaten überhaupt keinen Entgeltanspruch besitzt.

dd. Demnach erscheint die vorliegend von der Beklagten an den Kläger gezahlte Besitzstandszulage (erst Recht) anrechenbar.

aaa. Die vorliegend von der Beklagten gezahlte Besitzstandszulage wurde von den Parteien nicht etwa erstmals in ihren Vergleichsverhandlungen vom 14.06.2013 in Sachen LAG Köln 9 Sa 1084/92 "erfunden". Vielmehr erhielt der Kläger auch zum damaligen Zeitpunkt schon eine Besitzstandszulage, die in dem Vergleich vom 14.06.2013 lediglich der Höhe nach aufgestockt wurde. Die bereits zuvor gezahlte Besitzstandszulage, auf die Ziffer 2 des Vergleichs vom 14.06.2013 auch ausdrücklich Bezug nimmt, beruhte letztendlich auf § 5 der Betriebsvereinbarung vom 22. Mai 1995. Ausweislich § 5 Ziffer 1 der BV 1995 bezog sich die Besitzstandszulage ausdrücklich auf die "Gesamtvergütung". Damit steht fest, dass sie sich insbesondere auf den Teil der Arbeitsvergütung bezieht, die die arbeitgeberseitige Gegenleistung für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers darstellt.

bbb. Dem kann der Kläger nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass die jetzt gezahlte Besitzstandszulage insoweit von seiner Arbeitsleistung "abgekoppelt" gezahlt werde, als er sie jeden Monat in gleichbleibender Höhe erhalte, obwohl der Umfang seiner Arbeitsleistung und der dafür anfallenden Vergütung von Monat zu Monat stark variieren könne. Dass der Umfang der Arbeitsleistung und der sonstigen Vergütung des Klägers von Monat zu Monat variiert, z. B. weil in den einzelnen Monaten unterschiedlich viele Arbeitstage anfallen, während die Besitzstandszulage in immer gleicher Höhe gezahlt wird, ist kein Beleg dafür, dass die Besitzstandszulage nicht Bestandteil der arbeitgeberseitigen Gegenleistung für die vom Kläger erbrachte Arbeitsleistung ist, sondern stellt lediglich eine Folge der von den Parteien vereinbarten und in der BV 1995 (vgl. dort § 5 Ziffer 2) bereits angelegten Pauschalierung dar.

ccc. Dem Wesen eines im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Vergütungsbestandteils widerspräche es nur, wenn die Besitzstandszulage auch in Monaten gezahlt würde, in denen der Arbeitnehmer - z. B. aufgrund einer lang andauernden Erkrankung über den Entgeltfortzahlungszeitraum hinaus - überhaupt keinen Anspruch auf Vergütung für erbrachte Arbeitsleistung erworben hätte. Dass dies hier der Fall wäre, hat der Kläger aber auch nicht behauptet.

c. Zu Unrecht wendet der Kläger auch ein, dass die Anrechnung der Besitzstandszulage auf den Mindestlohn gegen § 5 Ziffer 3 der BV 1995 verstieße.

Der Kläger übersieht, dass es sich bei dem Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht um eine Lohnerhöhung handelt, sondern um eine Lohngarantie, die eine als objektiv angemessen anzusehende Mindestvergütung sicherstellen will. Zahlt ein Arbeitgeber eine im Sinne des Mindestlohngesetzes unangemessen niedrige Vergütung, kann dies zwar de facto aufgrund des Mindestlohnanspruchs zu einer ‚Lohnerhöhung‘ führen. Die Frage, welche der vom Arbeitgeber gezahlten Vergütungsbestandteile in die Angemessenheitsbetrachtung einfließen, ist jedoch Bestandteil der Anspruchsvoraussetzung und nicht der Rechtsfolge des Mindestlohnanspruchs.

2. Das Arbeitsgericht Aachen hat im Ergebnis zu Recht auch den Klageantrag zu 2. auf Nachzahlung von Nachtzuschlägen abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Nachzahlung von Nachtzuschlägen für den Zeitraum von Februar bis September 2015.

a. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob ein Nachtzuschlag in Höhe von 10 %, wie ihn die Betriebsvereinbarung 2015 vorsieht, bei objektiver Betrachtung im Sinne von § 6 Abs. 5 ArbZG als angemessen angesehen werden könnte. Der Arbeitnehmer, der einen Ausgleichsanspruch nach § 6 Abs. 5 ArbZG begehrt, hat nämlich zur Schlüssigkeit seiner Klage zunächst darzulegen und im Fall des Bestreitens zu beweisen, dass er Nachtarbeitnehmer im Sinne von § 2 Abs. 5 ArbZG ist und in welchem Umfang er Nacharbeit geleistet hat (BAG vom 09.12.2015, 10 AZR 423/14, NZA 2016, 426 ff.).

b. Dieser seiner Darlegungs- und Beweislast ist der Kläger nicht ausreichend nachgekommen.

aa. Der Kläger hatte zwar angegeben, dass er seine Arbeit als Zeitungszusteller ausschließlich in der Nachtzeit im Sinne von § 2 Abs. 3 ArbZG ausübt, also in der Zeit von 23.00 Uhr bis 6.00 Uhr.

bb. Nach § 2 Abs. 4 ArbZG ist Nachtarbeit im Sinne dieses Gesetzes jedoch nur diejenige Arbeit, die mehr als 2 Stunden der Nachtzeit umfasst. Nachtarbeitnehmer und somit potentieller Anspruchsteller nach § 6 Abs. 5 ArbZG ist gemäß § 2 Abs. 5 Nr. 2 ArbZG ferner nur, wer an mindestens 48 Tagen im Kalenderjahr Nachtarbeit leistet. Dies hat der Kläger zwar behauptet, aber in keiner Weise substantiiert dargelegt und unter Beweis gestellt.

aaa. So wurde zwischen den Parteien, wie der Kläger in seiner Berufungsbegründung selbst vorträgt und im Übrigen unstreitig ist, einvernehmlich die durchschnittliche normale tägliche Arbeitszeit auf 1 Stunde und 46 Minuten festgelegt. Die durchschnittliche normale Arbeitszeit des Klägers erfüllt die Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 Nr. 2 ArbZG somit nicht.

bbb. Der Kläger hat zwar behauptet, dass insbesondere bei bestimmten Extremwetterlagen die einvernehmlich festgelegte Durchschnittsarbeitszeit von 1 Stunde und 46 Minuten und auch die in § 2 Abs. 4 ArbZG genannte Mindestzeit von 2 Stunden überschritten werde. Die von dem Kläger vorgelegten Vergütungsabrechnungen für den gesamten Anspruchszeitraum im Jahre 2015 belegen dies jedoch nicht. Die Lohnabrechnungen enthalten, schon um die Vergleichsberechnungen zum Mindestlohn vornehmen zu können, jeweils die Angabe, wieviel Arbeitsstunden im fraglichen Lohnabrechnungszeitraum angefallen sind. Der Kläger hat diese Zeitangaben auch nicht bestritten, sondern im Gegenteil selbst zur Grundlage der Berechnung seiner vermeintlichen Nachzahlungsansprüche genommen. Ausgehend von der vom Kläger zu leistenden 6-Tage-Woche belegen die Arbeitszeitangaben in den Vergütungsabrechnungen in keinem einzigen Monat des Anspruchszeitraums, dass der Kläger mehr Arbeitszeit aufgewandt hat, als es der durchschnittlichen Normaltagesarbeitszeit von 1 Stunde 46 Minuten entspräche.

ccc. Damit stimmt überein, dass die Parteien ausweislich des arbeitgeberseitigen Schreibens vom 17.02.2015, welches der Kläger selbst als Anlage 5 zu seiner Berufungsbegründung vorgelegt hat, einen ausgeklügelten Mechanismus für den Fall vorgesehen haben, dass der Kläger an einem bestimmten Zustelltag mehr Zeit als die vorgesehene Sollarbeitszeit benötigt hätte. In diesem Falle wäre eine Korrekturmeldung auf bestimmten Wegen und mit bestimmtem Inhalt vorzunehmen gewesen, damit die mehr aufgewandte Arbeitszeit im Abrechnungszeitraum erfasst werden kann. Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass er auch nur an einem einzigen Tag eine derartige Korrekturmeldung vorgenommen hätte. Geschweige denn hat der Kläger eine Aufstellung derjenigen Tage vorgelegt, an denen er über die durchschnittliche Normalarbeitszeit hinaus mindestens 2 Stunden gearbeitet hätte.

c. Kann sich der Kläger somit nicht auf einen gesetzlichen Anspruch nach

§ 6 Abs. 5 ArbZG berufen, kann er seinen Anspruch auf Nachtzuschlag nur aus der aktuellen Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 2015 herleiten. Diese sieht jedoch nur einen 10 %-tigen Zuschlag vor.

d. Zutreffend hat das Arbeitsgericht bereits herausgearbeitet, dass der Kläger aus dem Vergleich vom 14.06.2013 in Sachen LAG Köln 9 Sa 1084/12 nicht etwa herleiten kann, dass sich seine persönlichen Ansprüche auf Nachtzuschläge auch nach Inkrafttreten der BV 2015 weiterhin nach der Vorgänger-BV zu richten hätten, die einen Nachtzuschlag im Umfang von 23,75 % vorsah.

aa. Dem Text von Ziffer 4 des Vergleichs lässt sich in keiner Weise entnehmen, dass zwischen den Parteien die im Zeitpunkt des Vergleichsschlusses ("derzeit") geltenden "betrieblichen Regelungen" zwischen den Parteien für alle Zeiten weiter Geltung beanspruchen sollten, auch wenn diese betrieblichen Regelungen in Zukunft abgelöst und durch neue ersetzt würden.

bb. Die Parteien haben in Ziffer 4 des Vergleichs vom 14.06.2013 ausdrücklich formuliert, dass das Arbeitsverhältnis "derzeit" auf der Grundlage der derzeit geltenden betrieblichen Regelungen abzuwickeln ist. Eine Aussage darüber, auf welcher Grundlage das Arbeitsverhältnis zukünftig abzuwickeln sein wird, trifft der Vergleich gerade nicht.

cc. Erst Recht trifft der Vergleich keine Aussage des Inhalts, dass das Arbeitsverhältnis auch künftig nach Inkrafttreten anderer als der "derzeitigen" Regelungen weiterhin dennoch nach den "derzeitigen" Regelungen abgewickelt werden soll.

dd. Dies wäre aber erforderlich gewesen, um den Ausnahmefall einer statischen Verweisung auf betriebliche Regelungen festzulegen. Treffen die Parteien keine eindeutige Vereinbarung mit dem Inhalt einer statischen Verweisung, bleibt es bei dem Normalfall, dass ein Arbeitsverhältnis durch die jeweils geltenden betrieblichen Regelungen bestimmt wird, die das Arbeitsverhältnis im vorliegenden Fall ohnehin erfassen würden.

e. Der Kläger kann auch mit der Behauptung nicht gehört werden, dass die Beklagte an ihn nicht einmal die in der aktuellen BV 2015 festgelegten 10 % Nachtzuschlag zahle, sondern nur einen Nachtzuschlag in realer Höhe von 8,14 %.

aa. Der Kläger legt seiner Berechnung fälschlich den Betrag zugrunde, der ihm nach seiner Berechnung im Anspruchszeitraum als Mindestlohn zugestanden hätte. Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch darauf, dass sein Nachtzuschlag mit 10 % vom Mindestlohn berechnet wird. Der gesetzliche Mindestlohn tritt neben den arbeits- bzw. tarifvertraglichen Vergütungsanspruch, lässt aber die Vergütungsvereinbarungen der Parteien selbst unberührt (BAG vom 25.05.2016, 5 AZR 135/16, NJW 2016, 3323 ff.). Keineswegs bestimmt das Mindestlohngesetz, dass alle arbeitsvertraglich vereinbarten oder in Betriebsvereinbarungen vorgesehenen Zuschläge nunmehr vom Mindestlohn berechnet werden müssen (BAG a.a.O.).

bb. Dafür, dass sich die Beklagte bei der Zahlung der Nachtzuschläge nicht an die in der dafür maßgeblichen BV 2015 vorgeschriebenen Regeln gehalten hätte, hat der Kläger nichts vorgetragen.

3. Mit seinem Klageantrag zu 3. musste der Kläger hingegen zur Überzeugung des Berufungsgerichts Erfolg haben. Dem Kläger steht für die Zeit vom 21.07. bis 31.07.2015 eine Nachzahlung auf die anteilige Besitzstandszulage für diesen Zeitraum in rechnerisch unstreitiger Höhe von 53,23 € zu. Es ist für das Berufungsgericht nicht nachvollziehbar, dass die Beklagte den Anspruch auf die pauschalierte Besitzstandszulage in Höhe von 150,-- € monatlich für den Monat Juli 2015 vollständig erfüllt hat.

a. Unstreitig hat die Beklagte zum 01.08.2015 ihr Abrechnungssystem insoweit umgestellt, als sie ab der Augustabrechnung 2015 nunmehr die im laufenden Kalendermonat angefallenen Leistungen des Arbeitnehmers erfasst, wobei die Abrechnung zu Beginn des Folgemonats vorgenommen wird. Bis zur Anfang August 2015 vorgenommenen Abrechnung für den Monat Juli 2015 war die Beklagte hingegen so vorgegangen, dass die Abrechnungen jeweils den Leistungszeitraum vom 21. des Vormonats bis zum 20. des Abrechnungsmonats erfassten.

b. Die Abrechnung für den Monat Juli 2015 erfasste somit die Vergütungsansprüche, die der Kläger im Zeitraum vom 21.06. bis 20.07.2015 erarbeitet hatte. Die Abrechnung für August 2015 hätte in Anbetracht der Systemumstellung nunmehr an sich nur die ab dem 01.08.2015 entstandenen Vergütungsansprüche erfassen müssen. Die Beklagte hat jedoch erkannt, dass dann hinsichtlich der vom Kläger in der Zeit vom 21.07. bis 31.07.2015 erbrachten Leistungen eine Lücke entstanden wäre. Demzufolge erfasst die Abrechnung August 2015 auch diese Leistungen und bezieht sich infolgedessen auf 63,6 Stunden, während sich die anderen Lohnabrechnungen des Anspruchszeitraums Februar bis September 2015 jeweils nur auf gearbeitete Mengen zwischen 43,22 Stunden und 50,62 Stunden beziehen.

c. Dementsprechend erfasst die in der Juliabrechnung 2015 enthaltene Besitzstandspauschale ebenfalls den früher maßgeblichen Zeitraum vom 21.06. bis 20.07.2015. Anders als beim eigentlichen Zustelllohn geschehen hat die Beklagte diese Lücke in der Augustabrechnung 2015 nicht geschlossen. Sie hat hier ebenfalls nur die monatliche Pauschale in Höhe von 150,-- € abgerechnet, so dass der Kläger im Ergebnis für die Zeit vom 21.07. bis 31.07.2015 bislang keine Besitzstandspauschale erhalten hat.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision ist nicht gegeben.

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