FG Münster, Urteil vom 14.05.2019 - 2 K 3677/16 E
Fundstelle
openJur 2019, 31006
  • Rkr:
Tenor

Der Einkommensteuerbescheid für 2012 vom 13.04.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.10.2016 wird nach Maßgabe der Urteilsgründe geändert.

Die Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuer wird dem Beklagten übertragen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Höhe der Einkünfte des Klägers aus Kapitalvermögen bei der Einkommensteuer 2012.

Der Kläger wird mit seiner Ehefrau beim Beklagten zur Einkommensteuer zusammenveranlagt.

Im Streitjahr 2012 war der Kläger zu 20 % an der X-GmbH mit Sitz in B-Stadt beteiligt. Gleichzeitig war er für diese als Geschäftsführer tätig. Die X-GmbH hatte im August 2005 einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit der C-GmbH abgeschlossen. An der C-GmbH war der Kläger nicht beteiligt.

Ausweislich des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags sollte der Kläger zur Abgeltung seines Gewinnanteils an der X-GmbH Ausgleichszahlungen von der C-GmbH erhalten. In Höhe der jeweiligen Ausgleichszahlungen stellte der Kläger der C-GmbH entsprechende Darlehen zur Verfügung, die jeweils mit 6 % jährlich verzinst werden sollten. Auf der Grundlage dieser Vereinbarungen entwickelten sich die Darlehen des Klägers gegenüber der C-GmbH wie folgt:

Ausgleichszahlung

Vertrag vom

Darlehenssumme (in €)

Zinssatz

2005

31.07.2006

121.248,79

6 % p.a.

2006

30.07.2007

282.526,32

6 % p.a.

2007

30.07.2008

307.599,53

6 % p.a.

Gesamt

711.374,64

In seinen Steuererklärungen der Jahre 2006 - 2012 erklärte der Kläger keine Zinseinnahmen aus diesen Darlehen.

Da der Kläger und seine Ehefrau trotz Aufforderung keine Einkommensteuerklärung für 2012 einreichten, schätzte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen und erließ unter dem 20.08.2014 einen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 AO stehenden Einkommensteuerbescheid für 2012. Nachdem die Eheleute noch im August 2014 ihre Einkommensteuerklärung für 2012 beim Beklagten eingereicht hatten, erließ dieser unter dem 13.04.2015 einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 2012. Darin ließ er unter anderem Werbungskosten i.H.v. 18.893,90 € unberücksichtigt, die der Kläger im Zusammenhang mit zivilrechtlichen Auseinandersetzungen mit der C-GmbH bei seinen Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit erklärt hatte.

Der Einspruch hiergegen war nur teilweise erfolgreich (Einspruchsentscheidung vom 24.10.2016). Die Nichtberücksichtigung der Werbungskosten begründete der Beklagte damit, die geltend gemachten Gerichts- und Rechtsanwaltskosten aus der Auseinandersetzung mit der C-GmbH seien in Höhe von 12.474,- € zwar dem Grunde nach als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigungsfähig. Ein Abzug scheide im Streitfall aber aus. Denn durch die Einführung der Abgeltungssteuer im Rahmen des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 sei die Besteuerung von Kapitalerträgen, privaten Veräußerungsgeschäften und sonstigen Einkünften, soweit Geldgeschäfte betroffen seien, neu geregelt worden. Danach unterlägen Einkünfte aus Kapitalvermögen grundsätzlich einem Steuersatz von 25 %, der eine abgeltende Wirkung entfalte (§ 43 Abs. 5 EStG). Werbungskosten könnten in diesem Fall nicht geltend gemacht werden (§ 20 Abs. 9, 2. HS EStG).

Zwar könnte nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG für Kapitalerträge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG zur tariflichen Einkommensteuer optiert werden. Voraussetzung sei in diesem Fall, dass der Steuerpflichtige im Veranlagungszeitraum, für den der Antrag auf Option erstmals gestellt werde, unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 25 % an einer Kapitalgesellschaft beteiligt sei oder zu mindestens 1 Prozent an der Kapitalgesellschaft beteiligt und beruflich für diese tätig sei. Dies treffe in der Person des Klägers zu, da dieser zu 20 % an der X-GmbH beteiligt und gleichzeitig als deren Geschäftsführer tätig sei. Der Kläger habe aber bei der Abgabe seiner Einkommensteuererklärung am 25.08.2014 keinen entsprechenden Antrag zur Anwendung der tariflichen Einkommensteuer erklärt (Hinweis auf § 32 d Abs. 2 Nr. 3 S. 3-6 EStG). Der erst im Verlauf des Einspruchsverfahrens gestellte Antrag des Klägers könne somit nicht mehr berücksichtigt werden.

Außerdem berücksichtigte der Beklagte nach erfolgtem Verböserungshinweis beim Kläger im Zusammenhang mit der Darlehensgewährung erstmals Zinsen in Höhe von 42.556,06 € gemäß 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, die von der C-GmbH für das 1. und 3. Quartal 2012 auf dem firmeninternen Buchungskonto mit der Bezeichnung "Darlehen [Kläger]" verbucht worden waren.

Der Kläger hat daraufhin die vorliegende Klage erhoben, die er wie folgt begründet:

Er habe der C-GmbH in den Jahren 2006 - 2008 Darlehensmittel in Höhe von insgesamt 711.374,64 € zu Verfügung gestellt. Diese Beträge resultierten aus organschaftlichen Ausgleichsansprüchen für die Jahre 2005 - 2007, die nicht an ihn ausgezahlt, sondern in drei Darlehen umgewandelt worden seien. Alle drei Darlehen seien unbefristet gewährt worden und sollten mit 6 % Zinsen p.a. verzinst werden. Über die Fälligkeit der Zinsen und deren Auszahlung seien keine Regelungen getroffen worden. Zinszahlungen an ihn seien allerdings nie erfolgt. Die Darlehensverhältnisse seien von ihm mit Schreiben vom 19.07.2012 gegenüber der C-GmbH gekündigt und mit einer Frist von drei Monaten fällig gestellt worden. Zu Darlehensrückzahlungen oder zu einer Auszahlung von Darlehnszinsen sei es aber nie gekommen, da die Darlehensschuldnerin Ende 2012 insolvent geworden sei. Das Insolvenzverfahren sei im März 2013 eröffnet worden. Da ihm im Kalenderjahr 2012 weder Zinszahlungen ausgezahlt noch auf ein ihm zugehöriges Bankkonto überwiesen worden seien, sei ein direkter Zufluss von Zinserträgen an ihn definitiv nicht erfolgt. Zwar könne auch eine Gutschrift in den Büchern des Verpflichteten unter bestimmten Voraussetzungen zu einem Zufluss beim Berechtigten führen, soweit darin nicht nur ein buchmäßiges Festhalten von Zahlungsverpflichtungen zu sehen sei. Insoweit werde aber bestritten, dass in den Büchern der Darlehensschuldnerin im Streitjahr 2012 entsprechende Zinsverpflichtungen buchmäßig festgehalten worden seien. Die Ausführungen des Beklagten in seiner Einspruchsentscheidung vom 24.10.2016 seien für ihn nicht nachvollziehbar. Ihm liege lediglich eine Saldenfeststellung des bei der C-GmbH geführten Darlehenskontos bis zum 31.12.2011 vor.

Aber selbst wenn im Streitjahr 2012 in den Büchern der C-GmbH eine Zinsgutschrift auf dem Darlehenskonto erfasst worden sein sollte, würde diese buchmäßige Erfassung der Zinsen nicht zu einem Zufluss bei ihm führen. Unabdingbare Voraussetzung für die Annahme des Zuflusses sei neben der Leistungsbereitschaft und der Leistungsfähigkeit des Schuldners auch die Information an den Gläubiger, dass eine Gutschrift in den Büchern erfolgt sei und der Gläubiger nunmehr über diese Beträge verfügen könne. Eine solche Mitteilung an ihn sei zu keinem Zeitpunkt erfolgt. Eine Gutschrift von Zinsen lediglich auf einem internen Darlehenskonto bei der C-GmbH wäre von ihm auch nicht akzeptiert worden, da sämtliche Darlehen von ihm bereits vor der Verbuchung auf dem Darlehenskonto gegenüber der C-GmbH gekündigt worden seien. Im Übrigen habe weder eine Leistungsbereitschaft der C-GmbH auf Rückzahlung der fälligen Darlehen nebst Zinsen bestanden, noch sei die Gesellschaft dazu wirtschaftlich in der Lage gewesen. Auch aus dem von ihm angestrebten Gerichtsverfahren gegen die C-GmbH beim Landgericht D-Stadt und dem vorausgegangenem Mahnverfahren beim Amtsgericht E-Stadt sei eindeutig zu entnehmen, dass die Darlehensschuldnerin nicht habe zahlen wollen und dies offensichtlich auch nicht konnte. Im Übrigen könne im Streitfall auch keine Novation hinsichtlich der Zinsansprüche angenommen werden, da er ausweislich der Kündigung der Darlehensverhältnisse gerade auf Auszahlung seiner Ansprüche bestanden habe.

Die ihm in Form von Anwalts- und Gerichtskosten entstandenen Aufwendungen i.H.v. 12.474,- € seien als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen. Diese Aufwendungen seien von ihm in der Einkommensteuererklärung für 2012 als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit erklärt worden, da er anwaltliche Beratungen zur Klärung von Tantiemeansprüchen, zur Beurteilung von Haftungsproblemen als Geschäftsführer der X-GmbH im Rahmen des Insolvenzverfahrens sowie zur Durchsetzung von Ansprüchen gegen die eigene Gesellschaft und die Muttergesellschaft (C-GmbH) in Anspruch genommen habe. Erst im Veranlagungsverfahren sei einvernehmlich mit dem Beklagten eine Aufteilung dieser Aufwendungen auf die Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit sowie aus Kapitalvermögen vorgenommen worden. Bei der erstmaligen Abgabe der Einkommensteuererklärung für 2012 sei von ihm dementsprechend kein Antrag auf Anwendung der Regelbesteuerung nach § 32 d Abs. 2 Nr. 3 EStG gestellt worden, da er keine Einkünfte im Sinne dieser Vorschrift erklärt habe. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei aber der später von ihm gestellte Antrag auf Anwendung der Regelbesteuerung zu berücksichtigen. Diese Rechtsauffassung werde auch vom FG München in seiner Entscheidung vom 15.06.2016 (Az.: 9 K 190/16, EFG 2016, 1503) bestätigt. Darin habe das Finanzgericht für die Besteuerung von verdeckten Gewinnausschüttungen festgestellt, dass die Fristenregelung des § 32d Abs. 2 Nr. 3b EStG nicht zur Anwendung komme, wenn nachträglich Kapitaleinkünfte der Besteuerung unterworfen würden, die vorher als Einnahmen bei anderen Einkunftsarten erklärt worden seien. Dementsprechend müsse auch nach der vorliegenden Umqualifizierung der Anwalts- und Gerichtskosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch ein Antrag auf Regelbesteuerung möglich sein, denn bei Abgabe der Einkommensteuererklärung seien gerade keine entsprechenden Kapitaleinkünfte erklärt worden, für die gegebenenfalls das Besteuerungswahlrecht nach § 32d Abs. 2 Nr. 3b EStG hätte ausgeübt werden können.

Der Kläger beantragt,

den Einkommensteuerbescheid für 2012 vom 13.04.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.10.2016 dahingehend zu ändern, dass die Kapitalerträge i.S.v. § 20 i.V.m. § 32d Abs. 1 EStG um den Betrag von 42.556,- € vermindert werden und unter Anwendung der tariflichen Besteuerung bei den Einkünften aus Kapitalvermögen Werbungskosten in Höhe von 12.474,- € berücksichtigt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist zur Begründung auf die Ausführungen in seiner Einspruchsentscheidung. Ergänzend führt er aus, die Zinsgutschriften aus 2012 seien von dem für die C-GmbH zuständigen Finanzamt mitgeteilt worden und ergäben sich auch rechnerisch. Der Kontostand des Darlehenskontos bei der C-GmbH zum 31.12.2011 habe 916.992,56 €, die Ausschüttung für 2012 die Summe von 272.802,99 € (Gesamtsumme: 1.189.795,55 €) betragen. Es sei ein Zinssatz von 6 % für eine halbes Jahr (= 35.693,87 €) sowie für ein Vierteljahr (= 17.846,93 €) zugrunde gelegt worden. Nach Aktenlage seien diese Zinsbeträge auch in den Büchern der C-GmbH zum 30.06.2012 sowie zum 30.09.2012 verbucht worden. Informationen darüber, inwiefern von der C-GmbH Mitteilungen hierüber an den Kläger erfolgt seien, lägen ihm nicht vor.

Entgegen der Auffassung des Klägers sei davon auszugehen, dass die C-GmbH auch leistungsbereit und leistungsfähig gewesen sei. Die Zahlungsverpflichtung der C-GmbH sei unbestritten und eindeutig. Daher seien unabhängig von einer Zahlung bestimmte Verhaltensweisen des Schuldners - hier der C-GmbH - wirtschaftlich so zu beurteilen, als ob der Schuldner gezahlt habe. Der Kläger als Gläubiger der Darlehenszinsen müsse nur - wie vom BFH für die Scheckhingabe entschieden - in der Lage sein, den Leistungserfolg ohne weiteres Zutun des im Übrigen leistungsbereiten und -fähigen Schuldners herbeizuführen.

Im Übrigen sei, solange ein Antrag auf Eröffnung des Konkurs- oder Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners noch nicht gestellt worden sei, eine Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zu verneinen. Demnach sei davon auszugehen, dass die Gesellschaft zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Zinsen noch zahlungsfähig gewesen sei.

Zwar sei zwischen den Beteiligten zwischenzeitlich unstreitig, dass geltend gemachte Anwalts- und Gerichtskosten in Höhe von anteilig 12.474,- € abweichend von der Steuererklärung dem Grunde nach den Einkünften aus Kapitalvermögen zuzuordnen seien. Es handele sich im Streitfall jedoch nicht um Umqualifizierungen von Aufwendungen, sondern der Kläger habe vielmehr insoweit eine unzutreffende Steuererklärung eingereicht und es versäumt, die entsprechenden Nachweise bereits seiner Steuererklärung beizufügen. Ob dem Kläger bei der Überprüfung aller Unterlagen im Zusammenhang mit der Einkommensteuererklärung für 2012 die unzutreffende Zuordnung der Aufwendungen aufgefallen wäre, sei nicht Gegenstand der Einspruchsentscheidung gewesen. Soweit der Kläger sich auf die Entscheidung des FG München berufe, werde darauf hingewiesen, dass der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt insofern von dem hier vorliegenden Sachverhalt abweiche, als im Streitfall eben nicht Kapitaleinkünfte nachträglich festgestellt worden seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Der Senat hat am 14.05.2019 mündlich verhandelt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid für 2012 vom 13.04.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.10.2016 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat dem Kläger zu Unrecht Darlehenszinsen in Höhe von 42.556,- € zugerechnet und eine Berücksichtigung von Werbungskosten in Höhe von 12.474,- € bei den Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen abgelehnt.

Dem Kläger sind die in Rede stehenden Zinseinnahmen im Zusammenhang mit der Darlehensgewährung nicht im Streitjahr 2012 zugeflossen. Entgegen der Auffassung des Beklagten führt die Verbuchung der Zinsen zugunsten des Klägers auf dem unter der Bezeichnung "Darlehen [Kläger]" (Nr. xxxx) geführten Konto bei der C-GmbH beim Kläger nicht zu einem Zufluss gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 EStG.

Danach sind Einnahmen grundsätzlich innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind (§ 11 Abs. 1 S. 1 EStG).

Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH sind Einnahmen (§ 8 Abs. 1 EStG) zugeflossen, sobald der Steuerpflichtige wirtschaftlich über sie verfügen kann (z.B. BFH-Urteil vom 14.02.1984 VIII R 221/80, BStBl II 1984, 480, unter 2. der Gründe). Geldbeträge fließen dem Steuerpflichtigen in der Regel dadurch zu, dass sie bar ausgezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden. Ebenso kann eine Gutschrift in den Büchern des Verpflichteten den Zufluss bewirken, wenn in der Gutschrift nicht nur das buchmäßige Festhalten einer Schuldverpflichtung zu sehen ist, sondern darüber hinaus zum Ausdruck gebracht wird, dass der Betrag dem Berechtigten von nun an zur Verwendung zur Verfügung steht (ständige Rechtsprechung seit BFH-Urteil vom 09.04.1968 IV 267/64, BStBl II 1968, 525). Der Gläubiger muss allerdings in der Lage sein, den Leistungserfolg ohne weiteres Zutun des im Übrigen leistungsbereiten und leistungsfähigen Schuldners herbeizuführen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 22.07.1997 VIII R 57/95, BStBl II 1997, 755). Ob der Steuerpflichtige im Einzelfall tatsächlich die wirtschaftliche Verfügungsmacht erlangt und ausgeübt hat, ist eine Frage der Tatsachenfeststellung und -würdigung, die dem FG obliegt (vgl. BFH-Urteil vom 30.11.2010 VIII R 40/08, BFH/NV 2011, 592). Hierbei hat das FG alle Umstände des Einzelfalles zu prüfen. Entscheidend kommt es dabei auf den Zeitpunkt des mutmaßlichen Zuflusses an (vgl. BFH-Urteile vom 16.03.2010 VIII R 4/07, BFH/NV 2010, 1527 und vom 30.11.2010, a.a.O.).

Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 10.07.2001 VIII R 35/00, BStBl II 2001, 646 m.w.N.) kann ein Zufluss aber auch durch eine gesonderte Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger bewirkt werden, dass der Betrag fortan aus einem anderen Rechtsgrund geschuldet werden soll. In dieser Schuldumschaffung (Novation) kann eine Verfügung des Gläubigers über seine bisherige Forderung liegen, die einkommensteuerrechtlich so zu werten ist, als ob der Schuldner die Altschuld durch tatsächliche Zahlung beglichen hätte (= Zufluss beim Gläubiger) und der Gläubiger den vereinnahmten Betrag infolge des neu geschaffenen Verpflichtungsgrundes dem Schuldner sofort wieder zur Verfügung gestellt hätte (= Wiederabfluss des Geldbetrages beim Gläubiger). Der zuletzt beschriebene lange Leistungsweg wird durch die Novationsvereinbarung lediglich verkürzt, indem auf den überflüssigen Umweg der Aus- und Rückzahlung des Geldbetrages verzichtet wird. Voraussetzung dafür ist aber u.a., dass sich die Novation als Folge der Ausübung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht des Gläubigers (Steuerpflichtigen) über den Gegenstand der Altforderung darstellt, also auf einem freien Entschluss des Gläubigers beruht hat (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 17.07.1984 VIII R 69/84, BStBl II 1986, 48; und vom 24.03.1993 X R 55/91, BStBl II 1993, 499). Für die Beantwortung dieser Frage kommt dem Umstand eine wichtige Bedeutung zu, in wessen Interesse die Novation lag. Lag sie im alleinigen oder überwiegenden Interesse des Gläubigers, indiziert dies dessen Verfügungsmacht über den Gegenstand der Altforderung (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 14.05.1982 VI R 124/77, BStBl II 1982, 469; vom 24.03.1993, a.a.O.) Die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Zuflusses von Kapitaleinnahmen müssen im Einzelfall nachgewiesen werden. Die Steuergerichte sind zwar verpflichtet, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen (§ 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Kann ein Sachverhalt, aus dem das Finanzamt eine steuerbegründende Tatsache herleiten will, aber nicht hinreichend aufgeklärt werden, so trifft das Finanzamt der Nachteil der verbleibenden Ungewissheit. Es trägt die objektive Beweislast (Feststellungslast) für die Tatsachen, die den Zufluss von Kapitaleinnahmen begründen (BFH-Urteil vom 30.10.2001 VIII R 15/01, BStBl II 2002, 138).

Gemessen an diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall beim Kläger kein Zufluss der streitigen Kapitalerträge i. H. v. 42.556,- € gegeben.

Die C-GmbH hat zwar die streitigen Zinsen in ihren Büchern auf dem Konto mit der Bezeichnung "Darlehen [Kläger]" im Streitjahr 2012 verbucht. Für den Senat ist aber nicht ersichtlich, dass der Kläger mit der Verbuchung der Zinsen auf diesem Konto bei der C-GmbH tatsächlich wirtschaftlich über diese Beträge verfügen konnte. Insbesondere ist für den erkennenden Senat nicht ersichtlich, dass es sich bei diesem Konto um ein sogenanntes Verrechnungskonto gehandelt hat, auf dass der Kläger jederzeit und ohne Einschränkungen hätte zugreifen können; zumal der Kläger weder an der C-GmbH beteiligt noch als Geschäftsführer für diese tätig gewesen ist. Auch aus dem Umstand, dass der Kläger an der der X-GmbH, einer Tochtergesellschaft der C-GmbH, zu 20 % beteiligt gewesen und für diese als Geschäftsführer tätig gewesen ist, lassen sich keine Rückschlüsse darauf ziehen, dass der Kläger einschränkungslosen Zugriff auf das bei der C-GmbH geführte Darlehenskonto hatte. Der bloße Ausweis des Zinsanspruchs als Verbindlichkeit der C-GmbH gegenüber dem Kläger in den Büchern der Gesellschaft versetzte den Kläger somit nicht in die Lage den Leistungserfolg ohne das Zutun der Verantwortlichen der C-GmbH herbeizuführen.

Eine Novation kann im vorliegenden Fall ebenfalls nicht angenommen werden. Insoweit fehlt es bereits am Nachweis einer entsprechenden Novationsvereinbarung zwischen der C-GmbH und dem Kläger.

Die vom Kläger bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend gemachten Gerichts- und Rechtsanwaltskosten in Höhe von 12.474,- € sind als Werbungskosten zu berücksichtigen. Entgegen der Auffassung des Beklagten war der Werbungskostenabzug nicht gemäß § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG ausgeschlossen, da im Streitfall die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 32d Abs. 2 Nr. 3b EStG vorliegen.

Mit der Einführung der Abgeltungssteuer zum 01.01.2009 hat sich die Systematik der Ermittlung von Einkünften aus Kapitalvermögen grundlegend geändert. Diese Einkünfte unterliegen nunmehr auf der einen Seite - von Ausnahmen abgesehen - einem gesonderten Steuertarif von (lediglich) 25%. Auf der anderen Seite hat der Gesetzgeber den Werbungskostenabzug eingeschränkt. Gem. § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG ist bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen als Werbungskosten ein Betrag von 801 € abzuziehen (Sparer-Pauschbetrag); der Abzug der tatsächlichen Werbungskosten ist ausgeschlossen. Ausnahmen hiervon sind in § 32d Abs. 2 EStG geregelt. Danach können in bestimmten Konstellationen die tatsächlich entstandenen Werbungskosten Berücksichtigung finden. Allerdings findet dann nicht der gesonderte Steuertarif von 25% Anwendung, sondern die betreffenden Einkünfte aus Kapitalvermögen gehen - zusammen mit den Einkünften aus anderen Einkunftsarten - in das zu versteuernde Einkommen ein und unterliegen dem allgemeinen (progressiven) Steuertarif.

Im Streitfall liegen die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 32d Abs. 2 Nr. 3b EStG vor.

Nach dieser Vorschrift kann auf Antrag auf die Anwendung der Abgeltungssteuer für Kapitalerträge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG aus einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft verzichtet werden, wenn der Steuerpflichtige im Veranlagungszeitraum, für den der Antrag erstmals gestellt wird, unmittelbar oder mittelbar in einer bestimmten Höhe an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist. Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen finden u.a. § 20 Abs. 6 und Abs. 9 EStG keine Anwendung, § 32 d Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 EStG. Nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG ist der Antrag spätestens zusammen mit der Einkommensteuererklärung für den jeweiligen Veranlagungszeitraum zu stellen und gilt, solange er nicht widerrufen wird, auch für die folgenden vier Veranlagungszeiträume, ohne dass die Antragsvoraussetzungen erneut zu belegen sind.

Nach diesen Maßstäben ist im Streitfall der begehrte Werbungskostenabzug gegeben. Ein Antrag gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3b EStG ist von dem Kläger zwar nicht bei Abgabe der Einkommensteuererklärung für 2012, sondern erst im Verlauf des Einspruchsverfahrens beim Beklagten gestellt worden. Diese spätere Antragstellung steht im Streitfall aber einer Anwendung der Ausnahmevorschrift nicht entgegen. Zwar ist nach der Rechtsprechung des BFH die Möglichkeit, den Antrag nachträglich stellen zu können, nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Vorschrift ("spätestens") ausgeschlossen (so u.a. Urteil des BFH vom 28.07.2015 VIII R 50/14, BStBl II 2015, 894). Das Finanzgericht München hat aber in seiner Entscheidung vom 15.06.2015 (Az.: 9 K 190/16) die Auffassung vertreten, dass die Vorschrift des § 32d Abs. 2 Nr. 3 S. 4 Halbsatz 1 EStG nach seinem Sinn und Zweck im Wege einer teleologischen Reduktion dann nicht anzuwenden ist, wenn dem Steuerpflichtigen aus einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft verdeckte Gewinnausschüttungen zugeflossen sind, die er in seiner Einkommensteuererklärung als Einnahmen aus einer anderen Einkunftsart als den Kapitaleinkünften erklärt hat und die erst nachträglich zutreffend als Kapitaleinkünfte besteuert werden. In einem solchen Fall kann nach Ansicht des FG München der Steuerpflichtige sein Wahlrecht zur Besteuerung nach dem Teileinkünfteverfahren solange ausüben, bis der Einkommensteuerbescheid des Veranlagungszeitraumes formell und materiell bestandskräftig ist. Begründet hat das Finanzgericht die teleologische Reduktion dieser Vorschrift damit, dass anders als nach dem Gesetzeszweck - u.a. die Verhinderung eines auf Steueroptimierung gerichteten ständigen Wechsels des Besteuerungsregimes und die Erleichterung der Administration der Wahlrechtsausübung - im ihm zur Entscheidung vorliegenden Fall die erstmalige Ausübung des Wahlrechts nach Abgabe der Einkommensteuererklärung nicht zu einem Wechsel des Besteuerungsregimes sondern zur erstmaligen Anwendung entweder des § 32d Abs. 1 EStG oder des § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG auf die betreffenden Kapitalerträge geführt habe. Dementsprechend vereinfache es nicht das Verfahren für den Steuerpflichtigen, denn dieser müsste andernfalls das Wahlrecht für seine Beteiligung (vorsorglich) spätestens zusammen mit der Einkommensteuererklärung ausüben, obwohl er - aus seiner Sicht - keine Kapitaleinkünfte aus dieser Beteiligung erzielt hat. Dies widerspräche dem Zweck des Wahlrechts, es dem unternehmerisch beteiligten Steuerpflichtigen zu ermöglichen, seine "Dividendeneinkünfte" - vergleichbar einer Beteiligung im Betriebsvermögen - dem progressiven Einkommensteuertarif unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens zu unterwerfen und seine Aufwendungen für die Fremdfinanzierung auch oberhalb der Grenze des Sparer-Pauschbetrages geltend zu machen (vgl. § 32d Abs. 2 Nr. 3 Sätze 1 und 2 EStG; BTDrucks 16/7036, S. 14). Dieser Zweck komme auch im Wortlaut des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG zum Ausdruck, der den Antrag ausdrücklich auf Kapitalerträge ("für") bezieht. Dementsprechend mache die Ausübung des Wahlrechts für den Steuerpflichtigen nur und erst dann Sinn, wenn er - aus seiner Sicht - (positive oder negative) Kapitaleinkünfte aus der Beteiligung erzielt habe. Der hier erkennende Senat schließt sich den Ausführungen des FG München insoweit vollumfänglich an. Denn auch im vorliegenden Verfahren hat der Steuerpflichtige die in Rede stehenden Werbungskosten bei Abgabe seiner Einkommensteuererklärung zunächst fälschlicherweise einer anderen Einkunftsart - hier den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit - zugeordnet. Erst im Verlauf des Einspruchsverfahrens haben sich die Beteiligten dahingehend verständigt, dass diese Aufwendungen im Zusammenhang mit der Beteiligung des Klägers an der X-GmbH stehen und daher den Einkünften aus Kapitalvermögen zuzuordnen sind.

Die Übertragung der Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuer beruht auf § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. § 709 der Zivilprozessordnung.

Die Revision wird im Hinblick auf das derzeit beim BFH anhängige Verfahren (Az.: VIII R 20/16) nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.