BGH, Beschluss vom 07.08.2019 - XII ZB 29/19
Fundstelle
openJur 2019, 30969
  • Rkr:
Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 29. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 12. September 2018 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

Wert: 5.000 €

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 22. Februar 2018 die für den Betroffenen, einen Rechtsanwalt, bestehende Betreuung um den Aufgabenbereich "Entscheidung über den Verzicht auf die anwaltliche Zulassung gegenüber der Rechtsanwaltskammer" erweitert. Mit Schreiben vom 8. März 2018 verzichtete der für den Betroffenen als Berufsbetreuer bestellte Rechtsanwalt gegenüber der Rechtsanwaltskammer auf die Rechte des Betroffenen aus der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft und erklärte zugleich den Verzicht auf Rechtsmittel gegen den Widerruf der Anwaltszulassung. Daraufhin widerrief die Rechtsanwaltskammer mit einem dem Betreuer am 22. März 2018 zugegangenen Schreiben die Zulassung des Betroffenen zur Rechtsanwaltschaft.

Am 23. März 2018 hat der Betroffene Beschwerde gegen die Erweiterung der Betreuung eingelegt, die er am 26. März 2018 begründet hat. In der Begründung weist er auf den zwischenzeitlich erklärten Zulassungsverzicht durch den Betreuer hin und führt an mehreren Stellen aus, dass der Beschluss des Amtsgerichts rechtswidrig sei. Mit Beschluss vom 12. September 2018 hat das Landgericht die Beschwerde des Betroffenen verworfen, weil mit der Abgabe der Verzichtserklärung durch den Betreuer Erledigung eingetreten sei und der Betroffene trotz Hinweises keinen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit gemäß § 62 FamFG gestellt habe.

Hiergegen richtet sich die am 21. Januar 2019 eingegangene Rechtsbeschwerde des Betroffenen.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, insbesondere nicht erst nach Ablauf der Monatsfrist des § 71 Abs. 1 Satz 1 FamFG eingelegt. Diese Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses an den Betroffenen, die hier gemäß § 41 Abs. 1 Satz 2 FamFG durch Zustellung hätte erfolgen müssen. Aus der Akte ist indes eine Zustellung nur an den Betreuer, nicht jedoch an den Betroffenen ersichtlich. Der Betreuer ist aber insoweit mit Blick auf die gemäß § 275 FamFG unabhängig von der Geschäftsfähigkeit bestehende Verfahrensfähigkeit des Betroffenen nicht dessen Vertreter, was auch dann gilt, wenn der Aufgabenkreis wie hier die Entgegennahme, das Anhalten und das Öffnen der Post umfasst (vgl. Senatsbeschluss vom 2. Dezember 2015 - XII ZB 283/15 - FamRZ 2016, 296 Rn. 20 mwN). Daher fehlt es an einer wirksamen Bekanntgabe, so dass die Rechtsbeschwerdefrist noch nicht zu laufen begonnen hat (vgl. Senatsbeschluss vom 24. Oktober 2018 - XII ZB 188/18 - FamRZ 2019, 477 Rn. 11 mwN).

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Landgericht hat die Beschwerde des Betroffenen zu Unrecht als unzulässig angesehen.

a) Ohne Erfolg wendet sich die Rechtsbeschwerde allerdings dagegen, dass das Landgericht von einer Erledigung der Hauptsache im Sinne des § 62 Abs. 1 FamFG ausgegangen ist.

In Verfahren nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit tritt eine Erledigung der Hauptsache dann ein, wenn nach Einleitung des Verfahrens der Verfahrensgegenstand durch ein Ereignis, welches eine Veränderung der Sach- und Rechtslage herbeiführt, weggefallen ist, so dass die Weiterführung des Verfahrens keinen Sinn mehr hätte, weil eine Sachentscheidung nicht mehr ergehen kann (Senatsbeschluss vom 22. November 2017 - XII ZB 578/16 - FamRZ 2018, 198 Rn. 6 mwN; BGH Beschlüsse vom 8. Mai 2012 - II ZB 17/11 - NJW-RR 2012, 997 Rn. 6 mwN und vom 14. Oktober 2010 - V ZB 78/10 - FGPrax 2011, 39 Rn. 11 mwN). So liegt es hier.

Gegenstand des amtsgerichtlichen Beschlusses war allein die Erweiterung des Aufgabenkreises der Betreuung um die Entscheidung über den Verzicht auf die Anwaltszulassung. Noch vor Einlegung der Beschwerde (vgl. dazu BGH Beschluss vom 5. Dezember 2012 - I ZB 48/12 - NJW-RR 2013, 751 Rn. 13) hatte der Betreuer den Verzicht gegenüber der Rechtsanwaltskammer erklärt und diese die Zulassung - aufgrund des vom Betreuer erklärten Rechtsmittelverzichts bestandskräftig - widerrufen. Nach dem insoweit anwendbaren Verwaltungszustellungsgesetz des Landes Hessen (vgl. Feuerich/Weyland/Brüggemann BRAO 9. Aufl. § 34 Rn. 6; Gaier/Wolf/Göcken/Siegmund Anwaltliches Berufsrecht 2. Aufl. § 34 BRAO Rn. 9) gilt der Widerruf als mit dem Zugang beim Betreuer zugestellt (vgl. § 1 Abs. 1 HessVwZG, §§ 5 Abs. 4, 6 Abs. 1, 8 VwZG). Schon deshalb geht der Einwand der Rechtsbeschwerde, der Widerruf sei mangels Zustellung noch nicht rechtswirksam erfolgt, ins Leere. Jedenfalls mit dem Zulassungswiderruf war der Verzicht auf die Zulassung nicht mehr frei widerruflich (vgl. BGH Beschluss vom 22. April 2002 - AnwZ (B) 5/01 - NJOZ 2002, 1880, 1881 mwN; vgl. auch Gaier/Wolf/Göcken/Schmidt-Räntsch Anwaltliches Berufsrecht 2. Aufl. § 14 BRAO Rn. 25), eine Entscheidung über diesen Verzicht abschließend getroffen und damit der dem Betreuer insoweit übertragene Aufgabenbereich gegenstandslos.

Soweit der Betroffene die Wiederherstellung seiner Zulassung und in diesem Zusammenhang die Anweisung an den Betreuer, einen entsprechenden Antrag zu stellen, begehrt, handelt es sich um einen anderen, vom übertragenen Aufgabenbereich nicht mehr erfassten Verfahrensgegenstand. Denn die Frage des Zulassungsverzichts wird hiervon nicht mehr berührt.

b) Die Rechtsbeschwerde rügt jedoch zutreffend, dass der Betroffene den nach § 62 Abs. 1 FamFG erforderlichen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit im Beschwerdeverfahren gestellt hat.

aa) Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht gemäß § 62 Abs. 1 FamFG auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat. Wie das Landgericht mithin richtig erkannt hat, setzt die Rechtswidrigkeitsfeststellung einen darauf gerichteten Feststellungsantrag voraus.

Die Anforderungen an die Formulierung dieses Antrags dürfen jedoch nicht überspannt werden. Es reicht aus, wenn sich aus dem gesamten Vorbringen des Betroffenen konkludent das Begehren ergibt, die Rechtmäßigkeit der getroffenen Maßnahme überprüfen zu lassen (OLG Karlsruhe FGPrax 2003, 99 f.; Jürgens/Kretz FamFG 5. Aufl. § 62 Rn. 4; Keidel/Budde FamFG 19. Aufl. § 62 Rn. 10; Zöller/Feskorn ZPO 32. Aufl. § 62 FamFG Rn. 9). Allerdings muss zum Ausdruck kommen, dass eine Sachentscheidung auch in Ansehung der Erledigung der Hauptsache begehrt wird, wofür es auf das wohlverstandene Interesse des Beschwerdeführers ankommt (vgl. MünchKomm-FamFG/A. Fischer 3. Aufl. § 62 Rn. 28; vgl. auch OLG Köln FGPrax 2011, 44, 45; BeckOK FamFG/Obermann [Stand: 1. Juli 2019] § 62 Rn. 8).

bb) Wie die vom Senat als Rechtsbeschwerdegericht selbst vorzunehmende Auslegung der Verfahrenserklärungen des Betroffenen ergibt, ist nach diesen rechtlichen Maßgaben eine auf Feststellung gemäß § 62 FamFG gerichtete Antragstellung entgegen der Annahme des Landgerichts bereits mit der Beschwerdebegründung erfolgt. Zwar enthält diese keinen ausdrücklichen Feststellungsantrag. Sie datiert aber nach dem Widerruf der Zulassung, der Betroffene nimmt darin auf den vom Betreuer erklärten Verzicht Bezug und rügt trotz Kenntnis von dem letztlich zur Erledigung führenden Ereignis mehrfach ausdrücklich die Rechtswidrigkeit der Betreuungserweiterung. Dieses Begehren kann nur dahin verstanden werden, dass es dem Betroffenen auf eine entsprechende Feststellung ankommt. Das ist hier für die Antragstellung nach § 62 Abs. 1 FamFG ausreichend.

cc) Aus diesem Grund kann dahinstehen, dass das Landgericht seiner Pflicht, den anwaltlich nicht vertretenen und auch selbst nicht mehr als Rechtsanwalt zugelassenen Betroffenen vor der Verwerfung auf das Fehlen des Feststellungsantrags hinzuweisen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 20. Juni 2018 - XII ZB 489/17 - FamRZ 2018, 1361 Rn. 19 und vom 2. September 2015 - XII ZB 138/15 - FamRZ 2015, 1959 Rn. 16), nicht genügt hat. Ein dahingehender Hinweis des Landgerichts ist zwar per Postzustellungsurkunde an den Betroffenen abgesandt worden. Die darin angegebene Adresse ist jedoch - wohl wegen der vom Betreuer auf der Grundlage seines Aufgabenkreises veranlassten Postweiterleitung - in die Adresse des Betreuers geändert worden, so dass nach Aktenlage allein dieser den Hinweis erhalten hat.

3. Die Beschwerdeentscheidung ist daher aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen. Da für eine anderweitige Unzulässigkeit der Beschwerde des Betroffenen keine Gründe ersichtlich sind, wird sich das Landgericht nun - auch unter Berücksichtigung der weiteren Ausführungen der Rechtsbeschwerde - damit zu befassen haben, ob das Feststellungsbegehren des Betroffenen (§ 62 FamFG) begründet ist.

Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

Dose Nedden-Boeger Botur Guhling Krüger Vorinstanzen:

AG Bad Homburg v. d. Höhe, Entscheidung vom 22.02.2018 - 42 XVII 179/17 Z -

LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 12.09.2018 - 2-29 T 262/18 -