BGH, Urteil vom 08.08.2019 - VII ZR 34/18
Fundstelle
openJur 2019, 30583
  • Rkr:

a) Wie die Vergütungsanpassung bei Mengenmehrungen vorzunehmen ist, wenn eine Einigung über den neuen Einheitspreis nicht zustande kommt, ist in § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B nicht geregelt. Die Bestimmung gibt nur vor, dass bei der von den Parteien zu treffenden Vereinbarung über den neuen Preis Mehr- oder Minderkosten zu berücksichtigen sind. Die VOB/B legt die Verantwortung für die neue Preisbestimmung, durch die etwaigen Störungen des Äquivalenzverhältnisses entgegengewirkt werden soll, damit in die Hände der Vertragsparteien, die unter Berücksichtigung der geänderten Umstände einen neuen Preis aushandeln sollen.

b) Abgesehen von der in § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B vorgesehenen Einigung auf einen neuen Einheitspreis können die Vertragsparteien sowohl bei Vertragsschluss für den ungewissen Fall, dass Mengenmehrungen im Sinne dieser Bestimmung eintreten, als auch nachträglich, sobald aufgrund konkret eingetretener Mehrmengen ein neuer Einheitspreis verlangt wird, sich über einzelne Teilelemente der Preisbildung verständigen. Sie können etwa einen bestimmten Maßstab beziehungsweise einzelne Kriterien oder Faktoren festlegen, nach denen im konkreten Fall der neue Einheitspreis nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B bestimmt werden soll.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 21. Dezember 2017 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung von Restwerklohn aus einer Position eines Einheitspreisvertrags aufgrund einer Mengenmehrung in Anspruch.

Der Beklagte beauftragte die Klägerin im Mai 2013 unter Einbeziehung der VOB/B (2009) mit Abbrucharbeiten. Der Beauftragung lag das Angebot der Klägerin vom 2. April 2013 zugrunde, mit dem sie unter anderem die unter Position 02.02.0050 erfasste Leistung "Entsorgung von Bauschutt, Abfallschlüssel-Nummer 170106" (Entsorgung von Bauschutt als Gemisch oder getrennten Fraktionen von Beton, Ziegeln, Fliesen, Keramik, die gefährliche Stoffe enthalten) für die vorgegebene Menge von 1 Tonne zu einem Einheitspreis von 462 €/t netto angeboten hatte. Die Klägerin hat hierzu vorgetragen, dass sie in ihrer Urkalkulation eigene Verladekosten von 40 € pro Tonne und, basierend auf Angeboten der H. GmbH, für Deponie- und Transportkosten 292 € pro Tonne und für die Containerstellung 60 € pro Tonne in Ansatz gebracht und auf diese Fremdkosten jeweils 20 % aufgeschlagen habe.

Tatsächlich hatte die Klägerin nicht nur 1 Tonne, sondern 83,92 Tonnen zu entsorgen, weil beim Abbruch Bauschutt angefallen war, der Anhaftungen von Teer und Farbe enthielt und als Bauschutt mit gefährlichen Stoffen entsorgt werden musste. Hierfür beanspruchte die Klägerin mit der Schlussrechnung den Einheitspreis von 462 € pro Tonne, insgesamt 38.771,13 € netto, dies entspricht 46.137,53 € brutto. Der Beklagte verlangte von der Klägerin wegen der Mehrmengen die Vereinbarung eines neuen Preises und Auskunft über die tatsächlichen Kosten der Entsorgung. Dem kam die Klägerin nach und teilte mit, dass sie für den Transport und für die Containerstellung der H. GmbH 2.296,80 € netto zahlte, was pro Tonne 27,37 € entspricht, und an die N. GmbH für die Entsorgung auf der Deponie 5.387,66 € netto, mithin pro Tonne 64,20 €, zusammen rund 92 € pro Tonne netto. Auf dieser Grundlage errechnete der Beklagte unter Berücksichtigung des Kalkulationszuschlags der Klägerin auf Fremdkosten von 20 % einen Einheitspreis von 109,88 € pro Tonne und hielt diesen für angemessen; er zahlte hierauf insgesamt 10.973,54 € brutto. Eine Einigung über einen neuen Einheitspreis für die Mehrmengen kam nicht zustande.

Das Landgericht hat der Klage auf Restwerklohn in Höhe von 1.604,39 € stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Die Klägerin könne unter Berücksichtigung ihrer Urkalkulation die angefallenen Fremdkosten von rund 92 € pro Tonne zuzüglich eines Zuschlags von 20 % (109,88 €/t) und eigene Verladekosten (40 €/t) verlangen und darum nur einen Einheitspreis von 149,88 € pro Tonne netto für die Mehrmengen in Ansatz bringen.

Die Berufung der Klägerin, mit der sie unter Berücksichtigung eines Abschlags auf die Containerkosten ihre Forderung auf Vergütung der Mehrmenge zu einem Einheitspreis von nur noch 406 € pro Tonne weiterverfolgt hat, hat lediglich geringfügigen Erfolg dahingehend gehabt, dass das Berufungsgericht einen neuen Einheitspreis von 150,40 € pro Tonne netto angenommen hat.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren zweitinstanzlichen Klageantrag weiter.

Gründe

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet.

I.

Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in BauR 2018, 1275 veröffentlicht ist, sieht gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B (2009) für die über 110 % hinausgehende Mehrmenge einen Einheitspreis in Höhe von 150,40 € pro Tonne als berechtigt an. Die Voraussetzungen für eine Preisherabsetzung seien gegeben, weil die Mehrmengen zu Ersparnissen zwar nicht bei den Verlade- und Deponiekosten, aber bei den Container- und Transportkosten geführt hätten.

Sinn und Zweck des § 2 Abs. 3 VOB/B sei es sicherzustellen, dass sich Leistung und Gegenleistung auch bei einer Überschreitung der im Einheitspreisvertrag vorgesehenen Mengen angemessen gegenüberstünden. Für die Preisanpassung sei grundsätzlich der ursprüngliche Angebotspreis fortzuschreiben und es seien nicht die tatsächlich entstandenen Fremdkosten maßgeblich. Etwas Anderes gelte aber, wenn - wie hier - der Auftragnehmer seinen Angebotspreis auf der Grundlage von Nachunternehmerpreisen kalkuliert habe, die dann infolge der Mengenüberschreitung hinfällig geworden und von dem Nachunternehmer auch nicht verlangt worden seien.

Dies zu Grunde gelegt sei davon auszugehen, dass die H. GmbH ihre Leistungen nicht zu 292 € pro Tonne (Transport- und Deponiekosten) sowie 60 € pro Tonne (Containerstellung) angeboten hätte. Vielmehr sei davon auszugehen, dass zwar die Deponiekosten mit 64,20 € pro Tonne unverändert geblieben wären, die Klägerin aber den Transport (ursprünglich: 292 €/t abzüglich 64,20 €/t = 227,80 €/t) und die Containerstellung zu einem Preis von 27,37 € pro Tonne (insgesamt also für alle drei Positionen rund 92 €/t) angeboten hätte. Die Klägerin hätte einen GU-Zuschlag von 20 % und ihre eigenen kalkulierten Verladekosten von 40 € pro Tonne netto hinzugerechnet, so dass sie die hier in Rede stehende Leistung zu einem Einheitspreis in Höhe von 150,40 € pro Tonne netto angeboten hätte.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand. Die Klägerin kann von dem Beklagten über den zugesprochenen Betrag hinaus keine weitere Vergütung nach § 631 Abs. 1 BGB i.V.m. § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B verlangen.

1. Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht entschieden, dass der Beklagte für die unter der Position 02.02.0050 des Einheitspreisvertrags erfassten Leistungen einen neuen Preis für die den Vordersatz von einer Tonne um mehr als 10 % überschreitenden Mengen verlangen kann.

a) § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B bestimmt, dass für eine über 10 v.H. hinausgehende Überschreitung des Mengenansatzes eines Einheitspreisvertrags auf Verlangen ein neuer Preis vereinbart werden muss.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen für diese Preisanpassung nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B sind gegeben, weil die nach dem Abfallschlüssel 170106 zu entsorgende Menge Bauschutt nicht nur 1 Tonne, sondern 83,92 Tonnen betrug und sich der Mengenvordersatz so über den Toleranzrahmen von 10 % hinaus erhöhte. Die Mengenmehrung beruhte allein darauf, dass die vorgefundenen Verhältnisse anders als erwartet waren, weshalb sich die Mengenangabe in Ausschreibung und Angebot als zu niedrig erwies. Die Leistung selbst blieb qualitativ gleich. Der Senat hat die gegen diese Feststellungen des Berufungsgerichts erhobenen Rügen der Revisionserwiderung geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet. Entgegen der Auffassung des Revisionsbeklagten ist aufgrund des Einsatzes größerer Container als ursprünglich vorgesehen nicht von einer Leistungsänderung im Sinne von § 2 Abs. 8 VOB/B auszugehen.

Der Beklagte hat die Bestimmung eines neuen, herabgesetzten Einheitspreises verlangt. Er muss daher hinsichtlich der Position 02.02.0050, unter der die Transport- und Entsorgungsleistungen zusammengefasst sind, neu bestimmt werden (vgl. BGH, Urteil vom 20. März 1969 - VII ZR 29/67, MDR 1969, 655, juris Rn. 32).

b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ergibt sich aus § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B allerdings nicht, dass eine auf die Mengenmehrung kausal zurückzuführende Veränderung der im ursprünglichen Einheitspreis veranschlagten Kosten Voraussetzung für den Anspruch auf Bildung eines neuen Einheitspreises ist (a.A. Kniffka in Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl., 5. Teil Rn. 126), mag eine solche Veränderung auch der Regelfall sein. Nach dem Wortlaut von § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B ist für das Preisanpassungsverlangen nur gefordert, dass eine über 10 v.H. hinausgehende Überschreitung des Mengenansatzes festgestellt ist.

2. Verlangt eine Partei eine Anpassung des Einheitspreises, haben die Parteien gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten einen neuen Einheitspreis zu vereinbaren. Maßgeblich ist danach in erster Linie die getroffene Einigung der Vertragsparteien auf einen neuen Einheitspreis. Eine solche Einigung ist nicht zustande gekommen.

3. a) Wie die Vergütungsanpassung bei Mengenmehrungen vorzunehmen ist, wenn eine Einigung über den neuen Einheitspreis nicht zustande kommt, ist in § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B nicht geregelt. Die Bestimmung gibt nur vor, dass bei der von den Parteien zu treffenden Vereinbarung über den neuen Preis Mehr- oder Minderkosten zu berücksichtigen sind. Die VOB/B legt die Verantwortung für die neue Preisbestimmung, durch die etwaigen Störungen des Äquivalenzverhältnisses entgegengewirkt werden soll, damit in die Hände der Vertragsparteien, die unter Berücksichtigung der geänderten Umstände einen neuen Preis aushandeln sollen. Dies begründet einen vertraglichen Anspruch auf Einwilligung in einen neuen Preis, die Parteien sind zur Kooperation verpflichtet (vgl. BGH, Urteil vom 14. April 2005 - VII ZR 14/04, BauR 2005, 1152 = NZBau 2005, 455, juris Rn. 18).

b) Können sich die Parteien nicht auf einen neuen Einheitspreis verständigen, so entscheidet im Streitfall das angerufene Gericht. Es hat zu prüfen, ob der in Ansatz gebrachte Preis gerechtfertigt ist (vgl. BGH, Urteil vom 14. April 2005 - VII ZR 14/04, BauR 2005, 1152 = NZBau 2005, 455, juris Rn. 18; Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB Teile A und B, 20. Aufl., § 2 Abs. 3 VOB/B Rn. 30), wobei auch eine Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO möglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 - VII ZR 201/06 Rn. 37, BGHZ 179, 213). Der neue Preis kann unmittelbar zum Gegenstand des Rechtsstreits gemacht werden (BGH, Urteil vom 14. April 2005 - VII ZR 14/04, BauR 2005, 1152 = NZBau 2005, 455, juris Rn. 18).

4. a) Abgesehen von der in § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B vorgesehenen Einigung auf einen neuen Einheitspreis können die Vertragsparteien sowohl bei Vertragsschluss für den ungewissen Fall, dass Mengenmehrungen im Sinne dieser Bestimmung eintreten, als auch nachträglich, sobald aufgrund konkret eingetretener Mehrmengen ein neuer Einheitspreis verlangt wird, sich über einzelne Teilelemente der Preisbildung verständigen. Sie können etwa einen bestimmten Maßstab beziehungsweise einzelne Kriterien oder Faktoren festlegen, nach denen im konkreten Fall der neue Einheitspreis nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B bestimmt werden soll (vgl. BGH, Urteil vom 14. März 2013 - VII ZR 142/12 Rn. 14, BGHZ 197, 52).

Ein solche Verständigung über ein Teilelement liegt vor. Die Parteien haben sich darüber geeinigt, dass der von der Klägerin ihrer Kalkulation zu Grunde gelegte GU-Zuschlag in Höhe von 20 % auf Fremdkosten bei der Bildung des neuen Einheitspreises ebenfalls heranzuziehen ist. Die Klägerin hat diesen Zuschlag mit ihrer Klage gefordert. Die Beklagte hat ihrer der Klage entgegengesetzten Berechnung zwar geringere Fremdkosten (Deponie-, Transport- und Containerkosten in Höhe von 92 €/t) zu Grunde gelegt, auf diese aber den geforderten GU-Zuschlag von 20 % aufgeschlagen. Für die verbleibenden Teilelemente der Preisbildung ist keine Einigung zustande gekommen.

b) Ein den Senat bindendes übereinstimmendes, stillschweigendes Verständnis der Parteien von der Vertragsklausel des § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B im Hinblick auf einen Gesamtmaßstab für die Bestimmung eines neuen Einheitspreises, etwa im Sinne einer vorkalkulatorischen Preisfortschreibung (vgl. BGH, Urteil vom 14. März 2013 - VII ZR 142/12 Rn. 14, BGHZ 197, 52), ist vom Berufungsgericht nicht festgestellt oder sonst zugrunde zu legen.

c) Des Weiteren kann der Maßstab für die Bildung des neuen Einheitspreises nicht durch Rückgriff auf ein allgemeingültiges Verständnis der Regelung durch die beteiligten Verkehrskreise oder eine bestehende Übung bestimmt werden. Die Handhabung in der Praxis folgt unterschiedlichen Ansätzen und differiert zudem zwischen leistungsabhängigen und leistungsunabhängigen Kosten der Leistungserbringung. Rechtsprechung und Literatur zeigen ebenfalls ein uneinheitliches Bild.

aa) Der Senat hat hinsichtlich der Frage, nach welchen Kriterien der neue Einheitspreis bei § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B zu bilden ist, im Urteil vom 20. März 1969 (VII ZR 29/67, MDR 1969, 655, juris Rn. 34) lediglich ausgeführt, bei der Berechnung des neuen Einheitspreises sei es nicht zulässig, die bisherigen Preisermittlungsgrundlagen ganz außer Acht zu lassen. Ferner hat er in Fällen, in denen ein nach Maßgabe vorkalkulatorischer Preisfortschreibung gebildeter neuer Einheitspreis in einem auffälligen, wucherähnlichen Missverhältnis zur Bauleistung stand (§ 138 BGB), auf die übliche Vergütung im Sinne von § 632 Abs. 2 BGB abgestellt. Dabei musste er allerdings zur Berechnungsmethode nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B nicht Stellung nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 14. März 2013 - VII ZR 116/12 Rn. 17, 23, BGHZ 196, 355; Urteil vom 18. Dezember 2008 - VII ZR 201/06 Rn. 11, 29, BGHZ 179, 213).

bb) Nach herrschender Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur ist bei der Preisbildung nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B die ursprüngliche Kalkulation des Auftragnehmers zu berücksichtigen und sind ihre Einzelbestandteile unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten fortzuschreiben (vorkalkulatorische Preisfortschreibung), wodurch das Vertragspreisniveau bei der Bildung des neuen Einheitspreises beibehalten werden soll (OLG Köln, Urteil vom 30. Dezember 2014 - 17 U 83/13, juris Rn. 43; OLG Hamm, Urteil vom 13. März 2013 - 12 U 74/12, BauR 2013, 1280 = NZBau 2013, 373, juris Rn. 37; OLG Koblenz, Urteil vom 15. Dezember 2011 - 5 U 934/11, juris Rn. 11; OLG Brandenburg, Urteil vom 14. Dezember 2011 - 4 U 113/10, BauR 2012, 1400, juris Rn. 60; OLG Dresden, Urteil vom 25. November 2011 - 1 U 571/10, juris Rn. 44; Kniffka in Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl., 5. Teil Rn. 125; Althaus/Bartsch in Althaus/Heindl, Der öffentliche Bauauftrag, 3. Aufl., Teil 4, Rn. 163 ff.; Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB, Teile A und B, 20. Aufl., § 2 Abs. 3 VOB/B Rn. 19 ff.; Kuffer/Petersen in Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 14. Aufl., § 2 VOB/B Rn. 117 ff.; Kapellmann/Messerschmidt/Kapellmann, VOB Teile A und B, 6. Aufl., § 2 VOB/B Rn. 213 ff.; BeckOK VOB/B/Kandel, Stand: 31. Januar 2019, § 2 Abs. 3 Rn. 20 ff.; Beck'scher VOB/B-Kommentar/Jansen, 3. Aufl., § 2 Abs. 3 Rn. 14 ff.; Leinemann/Leinemann, VOB/B, 6. Aufl., § 2 Rn. 146). Je nach Kalkulationsmethode des Auftragnehmers und Detailliertheit seiner Urkalkulation finden sich in der Literatur dabei allerdings weit ausdifferenzierte Berechnungsmethoden, wobei in Einzelfragen, etwa hinsichtlich des Umgangs mit nicht auskömmlichen beziehungsweise überhöhten oder spekulativen Einheitspreisen oder mit Kalkulationsirrtümern, viel Streit herrscht (vgl. nur Kniffka in Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl., 5. Teil Rn. 125 ff.; Kapellmann/Messerschmidt/Kapellmann, VOB Teile A und B, 6. Aufl., § 2 VOB/B Rn. 213 ff.; Beck'scher VOB/B-Kommentar/Jansen, 3. Aufl., § 2 Abs. 5 Rn. 51 ff.).

cc) Nach anderen Ansichten soll für die Bestimmung des neuen Einheitspreises entsprechend dem Rechtsgedanken des § 632 Abs. 2 BGB auf ortsübliche, angemessene Marktpreise oder auf die tatsächlich angefallenen Kosten bei Ausführung zuzüglich angemessener Zuschläge abgestellt werden (vgl. Kniffka, BauR 2012, 411; Franz, BauR 2012, 380; Stemmer, BauR 2008, 182; zum Meinungsstand im Übrigen Kniffka in Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl., 5. Teil Rn. 134; Kapellmann/Messerschmidt/ Kapellmann, VOB Teile A und B, § 2 VOB/B Rn. 213 ff.).

5. a) Da § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B keinen Maßstab zur Einheitspreisbildung beinhaltet, die Parteien sich auf einen entsprechenden Maßstab nicht geeinigt haben und er auch nicht aus einem allgemeingültiges Verständnis der Regelung durch die beteiligten Verkehrskreise oder eine bestehende Übung folgt, enthält der Vertrag eine Lücke, die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB zu schließen ist (vgl. Kniffka in Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl., 5. Teil Rn. 141). Auch Allgemeine Geschäftsbedingungen können eine planwidrige Regelungslücke enthalten und einer ergänzenden Vertragsauslegung zugänglich sein (BGH, Urteil vom 20. April 2017 - VII ZR 194/13 Rn. 25 m.w.N., BGHZ 214, 340).

Danach ist entscheidend, was die Vertragsparteien bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den nicht geregelten Fall bedacht hätten (BGH, Urteil vom 17. Mai 2018 - VII ZR 157/17 Rn. 30, BauR 2018, 1403 = NZBau 2018, 524; Urteil vom 15. November 2012 - VII ZR 99/10 Rn. 16, BauR 2013, 236). Zu fragen ist also, welchen Maßstab die Parteien zur Bestimmung des neuen Einheitspreises vertraglich zu Grunde gelegt hätten, wenn sie seinerzeit vorhergesehen hätten, dass sie sich nicht auf einen neuen Einheitspreis für die relevanten Mehrmengen einigen können. Dabei entspricht es der Redlichkeit und dem bestmöglichen Ausgleich der wechselseitigen Interessen, dass durch die unvorhergesehene Veränderung der auszuführenden Leistungen im von § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B bestimmten Umfang keine der Vertragsparteien eine Besser- oder Schlechterstellung erfahren soll. Dies setzt voraus, dass keine Partei von der unerwarteten Mengenmehrung zum Nachteil der anderen Partei profitiert. Auch muss eine redliche Regelung eine gleichmäßige Verteilung des in der Unvorhersehbarkeit der Mengenmehrung liegenden wirtschaftlichen Risikos gewährleisten. Es gilt auf Seiten des Auftragnehmers eine nicht auskömmliche Vergütung zu vermeiden und auf Seiten des Auftraggebers eine übermäßige Belastung zu verhindern.

b) Dies zu Grunde gelegt ergibt die im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung vorzunehmende Abwägung der beiderseitigen Interessen der Parteien nach Treu und Glauben, dass, wenn nichts anderes vereinbart ist, für die Bemessung des neuen Einheitspreises bei Mehrmengen im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B die tatsächlich erforderlichen Kosten der über 10 v.H. hinausgehenden Leistungsbestandteile zuzüglich angemessener Zuschläge maßgeblich sind.

Für die hier noch umstrittenen Preisbestandteile in Gestalt der leistungsabhängigen Kosten bedeutet das, dass auf die durch den Einsatz der Nachunternehmer unmittelbar verursachten Kosten, deren Erforderlichkeit außer Streit steht, zurückgegriffen werden kann. Hinsichtlich des GU-Zuschlags ist hingegen die Vereinbarung der Parteien maßgeblich.

c) Dieser Maßstab der tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge bewirkt für den in § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B nicht geregelten Fall, dass die dort vorgesehene Einigung der Parteien als Reaktion auf die eingetretene Mengenmehrung weder bezogen auf einen konkreten Preis noch auf einen Maßstab zur Preisbildung zustande kommt, einen bestmöglichen Ausgleich der wechselseitigen Interessen der Vertragsparteien.

aa) Zunächst spricht für eine Anknüpfung an die tatsächlich erforderlichen Kosten, dass diese ohne Weiteres ermittelt werden können und insofern eine realistische Bewertung ermöglichen. Diese für den Zeitpunkt des Anfalls der Mehrmengen vorzunehmende Bewertung bildet die Kostenwirklichkeit am sichersten ab. Ihr gebührt darum der Vorzug vor der hypothetischen Überlegung, welchen Einheitspreis der Auftragnehmer angeboten beziehungsweise die Parteien zur Zeit des oft länger zurückliegenden Vertragsschlusses wohl vereinbart hätten, hätten sie die Mengenmehrung damals bedacht und einen höheren Vordersatz zugrunde gelegt.

bb) Die Anknüpfung an die tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge stellt sich für keine der Vertragsparteien als zum Nachteil der anderen Partei wirkender Vorteil dar. Der Auftragnehmer erhält so für die relevanten Mehrmengen eine auskömmliche Vergütung. Es widerspräche Treu und Glauben, würde er aufgrund der nicht vorhergesehenen Mengenmehrung auf Kosten seines Vertragspartners einen über die angemessenen Zuschläge hinausgehenden Gewinn erwirtschaften oder der Auftraggeber von einem infolge der Mengenmehrung für den Auftragnehmer unauskömmlich oder unwirtschaftlich gewordenen Preis profitieren.

Entgegen der Auffassung der Revision hat die Klägerin darum auch keinen Anspruch darauf, dass ihr unternehmerische Gewinne uneingeschränkt verbleiben, die sich aus der Möglichkeit ergeben, die relevanten Mehrmengen im Vergleich zu ihrer Urkalkulation günstiger an Nachunternehmer zu beauftragen. Den Interessen der Klägerin wird durch den vereinbarten GU-Zuschlag von 20 % auf die erforderlichen Fremdkosten hinreichend Rechnung getragen.

cc) Es bedarf des Rückgriffes auf die vorkalkulatorische Preisfortschreibung nicht, um der Störung des Äquivalenzverhältnisses adäquat zu begegnen. Das Preisanpassungsverlangen betrifft nur die relevanten Mehrmengen, während die im Wettbewerb zustande gekommene Vergütungsvereinbarung im Übrigen unangetastet bleibt, denn für die angebotene beziehungsweise im Vertrag vereinbarte Menge zuzüglich des Toleranzzuschlages von 10 % verbleibt es bei der vereinbarten Vergütung. Die der Anwendung des § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B folgende Aufspaltung der Leistungsposition in zwei Teile trägt dem Grundgedanken Rechnung, dass für die im Vertrag aufgelisteten Mengen die Vertragsparteien einen Preis verbindlich festgelegt haben, welchen sie bezogen auf diese Leistungsposition und in der Gesamtschau als Synallagma von Leistung und Gegenleistung für angemessen hielten. An diesem müssen sie sich festhalten lassen. Für die Bestimmung des neuen Preises gilt das Vertragspreisgefüge aber gerade nicht mehr. Soweit die Befürworter der vorkalkulatorischen Preisfortschreibung darauf abstellen, dass das Vertragspreisniveau erhalten bleiben und den vertraglichen Abreden zur Wirksamkeit verholfen werden soll, sieht die Regelung in § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B nach ihrem Wortlaut gerade nicht vor, dass der für die ursprünglich erwartete Ausführungsmenge vereinbarte Preis, wenn auch in angepasster Form, für die diesen Rahmen überschreitende Ausführungsmenge fortgelten soll. Vielmehr kann der neue Einheitspreis selbständig und losgelöst davon bestimmt werden.

dd) Gegenüber der Auffassung, es sei in den Fällen des § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B der Maßstab der üblichen Vergütung im Sinne des § 632 Abs. 2 BGB anzuwenden, verspricht die Anknüpfung an denjenigen der tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge ein redlicheres Ergebnis. Die tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge etwa für Baustellengemeinkosten, allgemeine Geschäftskosten und Gewinn sind der speziellere und damit gerechtere Maßstab, weil dadurch den Besonderheiten des konkreten Einzelfalls Rechnung getragen werden kann.

d) Danach sind als tatsächliche Kosten für die den Toleranzrahmen von 10 % übersteigenden Mehrleistungen die von dem Berufungsgericht festgestellten Kosten für Containerstellung, Transport und Deponie in Gesamthöhe von 92 € pro Tonne - mithin zuzüglich des Zuschlags von 20 % 110,40 € pro Tonne - sowie die eigenen Verladekosten der Klägerin in Höhe von 40 € pro Tonne anzusetzen (gesamt: 150,40 €/t). Rechtsfehler zum Nachteil der Revisionsklägerin sind insoweit nicht erkennbar. Die Erforderlichkeit dieser Kosten steht zwischen den Parteien außer Streit.

6. Danach bleibt die Revision ohne Erfolg, weil der vom Berufungsgericht als angemessen bestimmte Einheitspreis von 150,40 € pro Tonne für die über 1,1 Tonnen hinausgehenden Mengen gerechtfertigt ist.

III.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

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