VG Köln, Beschluss vom 13.08.2019 - 18 L 1266/19
Fundstelle
openJur 2019, 30434
  • Rkr:
Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt. Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Verfahrens.

2. Der Wert des Streitgegenstands wird auf 30.000.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag,

1. die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, das Ausgangsniveau der Gesamtkosten gemäß § 25 Abs. 1 des Eisenbahnregulierungsgesetzes (ERegG) für die erste Regulierungsperiode vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die unter dem Aktenzeichen 18 K 10766/17 geführte Klage beschränkt auf die Netzfahrplanperiode 2020/2021 auf insgesamt 5.471,3 Millionen Euro festzulegen,

2. hilfsweise die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, das Ausgangsniveau der Gesamtkosten für die erste Regulierungsperiode vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens beschränkt auf die Netzfahrplanperiode 2020/2021 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut festzulegen,

hat insgesamt keinen Erfolg.

I. Der nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zulässige Antrag zu 1. ist unbegründet.

1. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis nur erlassen, wenn dies - vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen - zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Die besondere Eilbedürftigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) und die tatsächlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Anspruchs (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO). Die Garantie effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet nicht nur das formelle Recht, die Gerichte anzurufen, sondern einen Anspruch auf eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle,

vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 31. Mai 2011 - 1 BvR 857/07 -, juris Rn. 68; vom 27. Oktober 1999 - 1 BvR 385/90 -, juris Rn. 66; vom 30. April 1997 - 2 BvR 817/90 -, juris Rn. 48 und vom 29. Oktober 1975 - 2 BvR 630/73 -, juris Rn. 11.

Dies erfordert - sofern nicht ausnahmsweise überwiegende, gewichtige Gründe entgegenstehen - die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, wenn dem Antragsteller eine erhebliche, über den Randbereich hinausgehende Beeinträchtigung seiner Rechte droht, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wäre.

Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 16. Mai 1995 - 1 BvR 1087/91 -, juris Rn. 28 und vom 25. Oktober 1988 - 2 BvR 745/88 -, juris Rn. 18.

Wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare und irreversible Beeinträchtigungen entstehen, stellt Art. 19 Abs. 4 GG besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens. Wenn sich die Gerichte in solchen Fällen bei der Prüfung eines Eilantrags an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren wollen, haben sie die Sach- und Rechtslage ausnahmsweise nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen.

BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 -, juris Rn. 24 f.

Wenn eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aufgrund der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit, des Umfangs der noch erforderlichen Ermittlungen oder der Komplexität der zu behandelnden Rechtsfragen nicht möglich ist, können die Gerichte ihre Entscheidung stattdessen auch auf eine Folgenabwägung unter umfassender Einbeziehung der Belange des Antragsstellers stützen,

vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 26. Juni 2018 - 1 BvR 733/18 -, juris Rn. 3; vom 6. Februar 2013 - 1 BvR 2366/12 -, juris Rn. 3; vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 -, juris Rn. 26 und vom 25. Juli 1996 - 1 BvR 638/96 -, juris Rn. 16; OVG NRW, Beschlüsse vom 1. Dezember 2017 - 13 B 676/17 -, juris Rn. 51 f. und vom 22. Juni 2017 - 13 B 238/17 -, juris Rn. 27 f.

2. Nach diesen Maßstäben kann hier eine Entscheidung wegen der Komplexität des zu bewältigenden Streitstoffs und der Kürze der für die Durchführung eines Eilverfahrens zur Verfügung stehenden Zeit allein im Wege einer Folgenabwägung getroffen werden. Die von den Antragstellerinnen aufgeworfenen Fragen bedürfen in tatsächlicher Hinsicht einer Aufklärung, die im Eilverfahren nicht zu leisten ist. So ist unter anderem die von der Antragsgegnerin zur Festlegung des Ausgangsniveaus der Gesamtkosten vorgenommene Ermittlung der Kosten zur Erbringung des Mindestzugangspakets zu überprüfen, soweit diese von den Antragstellerinnen beanstandet wurde. Im Rahmen der Berechnung der Kapitalkosten sind die von den Antragstellerinnen einerseits und der Antragsgegnerin andererseits herangezogenen Methoden zur Ermittlung der Marktrisikoprämie zu überprüfen. In Bezug auf die Berücksichtigung der Kapitalkosten bedarf es außerdem einer Auseinandersetzung mit den jeweils von den Beteiligten herangezogenen betriebswirtschaftlichen Gutachten bzw. Studien.

Die von den Antragstellerinnen im Rahmen der Festsetzung des Ausgangsniveaus der Gesamtkosten gemäß § 25 Abs. 1 ERegG aufgeworfenen Fragen sind zudem rechtlich gänzlich ungeklärt und von grundsätzlicher Bedeutung. Die Festlegung des Ausgangsniveaus der Gesamtkosten ist hier in der ersten Regulierungsperiode nach Inkrafttreten des Eisenbahnregulierungsgesetzes erfolgt, sodass sich die Rechtsprechung hiermit noch nicht befasst hat. Hierzu kann auch nur begrenzt auf die Rechtsprechung zur Entgeltregulierung in anderen Wirtschaftsbereichen zurückgegriffen werden,

vgl. OVG NRW, Beschluss vom 1. Dezember 2017 - 13 B 676/17 -, juris Rn. 55.

Zudem sind die sich in diesem Verfahren stellenden Rechtsfragen zur Anwendung der Bestimmungen über die Festlegung des Ausgangsniveaus der Gesamtkosten sowie die Bewertung der von den Antragstellerinnen erhobenen Einwände gegen die Ermittlung des Ausgangsniveaus der Gesamtkosten durch die Antragsgegnerin von erheblicher Bedeutung. Es ist zu klären, in welcher Weise die von den Antragstellerinnen geltend gemachten Kapitalkosten, die erhöhten Personalkosten sowie die von ihnen vorgenommenen Fortschreibungen der Kosten bei der Ermittlung des Ausgangsniveaus der Gesamtkosten zu berücksichtigen sind. Diese Rechtsfragen sind - auch wenn die Antragstellerinnen hier nur die Festlegung eines höheren Ausgangsniveaus der Gesamtkosten hinsichtlich der Netzfahrplanperiode 2020/2021 begehren - für die gesamte Regulierungsperiode maßgeblich. Der Streitgegenstand weist schließlich insgesamt eine Komplexität auf, die einer abschließenden Entscheidung im Eilverfahren entgegensteht. Da sich das Gericht im Rahmen der Folgenabwägung nach den in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen gerade nicht an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache orientiert, bedarf es der von den Antragstellerinnen geforderten Vollprüfung des Anordnungsanspruchs nicht.

Die hier vorzunehmende Folgenabwägung geht zu Lasten der Antragstellerinnen aus. Die ihnen bei Unterbleiben der begehrten einstweiligen Anordnung drohenden Nachteile für den Fall, dass sie in der Hauptsache obsiegen, überwiegen nicht die Nachteile, die einträten, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erginge, die Antragstellerinnen in der Hauptsache jedoch keinen Erfolg hätten.

a) Unterbliebe eine einstweilige Anordnung, hätten die Antragstellerinnen in der Hauptsache jedoch Erfolg, entstände ihnen nicht deshalb ein Nachteil, weil die Rechtsschutzmöglichkeiten bzw. die rechtlichen Folgen einer nachträglichen Anpassung des Ausgangsniveaus der Gesamtkosten unklar wären. Ungeachtet des Umstands, dass eine vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Festlegung des Ausgangsniveaus der Gesamtkosten in der von den Antragstellerinnen begehrten Höhe diese rechtlichen Unsicherheiten nicht ausräumen könnte, sind solche rechtlichen Unsicherheiten nicht ersichtlich.

aa) Entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen sind die Zusammenhänge der einzelnen Schritte im System der Anreizregulierung durch das Eisenbahnregulierungsgesetz eindeutig vorgegeben. Daraus ergeben sich auch klare Konsequenzen für die Rechtsschutzmöglichkeiten der Antragstellerinnen. Auch wenn die begehrte einstweilige Anordnung nicht ergeht, droht nicht, dass die Obergrenze der Gesamtkosten für die in Rede stehende Netzfahrplanperiode endgültig ohne Rücksicht auf eine nachträgliche Erhöhung des Ausgangsniveaus der Gesamtkosten festgesetzt wird. Die Festsetzung der Obergrenze der Gesamtkosten ist ein selbstständig angreifbarer Verwaltungsakt. Die Antragstellerinnen können dessen Bestandskraft mit einem Rechtsmittel entgegenwirken. Auch unabhängig von einem gerichtlichen Verfahren kann die Festsetzung der Obergrenze der Gesamtkosten auch bei einer nachträglichen Erhöhung des Ausgangsniveaus der Gesamtkosten verändert werden. Die von der Antragsgegnerin bisher erlassenen Bescheide zur Festlegung der Obergrenze der Gesamtkosten sind mit einem Widerrufsvorbehalt für den Fall versehen worden, dass das Ausgangsniveau der Gesamtkosten nachträglich abweichend von der bisherigen Festsetzung festgelegt wird. Auch auf ansonsten veränderte Umstände nimmt das Gesetz Rücksicht. Nach § 25 Abs. 3 ERegG besteht die Möglichkeit einer Anpassung entsprechend erhöhten Instandhaltungsaufwands aus einer qualifizierten Regulierungsvereinbarung. Anpassungen sind auch gem. § 26 Abs. 1 ERegG möglich. Eine Entgeltgenehmigung ist als Verwaltungsakt ebenfalls isoliert angreifbar und auch darüber hinaus nicht endgültig festgelegt. Einen Widerrufsvorbehalt für den Fall der nachträglichen Änderung von Ausgangsniveau und Obergrenze der Gesamtkosten hat die Antragsgegnerin auch in die Entgeltgenehmigung für die Netzfahrplanperiode 2018/2019 aufgenommen. Schließlich können die Bescheide über die Festsetzung der Obergrenze der Gesamtkosten sowie die Genehmigung von Entgelten aufgehoben werden, sollte das Ausgangsniveau der Gesamtkosten nachträglich ge-ändert werden. Diese Möglichkeiten bergen keine Unsicherheiten zulasten der Antragstellerinnen, sondern bieten Flexibilität gleichermaßen zu Gunsten der Antragstellerinnen und der Zugangsberechtigten.

bb) Es bestehen auch keine rechtlichen Unsicherheiten hinsichtlich der Frage, ob eine nachträglich - wegen einer Anpassung des Ausgangsniveaus der Gesamtkosten - geänderte Entgeltgenehmigung auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zurückwirkt. Die Antragstellerinnen müssen nicht befürchten, dass sie ohne den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung letztendlich erhöhte Entgelte trotz entsprechender Genehmigung nicht rückwirkend von ihren Vertragspartnern erheben können. Sollten die Antragstellerinnen im Hauptsacheverfahren Erfolg haben und aufgrund eines erhöhten Ausgangsniveaus der Gesamtkosten nachträglich höhere Trassenentgelte für die in Rede stehende Netzfahrplanperiode erheben dürfen, wirkte die entsprechende Entgeltgenehmigung angesichts ihrer privatrechtsgestaltenden Wirkung gem. § 45 Abs. 2 ERegG auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit dem jeweiligen Zugangsberechtigten zurück. Die Antragstellerinnen haben die Möglichkeit, rechtskräftig erstrittene höhere Trassenentgelte rückwirkend für den gesamten Zeitraum der jeweils streitgegenständlichen Netzfahrplanperiode gegenüber ihren Vertragspartnern geltend zu machen.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 1. März 2019 - 13 B 1349/18 -, juris Rn. 81 ff. und vom 1. Dezember 2017 - 13 B 676/17 -, juris Rn. 57 ff.

Das Fehlen einer gesetzlichen Regelung zur Rückwirkung nachträglich genehmigter Entgelte im Eisenbahnregulierungsgesetz schließt eine solche nicht aus. Der Gesetzgeber hat sich vielmehr dagegen entschieden, eine der Regelung des § 35 Abs. 5 TKG vergleichbare Begrenzung der Rückwirkung in das Eisenbahnregulierungsgesetz aufzunehmen. Die noch in § 43 Abs. 7 des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der Regulierung im Eisenbahnbereich aus dem Jahr 2013 enthaltene Rückwirkung einer gerichtlich erstrittenen Entgeltgenehmigung nur bis zum Zeitpunkt der Klageerhebung und unter der Voraussetzung einer zuvor gem. § 123 VwGO ergangenen einstweiligen Anordnung,

vgl. BT-Drs. 17/12726, S. 21 mit Begründung auf S. 88,

hat der Gesetzgeber in das letztendlich in Kraft getretene Eisenbahnregulierungsgesetz gerade nicht aufgenommen. Auch wenn die Frage der Rückwirkung einer nachträglichen Entgeltgenehmigung gem. § 45 ERegG noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, kann die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der im Telekommunikationsrecht und Postrecht trotz fehlender ausdrücklicher gesetzlicher Regelungen nachträglich genehmigte Entgelte Rückwirkung entfalten,

vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Februar 2014 - 6 C 3.13 -, juris sowie Urteile vom 29. Mai 2013 - 6 C 10.11 -, juris Rn. 17 und vom 21. Januar 2004 - 6 C 1.03 -, juris Rn. 20 ff.,

ungeachtet der teilweisen Verfassungswidrigkeit des zum Zeitpunkt der vorgenannten Entscheidungen geltenden § 35 Abs. 5 TKG, auf die Wirkungen der Entgeltgenehmigung nach § 45 Abs. 2 ERegG übertragen werden,

vgl. OVG NRW, Beschluss vom 1. Dezember 2017 - 13 B 676/17 -, juris Rn. 60 ff.

cc) Soweit die Antragstellerinnen eine Verunsicherung des Marktes bezüglich der Trassenpreise geltend machen, entstehen ihnen diesbezüglich keine Nachteile. Gleiches gilt für eine von ihnen in der Netzfahrplanperiode 2021/2022 drohende Sprungpreiserhöhung bei den Trassenentgelten. Eine solche belastete ausschließlich die Vertragspartner der Antragstellerinnen.

dd) Unklarheiten hinsichtlich der neuen Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung III (LuFV III) zwischen dem Bund und den Eisenbahninfrastrukturunternehmen der DB AG und der DB AG bestehen für den Markt unabhängig von der begehrten einstweiligen Anordnung. Veränderungen wegen einer solchen qualifizierten Regulierungsvereinbarung mutet der Gesetzgeber dem Markt zu, was etwa die Möglichkeit der Anpassung der Obergrenze der Gesamtkosten auf Antrag gem. § 25 Abs. 3 ERegG zeigt. Die Antragsgegnerin hat außerdem mitgeteilt, dass der Abschluss der LuFV III im Verfahren zur Festsetzung der Obergrenze der Gesamtkosten für die Netzfahrplanperiode 2020/2021 berücksichtigt und Anpassungsmöglichkeiten je nach Inhalt der Regulierungsvereinbarung geplant würden. Die Planbarkeit der Entgelte für die Zugangsberechtigten ist kein Interesse, auf das sich die Antragstellerinnen berufen können.

b) Unterbleibt die begehrte einstweilige Anordnung, entständen den Antragstellerinnen auch keine Nachteile dadurch, dass das System der Anreizregulierung gefährdet wäre. Die Antragstellerinnen machen geltend, dass ohne eine vorläufige Regelung im einstweiligen Rechtsschutz eine inhaltlich unzutreffende Festsetzung des Ausgangsniveaus der Gesamtkosten für mehrere Jahre - bis zum rechtkräftigen Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache - fortgälte und die (falsche) Berechnungsgrundlage für die Genehmigung von Entgelten bildete. Dadurch würde die Anreizregulierung beeinträchtigt. Diese Argumentation lässt außer Acht, dass das Anreizsystem des Eisenbahnregulierungsgesetzes nicht von der Höhe des Ausgangsniveaus der Gesamtkosten und damit nicht von einem nach Ansicht der Antragstellerinnen zu niedrig festgesetzten Ausgangsniveau der Gesamtkosten abhängt. Vielmehr beruht das System auf einer Trennung von Preisen und Kosten. So verbleiben Kosteneinsparungen oberhalb der bei der Bemessung der Obergrenze der Gesamtkosten zu berücksichtigenden Produktivitätsfortschrittsrate bei den Eisenbahninfrastrukturunternehmen. Gleiches gilt für zusätzliche Einnahmen aufgrund von Mengensteigerungen durch Trassenverkäufe. Des Weiteren sieht das System der Regulierung nach §§ 25 ff. ERegG auch einen Anreiz für die Effizienzsteigerung durch eine vertragliche Vereinbarung zwischen dem Bund und den Eisenbahninfrastrukturunternehmen vor. Effizienzanreize ergeben sich damit zusätzlich zu den gesetzlichen Anreizen aus der LuFV II bzw. LuFV III.

c) Die Antragstellerinnen haben nicht zu befürchten, dass der unionsrechtlich gewährleistete Grundsatz der Unabhängigkeit der Geschäftsführung der Betreiber der Schienenwege beeinträchtigt wäre, wenn die begehrte einstweilige Anordnung nicht erginge. Dieser in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs entwickelte Grundsatz fordert entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen nicht, dass die Entgeltbestimmung allein von den Infrastrukturbetreibern vorzunehmen ist. Er begründet keinen pauschalen Vorrang von Entscheidungen des Infrastrukturbetreibers vor staatlichen Interventionen. Vielmehr besteht die Unabhängigkeit der Geschäftsführung ausschließlich innerhalb eines Rahmens, den die Mitgliedstaaten für die Entgeltberechnung festsetzen. Das europäische Sekundärrecht sieht ausdrücklich die Entgeltregulierung durch die Mitgliedstaaten vor und ermächtigt diese, Regeln für eine Entgeltbemessung aufzustellen. Es verlangt gerade nicht, dass die Infrastrukturbetreiber selbstständig und ohne regulatorische Maßnahmen der Mitgliedstaaten die Entgelte für den Zugang zu dem von ihnen betriebenen Netz festlegen können. Der Grundsatz der Unabhängigkeit der Geschäftsführung soll den Infrastrukturbetreibern lediglich einen Spielraum bei der Festsetzung der Höhe der Entgelte einräumen,

vgl. EuGH, Urteile vom 9. November 2017 - C-489/15 -, juris Rn. 77 ff.; vom 28. Februar 2013 - C-483/10 -, juris Rn. 37 ff. und vom 11. Juli 2013 - C-545/10-, juris Rn. 33 ff.

Dies bestätigt auch Art. 7a, der durch die Richtlinie (EU) 2016/2370 vom 14. Dezember 2016 in die Richtlinie 2012/34/EG eingefügt worden ist. Dessen Absatz 1 betont, dass die Unabhängigkeit des Infrastrukturbetreibers in seinen Entscheidungen lediglich innerhalb der staatlich gesetzten Grenzen gem. Art. 4 Abs. 2, Art. 29 (Festlegung von Entgeltregeln durch die Mitgliedstaaten) und Art. 39 (Rahmenregelung für die Zuweisung von Fahrwegkapazität durch die Mitgliedstaaten) der Richtlinie 2012/34/EG besteht. Hinsichtlich der wesentlichen Funktionen des Infrastrukturbetreibers darf nach dem neuen Art. 7a Abs. 2 der Richtlinie 2012/34/EG kein bestimmender Einfluss auf diesen ausgeübt werden und zwar unbeschadet der Rolle der Mitgliedstaaten bei der Festlegung der Rahmenbedingungen für die Entgelterhebung und für die Kapazitätszuweisung sowie spezifischer Vorschriften für die Entgelterhebung gemäß den Artikeln 29 und 39 der Richtlinie 2012/34/EG.

Insoweit bedarf es auch keiner Vorlage an den Europäischen Gerichtshof. Es ist wegen der klaren Formulierung in den Art. 4 Abs. 2, Art. 7a, Art. 29 und Art. 39 der Richtlinie 2012/34/EG als acte clair oder jedenfalls infolge der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs,

Urteile vom 9. November 2017 - C-489/15 -, juris Rn. 77 ff.; vom 28. Februar 2013 - C-483/10 -, juris Rn. 37 ff. und vom 11. Juli 2013 - C-545/10-, juris Rn. 33 ff.,

als acte éclairé zu werten, dass der unionsrechtliche Grundsatz der Unabhängigkeit der Geschäftsführung des Schienenwegebetreibers einer in der Höhe von dem Antrag des Infrastrukturbetreibers abweichenden Festsetzung des Ausgangsniveaus der Gesamtkosten nicht entgegensteht. Auf die Frage nach der Vereinbarkeit der von der Antragsgegnerin vorgenommenen Kostenprüfung mit Unionsrecht kommt es hier im Rahmen der Folgenabwägung im vorläufigen Rechtsschutz, bei der gerade nicht die Erfolgsaussichten in der Hauptsache zur Überprüfung stehen, nicht an.

d) Auch aus anderen unionsrechtlichen Wertungen können die Antragstellerinnen keine individuellen Nachteile für den Fall ableiten, dass eine einstweilige Anordnung unterbliebe, sie in der Hauptsache jedoch Erfolg hätten. Das der Richtlinie 2012/34/EG zugrundeliegende Ziel eines leistungsfähigen Eisenbahnsystems wird nicht in Frage gestellt, wenn sich in der Hauptsache herausstellen sollte, dass die Festsetzung des Ausgangsniveaus der Gesamtkosten durch die Antragsgegnerin rechtswidrig war. Wie bereits dargestellt, wird durch ein möglicherweise vorläufig zu niedrig festgesetztes Ausgangsniveau der Gesamtkosten das nationale Anreizregulierungssystem und damit auch ein effizientes, funktionierendes Eisenbahnsystem nicht beeinträchtigt. Vorläufig geringere zur Verfügung stehende Mittel zur Investition in die Eisenbahninfrastruktur stellen ebenfalls nicht die gesamte Leistungsfähigkeit des Eisenbahnsystems in Frage. Die Regelung in Art. 31 Abs. 6 der Richtlinie 2012/34/EG schützt nicht den Markt im Eisenbahnverkehr vor Schwankungen bei den Wegeentgelten, sondern räumt den Infrastrukturbetreibern die Möglichkeit ein, im eigenen Interesse übermäßigen Preisschwankungen entgegenzuwirken, indem sie die Wegeentgelte über eine angemessene Spanne von Zugverkehrsdiensten und Zeiträumen mitteln.

e) Das von den Antragstellerinnen geltend gemachte Prozessrisiko besteht nicht. Für den Fall, dass sie nach antragsgemäßer Anpassung des Ausgangsniveaus nachträglich erhöhte Trassenentgelte einfordern können, müssen sie nicht befürchten, Forderungen gegenüber den Zugangsberechtigten gerichtlich nicht durchsetzen zu können.

aa) Zunächst wäre ein solches Prozessrisiko wirtschaftlich deutlich geringer zu bewerten als von den Antragstellerinnen angenommen. Die Kammer unterstellt zugunsten der Antragstellerinnen, dass die von ihnen auf der Grundlage des von der Antragsgegnerin festgesetzten Ausgangsniveaus der Gesamtkosten vorgenommene Berechnung von in der Netzfahrplanperiode 2020/2021 um 176,2 Millionen Euro geringeren Einnahmen vor Steuern und Zinsen im Vergleich zu den auf der Grundlage eines Ausgangsniveaus der Gesamtkosten in der von den Antragstellerinnen begehrten Höhe möglichen Einnahmen rechnerisch zutrifft. Insofern kam es auf die von den Antragstellerinnen angebotene eidesstattliche Versicherung des Leiters der Abteilung Regulierungscontrolling der Antragstellerin zu 1. nicht an. Da die Antragstellerinnen lediglich von einem Prozessrisiko belastet sind, soweit ihnen gerichtlich einklagbare Forderungen wirtschaftlich endgültig zur Verfügung stehen, ist von dieser Summe jedoch lediglich der Nachsteuerbetrag zu berücksichtigen. Diesen haben die Antragstellerinnen mit 155 Millionen Euro beziffert; hinzu kommen von den Antragstellerinnen ggf. erwirtschaftete Zinsen. Hiervon ist derjenige Anteil herauszurechnen, der auf von Eisenbahnverkehrsunternehmen der DB AG entrichtete Trassenentgelte entfällt. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Antragstellerinnen darauf angewiesen sind, nachträglich erhöhte Entgelte gegenüber DB-eigenen Verkehrsunternehmen gerichtlich geltend zu machen. Auch wenn die Antragstellerinnen als Eisenbahninfrastrukturunternehmen nach den Entflechtungsregeln gem. §§ 7 ff. ERegG von den Eisenbahnverkehrsunternehmen wirtschaftlich getrennt geführt werden, ist zu erwarten, dass verschiedene Tochterunternehmen des gleichen Konzerns ihre gegenseitig bestehenden vertraglichen Pflichten erfüllen werden.

Aus dem Geschäftsbericht 2018 der Antragstellerin zu 1. ergibt sich, dass von ihren Umsätzen aus Trassenentgelten die Einnahmen von Gesellschaften, die nicht dem DB-Konzern angehören, sowohl im Jahr 2017 als auch im Jahr 2018 einen Anteil von 29% ausgemacht haben.

Vgl. DB Netz AG, Geschäftsbericht 2018, S. 13, abrufbar unter https://ir.deutschebahn.com/fileadmin/Deutsch/2018/Berichte/DB18_Netz_web.pdf (zuletzt abgerufen am 13. August 2019).

Die Kammer geht für die Netzfahrplanperiode 2020/2021 davon aus, dass sich die Umsätze zu vergleichbaren Anteilen unter den Zugangsberechtigten verteilen. Von den Umsatzeinbußen wirken sich demnach lediglich 44,95 Millionen Euro (29% von 155 Millionen Euro) im Rahmen des geltend gemachten Prozessrisikos aus.

bb) Dieser Betrag fällt in Relation zu den Gesamterlösen der Antragstellerinnen innerhalb einer Netzfahrplanperiode nicht maßgeblich ins Gewicht. Zu diesem Zweck zieht die Kammer die Zahlen aus dem Geschäftsbericht 2018 der Antragstellerin zu 1. als Annäherungswert für die Einnahmen in der Netzfahrplanperiode 2020/2021 heran. Im Jahr 2018 hat die Antragstellerin zu 1. aus Trassenentgelten Einnahmen in Höhe von 5.079 Millionen Euro erzielt.

Vgl. DB Netz AG, Geschäftsbericht 2018, S. 13, abrufbar unter https://ir.deutschebahn.com/fileadmin/Deutsch/2018/Berichte/DB18_Netz_web.pdf.

Bei einer Relation zwischen potentiellen Verlusten und Einnahmen sind die an die Antragstellerin zu 1. im Jahr 2018 geflossenen Zuwendungen in Höhe von 6.338 Millionen Euro nicht einzubeziehen. Dieser zwingend für Investitionen in die Schienenwege vorgesehene Betrag hat für die Frage eines von den Antragstellerinnen zu tragenden Prozessrisikos keine Relevanz. Da die Summe der Erlöse aus Trassenentgelten in Höhe von 5.079 Millionen Euro im Jahr 2018 den Vorsteuerbetrag darstellt, ist - ausschließlich zum Zweck einer Relationsbildung - der anteilig auf Entgelte der nicht-DB-eigenen Zugangsberechtigten entfallende Ausfallbetrag vor Steuern heranzuziehen, also rund 51 Millionen Euro (29% von 176,2 Millionen Euro). Die Verluste wegen des Risikos, dass die Antragstellerinnen nachträglich erhöhte Trassenentgelte gegenüber ihren Vertragspartnern gerichtlich nicht durchsetzen könnten, machen damit lediglich rund 1% der im Jahr 2018 aus Trassenentgelten erzielten Erlöse aus. Dabei werden die hier nicht berücksichtigten Prozesskosten in den zivilgerichtlichen Verfahren und eventuell erwirtschaftete Zinsen jedenfalls dadurch ausgeglichen, dass in der Referenzsumme der Gesamterlöse diejenigen der Antragstellerin zu 2. nicht enthalten sind. Drohender Verjährung können die Antragstellerinnen selbst durch rechtzeitige gerichtliche Geltendmachung ihrer Forderungen entgegenwirken. Es bestehen schließlich keine Anhaltspunkte dafür, dass sämtliche von den Zugangsberechtigten außerhalb des DB-Konzerns rückwirkend eingeforderten Trassenentgelte lediglich in einem gerichtlichen Verfahren durchsetzbar sein werden.

cc) Ungeachtet dessen sind die Antragstellerinnen nicht durch rechtliche Unsicherheiten gehindert, für die in der Netzfahrplanperiode 2020/2021 erbrachten Leistungen rückwirkend erhobene Trassenentgelte gerichtlich durchsetzen. Es ist entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen nicht unklar, wie die dann anzurufenden Zivilgerichte hinsichtlich der Frage der Rückwirkung nachträglich genehmigter Entgelte auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit den Zugangsberechtigten entscheiden würden.

Wie vorstehend dargestellt, ist die höchstrichterliche Rechtsprechung, die eine Rückwirkung nachträglich genehmigter Entgelte in den Bereichen der Telekommunikation und der Post bejaht hat, auf § 45 Abs. 2 ERegG übertragbar. An die Annahme einer Rückwirkung nachträglich erstrittener Entgelte durch die Verwaltungsgerichte sind die Zivilgerichte gebunden, damit die Uniformität der Kontrolle von Trassenentgelten durch die verschiedenen Gerichtsbarkeiten gewahrt wird. Der Europäische Gerichtshof hat in Bezug auf Art. 30 der Richtlinie 2001/14/EG über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn, die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur und die Sicherheitsbescheinigung festgestellt, dass bei der Eisenbahnregulierung gerade nicht zwei unkoordinierte Rechtswege nebeneinander bestehen sollen,

vgl. EuGH, Urteil vom 9. November 2017 - C-489/15 -, juris Rn. 87.

Die sich daraus ergebende Bindung der Zivilgerichte an die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung gilt auch für die Richtlinie 2012/34/EG zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums, weil sich die zuvor in Art. 30 Abs. 6 Richtlinie 2001/14/EG enthaltene gerichtliche Nachprüfbarkeit von Entscheidungen der Regulierungsstelle, an die der Europäische Gerichtshof ein koordiniertes Rechtschutzsystem angeknüpft hat, in Art. 56 Abs. 10 Richtlinie 2012/34/EG wiederfindet.

f) Den Antragstellerinnen entsteht hingegen ein Nachteil aufgrund eines bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens theoretisch entstehenden Insolvenzrisikos, wenn die begehrte einstweilige Anordnung nicht erginge. Müssten sie erst eine rechtskräftige Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Festsetzung des Ausgangsniveaus der Gesamtkosten in der Hauptsache abwarten, kann zu diesem Zeitpunkt ein höheres Risiko der Insolvenz ihrer Vertragspartner bestehen, weil diese aus dem Markt ausgetreten sein könnten. Dieses Insolvenzrisiko für die Antragstellerinnen wird jedoch aus mehreren Gründen gemindert.

aa) Das für die Antragstellerinnen bei Unterbleiben der begehrten einstweiligen Anordnung bestehende Insolvenzrisiko wird nicht in voller Höhe der geltend gemachten, in der Netzfahrplanperiode 2020/2021 möglichen Mehrerlöse in Höhe von 176,2 Millionen Euro wirtschaftlich abgebildet. Für die Quantifizierung der Belastung der Antragstellerinnen durch das Risiko einer Insolvenz ihrer Vertragspartner zum Zeitpunkt eventueller Entgeltnachforderungen ist der Betrag nach Steuern zugrunde zu legen, weil nur dieser Betrag für die Antragstellerinnen wirtschaftlich verwertbar ist. Nach ihren Angaben beläuft sich dieser Betrag auf 155 Millionen Euro, zu dem von den Antragstellerinnen ggf. erwirtschaftete Zinsen hinzuzurechnen sind.

Außerdem sind für die Bewertung des Insolvenzrisikos lediglich Einnahmeeinbußen in Bezug auf Zugangsberechtigte, die nicht dem DB-Konzern angehören, heranzuziehen. Marktaustritte der DB-eigenen Eisenbahnverkehrsunternehmen und die Gefahr für die Antragstellerinnen, nachträglich erhöhte Entgelte gegenüber diesen nicht durchsetzen zu können, sind nicht hinreichend wahrscheinlich. Aus dem Nachsteuerbetrag in Höhe von 155 Millionen Euro ist derjenige Anteil herauszurechnen, der auf die Einnahmen von Eisenbahnverkehrsunternehmen entfällt, die dem DB-Konzern angehören. Da die Antragstellerinnen - wie bereits ausgeführt - 29% der Erlöse aus Entgelten von Zugangsberechtigten außerhalb des DB-Konzerns erzielen, ist für das Insolvenzrisiko ein Betrag der Einnahmeeinbußen in Höhe von lediglich 44,95 Millionen Euro zuzüglich entsprechend anteilig eventuell erwirtschafteter Zinsen maßgeblich.

Diese Unterscheidung zwischen den Einnahmen der Antragstellerinnen von DB-eigenen Eisenbahnverkehrsunternehmen und von Zugangsberechtigten außerhalb des DB-Konzerns stellt lediglich eine realistische Bewertung des Insolvenzrisikos dar und widerspricht nicht den gesetzlichen Entflechtungsanforderungen. Die Annahme, dass für die Berechnung des Insolvenzrisikos die potentiellen Einnahmen aus Trassenentgelten von DB-eigenen Eisenbahnverkehrsunternehmen herauszurechnen sind, berührt nicht die von §§ 7 ff. ERegG geregelte Entflechtung von Betreibern der Infrastruktur und Eisenbahnverkehrsunternehmen. Insbesondere führt diese Bewertung des Insolvenzrisikos nicht zu einer Verschiebung von wirtschaftlichen Positionen zwischen den Antragstellerinnen und den DB-eigenen Eisenbahnverkehrsunternehmen.

bb) Die Bedeutung des Insolvenzrisikos wird auch relativiert, wenn man den Betrag der möglicherweise nicht durchsetzbaren nachträglich erhöhten Trassenentgelte ins Verhältnis zu den Gesamterlösen der Antragstellerinnen aus Trassenentgelten setzt. Für die Referenzsumme der Erlöse der Antragstellerinnen legt die Kammer wie zuvor dargestellt auf der Grundlage des Geschäftsberichts 2018 der Antragstellerin zu 1. einen Betrag von 5.079 Millionen Euro zugrunde. Auch mit Blick auf ein Insolvenzrisiko der Antragstellerinnen bleiben die für die Investitionen in die Schienenwege vorgesehenen Zuwendungen außer Betracht. Da die Summe der Erlöse aus Trassenentgelten in Höhe von 5.079 Millionen Euro im Jahr 2018 den Vorsteuerbetrag darstellt, ist - ausschließlich zum Zweck einer Relationsbildung - der anteilig auf Entgelte der nicht-DB-eigenen Zugangsberechtigten entfallende Ausfallbetrag vor Steuern heranzuziehen, also rund 51 Millionen Euro (29% von 176,2 Millionen Euro). Die Verluste aufgrund möglicher Insolvenzen von Vertragspartnern der Antragstellerinnen machen damit lediglich rund 1% der im Jahr 2018 aus Trassenentgelten erzielten Erlöse aus, wobei wiederum den Nachteil der Antragstellerinnen mindernd zu berücksichtigen ist, dass die Erlöse der Antragstellerin zu 2. bei diesem Verhältnis nicht berücksichtigt sind.

cc) Des Weiteren ist zu beachten, dass sich die Gefahr eines Marktaustritts nicht bei allen Zugangsberechtigten realisieren wird, die nicht dem DB-Konzern angehören; das Risiko von Marktaustritten wird wirtschaftlich nicht realistisch durch einen Betrag in Höhe von knapp 45 Millionen Euro abgebildet. Jedenfalls für die Eisenbahnverkehrsunternehmen ist nicht mit einer besonderen Gefahr der Marktaustritte zu rechnen. Die Anforderungen an den Markteintritt von Eisenbahnverkehrsunternehmen mit dem Ziel der Teilnahme am öffentlichen Eisenbahnbetrieb sind hoch. Zunächst bedürfen neue Wettbewerber einer Unternehmensgenehmigung, zu deren Erteilung die Genehmigungsbehörde Kriterien der Zuverlässigkeit, fachlichen Eignung und vor allem auch der finanziellen Leistungsfähigkeit der Antragsteller als Unternehmer überprüft, vgl. §§ 6ae AEG. Zudem bedürfen Eisenbahnverkehrsunternehmen in der Regel einer Sicherheitsbescheinigung gem. § 7a AEG. Das für neue Wettbewerber aufwändige Zulassungsverfahren lässt zumindest erwarten, dass sich diese nicht leichtfertig auf den Markt begeben. Hierbei ist auch zu bedenken, dass die hohen Investitionskosten für die Beschaffung von Eisenbahnfahrzeugen ebenfalls einem leichtfertigen Markteintritt entgegenstehen. Zudem führt die - anders als in anderen Wirtschaftsbereichen auf dem freien Markt - gesetzlich vorgesehene behördliche Kontrolle der finanziellen Leistungsfähigkeit von Eisenbahnverkehrsunternehmen dazu, dass das Risiko von Insolvenzen der Vertragspartner der Antragstellerinnen gemindert wird. Diese besonderen Voraussetzungen der Marktteilnahme gelten lediglich nicht für natürliche oder juristische Personen im Sinne des § 1 Abs. 12 Nr. 2 ERegG, die ebenfalls zum Kreis der Zugangsberechtigten und damit den Vertragspartnern der Antragstellerinnen zählen.

Etwas Anderes gilt auch nicht im Hinblick auf die Zugangsberechtigten im Schienengüterverkehr. Zwar sind hier Marktaustritte wahrscheinlicher als in den anderen Segmenten. Allein aus dem Umstand, dass die Wettbewerbslage im Schienengüterverkehr angespannt ist, folgt aber nicht, dass allen Vertragspartnern der Antragstellerinnen aus dem Bereich des Schienengüterverkehrs bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens eine Insolvenz droht. Den besonderen Bedürfnissen dieses Marktsegments wird dadurch Rechnung getragen, dass die Antragsgegnerin die Entgelte für die aktuelle sowie die beiden vorangegangenen Netzfahrplanperioden gegenüber dem Antrag der Antragstellerinnen abgesenkt hat.

dd) Auch die den Zugangsberechtigten möglichen Rückstellungen reduzieren das Insolvenzrisiko weiter. Zwar sind Rückstellungen nicht geeignet, das Risiko eines Marktaustritts vollständig auszuräumen. Allerdings grenzen sie die Gefahr eines Marktaustritts wegen einer überraschenden Entgeltnachforderung der Antragstellerinnen nach einer rückwirkenden Erhöhung des Ausgangsniveaus der Gesamtkosten erheblich ein. Der Umstand, dass die Antragstellerinnen die Rückstellungen durch die Zugangsberechtigten nicht erzwingen können, mindert deren Bedeutung für die Sicherung eventueller nachträglicher Forderungen der Antragstellerinnen nicht. Denn die Zugangsberechtigten werden Rückstellungen für ggf. nachträglich erhöhte Trassenentgelte gerade im eigenen Interesse bilden, um weiterhin am Markt teilnehmen zu können.

Eine Berechtigung, Rückstellungen wegen ungewisser Verbindlichkeiten zu bilden, besteht für die Zugangsberechtigten bereits deshalb, weil die Antragstellerin zu 1. zumindest in ihrem Geschäftsbericht 2018 darauf hingewiesen hat, dass sie die Festsetzung des Ausgangsniveaus der Gesamtkosten durch Beschluss der Antragsgegnerin vom 28. Juni 2017 angegriffen hat. Außerdem ist die Möglichkeit nachträglich erhöhter Entgelte für die Zugangsberechtigten auch daraus ersichtlich, dass bislang sowohl die Festsetzung der Obergrenze der Gesamtkosten als auch die Genehmigung der Trassenentgelte mit einem Widerrufsvorbehalt für den Fall versehen worden sind, dass das Ausgangsniveau der Gesamtkosten bzw. die Obergrenze der Gesamtkosten nachträglich angepasst werden. Es ist in der Branche bekannt, dass die Antragstellerinnen im gerichtlichen Verfahren ein höheres Ausgangsniveau der Gesamtkosten erstreiten wollen, was mögliche nachträglich erhöhte Entgeltforderungen zur Folge hätte. Der offene Ausgang des Rechtsstreits über die Festsetzung des Ausgangsniveaus der Gesamtkosten in der ersten Regulierungsperiode ist für die Zugangsberechtigten hinreichender Anlass, um von ungewissen Verbindlichkeiten auszugehen und hierfür Rückstellungen zu bilden. Entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen betrifft der Streit über das Ausgangsniveau der Gesamtkosten die Zugangsberechtigten auch unmittelbar, weil das Ausgangsniveau der Gesamtkosten nach dem eindeutigen System der Entgeltregulierung des Eisenbahnregulierungsgesetzes für die Genehmigung der letztendlich von ihnen zu entrichtenden Trassenentgelte maßstabsbildend ist. Die Annahme der Antragstellerinnen, die Zugangsberechtigten könnten Mehrkosten aufgrund erhöhter Trassenpreise ausschließlich dann an ihre Kunden durchreichen, wenn diese vorläufig nach Erlass der einstweiligen Anordnung zu entrichten wären, beruht lediglich auf einer Vermutung, die die Antragstellerinnen nicht näher begründet haben.

g) Wenn die von den Antragstellerinnen begehrte einstweilige Anordnung nicht ergeht, sind sie zudem so weit belastet, wie aufgrund des von der Antragsgegnerin festgesetzten Ausgangsniveaus der Gesamtkosten Investitionen in die Eisenbahninfrastruktur vorläufig ausfallen.

aa) Die Antragstellerinnen machen geltend, dass sich die Summe ihrer Einnahmen vor Steuern und Zinsen in der Netzfahrplanperiode 2020/2021 infolge des um 164,3 Millionen Euro niedriger als von ihnen im gerichtlichen Eilverfahren beantragt festgesetzten Ausgangsniveaus der Gesamtkosten um 176,2 Millionen Euro verringere. Diese Summe könne dann auf Basis der LuFV II nicht an den Bund abgeführt werden und in der Folge auch nicht als Zuwendungen des Bundes zum Zweck der Investition in das Schienennetz an die Antragstellerinnen fließen. Sollten erst nach rechtskräftigem Abschluss des Hauptsacheverfahrens ein höheres Ausgangsniveau der Gesamtkosten festgesetzt und infolgedessen nachträglich erhöhte Entgelte der Zugangsberechtigten von den Antragstellerinnen eingefordert werden, könnten diese Mehreinnahmen nicht bereits zum jetzigen Zeitpunkt nach § 2a.1 LuFV II als Dividende an den Bund abgeführt werden. Dies hätte zur Folge, dass durch den Bund vorerst geringere Ersatzinvestitionen getätigt würden. Damit summierten sich ausbleibende Investitionen in das Schienennetz bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache.

bb) Auch wenn man die mathematische Richtigkeit der Berechnung von Mindereinnahmen in der Netzfahrplanperiode 2020/2021 in Höhe von 176,2 Millionen Euro unterstellt, ist die Belastung der Antragstellerinnen durch einen solchen teilweisen Investitionsausfall allerdings deutlich geringer als von ihnen dargestellt. Bei der Bewertung des Nachteils ist die Vorläufigkeit der aufgrund ausbleibender Einnahmen der Antragstellerinnen fehlenden Investitionen zu berücksichtigen. Zudem haben sie den drohenden Investitionsausfall unzutreffend beziffert, weil sie ihn mit den ihrer Berechnung zufolge in der Netzfahrplanperiode 2020/2021 entstehenden Einnahmeeinbußen gleichgesetzt haben.

(1) Zunächst sind die von den Antragstellerinnen gerügten Ausfälle der Investitionen in das Schienennetz lediglich vorläufig. Sollten die Antragstellerinnen in der Hauptsache Erfolg haben und infolge eines angepassten Ausgangsniveaus für den in Rede stehenden Zeitraum nachträglich höhere Entgelte von den Zugangsberechtigten fordern können, ist davon auszugehen, dass sie auch unter Geltung der LuFV III für das Abführen dieser Beträge an den Bund Ersatzinvestitionen erhielten. Es ist zu erwarten, dass nach der noch zu schließenden LuFV III ein demjenigen der LuFV II entsprechendes System von Dividendenzahlungen und Ersatzinvestitionen gelten wird. In den Presseberichten über den aktuellen Verhandlungsstand bezüglich der neuen Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung wird von Änderungen der Summe der Investitionen in das Schienennetz, nicht jedoch des Investitionssystems als solchem berichtet,

vgl. Deutsche Verkehrs-Zeitung (DVZ), Bund und Bahn einigen sich auf neue Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung, 26. Juli 2019,

abrufbar unter https://www.dvz.de/rubriken/politik/detail/news/

bundundbahneinigensichaufneueleistungsundfinanzierungsvereinbarung.html (zuletzt abgerufen am 13. August 2019).

Einen endgültigen Verlust von Ersatzinvestitionsleistungen in Höhe nachträglich bei Erfolg in der Hauptsache nach oben angepassten Mehreinnahmen von den Zugangsberechtigten haben die Antragstellerinnen danach nicht zu befürchten.

(2) Darüber hinaus ist zur Berechnung vorläufig ausbleibender Ersatzinvestitionen in die Schienenwege durch den Bund gem. § 2a.1 LuFV II im Ausgangspunkt der von den Antragstellerinnen auf ca. 155 Millionen Euro geschätzte Nachsteuerbetrag zugrunde zu legen. Allein die erzielten Nachsteuerergebnisse der DB AG bzw. der Eisenbahninfrastrukturunternehmen sind Gegenstand des § 2a.1 LuFV II; nur diese werden als Dividenden an den Bund ausgeschüttet und anschließend (teilweise) in die Schienenwege investiert.

Außerdem ist für die Gewichtung des Nachteils eines vorläufigen Ausfalls der Investitionen in das Schienennetz derjenige Anteil an Mindereinnahmen aus Trassenentgelten herauszurechnen, der auf die Eisenbahnverkehrsunternehmen entfällt, die dem DB-Konzern angehören. Dies ergibt sich aus dem System der Dividendenausschüttung durch den DB-Konzern und die darauf folgende Reinvestition in die Schienenwege durch den Bund gemäß § 2a LuFV II. Danach ist für die Höhe der Ersatzinvestitionen durch den Bund unbeachtlich, ob dem Bund zusätzliche Dividenden durch den DB-Konzern oder die Antragstellerinnen zufließen. Nach Satz 1 des § 2a.1 LuFV II setzt der Bund zusätzliche Dividenden der DB AG für Ersatzinvestitionen ein. Satz 2 des § 2a.1 LuFV II lautet:

"Dabei werden die Nachsteuerergebnisse der EIU vollständig an den Bund ausgeschüttet und auch vollständig wieder in die Eisenbahninfrastruktur reinvestiert",

Die Verwendung des Begriffs "dabei" macht deutlich, dass die von den Eisenbahninfrastrukturunternehmen der DB AG, also die von den Antragstellerinnen geleisteten zusätzlichen Dividendenzahlungen in den in Satz 1 genannten Dividenden der DB AG aufgehen. In § 2a.2 LuFV II gehen die Vertragsparteien für das Jahr 2019 davon aus, dass die DB AG an den Bund zusätzliche Dividenden in Höhe von 650 Millionen Euro leisten wird. Hier erfolgt keine Differenzierung nach den unterschiedlichen Unternehmen des DB-Konzerns.

Die explizite Erwähnung der Eisenbahninfrastrukturunternehmen in § 2a.1 Satz 2 LuFV II dient dazu, hinsichtlich der von diesen erwirtschafteten Dividenden eine Investitionsrate von 100% festzulegen, während der Anteil der Ersatzinvestitionen durch den Bund im Übrigen offen gelassen wurde. Angesichts der derzeit politisch gewollten verstärkten Investition in das Schienennetz ist nicht davon auszugehen, dass die Dividenden der DB AG im hier maßgeblichen Zeitraum nicht zu 100% in die Eisenbahninfrastruktur reinvestiert werden. Die Erlöse, die die Antragstellerinnen nach ihrem Vortrag infolge des festgesetzten Ausgangsniveaus der Gesamtkosten vorerst nicht durch Entgelte von Eisenbahnverkehrsunternehmen des DB-Konzerns erzielen könnten, führen nach diesem System nur in beschränktem Umfang zu vorläufigen Investitionsausfällen. Nehmen die Antragstellerinnen geringere Entgelte von Eisenbahnverkehrsunternehmen des DB-Konzerns ein, gehen die entsprechenden Erlösausfälle bei den Antragstellerinnen mit Einsparungen der DB-Eisenverkehrsunternehmen einher; diese können ungehindert in die Dividenden der DB AG im Sinne des § 2a.1 Satz 1 LuFV II einfließen. Dies hat zur Folge, dass auch bei Erlöseinbußen der Antragstellerinnen von Eisenbahnverkehrsunternehmen des DB-Konzerns für die Ersatzinvestitionen des Bundes die unveränderte Summe an Dividenden zur Verfügung steht. Eine echte Steigerung der Ersatzinvestitionen durch den Bund können die Antragstellerinnen nur durch Erlöse erzielen, die sie von Zugangsberechtigten einnehmen, die nicht dem DB-Konzern angehören. Allein die Mindereinnahmen von den Zugangsberechtigten außerhalb der DB AG sind für die Gewichtung eines vorläufigen Investitionsausfalls aufgrund des von der Antragsgegnerin festgesetzten Ausgangsniveaus der Gesamtkosten zu berücksichtigen.

Diese Betrachtungsweise ist auch mit den Vorgaben des Eisenbahnregulierungsgesetzes zur Entflechtung vereinbar. Das zuvor beschriebene System beschränkt sich auf eine Betrachtung der Dividendenausschüttung durch die DB AG als vertikal integriertes Unternehmen. Davon werden die von §§ 7 ff. ERegG vorgegebene buchhalterische, operationelle, rechtliche und informationelle Entflechtung von Betreibern der Infrastruktur und Eisenbahnverkehrsunternehmen nicht berührt. Das von § 2a LuFV II vorgesehene Zusammenspiel von Dividendenausschüttung und Ersatzinvestition in die Schienenwege berührt die gesetzlich vorgesehene Entflechtung innerhalb des DB-Konzerns nicht.

Nach diesem Grundsatz sind die von den Antragstellerinnen geltend gemachten Fehlbeträge nach Steuern für Ersatzinvestitionen des Bundes in die Schienenwege um 71% zu reduzieren, da dies dem Anteil der Erlöse der Antragstellerinnen von Zugangsberechtigten entspricht, die dem DB-Konzern angehören. Von dem Betrag der geltend gemachten Mindereinnahmen nach Steuern in Höhe 155 Millionen Euro sind für die Gewichtung des Nachteils aus vorläufigen Investitionsausfällen lediglich 29%, also 44,95 Millionen Euro zu berücksichtigen.

(3) Der so zu beziffernde, aus einem vorläufigen Investitionsausfall resultierende wirtschaftliche Nachteil wird zusätzlich relativiert, wenn man ihn ins Verhältnis zu dem Gesamtvolumen der Investitionen in das Schienennetz setzt. Der DB Konzern informiert auf seiner Homepage darüber, dass im Jahr 2019 10,7 Milliarden in 1.500 km Gleise, über 300 Brücken, mehr als 1.500 Weichen sowie 650 Bahnhöfe investiert würden.

Vgl. die Meldung vom 20. Februar 2019, abrufbar unter: https://www.deutschebahn.com/de/presse/suche_Medienpakete/2019-Investitionenvonrund-10-7-Milliarden-Euroinmoderne-Bahnhoefeundleistungsfaehigeres-Netz-3784910 (zuletzt abgerufen am 13. August 2019).

Auch unter Abzug der Investitionen in Bahnhöfe, die nicht zu den Schienenwegen zählen, bewegt sich die Gesamtinvestitionssumme für die Schienenwege in einer Größenordnung, bei der das vorläufige Ausbleiben eines Betrags von knapp 45 Millionen Euro nicht als gravierender Nachteil für eine kontinuierliche Verbesserung und Instandhaltung des von den Antragstellerinnen betriebenen Schienennetzes zu bewerten ist. Ein vorläufiges Ausbleiben von Investitionen in Höhe von knapp 45 Millionen Euro stellt im Verhältnis zu der Gesamtinvestitionssumme in die Schienenwege einen Anteil von jedenfalls unter einem Prozent dar. Dieser Erwägung steht nicht entgegen, dass sich der Zeitraum für die Investitionen in Höhe von 10,7 Milliarden Euro auf das Jahr 2019 beschränkt, hier aber die Netzfahrplanperiode 2020/2021 in Rede steht. Angesichts der nach derzeitigem Verhandlungsstand zur LuFV III zu erwartenden drastischen Steigerung der Investitionen in das Schienennetz vor allem durch den Bund,

vgl. Deutsche Verkehrs-Zeitung (DVZ), Bund und Bahn einigen sich auf neue Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung, 26. Juli 2019,

abrufbar unter https://www.dvz.de/rubriken/politik/detail/news/

bundundbahneinigensichaufneueleistungsundfinanzierungsvereinbarung.html,

ist auch für die Netzfahrplanperiode 2020/2021 mindestens ein entsprechendes Investitionsvolumen zu erwarten. Selbst im Verhältnis zu dem jährlichen Mindestinstandhaltungsbeitrag in Höhe von 1,5 Milliarden Euro, den die Antragstellerinnen gemäß § 4 LuFV II aus eigenen Finanzmitteln zu tragen haben, fallen vorerst ausbleibende Ersatzinvestitionen im Sinne des § 2a.1 LuFV II in Höhe von ca. 45 Millionen Euro nicht maßgeblich ins Gewicht. An dieser Summe machen sie lediglich einen Anteil von knapp drei Prozent aus.

cc) Schließlich ist auch nicht zu befürchten, dass die Funktionsfähigkeit des Schienennetzes infrage gestellt würde, wenn die Antragstellerinnen ohne die begehrte einstweilige Anordnung vorläufig in der Netzfahrplanperiode 2020/2021 um 176,2 Millionen Euro verringerte Erlöse aus Trassenentgelten erzielten. Die Gewährleistung eines funktionsfähigen Schienennetzes kann angesichts eines berücksichtigungsfähigen Ausfalls von Investitionen in Höhe von knapp 45 Millionen Euro nicht infrage gestellt werden. In die Schienenwege werden auch Investitionen getätigt, die von den Dividendenzahlungen aus Einnahmen der Antragstellerinnen an den Bund unabhängig sind. Zum Bestehen eines funktionsfähigen Schienennetzes tragen die nach dem Bedarfsplan aus dem Bundesschienenwegeausbaugesetz (BSWAG) vorgesehenen Investitionen, der in § 2 LuFV II vorgesehene Infrastrukturbeitrag des Bundes, der Mindestinstandhaltungsbeitrag gem. § 4 LuFV II aus Eigenmitteln der Eisenbahninfrastrukturunternehmen und EU-Fördermittel bei. Auch nach Inkrafttreten der LuFV III ist von den gleichen Investitionsquellen für die Instandhaltung der Schienenwege auszugehen, da der Mechanismus hinsichtlich der Investitionen nach der neuen Vereinbarung nicht verändert werden soll. Angesichts der nach dem derzeitigen Stand der Verhandlungen zur LuFV III für einen Zeitraum von zehn Jahren anvisierten Investitionssumme in Höhe von rund 86 Milliarden Euro,

vgl. Deutsche Verkehrs-Zeitung (DVZ), Bund und Bahn einigen sich auf neue Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung, 26. Juli 2019,

abrufbar unter https://www.dvz.de/rubriken/politik/detail/news/

bundundbahneinigensichaufneueleistungsundfinanzierungsvereinbarung.html,

birgt es nicht das Risiko einer nachhaltigen Beeinträchtigung des Schienennetzes, wenn für Investitionen in die Schienenwege vorläufig knapp 45 Millionen Euro weniger zur Verfügung ständen.

Auch wenn sich ein vorläufiger Ausfall von Investitionen in das Schienennetz in Höhe von knapp 45 Millionen Euro für die Antragstellerinnen belastend auswirkt, können sie sich jedoch nicht darauf berufen, dass ohne eine vorläufige Erhöhung des Ausgangsniveaus der Gesamtkosten hochrangige Interessen in Gestalt des Wohls der Allgemeinheit im Sinne von Art. 87e Abs. 4 Satz 1 GG beeinträchtigt wären. Eine Beeinträchtigung der Allgemeinwohlbelange aus dieser Verfassungsnorm betrifft nicht die Antragstellerinnen. Die daraus folgende Gewährleistungsverantwortung richtet sich ausschließlich an den Bund. Die Antragstellerinnen sind durch Art. 87e Abs. 4 Satz 1 GG nicht grundrechtsverpflichtet. Eine Verantwortung für das Wohl der Allgemeinheit im Sinne des Art. 87e Abs. 4 Satz 1 GG kann auch nicht aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 7. November 2017 - 2 BvE 2/11 - hergeleitet werden. Insoweit ist der Kontext der Entscheidung zu berücksichtigen. Das Bundesverfassungsgericht hat eine gewisse Überschneidung zwischen der Gewährleistungsverantwortung des Bundes gem. Art. 87e Abs. 4 Satz 1 GG und der grundsätzlich gewinnorientierten Unternehmensführung gem. Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG erstens im Rahmen der Bestimmung von Inhalt und Grenzen des parlamentarischen Informationsanspruchs und zweitens nur mit Blick auf die Rolle des Bundes und die Legitimationsbedürftigkeit der Geschäftstätigkeit öffentlicher Unternehmen festgestellt.

Vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 267.

Aus dieser Entscheidung lässt sich gerade keine Einbeziehung der Schienennetzbetreiber in den an den Bund gerichteten Gewährleistungsauftrag aus Art. 87e Abs. 4 Satz 1 GG ableiten, denn zu der Teilhabe der Schienennetzbetreiber an dieser Aufgabe hat sich das Bundesverfassungsgericht gerade nicht verhalten. Auch wenn durch einen vorläufigen Ausfall von Investitionen in die Schienenwege die Allgemeinwohlbelange im Sinne von Art. 87e Abs. 4 Satz 1 GG berührt sein sollten, folgte aus diesem Umstand nicht, dass den Antragstellerinnen daraus selbst Nachteile entständen, da sie nicht den verfassungsrechtlichen Gewährleistungsauftrag für den Erhalt des Schienennetzes zu erfüllen haben.

Die von den Antragstellerinnen behauptete Gefährdung des Gewährleistungsauftrags gem. 87e Abs. 4 Satz 1 GG ist auch nicht als öffentlicher Belang zugunsten des Erlasses der begehrten einstweiligen Anordnung in die Folgenabwägung einzustellen. Denn die vorläufigen Investitionsausfälle in Höhe von knapp 45 Millionen Euro erreichen nicht eine Größenordnung, die geeignet wäre, die Erfüllung des Gewährleistungsauftrags des Bundes gem. Art. 87e Abs. 4 Satz 1 GG infrage zu stellen.

h) Den nach den vorstehenden Ausführungen relativierten Nachteilen der Antragstellerinnen aufgrund eines Risikos der Insolvenz von Zugangsberechtigten sowie eines vorläufigen Ausfalls von Investitionen in das Schienennetz stehen gewichtige Nachteile für den Eisenbahnmarkt gegenüber, wenn die von den Antragstellerinnen begehrte einstweilige Anordnung erginge, die Antragstellerinnen aber in der Hauptsache letztendlich keinen Erfolg hätten. Würde die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zur vorläufigen Festsetzung eines um 164,3 Millionen höheren Ausgangsniveaus verpflichtet, hätte dies nach der Festlegung der Obergrenze der Gesamtkosten zur Folge, dass die Antragstellerinnen in der hier in Rede stehenden Netzfahrplanperiode 2020/2021 vorläufig - nach ihren Berechnungen - um 176,2 Millionen Euro höhere Entgelte von den Zugangsberechtigten einnehmen könnten. Für den Fall, dass die Antragstellerinnen in der Hauptsache keinen Erfolg hätten, könnten die Zugangsberechtigten die entrichteten höheren Entgelte erst nach einem rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens zurückfordern. Daraus entständen ihnen Nachteile, die diejenigen der Antragstellerinnen überwögen. Die Zugangsberechtigten sind entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen bereits von einem vorläufig erhöhten Ausgangsniveau der Gesamtkosten unmittelbar betroffen, weil dieses die Berechnungsgrundlage für die Trassenentgelte in der hier in Rede stehenden Netzfahrplanperiode 2020/2021 bildet.

Zunächst ist die Vorauszahlung vorläufig erhöhter Entgelte infolge eines erhöhten Ausgangsniveaus der Gesamtkosten geeignet, bereits den Marktzugang der Zugangsberechtigten in Frage zu stellen.

Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 1. Dezember 2017 - 13 B 676/17 -, juris Rn. 70.

Dies gilt insbesondere für den Schienengüterverkehr. In diesem Marktsegment ist der Wettbewerb - wie die Antragstellerinnen selbst betonen - besonders angespannt, weil beim Gütertransport die Wirtschaftlichkeit der Inanspruchnahme der Schienenwege aufgrund der starken Konkurrenz durch das Transportangebot auf der Straße infrage steht. Hinzu kommt, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen für die Zugangsberechtigten weit weniger vorhersehbar wären, wenn sie vorläufig für in der Netzfahrplanperiode 2020/2021 erbrachte Leistungen höhere Entgelte zu entrichten hätten, die Antragstellerinnen in der Hauptsache jedoch endgültig keinen Erfolg hätten. Die Annahme der Antragstellerinnen hinsichtlich der besseren Preisgestaltungsmöglichkeiten der Zugangsberechtigten, für den Fall, dass die einstweilige Anordnung erginge, gleichen diese Nachteile nicht aus. Es ist lediglich eine nicht näher belegte Vermutung, dass die Zugangsberechtigten erhöhte Trassenpreise nur im Vorhinein an ihre Kunden weitergeben könnten. Diese Nachteile für die Zugangsberechtigten können jedoch zumindest teilweise aufgefangen werden, wenn die Zugangsberechtigten für nach rechtskräftigem Abschluss der Hauptsache auf der Grundlage eines angepassten Ausgangsniveaus der Gesamtkosten nachträglich zu entrichtende höhere Entgelte Rückstellungen bilden. Diese belasten die Zugangsberechtigten nicht in gleichem Maß wie vorläufig zu zahlende Trassenentgelte, insbesondere deshalb, weil diese nicht in voller Höhe der von den Antragstellerinnen erwarteten Entgelte erfolgen, sondern von den Zugangsberechtigten anteilig entsprechend eines von ihnen geschätzten Prozessrisikos gebildet werden. Zudem führte eine vorläufige Erhöhung des Ausgangsniveaus der Gesamtkosten für eine Netzfahrplanperiode zu deutlich mehr Unsicherheiten für den Markt. Es wäre damit für jede Netzfahrplanperiode zu befürchten, dass das eigentlich für die Dauer der Regulierungsperiode von fünf Jahren festgesetzte Ausgangsniveau der Gesamtkosten vorläufig verändert wird. Eine Aufspaltung der Festsetzung des Ausgangsniveaus der Gesamtkosten für einzelne Netzfahrplanperioden innerhalb der Regulierungsperiode ist von § 25 Abs. 1 ERegG gerade nicht vorgesehen. Anpassungen im Hinblick auf das Ausgangsniveau der Gesamtkosten sieht das Eisenbahnregulierungsgesetz nur im Rahmen der Obergrenze der Gesamtkosten vor, vgl. § 25 Abs. 3 und § 26 Abs. 1 ERegG. Das Argument der Verunsicherung des Markts gilt vorliegend umso mehr, weil sich die Antragstellerinnen ausdrücklich vorbehalten haben, ggf. im Wege weiterer Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung eine Erhöhung des Ausgangsniveau der Gesamtkosten für weitere Netzfahrplanperioden geltend zu machen.

Nach alledem geht die Folgenabwägung zu Lasten der Antragstellerinnen aus.

II. Der unter Ziffer 2. gestellte Hilfsantrag ist ebenfalls unbegründet. Aus der vorstehenden Folgenabwägung ergibt sich zugleich, dass die Nachteile der Antragstellerinnen für den Fall, dass keine auf vorläufige Neubescheidung gerichtete einstweilige Anordnung erginge, die Antragstellerinnen in der Hauptsache jedoch obsiegten, die Nachteile im umgekehrten Fall nicht überwögen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Das Interesse der Antragstellerinnen ist darauf gerichtet, durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung in Bezug auf die Netzfahrplanperiode 2020/2021 die Festsetzung eines im Vergleich zu dem mit Beschluss der Antragsgegnerin vom 28. Juni 2017 festgesetzten Betrag um 164,3 Millionen Euro höheren Ausgangsniveaus der Gesamtkosten zu erreichen. Auch bei einer Halbierung dieses Betrags wegen der Vorläufigkeit des Begehrens (vgl. Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit) liegt der Betrag des Streitwerts über dem von § 39 Abs. 2 GKG vorgesehenen Höchstwert von 30 Millionen Euro. Auf diesen Höchstwert hat das Gericht den Streitwert festgesetzt.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.

Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) erfolgen.

Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.

Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.

Die Beteiligten müssen sich bei der Einlegung und der Begründung der Beschwerde durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.

Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Die Beschwerde ist schriftlich, zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.

Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.

Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.

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