AG Essen, Urteil vom 20.11.2003 - 63 Ls 272/03
Fundstelle
openJur 2019, 30229
  • Rkr:
Tenor

Der Angeklagte ist der Beihilfe zum Betrug schuldig.

Er wird verwarnt und mit einer (1) Woche Dauerarrest belegt.

Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Vergehen strafbar gemäß §§ 263, 27 I, II StGB, 1, 105 ff JGG.

Gründe

Der am 19.04.1983 in *** geborene Angeklagte lebt mit seiner jetzigen 16-jährigen Schwester im elterlichen Haushalt. Die Eltern sind berufstätig. Die Familie reiste 1997 in die BRD ein.

Der Angeklagte besuchte bis zu seiner Übersiedlung in *** die Schule. Hier besuchte er zuletzt die Realschule, wo er im Jahr 2000 den Hauptschulabschluß nach Klasse 9 erreichte. Anschließend absolvierte er bis Mai 2001 ein Berufsvorbereitungsjahr im Haus des Handwerks, woran sich ein 3-monatiges Praktikum im Bereich Gas-, Wasser-Installation anschloß. Am 01.08.2001 begann er eine Ausbildung zum Gas-, Wasser-Installateur, die er am 30.05.2002 abbrach. Nunmehr befindet sich der Angeklagte seit dem 03.11.2003 in einer Ausbildung zum Stahl- und Betonbauer. Die Ausbildungszeit beträgt 3 Jahre. Der Angeklagte verdient brutto 554,00 €, zuzüglich Kindergeld.

In seiner Freizeit geht der Angeklagte keinen besonderen Interessen nach. In der Regel verbringt er seine Freizeit zu Hause.

Strafrechtlich ist der Angeklagte bislang noch nicht in Erscheinung getreten.

Anklageschrift 65 Js 559/03 StA Essen vom 07.07.2003:

Am 20.08.02 wurde über das Internet ein PKW Audi A 6 2,8 Quattro zum Preis von 16.500,00 € zuzüglich Mehrwertsteuer zum Kauf angeboten. Ein Bekannter des Geschädigten E machte den Geschädigen E darauf aufmerksam. Sodann nahm der Zeuge E unter der Rufnummer ...# Kontakt zum maßgeblichen Anbieter auf und schloß fernmündlich einen entsprechenden Kaufvertrag über den Audi A 6. Das Vertragsformular wurde dem Zeugen E zugefaxt. Darin war als Verkäufer eine Person namens F eingetragen. Der Zeuge E wurde sodann angewiesen, noch am gleichen Tag eine Zahlung von 2.000,00 € zu leisten. Dabei wurde dem Zeugen als Zahlungsempfänger der Name des Angeklagten sowie dessen Bankverbindung Kontonummer +++ bei der Sparkasse Essen genannt. Dabei waren die Daten über das Fahrzeug Audi A 6 und auch über die Person des Verkäufers frei erfunden. Zu keinem Zeitpunkt sollte ein solches Fahrzeug verkauft werden. Der Vertragspartner des Zeugen E trat vorher oder zur gleichen Zeit an den Angeklagten heran und bat diesen, ihm sein Konto für die Transaktion von 2.000,00 € zur Verfügung zu stellen. Dem Angeklagten wurden als Gegenleistung 500,00 € versprochen. Der Angeklagte, der dabei bemerkte, daß es sich um ein "krummes Geschäft" handelte, war damit einverstanden. Der Zeuge E überwies sodann am 20.08.2002 den genannten Betrag von 2.000,00 € auf das Konto des Angeklagten. Sodann begab sich der Angeklagte zu seiner Bank und hob 1.500,00 € ab, welches er seinem "Hintermann" übergab. Seinen Anteil in Höhe von 500,00 € beließ er zunächst auf seinem Konto und gab dies später aus. Anschließend versuchte der Zeuge E über die im Kaufvertrag benannte Mobiltelefonnummer entweder an das Auto oder an seine überwiesene Anzahlung zu kommen, was ihm jedoch nicht gelang. Im Juli 2003 zahlten die Eltern des Angeklagten dem Geschädigten 2.000,00 € zurück. Der Angeklagte zahlt den Betrag an seine Eltern in Raten ab.

Dieser Sachverhalt beruht auf der Einlassung des Angeklagten, soweit ihr gefolgt werden konnte, der Vernehmung der Zeugen E und T sowie der Inaugenscheinnahme des Originals des Kaufvertrages vom 20.08.2001 (Kopie Blatt 1 der Akten).

Der Angeklagte hat sich dahin eingelassen von einem Hintermann der Tat kontaktiert worden zu sein. Die Hintermänner wolle er nicht namentlich benennen. Es sei vereinbart worden, daß er sein Konto zur Verfügung stellen sollte. 2.000,00 € sollten auf das Konto eingehen und davon sollte er 500,00 € erhalten. 1.500,00 € sollte er an seinen Hintermann abgeben. Er - der Angeklagte - habe gewußt, daß da "was Krummes lief" und er habe auch etwas falsch gemacht, als er das Konto zur Verfügung gestellt habe.

Im übrigen ist der Angeklagte überführt durch die weiter durchgeführte Beweisaufnahme. Der Zeuge E, der sich noch recht gut an das Tatgeschehen erinnert hat, hat bekundet, durch einen Bekannten auf die Anzeige im Internet aufmerksam geworden zu sein. Für ihn sei dieses Angebot ein "Schnäppchen" gewesen. Die von seinem Kollegen benannte Handynummer habe er kontaktiert. Schnell sei man sich einig geworden. Der Kaufvertrag sei ihm dann zugefaxt worden. Er habe dann seine Personalien ergänzt, den Kaufvertrag unterschrieben und dann zurückgefaxt. Sämtliche Korrespondenz sei auch über die Telefonnummer ...# geführt worden. Mehrmals habe sein Vertragspartner angerufen und gefragt, ob die Anzahlung in Höhe von 2.000,00 € schon geleistet sei. Er habe dann die 2.000,00 € auf das Konto des Angeklagten überwiesen. Das Auto sollte er in C abholen. Später sei dann herausgekommen, daß er einem Betrüger aufgesessen sei. Etwa 3 Monate vor der hiesigen Hauptverhandlung sei er dann angerufen worden. Man habe nach seiner Kontonummer gefragt, damit die 2.000,00 € zurückbezahlt werden könnten. Das Geld sei dann auch tatsächlich eingegangen.

Aus der Aussage des Zeugen T folgt, daß dieser zur fraglichen Zeit ein Mobiltelefon mit der Sim-Karte unter der Telefonnummer ...# inne hatte. Der Zeuge hat bekundet, daß er sein Handy zu keinem Zeitpunkt verloren habe. Auch habe er sein Handy nicht verliehen. Die Telefonnummer, d. h. die Sim-Karte, sei von ihm erst getauscht worden, als sein Verteidiger nach Akteneinsicht im hiesigen Verfahren ihm nahe gelegt habe, sich eine andere Sim-Karte und damit Telefonnummer zu besorgen. Dies habe er getan. Er habe mit der ganzen Sache nichts zu tun und kenne auch niemanden, der mit diesem Betrug etwas zu tun habe.

Anhaltspunkte dafür, daß der Zeuge E die Unwahrheit gesagt haben könnte, bestand nicht. Hinsichtlich des Zeugen T besteht der Verdacht, daß er seinen eigenen Bekundungen nach, von der Sache gewußt haben muß.

Der Angeklagte hat sich jedenfalls der Beihilfe zum Betrug nach §§ 263, 27 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.

Zunächst liegt eine vorsätzliche rechtswidrige Haupttat in Form des Betruges zum Nachteil des geschädigten Zeugen E vor. Nicht nachzuweisen war dem Angeklagten, daß dieser Mittäter dieser Tat war, obwohl nach der Aussage des Zeugen T viel dafür sprach, daß die beiden arbeitsteilig den Betrug begangen haben. Der Angeklagte ist jedenfalls der Beihilfe zu diesem Betrug strafbar. Zunächst hat der Angeklagte den Betrug erst dadurch ermöglicht, daß er das Konto zur Verfügung gestellt hat und damit objektiv die Haupttat gefördert. Der Angeklagte handelte auch vorsätzlich. Dabei muß der Gehilfe wesentliche Merkmale (Unrechts- und Angriffsrichtung) der Haupttat erkennen, wobei er sich von den Einzelheiten keine bestimmte Vorstellung machen muß. Ausreichend mußte dabei auch sein, wenn der Täter alle nach Sachlage möglichen strafbaren Handlungen erkennt und sich damit abfindet. Vorliegend hat der Angeklagte seinem Hintermann willentlich doch ein ganz entscheidendes Tatmittel an die Hand gegeben. Er war derjenige, der dem Hintermann das Konto für die Abwicklung der Anzahlung aus dem Betrugsgeschäft an die Hand gegeben hat. Damit hat er ganz bewußt die Möglichkeit erhöht, daß eine dadurch typischerweise geförderte Haupttat (Betrug) verübt wird. Der Angeklagte wußte auch, daß er dem Hintermann ein entscheidendes Tatmittel an die Hand gibt. Immerhin sollte er ein Viertel der Beute, nämlich 500,00 €, erhalten.

Zur Tatzeit war der Angeklagte 19 Jahre und 4 Monate alt, also Heranwachsender. Gleichwohl hat das Gericht Jugendstrafrecht angewandt, §§ 1, 105 ff JGG. Aufgrund seines Werdeganges und des in der Hauptverhandlung gewonnenen Eindrucks sind berufliche Kontinuität und eine ernsthafte Lebensplanung noch nicht abschließend gegeben. Der Angeklagte ist noch sehr fest an sein Elternhaus gebunden und dort nach eigenem Wunsch auch integriert. Reifedefizite lassen sich demnach mit Sicherheit nicht ausschließen.

Bei der Frage, wie die Tat zu ahnden ist, wirkte sich für den Angeklagten mildernd aus, daß er strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten ist. Darüber hinaus ist mildernd zu berücksichtigen, daß der Angeklagte den gesamten Schadensbetrag über seine Eltern dem Geschädigten hat zukommen lassen. Das verauslagte Geld muß der Angeklagte an seine Eltern zurückzahlen. Schließlich ist mildernd zu berücksichtigen, daß zugunsten des Angeklagten davon ausgegangen werden mußte, daß es sich vorliegend um eine Spontantat gehandelt hat. Ferner ist die Strafe nach §§ 27 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB zu mildern. Auf der anderen Seite wiegt schwer, wie bedenkenlos der Angeklagte bei dieser Sache mitgemacht hat. Aufgrund der ihm versprochenen 500,00 € mußte er auch davon ausgehen, daß es sich hier nicht mehr um Kleinkriminalität handelt. Dem Angeklagten muß eindringlich vor Augen geführt werden, daß er für derartige Taten einzustehen hat. Dementsprechend war der Angeklagte nach §§ 13, 14 JGG zu verwarnen. Darüber hinaus war Arrest zu verhängen um auch künftigen Verfehlungen vorzubeugen. Ferner soll der Arrest dem Angeklagten ebenfalls noch einmal eindringlich zum Bewußtsein bringen, daß er für dies von ihm begangene Unrecht einzustehen hat. Unter Abwägung der genannten für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte erschien eine Woche Dauerarrest tat- und schuldangemessen, aber auch geboten.

Dem Angeklagten ist darüber hinaus unmißverständlich vor Augen geführt worden, daß er für den Fall weiterer Straftaten mit schärferen Sanktionen rechnen muß.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 StPO.

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