OLG Hamm, Beschluss vom 10.01.2019 - 1 Ws 8/19
Fundstelle
openJur 2019, 30075
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 39 KLs 12/18

1. Für die Auslegung einer nach Zurückverweisung der Hauptsache durch das Revisionsgericht und dem damit verbundenen Übergang der Zuständigkeit für weitere Haftentscheidungen (§ 126 StPO) eingelegten Haftbeschwerde als Haftprüfungsantrag (§ 117 Abs. 1 StPO) besteht zumindest dann keine Veranlassung, wenn das nun mit der Hauptsache befasste Gericht bereits über das die Haftfrage betreffende Begehren des Angeklagten entschieden und ihm hierbei (hier: durch Erörterung in einem Haftprüfungstermin und einen knapp begründeten Nichtabhilfebeschluss) schon die Gründe eröffnet hat, welche das Gericht zur Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft bewogen haben.

2. Zum Beschleunigungsgebot in Haftsachen im Revisionsverfahren sowie nach Aufhebung eines erstinstanzlichen Urteils durch das Revisionsgericht aufgrund einer Verfahrensrüge (Fortführung von Senat, Beschluss vom 03.04.2014 - III-1 Ws 137/14 -, juris).

Tenor

Der angefochtene Haftbefehl sowie - klarstellend - der Haftfortdauerbeschluss des Landgerichts Dortmund vom 08.06.2017 - 32 KLs 20/17 - werden aufgehoben.

Der Angeklagte ist sofort aus der Untersuchungshaft zu entlassen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der dem Angeklagten im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse.

Gründe

I.

Der Angeklagte wurde in der vorliegenden Sache am 29.10.2016 vorläufig festgenommen worden und befindet sich - lediglich unterbrochen zur Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe in anderer Sache vom 07.02.2017 bis zum 20.03.2017 - seit dem Erlass des Haftbefehls des Amtsgerichts Dortmund vom 30.10.2016 - 711 Gs 338/16 - in Untersuchungshaft. In dem auf den Haftgrund der Fluchtgefahr gestützten Haftbefehl wird dem Angeklagten vorgeworfen, am 29.10.2016 in Dortmund gemeinsam mit den früheren Mitangeklagten C und D einen besonders schweren Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 4, Nr.5, 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1, 25 Abs. 2, 52 StGB) begangen zu haben, indem sie gemeinsam auf den Geschädigten E eingeschlagen und eingetreten hätten, bis dieser zu Boden gegangen sei, der D dann mit einem Hammer gegen den Kopf des Geschädigten geschlagen habe und die Täter anschließend den Geschädigten gemeinsam durchsucht hätten; der D habe dem Geschädigten hierbei ein i-Phone, etwa 20,00 € Bargeld und eine silberne Halskette abgenommen, bevor die Täter geflüchtet seien.

Wegen dieser dem Angeklagten im Haftbefehl zur Last gelegten Tat hat die Staatsanwaltschaft Dortmund am 29.12.2016 gegen ihn Anklage erhoben. Das Landgericht Dortmund hat mit Beschluss vom 02.03.2017 die Anklageschrift zur Hauptverhandlung zugelassen und die Fortdauer der Untersuchungshaft beschlossen.

Mit Urteil vom 08.06.2017 hat die 32. Große Strafkammer des Landgerichts Dortmund - 32 KLs 20/17 - den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und acht Monaten verurteilt, wobei die Strafkammer insbesondere zu der Feststellung gelangte, dass der Angeklagte F (und nicht der Mitangeklagte D) mit dem Hammer auf den Geschädigten eingeschlagen habe. Mit Beschluss vom selben Tag ist die Fortdauer der Untersuchungshaft aus den Gründen des vorgenannten Urteils angeordnet worden.

Nachdem die gegen dieses Urteil eingelegten Revisionen der drei Angeklagten und deren Revisionsbegründungen bis zum 21.09.2017 bei dem Landgericht Dortmund eingegangen waren, sind von dort die Akten entsprechend einer in Vertretung des Kammervorsitzenden erfolgten und am 27.09.2017 ausgeführten Verfügung vom 26.09.2017 zur weiteren Veranlassung an die Staatsanwaltschaft Dortmund übersandt worden, welche diese Akten unter dem 18.10.2017 unter Bezugnahme auf ihre Gegenerklärung vom selben Tag zu dem Revisionsvorbringen der Angeklagten wieder dem Landgericht übermittelte. Von dort sind die Akten erneut der Staatsanwaltschaft Dortmund mit der dort am 07.11.2017 eingegangenen nochmaligen Bitte um weitere Veranlassung zur Durchführung des Revisionsverfahrens übermittelt worden. Schließlich sind die Akten dem Bundesgerichtshof durch den Generalbundesanwalt am 11.01.2018 vorgelegt worden.

Mit zwei Beschlüssen vom 03.07.2018 - 4 StR 621/17 - hat der Bundesgerichtshof die Revisionen der übrigen Angeklagten verworfen und auf die Revision des Angeklagten F das angefochtene Urteil, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen, da das Landgericht einen Antrag zur Einholung eines Sachverständigengutachtens unter Hinweis auf die eigene Sachkunde (§ 244 Abs. 4 S. 1 StPO) zurückgewiesen hat, die es sich zuvor insbesondere durch die gezielte freibeweisliche Befragung eines Sachverständigen verschafft hatte.

Ausweislich der dem Senat vorliegenden Doppelakten sind die vorgenannten Beschlüsse der Staatsanwaltschaft Dortmund am 13.08.2018 zugegangen (spätestens an diesem Tag waren diese Entscheidungen auch bei dem Landgericht Dortmund bekannt), bei der noch am 21.08.2018 vermerkt wurde, dass sich die Akten noch beim Bundesgerichtshof befinden.

Nachdem der Verteidiger des Angeklagten F mit Schreiben vom 06.09.2018 eine mündliche Haftprüfung beantragt hatte, hat die nach der Geschäftsverteilung des Landgerichts Dortmund für das zurückverwiesene Verfahren zuständige dortige 39. Strafkammer, der die Akten zu diesem Zeitpunkt ebenfalls noch nicht vorlagen, die Staatsanwaltschaft Dortmund am 11.09.2018 um die Übersendung etwaig vorhandener Zweitakten gebeten, die dann dem Landgericht bis zum 17.09.2018 zugegangen sind. Im sodann am 18.09.2018 terminierten Haftprüfungstermin vor der 39. Strafkammer vom 28.09.2018 ist der Haftprüfungsantrag nach Erörterung der Sach- und Rechtslage zurückgenommen worden. Bereits zuvor hatte die Staatsanwaltschaft Dortmund unter dem 21.09.2018 die (Haupt-)Akten an das Landgericht Dortmund mit der Bitte um Rechtskraftbescheinigung hinsichtlich der Verurteilten C und D übersandt.

Nachdem am 01.10.2018 eine Zahlungsanordnung hinsichtlich des im Haftprüfungstermin anwesenden Dolmetschers ergangen und entsprechend einer Verfügung des Kammervorsitzenden vom 02.10.2018 am 04.10.2018 Ausfertigungen des Terminsprotokolls versandt worden sind, ist in Ausführung einer weiteren richterlichen Verfügung vom 08.10.2018 am Folgetag die Ablichtung eines am 05.10.2018 bei dem Landgericht eingegangenen Schreibens des Verurteilten C vom 01.10.2018 der Staatsanwaltschaft Dortmund zur Kenntnis und weiteren Veranlassung übermittelt worden.

Sodann hat der Verteidiger des Angeklagten mit am 27.11.2018 bei dem Landgericht Dortmund eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag gegen den Haftbefehl des Amtsgerichts Dortmund vom 30.10.2016 Haftbeschwerde eingelegt und hierbei insbesondere die überlange Verfahrensdauer und den Umstand gerügt, dass seit der Zurückverweisung der Sache noch nicht wieder terminiert worden sei; von Fluchtgefahr könne nicht mehr ausgegangen werden.

Mit Beschluss vom 28.11.2018 hat die 39. Strafkammer dieser Beschwerde nicht abgeholfen und hierbei ausgeführt, dass die weitere Fortdauer der Untersuchungshaft aus den Gründen ihrer Anordnung für erforderlich gehalten werde. Mit Verfügung vom selben Tag hat der Kammervorsitzende insbesondere - ausweislich einer Mitteilung des Verteidigers vom 11.12.2018 zu nachträglich eingetretenen Terminskollisionen am 28.11.2018 telefonisch abgesprochene - Hauptverhandlungstermine für den 22.01.2019, den 04.02.2019, den 25.02.2019 und den 01.03.2019 bestimmt und die Staatsanwaltschaft Dortmund um die Vervollständigung der dortigen Doppelakten zur Vorlage bei dem hiesigen Oberlandesgericht gebeten. Bei der Staatsanwaltschaft sind die Akten am 12.12.2018 mit der Mitteilung eingegangen, dass die Terminsverfügung angesichts des anwaltlichen Schriftsatzes vom 11.12.2018 noch nicht ausgeführt worden sei; die Doppelakten sind dem Senat von der Generalstaatsanwaltschaft Hamm am 07.01.2019 vorgelegt worden.

Zwischenzeitlich hat der Verteidiger dem Vorsitzenden der 39. Strafkammer in einem Gespräch am 04.01.2019 seine starke terminliche Einbindung in einem demnächst anderweitig beginnenden Umfangsverfahren erläutert, weshalb mit ihm als frühestmögliche Hauptverhandlungstermine der 28.02.2019, der 07.03.2019, der 22.03.2019 und der 27.03.2019 vereinbart wurden.

Die Generalstaatsanwaltschaft ist der Auffassung, dass eine Entscheidung des Senats derzeit nicht veranlasst sei, da zunächst im Wege der Haftprüfung - als welche die Beschwerde daher auszulegen sei - eine Haftentscheidung der nunmehr mit der Sache im Sinne des § 126 Abs. 2 S. 1 StPO befassten 39. Strafkammer herbeizuführen sei, gegen die dann erst gegebenenfalls eine Beschwerde zulässig wäre.

II.

Die Beschwerde erweist sich als zulässig und begründet.

1.

Insbesondere bestand für den Senat im Ergebnis keine Veranlassung, die Haftbeschwerde als Haftprüfungsantrag im Sinne des § 117 Abs. 1 StPO auszulegen. Zwar hat die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend auf den mit der Zurückverweisung der Hauptsache verbundenen Übergang der in § 126 StPO normierten Zuständigkeit auf die 39. Strafkammer des Landgerichts (vgl. nur Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 126 Rn. 6 m.w.N.) sowie darauf hingewiesen, dass bei einem solchen Wechsel der Zuständigkeit nach nahezu einhelliger Auffassung - und zwar auch bei einer Zurückverweisung der Hauptsache an einen anderen Spruchkörper (vgl. KG, Beschluss vom 17.01.2000 - 4 Ws 2/2000 -, juris; LR-Hilger, StPO, 26. Aufl., § 114 Rn. 46) - eine noch nicht erledigte Haftbeschwerde in einen Haftprüfungsantrag umzudeuten ist und dies zumindest teilweise auch für die Konstellation bejaht wird, in der die Beschwerde erst nach dem Zuständigkeitswechsel eingelegt wird (vgl. OLG Karlsruhe, StV 1994, 664; OLG Hamm, Beschluss vom 19.03.2013 - III-2 Ws 93/13 -; KK-Schultheis, StPO, 7. Aufl., § 126 Rn. 8a; a.A. KMR-Wankel, StPO, § 126 Rn. 22).

Maßgeblich ist bei dieser Handhabung indes die aus der Regelung des § 126 Abs. 2 S. 1 StPO abgeleitete Überlegung, dass die sachgerechteste Entscheidung von dem jeweils mit der Hauptsache befassten Gericht zu erwarten ist, das daher zunächst über das die Haftfrage betreffende Begehren des Angeklagten entscheiden soll (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 05.01.2012 - III-3 Ws 435/11 -, juris), wenn denn die Verfahrenslage eine solche Entscheidung sachlich erfordert (vgl. OLG Karlsruhe, Justiz 1986, 144). Entsprechend hat das Kammergericht (a.a.O.; a.A. KK-Schultheis, a.a.O., § 126 Rn. 8a m.w.N.) nach Auffassung des Senats überzeugend dargelegt, dass die Umdeutung in einen Haftprüfungsantrag z.B. nicht für den Fall der weiteren Beschwerde gilt, wenn die nach Anklageerhebung zuständige Strafkammer bereits kurz zuvor als Beschwerdekammer eine mit Gründen versehene Entscheidung über die Haftbeschwerde getroffen hat, da dann eine solche Umdeutung lediglich zu einer sachlich nicht gebotenen kurzfristigen erneuten Haftentscheidung desselben Spruchkörpers führen und so die Anrufung des für die weitere Beschwerde zuständigen Gerichts ohne sachlich zwingende Gründe verzögern würde.

Hiervon ausgehend, vermag der Senat auch in der vorliegenden Konstellation keine solchen sachlich zwingenden Gründe zu erkennen, die eine erneute Befassung der 39. Strafkammer des Landgerichts Dortmund mit der Haftfrage geboten und eine Verzögerung der abschließenden Entscheidung des Senats daher vertretbar erscheinen ließen. Denn die Kammer hat nicht nur den Angeklagten auf seinen Haftprüfungsantrag in mündlicher Verhandlung (§ 118 StPO) am 28.09.2018 angehört und mit ihm und seinem Verteidiger die Sach- und Rechtslage mit der Folge erörtert, dass der Haftprüfungsantrag zurückgenommen worden ist, sondern zudem auf die Haftbeschwerde am 28.11.2018 in vollständiger Besetzung und mit einer - zulässig knappen - Begründung beschlossen, dass sie der Haftbeschwerde nicht abhilft, da sie die weitere Fortdauer der Untersuchungshaft aus den Gründen ihrer Anordnung für erforderlich hält, also ersichtlich an ihrer dem Angeklagten und seinem Verteidiger bereits am 28.09.2018 mitgeteilten Einschätzung der Sach- und Rechtslage festgehalten hat. Diese Sachlage ist nach Einschätzung des Senats ersichtlich nicht mit der Konstellation vergleichbar, dass dem Angeklagten die Gründe, welche die nunmehr zuständige Kammer zur Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft bewogen haben, ohne deren daher zwingende (erneute) Befassung mit der Haftfrage verschlossen blieben (vgl. KG, a.a.O.; ähnl. OLG Hamm, Beschluss vom 19.03.2013 - III-2 Ws 93/13, OLG Karlsruhe, Justiz 1986, 144, 145 jew. bzgl. nicht mit Gründen versehenen Nichtabhilfeverfügungen).

2.

Die Haftbeschwerde ist auch begründet. Der Haftbefehl war nach § 120 Abs. 1 S. 1 StPO aufzuheben, weil der in Haftsachen geltende Beschleunigungsgrundsatz (Art. 5 Abs. 3 EMRK; Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG) verletzt worden ist.

Der Senat hat diesbezüglich bereits mit Beschluss vom 03.04.2014 - III-1 Ws 137/14 - (juris) ausgeführt:

"Im Rahmen der Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch des Betroffenen und dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit kommt es in erster Linie auf die durch objektive Kriterien bestimmte Angemessenheit der Verfahrensdauer an, die unter anderem von der Komplexität der Rechtssache, der Vielzahl der beteiligten Personen oder dem Verhalten der Verteidigung abhängig sein kann. Dies macht eine auf den Einzelfall bezogene Prüfung des Verfahrensablaufs erforderlich. An dessen zügigen Fortgang sind dabei umso strengere Anforderungen zu stellen, je länger die Untersuchungshaft schon andauert (BVerfG, Beschl. v. 22.01.2014 - 2 BvR 2248/13 u.a. - juris m.w.N.). Das Beschleunigungsgebot verlangt, dass die Strafverfolgungsbehörden und die Gerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um eine Entscheidung über den Anklagevorwurf mit der gebotenen Schnelligkeit herbeizuführen. Wenn es auf Grund vermeidbarer Fehler der Justizorgane zu einer erheblichen Verzögerung kommt, so steht dies der Aufrechterhaltung des Haftbefehls regelmäßig entgegen. Namentlich ist eine nicht nur kurzfristige Überlastung eines Gerichts mit Haftsachen selbst dann kein Grund, der die Aufrechterhaltung eines Haftbefehls rechtfertigt, wenn sie auf einem Geschäftsanfall beruht, der sich trotz Ausschöpfung aller gerichtsorganisatorischen Mittel und Möglichkeiten nicht mehr innerhalb angemessener Fristen bewältigen lässt. Denn der Beschuldigte hat es nicht zu vertreten, wenn seine Haftsache nicht binnen angemessener Zeit zur Verhandlung gelangt, weil dem Gericht die personellen oder sächlichen Mittel fehlen, die zur ordnungsgemäßen Bewältigung des Geschäftsanfalls erforderlich wären (BVerfG NJW 2006, 668, 669). Dabei ist nicht entscheidend, ob eine einzelne verzögert durchgeführte Verfahrenshandlung ein wesentliches Ausmaß annimmt, sondern ob die Verfahrensverzögerungen in ihrer Gesamtheit einen Umfang erreichen, der im Rahmen der Abwägung die Fortdauer der Untersuchungshaft nicht mehr erlaubt. Je nach Sachlage kann dabei bereits eine vermeidbare Verfahrensverzögerung von wenigen Wochen mit dem Beschleunigungsgebot in Haftsachen unvereinbar sein (KG Berlin, Beschl. v. 28.10.2013 - 4 Ws 132/13 - juris m.w.N.)."

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist hier festzustellen, dass die Untersuchungshaft des Angeklagten bereits über zwei Jahre - und damit bereits sehr lange - andauert, so dass dem Beschleunigungsgebot hier in besonderem Umfang Rechnung zu tragen gewesen wäre.

Vorliegend werden hingegen zwischen dem Eingang der Anklage im Januar 2017 und dem Beginn der - geplanten - neuen Hauptverhandlung Ende Februar 2019 über zwei Jahre vergangen sein. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass bereits eine Hauptverhandlung stattgefunden und die erneute Hauptverhandlung nur aufgrund des Erfolges des Angeklagten im Revisionsverfahren notwendig geworden sei, so dass die Dauer des Revisionsverfahrens nicht eingerechnet werden dürfe. Denn nach der für den Senat verbindlichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist bei der Beurteilung der Frage, ob ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot in Haftsachen vorliegt, die Dauer des Revisionsverfahrens in die Gesamtverfahrensdauer einzubeziehen, wenn es der Korrektur eines offensichtlich der Justiz anzulastenden Verfahrensfehlers gedient hat (vgl. BVerfG NJW 2006, 672 m.w.N.). Und ein solcher offensichtlich der Justiz anzulastender Verfahrensfehler, nämlich ein Verstoß gegen § 244 Abs. 4 S. 1 StPO bei der fehlerhaften Ablehnung eines Beweisantrags hat vorliegend zur Aufhebung der ersten Verurteilung durch den Bundesgerichtshof geführt.

Umstände, die eine Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft hier gleichwohl rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Vielmehr ist eine erste unnötige Verzögerung im Revisionsverfahren dadurch eingetreten, dass die Akten nach Vorlage der von der Staatsanwaltschaft Dortmund abgegebenen Gegenerklärungen zu den Revisionen der drei Angeklagten vom 18.10.2017 (die im Übrigen nach § 347 Abs. 1 S. 2 StPO binnen einer Woche erfolgen sollen) vom Landgericht Dortmund erst auf eine Verfügung vom 07.11.2017 wieder an die Staatsanwaltschaft zur Weiterleitung an das Revisionsgericht (§ 347 Abs. 2 StPO) übersandt wurden, wo sie dann erst am 11.01.2018 eingegangen sind. Auch ist für den Senat nicht ersichtlich, dass dieser Verzögerung durch eine entsprechend beschleunigte Entscheidung über den in tatsächlicher Hinsicht eher einfach gelagerten Tatvorwurf bzw. die nach dem Verständnis des Senats auch in rechtlicher Hinsicht keine besonderen Schwierigkeiten aufweisende Revision des Angeklagten Rechnung getragen worden wäre. Vielmehr überschreitet in Anbetracht des Beschleunigungsgebotes die Dauer des Revisionsverfahrens von nahezu sechs Monaten eine der Sache nach noch angemessene Bearbeitungszeit deutlich.

Auch nach der den Angeklagten betreffenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 03.07.2018 ist das Verfahren nicht in dem im Hinblick auf die bereits lange Dauer der Untersuchungshaft (von damals rund einem Jahr und sechs Monaten) gebotenen Umfang gefördert worden und sind weitere Verzögerungen eingetreten, die zumindest bei einer Betrachtung des gesamten Verfahrensgangs seit dem Eingang der Revisionsbegründungen der drei damaligen Angeklagten die Annahme eines zur Aufhebung des Haftbefehls führenden Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot begründen:

So führte es bereits zu einer vermeidbaren weiteren Verzögerung des Verfahrens, dass trotz der seit dem 13.08.2018 der Staatsanwaltschaft Dortmund und bei dem Landgericht Dortmund bekannten Aufhebung der Verurteilung des sich bereits zum damaligen Zeitpunkt lange Zeit in Untersuchungshaft befindlichen Angeklagten erst dessen Haftprüfungsantrag vom 06.09.2018 dazu geführt hat, dass der nunmehr zuständigen Strafkammer bis zum 17.09.2018 die diesbezüglichen (Zweit-)Akten vorgelegt worden sind.

Auch nach der Rückkehr der Akten aus der Revisionsinstanz im September 2018 - die Untersuchungshaft dauerte damals bereits rund ein Jahr und neun Monate - wurde das Verfahren nicht in dem gebotenen Umfang gefördert, insofern zwischen dieser Rückkehr bzw. der Vorlage der Zweitakten durch die Staatsanwaltschaft Dortmund im September 2018 und dem vorgesehenen Beginn der neuen Hauptverhandlung am 28.02.2019 über fünf Monate liegen werden.

Schon für ein anfängliches Verfahrensstadium, d.h. nach Eingang der Akten beim Gericht nach Anklageerhebung und geplantem Beginn der Hauptverhandlung wäre eine solche Zeitspanne nicht unbedenklich. So hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm entschieden, dass eine Zeitspanne von fünf Monaten zwischen Eingang der Akten beim Landgericht und dem geplanten Beginn der Hauptverhandlung in aller Regel nicht hinnehmbar ist, wenn sie nicht durch den Verfahrensumfang, besondere Schwierigkeiten oder durch von der Strafkammer vorgenommene verfahrensfördernde Maßnahmen gerechtfertigt ist (OLG Hamm, Beschluss vom 14.09.2006 - 4 Ws 413/06 -, juris). Dem hatte sich der Senat bereits mit dem schon zitierten Beschluss vom 03.04.2014 (a.a.O.) angeschlossen.

Es kommt insofern hinzu, dass auch nach dem Eingang der Zweitakten bis zum 17.09.2018 bzw. der unter dem 21.09.2018 erfolgten Übersendung der Hauptakten die Hauptsache nicht zügig terminiert worden ist, sondern dies erst über zwei Monate später am 28.11.2018 erfolgte, ohne dass dieser Zeitablauf schon aufgrund der zwischenzeitlichen Vorgänge wie einer Zahlungsanordnung, der Erstellung und Übersendung von Ausfertigungen des Protokolls zum Haftprüfungstermin sowie der Weiterleitung des Schreibens eines früheren Mitangeklagten als unvermeidbar anzusehen wäre. Auch wenn man insofern von einer nicht nur vorübergehenden Überlastung der 39. Strafkammer ausgehen sollte, die einer hinreichend beschleunigten Abwicklung des vorliegenden Verfahrens insbesondere im Hinblick auf die Gesamtheit der übrigen Haftsachen entgegenstand, würde dies eine justizseitige Verantwortung für den Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot in Haftsachen nach den diesbezüglichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht ausschließen, da bei einer solchen nicht nur kurzfristigen Überlastung gegebenenfalls von Verfassungs wegen durch gerichtsorganisatorische Maßnahmen wie einer Änderung der Geschäftsverteilung Rechnung zu tragen ist, wenn nur auf diese Weise eine hinreichend zügige Behandlung von Strafsachen erreicht werden kann; selbst wenn dies aufgrund Personalmangels nicht möglich gewesen sein sollte, schlösse dieser Umstand die vorgenannte justizseitige Verantwortung für den verzögerten Verfahrensablauf nicht aus (vgl. Senat, Beschluss vom 03.04.2014, a.a.O., m.w.N.).

Auch wenn in Ansatz zu bringen ist, dass die nach der mit dem Verteidiger zuvor abgestimmten Terminierung vom 28.11.2018 eingetretene weitere Verzögerung des voraussichtlichen Beginns der erneuten Hauptverhandlung auf eine erst nachträglich erfolgte Mitteilung von der terminlichen Verhinderung des Verteidigers zurückzuführen ist, müssen in dem vorliegenden Fall, in dem der Angeklagte bereits sehr lange Untersuchungshaft hinzunehmen hat, die bereits zuvor eingetretenen zeitlichen Verzögerungen zur Aufhebung des Haftbefehls führen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.