LG Dortmund, Urteil vom 24.07.2019 - 10 O 52/17 [Enw]
Fundstelle
openJur 2019, 29933
  • Rkr:
Tenor

Die Zwischenfeststellungsklage wird abgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Tatbestand

Die Klägerin macht im Wege der Stufenklage Auskunftsansprüche über das von der Beklagten betriebene Stromnetz der allgemeinen Versorgung im Gebiet der Stadt I sowie die Übereignung dieses Netzes an sie und zahlreiche weitere im Zusammenhang mit der Auskunftserteilung und der Übereignung des Netzes stehende Ansprüche geltend. Hilfsweise macht sie die Übereignung Zug um Zug gegen Zahlung einer wirtschaftlich angemessenen Vergütung geltend. Gegenstand des vorliegenden Teilurteils ist jedoch nur die von der Klägerin erhobene Zwischenfeststellungsklage.

Die Beklagte ist Rechtsnachfolgerin der S AG, der Altkonzessionärin. Sie betreibt das Stromnetz der Stadt I .

Die Klägerin sieht sich als Neukonzessionärin. Sie ist ein kommunales Versorgungsunternehmen, welche das Gasund Wassernetz in der Stadt I betreibt. An der Klägerin ist die H AG zu 24,9 % beteiligt, die ihrerseits seit 2014 über die H1 GmbH ein Stromnetz betreibt. Die Anteile der H AG werden zu 92,93 % von den T1 und C1 gehalten.

Die Stadt I ist an der Klägerin zu weiteren 75,1 % beteiligt.

Der frühere Konzessionsvertrag endete mit Ablauf des 31. Dezember 2011.

Am 13.07.2009 gab die Stadt I bekannt, dass sie beabsichtige, einen neuen Konzessionsvertrag mit einer 20jährigen Laufzeit abzuschließen. Die Beklagte bekundete daraufhin Interesse, ebenso die Klägerin.

Im Jahr 2010 entschied sich die Stadt I dazu, den Konzessionsvertrag mit der Klägerin abzuschließen. Die Beklagte wandte sich deswegen an die Landeskartellbehörde Niedersachsen, die Bedenken äußerte, woraufhin sich die Stadt I verpflichtete, das Interessenbekundungsverfahren erneut durchzuführen. Sie hob daher die Beschlüsse zur Konzessionierung der Klägerin auf und informierte die am Netzbetrieb interessierten Unternehmen in einem Verfahrensbrief vom 22.12.2011 über das Auswahlverfahren und die maßgeblichen Entscheidungskriterien. Die Beklagte beteiligte sich erneut.

Mit Blick auf die zwischenzeitlich ergangenen Grundsatzentscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 17. Dezember 2013 entschied sich die Stadt I jedoch, das Verfahren ein weiteres Mal aufzuheben. Dies machte sie am 17.06.2014

im Bundesanzeiger bekannt und forderte Interessenten dazu auf, Interessenbekundungen bis zum 15.09.2014 schriftlich bei ihr einzureichen.

Dieses "dritte" Interessenbekundungsverfahren ist Anlass für den vorliegenden Streit zwischen den Parteien.

Unter dem 7.10.2014 übersandte die Stadt I der Beklagten einen "Ersten Verfahrensbrief" , der Informationen zum Stand und weiteren Verlauf des Verfahrens sowie allgemeine Hinweise für Bewerber, Informationen über die erforderlichen Eignungsnachweise, Mindestanforderungen an die Angebote und insbesondere die Auswahlkriterien nebst Gewichtung sowie die Aufforderung zur Abgabe indikativer Angebote enthielt . Die Auswahlkriterien wurden in zwei Hauptgruppen - A "Erreichung der Ziele des § 1 EnWG" mit einer maximal zu erreichenden Punktzahl von 650 Punkten und B "Vertragliche Regelungen der Wegenutzung" mit einer Gesamtpunktzahl von 350 Punkten -, gegliedert und in weitere Untergruppen, Kriterien und Unterkriterien unterteilt. Wegen der Einzelheiten wird auf S. 10 bis 13 des Ersten Verfahrensbriefs Bezug genommen, in dessen Anlage 2 die Kriterien näher erläutert sind (ebenfalls Anlage B 39 ).

Innerhalb der den Bietern bis zum 21.11.2014 eingeräumten Frist für Verfahrensrügen sowie Anfragen zum Verfahren rügte die Beklagte u. a. die Intransparenz des Verfahrens in Bezug auf die unter Abschnitt E. III. des Ersten Verfahrensbriefs angekündigte "relative Bewertungsmethode" sowie die Zulässigkeit verschiedener der Unterkriterien. Wegen der Einzelheiten wird auf die

Schriftsätze vom 19.11.2014 und 21.11.2014 (Anlagen B 40 und B 41) verwiesen.

Die Stadt I wies die Rügen mit Schreiben vom 04.12.2014 zurück, beantwortete die Anfragen zum Verfahren und gab weitere Hinweise (Anlage B 42 ).

Unter dem 18.12.2014 übersandte die Beklagte ein indiktives Angebot für die Stromkonzessionsvergabe (Anlage B 43 ).

Am 25.02.2015 fand ein Präsentations- und Verhandlungstermin der indikativen Angebote statt. Im Anschluss an die Bewerbergespräche fertigte die Stadt I Eignungsvermerke an.

Mit Verfahrensbrief vom 05.03.2015 forderte die Stadt I die Beklagte zur Abgabe eines verbindlichen Angebots für den Abschluss eines Konzessionsvertrages für ihr Elektrizitätsversorgungsnetz bis zum 31. März 2015, 12:00 Uhr, auf. Mit Schreiben vom selben Tag rügte die Beklagte erneut die Bewertungsmethode zur Vergabe der möglichen Höchstpunktzahl

(vgl. Anlage B 52 ). Dies wies die Stadt I mit Schreiben vom 11.03.2015 zurück (Anlage B 54).

Unter dem 27.03.2015 überreichte die Beklagte ein verbindliches Angebot. Auch die die Klägerin gab ein verbindliches Angebot ab, welches jedoch im Prozess nur in Teilen vorgelegt wird (Anlagen K 66 (Anlagenverzeichnis zum Netzbewirtschaftungskonzept) und K 69 (Betriebshandbuch Stromversorgung, Anl. 8 zum Netzbewirtschaftungskonzept).

In der Folge wertete die Stadt I die Angebote aus (Anlage K 53 ). Die Beklagte erhielt für ihr Angebot 959,5 und die Klägerin 978 von 1000 möglichen Punkten. Davon entfiel eine Punktdifferenz von 16,5 Punkte auf Kriterien der Gruppe A (618,5 zu 635 Punkten) und von 2 Punkten auf Kriterien der Gruppe B (343 zu 341 Punkten).

Am 14.07.2015 beschloss der Rat der Stadt auf Grundlage einer Beschlussvorlage der Verwaltung vom 09.06.2015 den Zuschlag auf das verbindliche Angebot der Klägerin zu erteilen.

Mit Schreiben vom 17.07.2015 teilte die Stadt I der Beklagten mit, sie beabsichtige, den Zuschlag im Stromkonzessionierungsverfahren entsprechend dem Ratsbeschluss vom 14.07.2015 der Klägerin zu erteilen. Der Vertragsschluss werde frühestens am 15.09.2015 erfolgen.

Mit Schreiben vom 05.08. 2015 erklärte die Beklagte gegenüber der Stadt I , die Bewertung sei für sie nicht nachvollziehbar. Sie bat um die Übersendung diverser Unterlagen. Die Stadt I gewährte entsprechend dem Bescheid vom 17.08.2015 Einsichtnahme in die Auswertung der verbindlichen Angebote, jedoch mit Ausnahme "geheimer Angebotsinhalte" der Klägerin (geschwärzt wie aus Anlage B 60 ersichtlich).

Die Beklagte hat sodann in einem einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem Landgericht Hannover (Az. 25 O .../...) mit am 31.08.2015 eingegangener Antragschrift vom selben Tage, beantragt, eine einstweilige Verfügung des Inhalts zu erlassen, die Antragsgegnerin (Stadt I ) habe es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, zu unterlassen, mit der T2 GmbH auf der Basis des Beschlusses des Rates vom 14. Juli 2015 einen Wegenutzungsvertrag nach § 46 EnWG über die Verlegung und den Betrieb von Leitungen, die zu einem Elektrizitätsversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung im Gemeindegebiet gehören, abzuschließen.

Das Landgericht Hannover hat dem mit Urteilsverfügung vom 22.10.2015 entsprochen. Auf die Berufung hat das OLG Celle mit Urteil vom 17.03.2016 (Az. 13 U ...#/... (Kart), Anl. K2) das Urteil abgeändert und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Noch am Tage des Urteils schlossen die Klägerin und die Stadt I daraufhin den Stromkonzessionsvertrag ab (Anlage K3, mit Schwärzungen).

Danach kam es zwischen den Parteien noch zu Verhandlungen sowohl über eine Netzübernahme als auch eine Kooperation, welche ohne Erfolg blieben.

Die Klägerin ist der Auffassung, der Stromkonzessionsvertrag vom 17.03.2016 sei wirksam. Das Konzessionierungsverfahren sei ordnungsgemäß abgelaufen. Die Beklagte sei überdies mit ihren Einwendungen präkludiert, insbesondere im Hinblick auf das zuvor beim OLG Celle geführte Verfahren.

Hinsichtlich der Auswahl der Bewertungsmethode macht die Klägerin geltend, der Stadt I stehe bei der Auswahl der Bewertungsmethode ein Spielraum zu, der nur eingeschränkt überprüft werden könne. Die gerichtliche Kontrolle beschränke sich insoweit wie bei einer Ermessenskontrolle darauf, ob ein Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand gegeben sei und keine offensichtlichen Beurteilungsfehler oder ein Ermessensfehlgebrauch vorliege.

Die relative Bewertungsmethode sei zulässig.

Es sei sogar zulässig, dass die Vergabestelle eine Bewertung aufgrund einer nachträglich aufgestellten Bewertungsskala vornimmt.

Ein Wechsel der Bewertungsmethodik liege nicht vor. Ein Widerspruch zwischen den Mitteilungen der Stadt I aus dem 1. Verfahrensbrief und dem Nichtabhilfe- schreiben lägen nicht vor.

Zudem würden die Bieter nicht benachteiligt, sondern im Rahmen einer vergleichenden Wertung gleichbehandelt. Eine konkrete Benachteiligung sei von der Beklagten nicht vorgetragen worden.

Im Übrigen sei eine Kommune jederzeit berechtigt, die Bewertungsmethode im laufenden Verfahren zu ändern, wenn sie erkenne, dass ihre Anwendung nicht angemessen sei und sie die Bewertungsmethode dann transparent und diskriminierungsfrei anwende.

Rechtsfolge einer fehlerhaften Bewertungsmethode sei ggf. nicht die Rechtswidrigkeit des gesamten Verfahrens. Die ausschreibende Stelle sei lediglich gehalten, eine ordnungsgemäße Bewertungsmethode aufzustellen und die Angebote neu zu werten. Würde die Stadt I dies tun, würde eine Zurückversetzung des Verfahrens zu keinem anderen Wertungsergebnis führen.

Die Klägerin meint, die Beklagte trage die Beweislast dafür, dass ein Gesetzesverstoß bei der Durchführung des Konzessionsverfahrens vorliege. Diese müsse alle Tatsachen vortragen, die eine Nichtigkeit des Konzessionsvertrages begründen sollen. Vergabeverstöße der Kommune bei der Ausschreibung seien immer unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen. Die Darlegungs- und Beweislast bei Verstößen gegen § 19 GWB treffe nach allgemeiner Auffassung jedoch immer denjenigen, der hieraus Rechte herleite.

Die Klägerin ist der Auffassung, sie sei nur zur Vorlage des neuen Stromkonzessionsvertrages mit Schwärzungen verpflichtet. Die Vorlage der bis auf einige wenige Passagen ungeschwärzten Auswertungsmatrix durch die Stadt I in dem einstweiligen Verfügungsverfahren sei ausreichend.

Das Angebot der Klägerin beinhalte geschützte Betriebsund Geschäftsgeheimnisse, mit denen die Bieter miteinander in Wettbewerb um das beste Angebot treten. Da die Bewerber üblicherweise auch noch in weiteren laufenden und zukünftigen Stromund Gaskonzessionsverfahren gegeneinander antreten würden, hätte die Preisgabe der jeweiligen Angebote durchaus für die Praxis relevante nachteilhafte Auswirkungen auf den Konzessionswettbewerb. Es sei wahrscheinlich, dass sich die Parteien auch in zwei noch laufenden Konzessionsverfahren der Gemeinden Samtgemeinde Bevern und Gemeinde Boffzen sowie Fürstenberg weiter gegenüberstehen.

Im Herausgabeklageverfahren könne nichts anderes gelten als vergaberechtlich.

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, dass der zwischen der Klägerin und der Stadt I abgeschlossene Stromkonzessionsvertrag für das Gebiet der Stadt I vom 17.03.2016 wirksam ist.

Die Beklagte beantragt,

die Zwischenfeststellungsklage abzuweisen.

Sie macht geltend, das Konzessionsvergabeverfahren habe sowohl im Hinblick auf die Gestaltung des Kriterienkataloges als auch wegen der Intransparenz der Auswahlkriterien und der Bewertungsmethode, vor allem aber wegen der Überschreitung des der Stadt I bei der Bewertung zustehenden Beurteilungsspielraums nicht den kartellund energierechtlichen Anforderungen an ein transparentes und diskriminierungsfreies Verfahren zur Auswahl des neuen Konzessionsnehmers entsprochen.

Sie ist der Auffassung, die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert, da sie nicht "neues Energieversorgungsunternehmen" im Sinne von § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG a. F. geworden sei.

Hinsichtlich der fehlerhaften Bewertungsmethode rügt sie, das OLG Celle habe bei seiner Entscheidung übersehen, dass sich das Transparenzerfordernis auch auf die Ermittlung des Abstandes zwischen den Angeboten erstrecke. Es lasse sich nicht im Vorhinein bestimmen, welcher Abstand vom besten Gebot bestehen müsse, um einen "überdurchschnittlichen", einen "durchschnittlichen" oder einen "unterdurchschnittlichen" Erfüllungsgrad anzunehmen. Unklar sei, was gelten soll, wenn nur zwei Bewerber vorhanden seien.

Bei der tatsächlichen Bewertung habe die Stadt I sodann ein völlig anderes Bewertungssystem angewendet, wonach "geringfügig schlechtere" Angebote mit einem Abschlag von 10 %, "leicht schlechtere" Angebote mit einem Abschlag von 20 % und "deutlich schlechtere" Angebote mit einem Abschlag von 30 % belegt worden sein. Nur im Hinblick auf ein Kriterium würde die zuvor angekündigte Terminologie verwendet und ein "unterdurchschnittlicher Erfüllungsgrad" mit einem Abschlag von 60 % belegt.

Die tatsächliche Anwendung einer anderen Bewertungsmethode bestätige auch die Intransparenz der angekündigten Bewertungsmethode.

Die Beklagte ist der Auffassung, die Klägerin treffe schon nach den allgemeinen Grundregeln die Darlegungs- und Beweislast für einen wirksamen Konzessionsvertrag. Die Belastung der Klägerin mit der Darlegungsund Beweislast sei auch zum Schutz des Altkonzessionärs vor einem unberechtigten Anspruch auf Übertragung seines Eigentums geboten.

Die Beklagte macht geltend, effektiver Rechtsschutz könne nur erreicht werden, wenn derjenige, der sich auf die Wirksamkeit der Auswahlentscheidung berufe, sämtliche Tatsachen vortragen und ggf. beweisen müsse, aus denen sich die Wirksamkeit der Auswahlentscheidung ergebe. Dies erfasse auch solche Tatsachen, auf deren Grundlage das Gericht prüfen könne, ob die Gemeinde den ihr zustehenden Beurteilungsspielraum eingehalten habe. Ohne den Inhalt Ihres Angebotes könne nicht überprüft werden, ob die Stadt I bei der Benotung die Grenzen ihres Beurteilungsspielraums beachtet habe.

Jedenfalls sei eine Beweislastumkehr geboten. Jedenfalls gälte dies für Umstände, die in der Sphäre der Klägerin selbst liegen, wie der Inhalt Ihres Angebotes.

Die Beklagte beantragt im Hinblick auf das Angebot der Klägerin und den auf dieser Grundlage abgeschlossenen Konzessionsvertrag vorsorglich die Vorlage nach § 142 Abs. 1 ZPO.

Auf den Schutz nicht näher bezeichneter Betriebsund Geschäftsgeheimnisse könne sich die Klägerin nicht mit Erfolg berufen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2019 Bezug genommen.

Gründe

Die Zwischenfeststellungsklage der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.

I.

Die Zwischenfeststellungswiderklage ist zulässig.

1)

Die Voraussetzungen des § 256 Abs. 2 ZPO sind erfüllt. Der Antrag auf Feststellung der Wirksamkeit des streitbefangenen Konzessionsvertrages zwischen der Klägerin und der Stadt I ist einer Zwischenfeststellungsklage zugänglich.

a)

Es handelt sich um ein Rechtsverhältnis i.S.v. § 256 Abs. 2 ZPO. Das Rechtsverhältnis kann grundsätzlich auch die Frage der Wirksamkeit eines Vertrages betreffen (Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 256, Rn. 4). Der Streit bezieht sich hier auf die Wirksamkeit des Konzessionsvertrages, damit wird nicht über eine bloß abstrakte Rechtsfrage gestritten.

b)

Der Zulässigkeit der Zwischenfeststellungswiderklage steht dabei nicht entgegen, dass das streitige Rechtsverhältnis nicht zwischen den Parteien des Rechtsstreits besteht. Eine Klage nach § 256 ZPO kann grundsätzlich auch auf die Feststellung gerichtet sein, dass zwischen der klagenden Partei und einem Dritten - hier der Klägerin und der Stadt I - ein Rechtsverhältnis bestehe oder nicht bestehe, wenn dies zugleich für die Rechtsbeziehungen der Parteien untereinander von Bedeutung ist (vgl. BGH NJW 1969, 136; NJW 1977, 1637; NJW 2011, 2195 (2196); in einer ähnlichen Konstellationen wie hier: OLG Naumburg, Urteil vom 21.09.2018, Az. 7 U 33/17 = BeckRS 2018, 39311, nachfolgend zu LG Magdeburg, Teilurteil vom 10.05.2017, AZ: 36 O 15/16 (Anlage K 51); Bacher in BeckOK, ZPO, 32. Edition, Stand: 01.03.2019, § 256, Rn. 5f., auch in Auseinandersetzung mit der Gegenauffassung). Dabei wird der Rechtsposition des Dritten jedenfalls dann hinreichend Rechnung getragen, wenn dessen berechtigte Interessen der Erhebung

der Feststellungsklage nicht entgegenstehen, auch wenn er seine Zustimmung nicht ausdrücklich erklärt hat (Bacher, a.a.O., Rn. 5.1)

Die Frage der Wirksamkeit des Konzessionsvertrages zwischen der Stadt I und der Klägerin ist zugleich für die Rechtsbeziehung der Prozessparteien von Bedeutung. Die Wirksamkeit des Konzessionsvertrages ist im Hauptverfahren inzident zu prüfen, da der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Übereignung der Verteilungsanlagen nach § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG einen wirksamen Stromkonzessionsvertrag zwischen ihr und der Stadt I voraussetzt. Dieser Anspruch stünde der Klägerin nicht zu, wenn der Vertrag nichtig wäre. Die Klägerin wäre dann nicht neues Energieversorgungsunternehmen und die Beklagte als bisher Nutzungsberechtigte insbesondere nicht verpflichtet, der Klägerin ihre für den Betrieb der Netze im betreffenden Gebiet notwendigen Anlagen gegen Zahlung einer Vergütung zu übereignen.

Entgegenstehende Interessen der Stadt I in Bezug auf die begehrte Feststellung des Drittrechtsverhältnisses sind dabei nicht ersichtlich. Wie das vorhergehende Verfahren gezeigt hat, geht die Stadt I vielmehr gerade davon aus, dass das Konzessionierungsverfahren ordnungsgemäß erfolgte und die Klägerin damit neues Energieversorgungsunternehmen im Sinne des § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG geworden ist.

c)

Aus Vorstehendem folgt zugleich die Vorgreiflichkeit des zur Entscheidung gestellten Feststellungsbegehrens für die anhängige Klage.

d)

Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Zwischenfeststellungsklage ist bezogen auf das rechtliche Interesse nicht nur die Vorgreiflichkeit i.S.v. § 256 Absatz 2 ZPO.

Über die Vorgreiflichkeit des Rechtsverhältnisses hinaus muss sich die begehrte Feststellung auf einen Gegenstand beziehen, der über den der Rechtskraft fähigen Gegenstand des Rechtsstreits hinausgeht. Für eine Zwischenfeststellungsklage ist daher kein Raum, wenn mit dem Urteil über die Hauptklage die Rechtsbeziehungen der Parteien erschöpfend geregelt werden (vgl. BGH, NJW 2007, 82 (83), Zöller, a. a.O., Rn. 26).

Eine Zwischenfeststellungsklage ist aber bereits dann zulässig, wenn mit der Hauptklage mehrere selbständige Ansprüche verfolgt werden, für die das streitige Rechtsverhältnis vorgreiflich ist, mögen sie auch in ihrer Gesamtheit die Ansprüche erschöpfen, die sich aus dem streitigen Rechtsverhältnis ergeben können (BGH, Urt. v. 13. Okt. 1967, Az. V ZR 83/66; BGH, Urt. v. 7. März 2013, Az. VII ZR 223/11; OLG Naumburg a.a.O.; Zöller/Greger, a.a.O.).

Die letztgenannte Konstellation ist vorliegend gegeben: Die Feststellung der Wirksamkeit des Konzessionsvertrages ist vorgreiflich für die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche auf Übereignung, Herausgabe, Auskunft, Feststellung einer gegenseitigen Ausgleichsverpflichtung und eines Schadensersatzanspruches, weil mit der Wirksamkeit des Konzessionsvertrages zugleich die Aktivlegitimation der Klägerin für die Geltendmachung dieser Ansprüche feststehen würde.

2.

Der Zulässigkeit der Zwischenfeststellungsklage steht auch nicht entgegen, dass über sie im Wege des Teilurteils zu entscheiden ist. Denn die Gefahr widersprechender Entscheidungen ist vorliegend ausgeschlossen. Ihr wird gerade dadurch entgegengewirkt, dass ein vorgreiflicher Streitpunkt vorab rechtsverbindlich - gleichsam vor die Klammer gezogen - geklärt werden kann.

II.

Die Zwischenfeststellungsklage ist unbegründet.

Der zwischen der Stadt I und der Klägerin am 17.03.2016 geschlossene Gaskonzessionsvertrag ist nichtig.

Ein Konzessionsvertrag ist nach § 134 BGB grundsätzlich nichtig, wenn die Konzessionsvergabe den Anforderungen aus § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB und § 46 Abs. 1 EnWG nicht genügt und damit eine unbillige Behinderung derjenigen Bewerber vorliegt, deren Chancen auf die Konzession dadurch beeinträchtigt worden sind (BGH, Urt. v. 17. Dez. 2013, Az. KZR 66/12, »Stromnetz Berkenthin«, Rn. 54 ff. und 101 ff.; Urt. v. 17. Dez. 2013, BGH, Az. KZR 65/12, »Stromnetz Heiligenhafen«, Rn. 50 ff., Beschluss vom 3. Juni 2014, BGH Az. EnVR 10/13, »Stromnetz Homberg« ; jeweils zit. nach juris).

Ob ein fehlerhaftes Auswahlverfahren einen Bewerber um die Konzession unbillig behindert, bestimmt sich anhand einer Gesamtwürdigung und Abwägung aller beteiligten Interessen unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (BGH, Stromnetz Berkenthin, Rn. 55). Bei der im Rahmen der Prüfung des kartellrechtlichen Behinderungsverbots gebotenen Gesamtwürdigung stellt ein gegen § 46 EnWG verstoßendes Auswahlverfahren eine unbillige Behinderung derjenigen Bewerber dar, deren Chancen auf die Konzession dadurch beeinträchtigt worden sind. Eine mit dem Abschluss dieser Verträge verbundene Diskriminierung oder unbillige Behinderung kann dann nur durch ihre Nichtigkeit beseitigt werden. Denn der Konzessionsvertrag als solcher führt die Marktwirkungen des Verbotsverstoßes herbei (BGH, Stromnetz Berkenthin, Randnummer 58).

Ein Konzessionsvergabeverfahren unterliegt formellen und materiellen Anforderungen, insbesondere dem Gebot der Transparenz bei der Gestaltung des Verfahrens sowie dem Diskriminierungsverbot bei der Auswahlentscheidung selbst, § 46 Absatz 1 S. 1 EnWG.

1.

Vorstehenden Anforderungen wird das Konzessionsvergabeverfahren zumindest im Hinblick auf die Bewertungsmethode (im Folgenden:a)) und die Gestaltung des Kriterienkataloges (b)) nicht gerecht. Es kann dahinstehen, ob auch die Bewertung der abgegebenen Angebote selbst eine Annahme der Diskriminierung rechtfertigt (c)) oder weitere Mängel des Verfahrens vorliegen.

a)

Das Verfahren war intransparent, weil die Stadt I die Bewertungsmethode den Bietern vorab nicht hinreichend klar vorgegeben hat.

Erforderlich für ein transparentes Verfahren insoweit ist, dass vorab festgelegt und bekannt gemacht wird, wie eine Gemeinde ihren Beurteilungsspielraum anhand von Bewertungsmaßstäben, Noten usw. ausgestaltet (Auswertungssystematik) (Katz, KommJur 2018,1 (8)). Der Gemeinde kommt dabei ein Entscheidungsspielraum zu, welche Bewertungsmethode sie für geeignet hält und auswählt, solange diese nachvollziehbar und vertretbar ist und sich ihre Heranziehung im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände als mit dem gesetzlichen Leitbild des ausgeschriebenen Wettbewerbs nicht als unvereinbar erweist (BGH NZBau 2017, 366, Rn. 33; OLG Brandenburg, Urteil vom 18.07.2017, Az. 6 U 1/17 Kart mit weiteren Nachweisen (B

81)). Zwar ist dabei die relative Bewertungsmethode grundsätzlich nicht zu beanstanden, muss aber im Einzelfall transparent ausgestaltet sein (OLG Karlsruhe, Urteil vom 03.04.2017, Az. 6 U 151/16 Kart (B 76)). Die Bieter müssen erkennen können, worauf es der Gemeinde bei der Auswahlentscheidung ankommt. Nur dann ist gewährleistet, dass die Auswahlentscheidung im unverfälschten Wettbewerb nach sachlichen Kriterien und diskriminierungsfrei zu Gunsten desjenigen Bewerbers erfolgt, dessen Angebot den Auswahlkriterien am besten entspricht. Das aus dem Diskriminierungsverbot folgende Transparenzgebot verlangt dementsprechend, das den am Netzbetrieb interessierten Unternehmen die Entscheidungskriterien der Gemeinde und ihre Gewichtung rechtzeitig vor der Angebotsabgabe mitgeteilt werden (BGH, Stromnetz Heiligenhafen, Rn. 48; Stromnetz Homberg, Rn. 52; OLG Karlsruhe a.a.O).

Vorliegend fehlt es aber an einer Nachvollziehbarkeit der von der Stadt I gewählten Methode:

Zur Bewertungsmethode hat die Stadt I im 1. Verfahrensbrief ausgeführt:

"Auf der Grundlage der vorgenannten Konzessionskriterien (Kriterien der Gruppen A und B) sowie der angegebenen Gewichtung wird für die Vergabe der Konzession in der Stadt I eine Bewerberreihenfolge ermittelt werden. Die in der Wertungsmatrix angegebenen Zahlen sind die jeweils maximal zu erreichenden Zahlen pro Auswahlkriterium.

Bei der Auswertung bekommt dasjenige Angebot die volle Punktzahl, dass im Vergleich zu den anderen Angeboten das jeweilige Auswahlkriterium am besten erfüllt. Die anderen Angebote erhalten eine dem Erfüllungsgrad, bezogen auf das Angebot des besten Bewerbers, entsprechende niedrigere Bepunktung"

Nach einer Rüge der Beklagten mit Schreiben vom 19.11.2014 (Anlage B 40):

"... Nach E III des 1. Verfahrensbriefs der Stadt bekommt dasjenige Angebot die volle Punktzahl, dass im Vergleich zu den anderen Angeboten das jeweilige Auswahlkriterium am besten erfüllt. Die anderen Angebote erhalten eine dem Erfüllungsgrad, bezogen auf das Angebot des besten Bewerbers, entsprechend niedrigere Bepunktung. Für die Bieter bleibt bei dieser Systematik unklar, welche Angebotsinhalte zu einer hohen oder einer niedrigen Bepunktung führen.

..."

erklärte die Stadt I mit Schreiben vom 04.12.2014 (Anlage B 42) sodann:

"Nach den Ausführungen auf Seite 16 des Ersten Verfahrensbriefes bekommt dasjenige Angebot die volle Punktzahl, dass im Vergleich zu den anderen Angeboten das jeweilige Auswahlkriterium am besten erfüllt. Die anderen Angebote erhalten eine dem Erfüllungsgrad, bezogen auf das Angebot des besten Bewerbers, entsprechende niedrigere Bepunktung. Dies bedeutet, dass ein Angebot mit einer im Vergleich zum besten Angebot durchschnittlichen Erfüllung des jeweiligen Auswahlkriteriums eine mittlere Punktbewertung erhält. Ein Angebot mit einer im Vergleich zum besten Angebot unterdurchschnittlichen Erfüllung des jeweiligen Auswahlkriteriums erhält unterdurchschnittlich wenige Punkte.

..."

Es bleibt danach im Schreiben vom 04.12.2014 völlig unklar, wie sich der Abschlag von der Bepunktung des besten Gebotes bemessen soll, wenn formuliert wird, dass ein Angebot mit einer im Vergleich zum besten Angebot durchschnittlichen Erfüllung des jeweiligen Auswahlkriteriums eine mittlere Punktbewertung erhalte.

Nicht überwindbare Schwierigkeiten bereitet dabei schon die Bestimmung einer "durchschnittlichen Erfüllung". Eine durchschnittliche Erfüllung im Sinne des qualitativen Durchschnitts mehrerer Bewerber scheidet schon deshalb aus, weil es in dem vorliegenden Verfahren neben dem Bieter mit dem besten Gebot nur einen weiteren Bieter gibt. Dass mit der "durchschnittlichen Erfüllung" eine qualitativ mittlere Erfüllung des jeweiligen Auswahlkriteriums gemeint war, lässt sich allenfalls vermuten, findet aber keinen Ausdruck.

Gänzlich unmöglich erscheint es dabei, den vorgenannten Erläuterungen aus dem Schreiben vom 04.12.2012 zu entnehmen, wie der jeweilige Abschlag bei der Bepunktung zu ermitteln ist (Abschlagsrasterung). Wie das beste Angebot ins Verhältnis zu einem Angebot mit einer "durchschnittlichen (oder unterdurchschnittlichen) Erfüllung" des jeweiligen Auswahlkriteriums gesetzt werden soll, erschließt sich nicht.

Dass die Stadt I mit Schreiben vom 04.12.2014 keinen nachvollziehbaren, gangbaren und damit transparenten Weg der Bewertung beschrieben hat, spiegelt sich überdies darin, dass diese bei der tatsächlichen Bewertung (Anlage K 53) wiederum mit anderen Begriffen operierte. So machte die Stadt I dort prozentuale Abschläge aufgrund einer Bewertung des konkurrierenden Angebotes als "geringfügig schlechter" (Seite 8) oder "leicht schlechter" (Seite 20).

Dem erkennenden Gericht ist dabei bewusst, dass das OLG Celle in dem vorhergehenden Verfahren die angewandte Bewertungsmethode weder für intransparent noch für diskriminierend hielt. Das OLG Celle hat sich allerdings insoweit im Wesentlichen mit der Frage der Zulässigkeit der relativen Bewertungsmethode auseinandergesetzt. Deren grundsätzliche Zulässigkeit wird auch hier nicht in Abrede gestellt. Zu der vom erkennenden Gericht für unzulässig gehaltenen konkreten intransparenten Ausgestaltung verhält sich das Urteil des OLG Celle nicht.

Soweit die Klägerin geltend macht, die Abzüge bei Angeboten, die nahezu gleichwertig gewesen seien, hätten sich im prozentualen Bereich bis zur durchschnittlichen Erfüllung bewegt, so dass Abzüge von lediglich 10-30 % zum Tragen gekommen seien, verfängt nicht. Denn wie bereits ausgeführt, ist unklar, was unter einer "durchschnittlichen Erfüllung" im hiesigen Kontext zu verstehen sein soll. Damit kann auch ein Bereich bis hin zur durchschnittlichen Erfüllung nicht definiert werden.

Soweit die Klägerin nunmehr noch geltend macht, die Vorgabe aus dem Schreiben vom 04.12. 2012 besage nicht, dass der zweitbeste Bieter immer auch denklogisch im Vergleich zum besten Angebot lediglich ein durchschnittliches Angebot abgegeben haben könne, so folgt daraus nichts Abweichendes. Die Argumentation des Gerichts fußt nicht auf einer solchen Annahme. Die Kritik entzündet sich vielmehr an dem Begriff der "durchschnittlichen Erfüllung" und weitergehend der Unklarheit

der Ermittlung des Abschlages, nicht hingegen an der Annahme eines stets vorliegenden "durchschnittlichen Angebotes". Dem Gericht ist dabei auch bewusst, dass in dem Schreiben vom 04.12.2012 der Begriff der "durchschnittlichen Erfüllung" als Beispiel zur Erläuterung dient, was sich schon aus dem dortigen Folgesatz unter Verwendung des weiterenBeispiels einer "unterdurchschnittlichen Erfüllung" ergibt. Auch hier bleibt gleichermaßen unklar, worin eine unterdurchschnittliche Erfüllung bestehen und wie sich der Abstand zum besten Gebot bemessen lassen soll.

Soweit die Klägerin sich hilfsweise auf eine Änderungsbefugnis bezüglich unzweckmäßiger Vorgaben beruft, geht dies schon im Ansatz fehl. Dem Schreiben vom 04.12.2012 lässt sich nicht entnehmen, dass zuvor gemachte unklare Angaben geändert werden sollten. Vielmehr hat das Schreiben in diesem Punkt eindeutig erläuternden Charakter. Zudem beruht die Unklarheit ja gerade auf den Angaben in diesem Schreiben. Soweit die Klägerin sich ggf. auch darauf berufen will, die Stadt I habe bei der tatsächlichen Bewertung selbst eine geänderte Bewertungsystematik eingesetzt, so wäre auch dies unbeachtlich. Denn nach den obigen Ausführungen muss den Bietern vorab mitgeteilt werden, wie die Bewertung ausgestaltet wird.

Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Beklagte durch das intransparente Verfahren benachteiligt wurde. Dabei geht es nicht um eine Kausalität im engeren Sinne, sondern um die Frage, ob ein fehlerhaftes Auswahlverfahren eine unbillige Behinderung darstellt. Dies ist nur dann zu verneinen, wenn zweifelsfrei feststeht, dass sich die Fehlerhaftigkeit des Auswahlverfahrens nicht auf dessen Ergebnis ausgewirkt haben kann, weil derselbe Bewerber die Konzession auf jeden Fall auch ohne Verfahrensfehler erhalten hätte (BGH, Stromnetz Berkenthin, Rz. 18-24). Es kann hier aber im Nachhinein nicht festgestellt werden, welche Angebote die Bieter abgegeben hätten, wenn ihnen in transparenter Weise eine Bewertungsystematik vorgestellt worden wäre. Aus diesem Grund kann der Klägerin auch nicht mit ihrer neuen (hilfsweisen) Argumentation gefolgt werden, die Stadt I könne eine ordnungsgemäße Bewertungsmethode - wie von ihr tatsächlich angewendet - aufstellen und die Angebote neu werten, dies würde zu keinem anderen Wertungsergebnis führen.

b)

Das Gericht ist mit der Beklagten der Auffassung, dass die Ausstattung und Kompetenz der Bewerber durch den Kriterienkatalog marginalisiert wird, in dem sie unzutreffend (nur) als Kriterium zur Konkretisierung des Ziels eines sicheren Netzbetriebes behandelt werden.

So wie auch bei der dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichtes vom 25.06.2018 (Az. 16 U 3/18 Kart) zu Grunde liegenden Bewertungsmatrix handelt es sich nur bei den letztgenannten Kriterien (A. I.4 bis A. I. 7) um ausdifferenzierte Unterkriterien zu dem vorgegebenen Hauptziel der Versorgungssicherheit. Demgegenüber sind die Aspekte der technischen, wirtschaftlichen und finanziellen Ausstattung sowie der Personalausstattung Aspekte, die bei einer jeden qualitativen Bewertung der jeweils angebotenen Betriebskonzepte stets mitzudenken sind. Solche Aspekte eignen sich hingegen nicht zur Operationalisierung des Ziels der Versorgungssicherheit. Sie spielen zwar auch, aber nicht nur bei der Frage der Versorgungssicherheit eine Rolle. Hierin liegt ein systematischer Bruch (Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht, a.a.O).

Die Berücksichtigung der Ausstattungen als Kriterium nur im Rahmen des Ziels der sicheren Energieversorgung erscheint nicht sachgerecht. Ausstattung und Kompetenz der Bewerber ist bei sämtlichen Zielen des § 1 EnWG von Bedeutung. Sie können auch bedeutsam sein, wenn es um die konkrete Bewertung von Konzepten und Plänen für eine verbraucherfreundliche Versorgung, für die umweltverträgliche Versorgung oder schließlich für Maßnahmen der Effizienz geht (Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht, a.a.O).

So hat die Stadt I in anderer Hinsicht "vertragliche Gewährleistungen" bei sämtlichen Zielen des § 1 EnWG aufgeführt. Diese mögen auch für sämtliche Ziele des § 1 EnWG von Belang sein. Gleiches gilt aber gewiss nicht weniger für die Ausstattungen, so dass es als unverständlich erscheint, wenn dieser ( jedenfalls im wesentlichen) nur bei den Kriterien A. I. 1-3 bei der Versorgungssicherheit Raum gegeben wird.

Soweit die Klägerin noch geltend gemacht hat, in der Anlage 2 zum ersten Verfahrensbrief seien auch hinsichtlich der weiteren Ziele des § 1 EnWG Aspekte der Sach- und Personalausstattung abgefragt worden, lässt sich daraus im Ergebnis nichts anderes ableiten. Die Klägerin hat einzelne Beispiele dafür aufgeführt, wo die

Stadt I hinsichtlich weiterer Ziele des § 1 EnWG Aspekte mit Bezug auf die Personaloder Sachausstattung abfragte (z.B.: "Dabei sollen die Bewerber darlegen, wo sie Anlaufstellen für den Kundenservice unterhalten und ggf. neu einrichten wollen,..."). Damit kann sie die aufgeführten Bedenken jedoch nicht durchgreifend entkräften. Denn es ist nicht ersichtlich, warum die personelle sowie die wirtschaftliche und finanzielle Ausstattung in der Anlage 2 zum ersten Verfahrensbrief, dort Seite 1 und 2, nur in allgemeiner Form, und nicht mit konkretem Bezug auf das Ziel der Versorgungssicherheit abfragt wird ohne diesen allgemein beschriebenen Ausstattungen nicht auch Bedeutung für die weiteren Ziele des § 1 EnWG einzuräumen.

Bei alledem ist das Gericht mit dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht der Auffassung, dass der vorstehenden Rechtsauffassung nicht entgegensteht, dass die hier verwandte Bewertungsmatrix im Einklang mit dem Baden-Württembergischen Musterkriterienkatalog und dem Hinweispapier der Landeskartellbehörde für Energie Schleswig Holstein stehen mag, da diese Kataloge nicht verbindlich sind und unter dem Vorbehalt und der Überprüfung durch die Rechtsprechung stehen.

Auch hier steht nicht zweifelsfrei fest, dass sich die Fehlerhaftigkeit des Auswahlverfahrens nicht auf dessen Ergebnis ausgewirkt haben kann, weil derselbe Bewerber die Konzession auf jeden Fall auch ohne Verfahrensfehler erhalten hätte. Es kann im Nachhinein nicht festgestellt werden, welche Angebote die Bieter abgegeben hätten, wenn eine ordnungsgemäße Bewertungsmatrix verwandt worden wäre.

c)

Nach diesem Ergebnis war das Gericht nicht veranlasst, den weiteren Rügen der Beklagten und den damit verbundenen Fragen nachzugehen, ob nicht noch weitere Mängel in einer nicht auszuschließenden Weise Einfluss auf die Vergabeentscheidung der Stadt I genommen haben. Bereits nach den vorstehenden Mängeln ist eine Nichtigkeit des Konzessionsvertrages zu bejahen.

Dahinstehen konnte insofern auch die Frage, ob die Stadt I , wie von der Beklagten behauptet, diese bei der konkreten Bewertung der Angebote benachteiligte. Wie bereits in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2019 erörtert, ist das Gericht der Auffassung, dass die Klägerin - wenn es noch darauf ankäme - gehalten wäre ihr Angebot vollständig vorzulegen. Da dies nicht mehr

streitentscheidend ist, hat das Gericht, entsprechend der Zusage in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2019, nicht mehr darauf hingewirkt, dass die Klägerin das Angebot vorlegt.

Ergänzend sei gleichwohl noch zur Verteilung der Darlegungsund Beweislast angemerkt:

Zunächst ist davon auszugehen, dass jede Partei, die den Eintritt einer Rechtsfolge geltend macht, die Voraussetzungen des ihr günstigen Rechtssatzes darzulegen und zu beweisen hat. Die Darlegungs- und Beweislast für die rechtsbegründenden Tatsachen trifft den Anspruchsteller, während der Gegner die rechtshemmenden, rechtshindernden oder rechtsvernichtenden Tatsachen darlegen und beweisen muss (BGH NJW 1999,352 (353)). Die Entscheidung der Frage, ob eine Tatsache rechtsbegründend oder rechtsvernichtend ist, hängt davon ab, ob sie zur Begründung des gesetzlichen Regelfalls gehört oder eine Ausnahme hiervon begründen soll (BGH NJW-RR 1990,886 (888)).

Vorliegend gehört die Wirksamkeit des Konzessionsvertrages (genauer: die der Beurteilung als wirksam zugrunde liegenden Tatsachen) zum rechtsbegründenden Tatbestand des § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG. Denn die Feststellung, dass ein Anspruchsteller "neues Energieversorgungsunternehmen" im Sinne dieser Vorschrift geworden ist setzt die Wirksamkeit eines abgeschlossenen Konzessionsvertrages voraus. Insofern formuliert der BGH (Berkenthin, Rn. 62):

"Voraussetzung des Überlassungsanspruches ist, dass die Übertragung des Netzbetriebs auf den neuen Konzessionär rechtswirksam ist. Dazu bedarf es... eines wirksamen Konzessionsvertrages."

Die zu beurteilende Konstellation unterscheidet sich wesentlich von der sonst üblichen Fallgestaltung, in welcher aus einem Rechtsgeschäft vertragliche Ansprüche hergeleitet werden und der Anspruchsgegner Nichtigkeit einwendet. In solch einem Fall ist die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast evident. Hier aber steht ein gesetzlicher Anspruch in Rede, bei dem die Wirksamkeit des Konzessionsvertrages anspruchsbegründende Wirkung hat. Aus diesem Grund vermag das erkennende Gericht sich auch nicht dem OLG Naumburg (a.a.O sowie Urteil vom 11.09.2014, Az. 2 U 122/13 (EnWG) (= Anlage K 36)) anzuschließen, wenn dies die Darlegungs- und Beweislast "nach allgemeinen Grundsätzen" demjenigen auferlegen will, der die Nichtigkeit des Konzessionsvertrages geltend macht.

Im Hinblick auf die konkrete Frage, ob die Klägerin im Rahmen ihrer Darlegungs- oder Beweislast verpflichtet ist, ihr Angebot vorzulegen gilt folgendes:

Die vorliegende Konstellation ist vergleichbar mit dem Problem der negativen Tatsache. Solche negativen Tatsachen (beispielsweise der fehlende Rechtsgrund bei § 812 BGB) müssen vom Anspruchsteller bewiesen werden, wenn sie Anspruchsvoraussetzungen sind (BGH NJW-RR 2009,1142). Da ein Anspruchsteller nicht alle theoretischen Möglichkeiten ausräumen kann (Dölling, NJW 2013, 3121), hier also die Klägerin nicht alle denkbaren Gründe, die einer Wirksamkeit entgegenstehen könnten, ist es zunächst an dem Anspruchsgegner, mögliche Nichtigkeitsgründe aufzuzeigen. Der Umfang dieser Aufzeigelast wird sich dabei an Zumutbarkeitsgesichtspunkten zu orientieren haben. Soweit Umstände Gegenstand der eigenen Wahrnehmung sind, wird dies zu einer erhöhten Aufzeigelast führen. Vorliegend hat die Beklagte jedenfalls ihrer Aufzeigelast bereits dadurch genügt, dass sie eine diskriminierende Bewertung gerügt, und ihr eigenes Angebot vorgelegt hat.

Für eine weitergehende Forderung, die Beklagte müsse Tatsachen vortragen, die eine Fehlbewertung wahrscheinlich machen würden, bleibt kein Raum.

Den Beweis, dass eine diskriminierende Fehlbewertung nicht vorgelegen hat, kann die Klägerin in der Folge ggf. nur dadurch führen, dass sie ihrerseits ihr Angebot vorlegt. Der von der Klägerin gehaltene bruchstückhafte Vortrag Ihres Angebotes im Rahmen des Vortrages einer nachvollziehbaren Bewertung (Schriftsatz vom 01.03.2019, Seite 12 ff.) dürfte dem nicht genügen.

Bei alledem folgt nichts anderes daraus, dass das Angebot der Klägerin schützenswerte Geschäftsgeheimnisse beinhalten mag, weil enthaltene Inhalte auch in weiteren Konzessionsvergabeverfahren Bedeutung erlangen können. Die Klägerin entscheidet im Rahmen des Beibringungsgrundsatzes selbst, ob sie das Angebot vorlegt. Allerdings hätte sie im Fall der Nichtvorlage die aufgezeigten prozessualen Konsequenzen zu tragen. Hier liegt auch der entscheidende Unterschied zu den Betriebsund Geschäftsgeheimnisse "schützenden" Urteilen (so z.B. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 16.04.2018, Az. 16 U110/17 Kart, Rn. 82 (Anlage K 77)); OLG Naumburg, Urteil vom 11.09.2014, Az. 2 U 122/13 (EnWG) (= Anlage K 36)), welche in einstweiligen Verfügungsverfahren gegen die jeweiligen Kommunen ergangen waren.

Der Verweis der Klägerin auf die Entscheidung des OLG München vom 09.08.2012 (Verg 10/12), wonach die Vergabekammer im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren die Einsicht in die Unterlagen zu versagen hat, soweit dies aus wichtigen Gründen, insbesondere des Geheimschutzes oder zur Wahrung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen geboten ist, geht insoweit fehl. Die Handhabung vergaberechtlicher Nachprüfungsverfahren lässt sich auf die zivilprozessuale Situation nicht übertragen (allerdings zeigt auch diese Überlegung, dass die vorliegende Streitkonstellation mit einem anderen prozessualen Instrumentarium de lege ferenda ggf sachgerechter zu behandeln wäre (vgl. Boos/Templin, EnWZ 2016,59 (61 f.)).

Es liegen auch keine Umstände vor, die vorliegend zu einer Umkehr der Beweislast führen würden. Ein Regel- Ausnahmeverhältnis, wie dies bei der Frage der Geschäftsfähigkeit volljähriger Menschen vorliegt (vgl. insofern den von der Klägerin zitierten Beschluss des OLG Saarbrücken vom 03.03.2004, Az. 4 UH 754/03), lässt sich für die Problematik des wirksamen Konzessionsvertrages nicht erkennen. Vielmehr zeigen die Ergebnisse und die Vielzahl der zu den Konzessionsvergabeverfahrens ergangenen Judikate, dass es nicht selten zu wirksamkeitsschädlichen Verstößen gekommen ist.

2.

Der Annahme der Nichtigkeit steht weder eine "Heilung" (im Folgenden: a)), noch eine irgendwie geartete Präklusionswirkung entgegen (b)). Der Berufung auf die Nichtigkeit ist auch nicht gem. § 242 BGB ausgeschlossen (c)).

a)

Eine "Heilung" der Folgen der Unwirksamkeit ist nicht eingetreten. Dies wäre nur dann der Fall, wenn alle diskriminierten Bewerber um die Konzession ausreichend Gelegenheit hatten, ihre Rechte zu wahren, diese Möglichkeit aber nicht nutzten. In diesem Falle kann und muss die fortdauernde Behinderung durch den fehlerhaft abgeschlossenen Konzessionsvertrag im Interesse der Rechtssicherheit hingenommen werden. Dies ist dann in Betracht zu ziehen, wenn die Gemeinde alle Bewerber um die Konzession in Textform über ihre beabsichtigte Auswahlentscheidung unterrichtet und den Konzessionsvertrag erst 15 Kalendertage nach Absendung der Information abschließt (BGH Stromnetz Berkenthin, Rn. 108f; Stromnetz Homberg, Rn.58).

Vorliegend ist die Beklagte nach Mitteilung der beabsichtigten Auswahlentscheidung und Ankündigung des Abschlusses des Konzessionsvertrages gerade nicht untätig geblieben. Sie hat den Erlass einer einstweiligen Verfügung, gerichtet auf die Unterlassung des Abschlusses des Konzessionsvertrages beantragt, was nach der Auffassung des erkennenden Gerichtes zur Rechtswahrung hinreichend ist. Andere Rechtsschutzmöglichkeiten stehen in dieser Situation praktikabler Weise nicht zur Verfügung. Die Erhebung einer Unterlassungsklage könnte den kurz bevorstehenden Abschluss des Konzessionsvertrages nicht hindern. Ebenso untauglich wäre die Erhebung einer Feststellungsklage, über die in der Kürze der Zeit eine Entscheidung nicht erlangt werden könnte.

b)

Nicht gefolgt werden kann der Klägerin darin, eine Präklusionswirkung zu lasten der Beklagten sei dadurch eingetreten, dass das OLG Celle in 2. Instanz dem Begehr der Beklagten nicht entsprochen habe.

aa)

Soweit die Klägerin sich für ihre Auffassung auf eine Literaturmeinung ( Boos, EWeRK 2016,33(36)) beruft, überzeugt dies nicht. Dort wird ausgeführt:

"Sofern der unterlegene Bewerber einen einstweiligen Verfügungsantrag beim zuständigen Landgericht gestellt hat und dieser zurückgewiesen wird, führt die Vorabinformation auch zu einer Wirksamkeit des neuen Konzessionsvertrages. Es wäre absurd, wenn der unterlegene Bewerber für einen erfolglosen Verfügungsantrag mit einer Verhinderung der Wirksamkeit des Konzessionsvertrages belohnt und faktisch damit so gestellt würde, als hätte sein Verfügungsantrag Erfolg gehabt. Vielmehr obliegt es dem unterlegenen Bewerber in dieser Konstellation, eine sofortige Beschwerde bzw. Berufung gegen die ablehnende Entscheidung des Landgerichts einzulegen."

Dem lässt sich schon nicht entnehmen, dass auch eine zurückweisende Entscheidung des Oberlandesgerichtes einen Rechtsverlust des unterlegenen Bieters zur Folge haben soll. Das Gericht versteht die Ausführungen eher dahin, dass zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass der Instanzenweg auszuschöpfen sei. In diesem Sinne ist den Ausführungen auch einschränkungslos beizupflichten. Allerdings ist der Beklagten insoweit dann auch nichts vorzuwerfen, zumal es hier an der Stadt I war, Rechtsmittel einzulegen, nachdem die Beklagte in 1. Instanz obsiegte.

bb)

Das Gericht sieht darüber hinaus keine Möglichkeit eine faktische oder rechtliche Bindungswirkung zu dem Urteil des OLG Celle in dem vorangegangenen Verfügungsverfahren herzustellen, wenn die entstandene prozessuale Situation auch unbefriedigend sein mag, nachdem das erkennende Landgericht die inzident zu prüfende Frage der Ordnungsgemäßheit des Konzessionierungsverfahrens nun anders beurteilt als das für das vorangegangene Verfügungsverfahren örtlich zuständige Oberlandesgericht (vgl. zu sachgerechten Vorschlägen für eine andere Verfahrensgestaltung de lege ferenda: Boos/Templin, EnWZ 2016,59 (61 f.)).

Soweit die Klägerin die Auffassung vertritt, das Unterliegen in dem einstweiligen Verfügungsverfahren habe zur Folge, dass die Beklagte mit weiteren Einwendungen ausgeschlossen sei, kann dem nicht gefolgt werden. Bereits in formeller Hinsicht streitet gegen eine solche faktische Bindungswirkung die Verschiedenheit der betroffenen Parteien in dem einstweiligen Verfügungsverfahren einerseits und dem vorliegenden Verfahren andererseits. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass ein Eingriff in eine eigentumsrechtliche Position im Hinblick auf Art. 14 GG einer gesetzlichen Grundlage bedarf, welche jedenfalls zum hier maßgeblichen Zeitpunkt nicht vorlag.

Ein gesetzlicher Einwendungsausschluss zulasten der Beklagten ergibt sich auch nicht aus einer analogen Anwendung des § 107 Abs. 3 GWB. Die vergaberechtlichen Präklusionsvorschriften sind Bestandteil des gesetzlich geregelten Vergabeverfahrens und können nicht isoliert auf das - jedenfalls im maßgeblichen Zeitraum nicht näher geregelte - Verfahren der Konzessionsvergabe übertragen werden (BGH, Stromnetz Berkenthin, Rn. 112).

cc)

Es kann dahinstehen, ob die Beklagte bei Geltung der Neufassung des § 47 EnWG gehindert gewesen wäre, im Prozess über die Übergabe des Stromnetzes noch Rechtsverletzungen geltend zu machen, die im Vergabeverfahren ggf. nicht gerügt wurden (siehe zum Streitstand stellvertretend: einerseits Danner/Theobald, Energierecht, Werkstand: 100.EL, § 46 EnWG, Rn. 180: Altkonzessionär gebunden; andererseits Huber in Kment, Energiewirtschaftsgesetz, 2. Aufl., § 46, Rn. 100: Keine Präklusionswirkung für Altkonzessionär in einem Passivprozess). Jedenfalls zum Zeitpunkt der Durchführung des streitgegenständlichen Konzessionsvergabeverfahrens bestand ein solches Rügeregime noch nicht. Der Herleitung eines solchen aus einem bloßen praktischen Bedürfnis steht schon Art. 14 GG entgegen.

c)

Der Berufung der Beklagten auf das fehlerhafte Konzessionierungsverfahren stehen die Grundsätze aus Treu und Glauben nicht entgegen. Die Klägerin will ein treuwidriges Verhalten der Beklagten daraus herleiten, dass diese sich rechtsmissbräuchlich verhalten habe, indem sie sich das Recht auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens habe "quasi abkaufen" lassen wollen. Ein solches Verhalten habe die Beklagte an den Tag gelegt, als sie der Klägerin zur Vermeidung eines weiteren Rechtsstreits nach der Entscheidung des OLG Celle die Vereinbarung einer Kooperationslösung vorschlug.

Es erscheint dem Gericht jedoch bereits im Ansatz als fernliegend, Angebote im Vergleichswege bei ersichtlich komplexer Rechtslage als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren. Im konkreten Fall stellen sich diese Angebote sogar noch als Zugeständnis dar, nachdem das Konzessionierungsverfahren nicht diskriminierungsfrei abgelaufen war.

Soweit die Klägerin sich noch auf Verwirkung infolge Zeitablaufs berufen will, so geht auch dies fehl. Wie die Klägerin selbst einräumte, hat die Beklagte sich stets auf die Fehlerhaftigkeit des Verfahrens der Stadt I berufen. Dies reicht ersichtlich aus, den Schluss zu ziehen, dass die Klägerin nicht darauf vertrauen durfte, die Beklagte würde ihre Rechte nicht geltend machen. Darauf, ob die Beklagte ihrerseits rechtliche Schritte einleitete, kam es nicht an.

Nach alledem war zu erkennen wie geschehen.

Die Kostenentscheidung war dem Schlussurteil vorzubehalten.

Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit war nicht veranlasst.