OLG Köln, Urteil vom 16.02.2016 - 9 U 41/15
Fundstelle
openJur 2019, 29931
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 24 O 225/14
Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird unter deren Zurückweisung im Übrigen das am 19.02.2015 verkündete Urteil des Landgerichts Köln - 24 O 225/14 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger und seiner mitversicherten Ehefrau, Frau A, aus dem Versicherungsvertrag mit der Vertragsnummer 9xx52xx7-x für die gerichtliche Durchsetzung ihrer Ansprüche in I. Instanz am Landgericht Saarbrücken gegen die Anlageberatungsgesellschaft B GmbH im Zusammenhang mit ihrer Beteiligung an der Dreiländer Beteiligung Objekt DLF 94/17 - C - KG (Vertrags-Nr. 9xx72xx87) bedingungsgemäßen Kostenschutz zu gewähren hat, wobei hiervon etwaige in diesem Verfahren in I. Instanz angefallene und zukünftig anfallende Anwaltsgebühren des Prozessbevollmächtigten des Klägers ausgenommen sind.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen der Kläger zu 88 % und die Beklagte zu 12 %.

3. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 II, 313 a ZPO abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet, im Übrigen ist sie unbegründet.

Die Beklagte verfolgt mit ihrer Berufung die Abweisung der im angefochtenen Urteil antragsgemäß zuerkannten Klage.

1.

Die Berufung der Beklagten hat zunächst Erfolg, soweit sie sich damit gegen ihre im angefochtenen Urteil titulierte Verpflichtung zur Freistellung des Klägers und seiner mitversicherten Ehefrau von den in der Kostenrechnung der Kanzlei D E F vom 29.01.2014 abgerechneten außergerichtlichen Anwaltskosten (2.830,18 €) und den im Güteverfahren entstandenen Anwaltskosten (1.426,99 €) in Höhe von insgesamt 4.257,17 € wendet, die im Zusammenhang mit der außergerichtlichen Geltendmachung der Schadensersatzansprüche der Klägerseite gegen die B GmbH - im folgenden B - entstanden sind. Die insoweit unbegründete Klage war abzuweisen.

Ihre Berufung ist ferner insoweit begründet, als das Landgericht zu Unrecht einen Anspruch des Klägers auf Deckungsschutz zuerkannt hat hinsichtlich der angefallenen und abgerechneten Kosten seines Prozessbevollmächtigten sowie der von Letzterem verauslagten Gerichtskosten im Zusammenhang mit der gerichtlichen Durchsetzung seiner Ansprüche gegen die B vor dem Landgericht Saarbrücken - abgerechnet mit insgesamt 4.431,36 € und Gegenstand des Freistellungsantrags zu 1) - sowie der bereits angefallenen, aber noch nicht abgerechneten und der zukünftig in diesem Rechtsstreit noch anfallenden Gebühren seines Prozessbevollmächtigten - Gegenstand des Feststellungsantrags zu 2). Hinsichtlich dieses Anspruchs ist die Klage derzeit unbegründet und war deshalb ebenfalls abzuweisen.

Diese auf der Säumnis des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 12.01.2016 beruhende teilweise Begründetheit der Berufung der Beklagten führt zur teilweisen Abänderung des angefochtenen Urteils in erkanntem Umfang, § 539 II ZPO.

2.

Unbegründet ist die Berufung aber hinsichtlich des im angefochtenen Urteil zuerkannten Feststellungsantrags zu 2) teilweise insoweit, als davon auch der Deckungsschutz für die in dem Rechtsstreit gegen die B zukünftig anfallenden weiteren Gerichtskosten sowie die Anwaltskosten der beklagten B umfasst wäre.

Das Landgericht hat hinsichtlich dieser Kosten zu Recht eine Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung von Kostenschutz festgestellt und damit Deckungsschutzansprüche des Klägers gegen die Beklagte dem Grunde nach im Hinblick darauf zuerkannt, als von der Rechtsschutzversicherung auch die in diesem Rechtsstreit in Zukunft noch anfallenden Gerichtskosten und die Anwaltskosten der beklagten B gedeckt wären, soweit die Klägerseite diese im Unterliegensfall zu tragen hätte. Inwieweit dies der Fall ist, steht allerdings derzeit noch nicht fest. Allerdings besteht diese Verpflichtung nur in dem nach den vereinbarten Versicherungsbedingungen (ARB 75) geltenden Umfang ("bedingungsgemäß").

Für den Versicherungsfall ist das Gesetz über den Versicherungsvertrag (VVG) in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung anzuwenden, weil der Versicherungsfall vor dem 01.01.2009 eingetreten ist (Art 1 II EGVVG).

Nach den im Streitfall vereinbarten Versicherungsbedingungen ARB 75 ist Versicherungsfall beim Schadensersatzrechtsschutz der Eintritt des dem Anspruch zugrunde liegenden Schadensereignisses (§ 14 I S. 1 ARB 75). Dabei kommt es darauf an, mit welchem Tatsachenvortrag der Versicherungsnehmer den Schadensersatzanspruch begründet; als frühestmöglicher Zeitpunkt kommt das dem Anspruchsgegner vorgeworfene pflichtwidrige Verhalten in Betracht, aus dem der Versicherungsnehmer den Anspruch herleitet (BGH, Urt. v. 21.10.2015, - IV ZR 266/14 -, in juris Rn. 21; BGH Urt. v. 19.03.2003, - IV ZR 139/01 -, VersR 2003, 638; BGH Urt. v. 30.04.2014, - IV ZR 47/13 -, BGHZ 201, 73 Rn. 16). Dies ist hier die Behauptung des Klägers, die B habe bei der Vermittlung der streitgegenständlichen Kapitalanlage pflichtwidrig ihre Aufklärungspflicht verletzt und gemeinsam mit dem Initiator Herrn C den Tatbestand des Betrugs verwirklicht. Eine solche Pflichtverletzung hat ihre anspruchsbegründende Wirkung im Zeitpunkt der Anlageentscheidung entfaltet (vgl. BGH, Urt. v. 30.04.2014, - IV ZR 47/13 -, BGHZ 201, 73 Rn. 21 f.). Diese haben der Kläger und seine Ehefrau Ende 1996 getroffen.

Die grundsätzliche Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung von Kostenschutz für die in diesem Rechtsstreit anfallenden Kosten und Gebühren ergibt sich aus §§ 1, 2 I c) und g), 14 I ARB 75. Die Beklagte hatte außergerichtlich Kostenschutz für die gerichtliche Interessenvertretung des Klägers und seiner Ehefrau gegenüber der B erteilt und weder die hinreichende Aussicht auf Erfolg einer solchen Klage in Abrede gestellt noch deren Erhebung als mutwillig angesehen. Sie hat vielmehr im Sommer 2013 den Prozessbevollmächtigten des Klägers in Beantwortung von dessen Deckungsanfrage auf Gewährung von Rechtsschutz für die gerichtliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber der B ausdrücklich ermächtigt, die Interessen des Klägers und seiner Ehefrau wahrzunehmen. Von dem beklagtenseits aufgrund der Rechtsschutzversicherung zugesagten Kostenschutz wären grundsätzlich nach § 2 I c) ARB 75 die durch die erhobene Klage gegen die B im Verlauf des Verfahrens noch anfallenden Gerichtskosten und nach § 2 I g) ARB 75 auch die der beklagten B entstehenden Anwaltskosten bei der Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen umfasst, soweit der Kläger und seine Ehefrau zu deren Erstattung verpflichtet sein sollten, was erst nach Abschluss des Rechtsstreits feststeht.

Es kann offen bleiben, ob die Beklagte aufgrund unterlassenen Hinweises nach § 158 n S. 2 VVG a.F. nach § 158 n S. 3 VVG a.F. mit ihrem erhobenen Einwand in ihren Schreiben vom 14.06.2013 und 03.07.2013 präkludiert ist, bei den durch die gesonderte Klageerhebung gegen die B entstehenden Kosten handele es sich um unnötige Kosten, weil der Kläger diese Ansprüche im Wege der Klageerweiterung in dem bereits anhängigen Rechtsstreit gegen den Initiator Herrn C hätte gerichtlich geltend machen können. Insbesondere brauchte nicht entschieden zu werden, ob dieser Einwand vom Anwendungsbereich des § 158 n VVG a.F. überhaupt erfasst ist und beklagtenseits ein Hinweis hätte erteilt werden müssen, was der BGH in seiner Entscheidung vom 21.10.2015 - IV ZR 266/14 - (VersR 2015, 1501 ff. in juris Rn. 23 ff.) verneint hat.

Selbst wenn man zugunsten der Beklagten davon ausgeht, dass sie mit diesem Einwand die Verletzung der Schadensminderungsobliegenheit gem. § 15 I d) cc) ARB 75 bzw. § 62 VVG a.F. geltend macht und ein Hinweis gem. § 158 n VVG a.F. mangels Anwendbarkeit der Vorschrift auf diesen Fall nicht erforderlich gewesen sein sollte, scheitert ein Ausschluss ihrer dem Grunde nach bestehenden Leistungspflicht wegen dieses Einwandes nach § 15 I d) cc) ARB 75 an der Wirksamkeit dieser Regelung. Die Voraussetzungen der stattdessen geltenden gesetzlichen Vorschrift des § 62 VVG a.F. sind wegen fehlender vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der Schadensminderungsobliegenheit durch den Kläger und seine Ehefrau nicht erfüllt.

Nach obergerichtlicher Rechtsprechung, auch der des Senats, ist die Regelung in § 15 I d) cc) ARB 75, wonach der Versicherungsnehmer, der Versicherungsschutz begehrt, kostenauslösende Maßnahmen - Erhebung von Klagen und Einlegung von Rechtsmitteln - mit dem Versicherer abzustimmen und alles zu vermeiden hat, was eine unnötige Erhöhung der Kosten oder eine Erschwerung ihrer Erstattung durch die Gegenseite verursachten könnte, wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot und das Leitbild der §§ 6, 62 VVG a.F. (§§ 28, 82 VVG n.F.) nach § 307 I BGB unwirksam (OLG Köln, Beschluss v. 03.09.2010, - 9 U 105/10 -, in juris Rn. 7; OLG Köln, Urteil v. 17.04.2012, - 9 U 207/11 -, VersR 2012, 1385 in juris, LG Köln, Urteil v. 31.08.2011, - 20 S 6/11 -, RuS 2012, 437 ff. in juris Rn. 14; OLG München, Urt. v. 22.09.2011, - 29 U 1360/11 -, VersR 2012, 313 ff. in juris Rn. 42 ff.). Das Transparenzgebot in § 307 I S. 2 BGB verlangt neben einer möglichst klaren und durchschaubaren Darstellung der Rechte und Pflichten des Vertragspartners in einer für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlichen Formulierung zusätzlich, dass ihm auch die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit vermittelt werden, wie dies nach den Umständen gefördert werden kann (OLG Köln, Beschluss v. 03.09.2010, - 9 U 105/10 -, in juris Rn. 8; OLG Köln, Urteil v. 17.04.2012, - 9 U 207/11 -, VersR 2012, 1385 in juris; OLG Hamm, Urt. v. 10.08.2011, - 20 U 31/11 -, VersR 2012, 407 ff. in juris Rn. 47). Gerade bei versicherungsvertraglichen Obliegenheiten muss dem Versicherungsnehmer klar und deutlich gemacht werden, was von ihm im Einzelnen verlangt wird, um nicht einen Verstoß (auch) gegen das Transparenzgebot zu provozieren (OLG Köln, Urteil v. 17.04.2012, - 9 U 207/11 -, VersR 2012, 1385 in juris). Diesen Anforderungen genügen die Klausel in § 15 I d) cc) ARB 75 bzw. die inhaltsgleiche Klausel in § 17 V c) cc) ARB 94 nicht. Mit der Formulierung "alles zu vermeiden, was eine unnötige Erhöhung der Kosten oder eine Erschwerung ihrer Erstattung durch die Gegenseite verursachen könnte" wird dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht hinreichend klar gemacht, was er zu tun oder zu unterlassen hat, um sich keinem Vorwurf einer objektiven Obliegenheitsverletzung ausgesetzt zu sehen. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer ist kein "Kostenfachmann" und kann daher schon per se nicht beurteilen, in welchen Fällen durch sein Verhalten überhaupt eine "Erhöhung der Kosten" oder "eine Erschwerung ihrer Erstattung durch die Gegenseite" verursacht wird, geschweige denn, wann eine Kostenerhöhung "unnötig" sein oder eine Erhöhung/Erschwerung nur verursacht werden "könnte". Alle diese Aspekte setzen vertiefte Kenntnisse insbesondere des GKG, des RVG, des materiellen Kostenrechts und des Prozessrechts voraus, von denen sicher auszuschließen ist, dass sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer besitzt, der gerade nicht über eine gut bestandene Rechtspflegerausbildung verfügt, wie sie zum Verständnis der Klausel mindestens erforderlich wäre (OLG Köln, Urteil v. 17.04.2012, - 9 U 207/11 -, VersR 2012, 1385 in juris). Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ist angesichts der Komplexität der Kostenordnungen nicht in der Lage, gebührenauslösende oder -erhöhende Maßnahmen seiner Bevollmächtigten zu erkennen, geschweige denn zu vermeiden. Die Feinheiten des Kostenrechts kann er nicht überblicken und damit auch nicht wissen, was von ihm verlangt wird, um diesen Obliegenheiten in ausreichendem Maß nachzukommen (OLG Hamm, Urt. v. 10.08.2011, - 20 U 31/11 -, VersR 2012, 407 ff. in juris Rn. 47; LG Köln, Urt. v. 31.08.2012, - 20 S 6/11 -, RuS 2012, 437 ff. in juris Rn. 14).

An einem für eine Leistungsfreiheit der Beklagten gemäß § 62 II VVG a.F. erforderlichen vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verhalten des Klägers fehlt es, weil dieser und seine mitversicherte Ehefrau - insoweit unstreitig - von ihrem Rechtsanwalt dahingehend beraten worden sind, Schadensersatzansprüche gegen die B aus vorvertraglicher Pflichtverletzung wegen fehlerhafter Anlagenberatung gem. §§ 280 I, 311 BGB zunächst im Wege eines gesonderten außergerichtlichen Güteverfahrens vor Rechtsanwalt G und nach dessen Scheitern durch Erhebung einer gesonderten Klage vom 10.06.2013 (K 28) vor dem Landgericht Saarbrücken auch zur Hemmung der am 18.06.2013 ablaufenden Verjährung geltend zu machen, mit der Begründung, dass in diesem Rechtsstreit das persönliche Erscheinen des Klägers angeordnet werden würde und auch eine Beweisaufnahme durch Vernehmung des beratenden Mitarbeiters der B erforderlich sein würde. Auf die Richtigkeit dieses anwaltlichen Rats und die von ihm vorgeschlagene Vorgehensweise durften und haben sich der Kläger und seine Ehefrau verlassen, auch wenn die Beklagte in ihren ausschließlich an den klägerischen Prozessbevollmächtigten gerichteten außergerichtlichen Deckungsmitteilungen vom 14.06.2013 und 03.07.2013 eine andere Meinung vertreten und dementsprechend darauf hingewiesen hat, dass sie nur die Kosten für eine Klageerweiterung in dem bereits anhängigen Rechtsstreit gegen den Initiator Herrn C vor dem Landgericht Stuttgart im Rahmen der Rechtsschutzversicherung übernehmen werde. Dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers den Kläger und seine Ehefrau über den Inhalt dieser ausschließlich an ihn selbst adressierten Schreiben der Beklagten informiert oder dem Kläger diese Schreiben übersendet hat, behauptet selbst die Beklagte nicht, ebenso wenig ergibt sich derartiges aus der vorgelegten Korrespondenz. Mangels Kenntnis des Klägers von den Hinweisen der Beklagten auf die aus ihrer Sicht produzierten unnötigen Gebühren durch die gesonderte Klageerhebung gegen die B ist jedenfalls der subjektive Tatbestand des § 62 VVG a.F. für einen Leistungsausschluss nicht erfüllt, und zwar weder in Form von Vorsatz noch in Form grober Fahrlässigkeit.

Der Kläger und seine Ehefrau waren auch nicht gehalten, sich deswegen an die Versicherung zu wenden. Der Versicherungsnehmer ist nicht verpflichtet, sich gerade an den Versicherer zu wenden, weil dieser im Streit über versicherungsrechtliche Fragen der mögliche Gegner des Versicherungsnehmers ist (BGH, Urt. v. 08.01.1981, - IVa ZR 60/80 -, VersR 1981, 321 f. in juris Rn. 15; OLG Saarbrücken, Urt. v. 29.06.2011, - 5 U 297/09 -, VersR 2012, 845 ff. in juris Rn. 32). Sucht der Versicherungsnehmer fachkundigen Rat, der seine Interessen wahrt, ist der Rechtsanwalt die geeignete Auskunftsperson. Auf die - sei es auch objektiv unrichtige - Auskunft eines Rechtsanwalts darf sich der Versicherungsnehmer grundsätzlich verlassen. Er hat i.d.R. weder Anlass noch die Möglichkeit, dessen Auskünfte auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (BGH, Urt. v. 08.01.1981, - IVa ZR 60/80 -, VersR 1981, 321 f. in juris Rn. 15/16; OLG Saarbrücken, Urt. v. 29.06.2011, - 5 U 297/09 -, VersR 2012, 845 ff. in juris Rn. 33 m.w.N.). Soweit der Kläger und seine Ehefrau im Zusammenhang mit der außergerichtlichen und gerichtlichen Geltendmachung ihrer Schadensersatzansprüche gegen die B dem zuvor eingeholten fachkundigen Rat ihres Prozessbevollmächtigten und der von diesem vorgeschlagenen Vorgehensweise gefolgt sind, kann bei ihnen weder ein vorsätzliches noch grob fahrlässiges Verhalten festgestellt werden. Hierbei ist zu ihren Gunsten zu berücksichtigen, dass die Beurteilung, ob mit der gesonderten Geltendmachung der Schadensersatzansprüche gegenüber der B weitere Kosten anfielen und inwieweit diese Vorgehensweise im vorliegenden Einzelfall unnötige Kosten verursacht hat, die bei einer gleichermaßen wirkungsvollen, aber kostengünstigeren Vorgehensweise nicht entstanden wären, mit der Klärung zahlreicher Rechtsfragen verbunden ist. Davon, dass der Kläger und seine Ehefrau dies vollständig überblickt haben und bedingt vorsätzlich eine unnötige Kostenüberschreitung gewollt haben, kann nicht ausgegangen werden, wie die Inanspruchnahme anwaltlichen Rats zeigt. Ebenso wenig hat die Beklagte dargetan, dass der Kläger von seinem Prozessbevollmächtigten im Einzelnen über die mit einer gesonderten Klage gegen die B anfallenden Mehrkosten aufgeklärt worden ist oder dieser ihm - dem Kläger - die Schreiben der Beklagten vom 14.06.2013 und 03.07.2013 übermittelt hat. Nach allgemeiner Erfahrung will sich ein vernünftiger Versicherungsnehmer nicht durch vorsätzliche Erfüllung einer Anzeigeobliegenheit Rechtsnachteile im Deckungsverhältnis zum Versicherer zuziehen (BGH, Urt. v. 08.01.1981, - IVa ZR 60/80 -, VersR 1981, 321 f. in juris Rn. 20).

Der Kläger muss sich ein etwaiges pflichtwidriges Fehlverhalten seines Prozessbevollmächtigten im Zusammenhang mit der gesonderten Klageerhebung gegen die B vor dem Landgericht Saarbrücken nach der Rechtsprechung des BGH aber auch weder gemäß § 278 BGB noch gemäß § 166 BGB noch über die Repräsentantenhaftung zurechnen lassen.

Der vom Versicherungsnehmer beauftragte Rechtsanwalt ist nicht Repräsentant für die Erfüllung versicherungsrechtlicher Obliegenheiten. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers ist im Bereich der Rechtsschutzversicherung nicht aufgrund eines Vertretungsverhältnisses oder eines ähnlichen Verhältnisses an die Stelle des Klägers getreten. Der Kläger hat sich beraten lassen, ohne sich vollständig aus einer Vertragsstellung zurückzuziehen. Dazu genügt nicht, dass sich ein Versicherungsnehmer anwaltlicher Hilfe bedient, auch wenn dieser die Korrespondenz führt. Eine Verdrängung des Versicherungsnehmers durch den Anwalt erfolgt dadurch nicht. Deshalb wird ein beauftragter Anwalt auch grundsätzlich nicht als Repräsentant des Versicherungsnehmers angesehen (BGH, Urt. v. 08.01.1981, - IVa ZR 60/80 -, VersR 1981, 321 f. in juris Rn. 11; OLG Köln, Beschluss v. 03.09.2010, - 9 U 105/10 -, in juris Rn. 9; OLG Saarbrücken, Urt. v. 29.06.2011, - 5 U 297/09 -, VersR 2012, 845 ff. in juris Rn. 26 m.w.N.; OLG Hamm, Urt. v. 10.08.2011, - 20 U 31/11 -, VersR 2012, 896 ff. in juris Rn. 48).

Eine Haftung des Versicherungsnehmers für ein Verschulden seines Rechtsanwalts nach § 278 BGB kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil hier keine Verbindlichkeit zu erfüllen war. Für versicherungsrechtliche Obliegenheiten des Versicherungsnehmers gilt diese Bestimmung nicht (BGH, Urt. v. 08.01.1981, - IVa ZR 60/80 -, VersR 1981, 321 f. in juris Rn. 12; OLG Saarbrücken, Urteil v. 29.06.2011, - 5 U 297/09 -, VersR 2012, 845 ff. in juris Rn. 27 m.w.N.).

Eine Zurechnung über § 166 I BGB scheitert daran, dass der vom Kläger beauftragte Rechtsanwalt nicht als dessen Wissenserklärungsvertreter aufgetreten ist, wenn der Kläger - wie hier - nach anwaltlicher Beratung selbst entschieden hat, die entsprechenden Maßnahmen zur Interessenwahrnehmung - nach Scheitern des Güteverfahrens gesonderte Klageerhebung gegen die B - zu ergreifen (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil v. 29.06.2011, - 5 U 297/09 -, VersR 2012, 845 ff. in juris Rn. 27 m.w.N.). Eine Wissenvertretererklärung liegt nicht vor, wenn - wie hier - nicht ersichtlich ist, mit welcher Übermittlung von Kenntnissen oder Abgabe von Wissenserklärungen der Rechtsanwalt ausdrücklich beauftragt oder stillschweigend betraut sein könnte. Mangels entsprechender Beauftragung wird i.d.R. eine Wissensvertreterklärung nicht gegeben sein (Bauer, VersR 2013, 661/664 XI. 2. a) m.w.N. in Fußnote 12 m.w.N.).

Ihre Verpflichtung zur Gewährung von bedingungsgemäßem Kostenschutz für die bislang nicht abgerechneten sowie die zukünftig anfallenden Gerichtskosten und Gebühren der Rechtsanwälte der B im Zusammenhang mit der gerichtlichen Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen des Klägers und seiner Ehefrau gegen die B hat die Beklagte auch nicht durch ihre vorgerichtliche Zusage erfüllt, dem Kläger Abwehrschutz gegen eine etwaige Klage seines Prozessbevollmächtigten wegen der von ihm abgerechneten Kosten und Gebühren aus diesem Rechtsstreit zu gewähren. Die Beklagte hat in ihrem Schreiben vom 16.04.2014 an den Prozessbevollmächtigten des Klägers (K 32 Anlagenheft) dem Kläger erkennbar Abwehrschutz nur für die im Klageverfahren gegen die B angefallenen Kosten gewährt, die sein Prozessbevollmächtigter ihm gegenüber abrechnen wird.

Soweit im Rahmen der Feststellungsklage nur die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung von bedingungsgemäßem Kostenschutz hinsichtlich der im Rechtsstreit gegen die B entstandenen Kosten und Gebühren dem Grunde nach in eingeschränktem Umfang festgestellt wird, bedarf es im vorliegenden Rechtsstreit keiner Entscheidung darüber, inwieweit es sich bei diesen weiteren Gerichtskosten und den gerichtlichen Anwaltsgebühren der beklagten B um nach den vereinbarten Versicherungsbedingungen erstattungsfähige gesetzliche Gebühren handelt und in welchem Umfang die Beklagte Versicherungsleistungen darauf zu erbringen hat. Diese Entscheidung bleibt einem Betragsverfahren vorbehalten, soweit der Kläger im Unterliegensfall diesbezüglich Zahlungen von der Beklagten fordern sollte. Eine Benachteiligung der Beklagten ist mit der Feststellung dieser Verpflichtung dem Grunde nach nicht verbunden, da sie nur die Gewährung von bedingungsgemäßem Kostenschutz schuldet.

Die Kostenscheidung beruht auf §§ 92 I, 97 I ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 11.380,31 €

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