OLG Köln, Urteil vom 29.08.2014 - 20 U 207/13
Fundstelle
openJur 2019, 29900
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 26 O 34/13
Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 4. Dezember 2013 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 26 O 34/13 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über den Fortbestand zweier Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungen.

Die Klägerin, die als Bratschistin in einem Orchester tätig war, beantragte Ende Dezember 2004 bei der Beklagten den Abschluss von zwei Lebensversicherungen mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Vermittelt wurden die Verträge durch den Versicherungsmakler A, der die Antragsformulare ausfüllte, und zwar unter Verwendung eines von ihm erstellten Gesundheitsfragebogens. Die Formularfrage nach dem Bestehen von Beschwerden, Krankheiten und chronischen Leiden sowie körperlichen oder geistigen Schäden in den letzten 5 Jahren wurde verneint. Die Beklagte nahm die Anträge an. Nachdem die Klägerin Leistungen aus den Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungen bei der Beklagten geltend gemacht hatte, trat diese in die Leistungsprüfung ein und erklärte nach Erhalt ärztlicher Auskünfte mit Schreiben vom 25. Mai 2012 die Anfechtung wegen arglistigen Verschweigens von Vorerkrankungen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Feststellung begehrt, dass die von der Beklagten erklärte Anfechtung unwirksam ist; ferner hat sie Leistungen aus den Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungen geltend gemacht. Hierzu hat sie vorgetragen:

Sie sei wegen Schmerzen und Beeinträchtigungen im Bereich der rechten Schulter sowie psychiatrischer Beschwerden berufsunfähig. Die Beklagte sei zu einer Anfechtung des Versicherungsvertrages nicht berechtigt gewesen. Die Gesundheitsfragen in dem von dem Makler entwickelten Fragebogen seien nicht von der Beklagten gestellt worden. Sie habe die Fragen auch nicht falsch beantwortet. Der Bericht der Ärztinnen Dres. B und C, auf welchen die Beklagte die Anfechtung gestützt habe, beruhe auf einem Missverständnis. Sie habe dort lediglich anlässlich einer Grippeimpfung mitgeteilt, dass ihre rechte Schulter gelegentlich schmerze, weshalb ihr präventiv krankengymnastische Behandlungen verordnet worden seien. Aus den ärztlichen Unterlagen ergebe sich nichts, was auf angeblich rezidivierende Beschwerden im Bereich der Schulter hindeuten würde. Auch der Behandlungsdokumentation der Ärztin D sei zu entnehmen, dass bei ihr im abgefragten Zeitraum lediglich eine gelegentliche Überlastung vorgelegen habe, die durch Spritzen oder entzündungshemmende Medikamente behandelt worden sei. Bei Frau Dr. E sei sie ebenfalls nur wegen Bagatellerkrankungen behandelt worden. Auch die Dokumentation der F-Krankenversicherung könne keine Verletzung der Anzeigepflicht belegen. Es sei bekannt, dass behandelnde Ärzte bei ihren Abrechnungen regelmäßig unzutreffende oder nicht mehr bestehende Diagnosen angeben würden. Zudem habe der Makler A ihr - der Klägerin - bei Antragstellung erklärt, dass nur langwierige, schwerwiegende oder chronische Erkrankungen anzugeben seien. Konkret nach akuten Belastungsschmerzen von Berufsmusikern gefragt, habe er sinngemäß geäußert, derartiges sei nicht mitzuteilen.

Die Klägerin hat sinngemäß beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie aus der Versicherung Nr. 0xx83xx43xx rückständige Renten wegen Berufsunfähigkeit in Höhe von 13.000, -- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie Versicherungsprämien in Höhe von 600,21 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen;

3. die Beklagte zu verurteilen, an sie ab dem 01.02.2013 jeweils zum 01. eines Folgemonats eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 1.000, -- € zu zahlen;

4. festzustellen, dass die seitens der Beklagten mit Schreiben vom 25.5.2012 erklärte Anfechtung hinsichtlich des Versicherungsvertrages Nr. 0xx83xx43xx unwirksam ist;

5. die Beklagte zu verurteilen, ihr im Hinblick auf den Versicherungsvertrag Nr. 0xx83xx7-x Prämien in Höhe von 914,68 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen;

6. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sie ab dem 01.02.2013 von der Prämienzahlung aus der Versicherung Nr. 0xx83xx7-x zu befreien;

7. festzustellen, dass die von der Beklagten mit Schreiben vom 25. 5.2012 erklärte Anfechtung im Hinblick auf den Vertrag Nr. 0xx83xx7-x unwirksam ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat das Vorliegen bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit bestritten und eingewandt: Die Gesundheitsfragen des Maklers A seien als solche anzusehen, die von ihr gestellt worden seien. Sie entsprächen ihren üblichen Fragen. Zudem habe sie das gesamte Orchester versichert, wobei sämtliche Verträge in Absprache mit ihr von Herrn A vermittelt worden seien. Die Klägerin habe diese Fragen arglistig falsch beantwortet.

Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Versicherungsverträge seien infolge der seitens der Beklagten erklärten Anfechtung nichtig. Insoweit könne dahinstehen, ob es sich bei den Gesundheitsfragen um solche gehandelt habe, welche die Beklagte gestellt habe. Der Klägerin habe jedenfalls eine spontane Anzeigepflicht oblegen. Angesichts der von der Beklagten vorgelegten medizinischen Unterlagen sei davon auszugehen, dass die Klägerin kurze Zeit vor der Antragstellung wegen chronischer Schulterbeschwerden behandelt worden sei und therapeutische Maßnahmen erhalten habe. Die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung selbst bestätigten Beschwerden der Schulter, des Nackens, des Rückens und der Hände seien für den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung erkennbar von ausschlaggebender Bedeutung gewesen; deren Verschweigen sei deshalb als arglistig anzusehen. Eine etwaige Arglist des Maklers müsse die Klägerin sich zurechnen lassen.

Gegen dieses, ihren Prozessbevollmächtigten am 5. Dezember 2013 zugestellte Urteil richtet sich die am 12. Dezember 2013 eingelegte und mit einem am 4. Februar 2014 eingegangenen Schriftsatz begründete Berufung der Klägerin, mit der diese ihre erstinstanzlichen Klageanträge weiterverfolgt.

Sie macht geltend: Das Landgericht habe eine arglistige Täuschung zu Unrecht bejaht. Eine spontane Anzeigepflicht habe sie nicht getroffen. Aus den Eintragungen in den Behandlungsunterlagen der Ärztin Dr. C vom 13. April 2004 ergebe sich, dass sie zuvor 4 Jahre lang beschwerdefrei gewesen sei und nur an diesem konkreten Termin offensichtlich Schmerzen festgestellt worden seien. Zudem sei von entscheidender Bedeutung, dass sie im Jahr 2004 wegen dieser Beschwerden nicht arbeitsunfähig gewesen sei. Eine gravierende, chronische Schultererkrankung habe daher nicht vorgelegen. Vielmehr würden bei Berufsmusikern aufgrund ihres spezifischen Tätigkeitsprofils immer wieder Überlastungsbeschwerden auftreten, denen kein Krankheitswert im eigentlichen Sinn beigemessen werden könne. Insbesondere auch aufgrund der Erklärung des Maklers, dass die Versicherung nur gravierende Erkrankungen oder Operationen interessieren würde, habe für sie keine Veranlassung bestanden, die gelegentliche Inanspruchnahme physiotherapeutischer Behandlungen anzugeben.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie aus der Versicherung Nr. 0xx83xx43xx rückständige Renten wegen Berufsunfähigkeit in Höhe von 13.000, -- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie Versicherungsprämien in Höhe von 600,21 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen;

3. die Beklagte zu verurteilen, an sie ab dem 1.2.2013 jeweils zum 01. eines Folgemonats eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 1.000, -- € zu zahlen;

4. festzustellen, dass die seitens der Beklagten mit Schreiben vom 25. 5.2012 erklärte Anfechtung hinsichtlich des Versicherungsvertrages Nr. 0xx83xx43xx unwirksam ist und der Vertrag fortbesteht;

5. die Beklagte zu verurteilen, ihr im Hinblick auf den Versicherungsvertrag Nr. 0xx83xx7-x Prämien in Höhe von 914,68 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen;

6. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sie ab dem 1.2.2013 von der Prämienzahlung aus der Versicherung Nr. 0xx83xx7-x zu befreien;

7. festzustellen, dass die von der Beklagten mit Schreiben vom 25. 5.2012 erklärte Anfechtung im Hinblick auf den Vertrag Nr. 0xx83xx7-x unwirksam ist und der Vertrag fortbesteht.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.

1.

Der Klägerin stehen gegen die Beklagte keine Ansprüche aus §§ 1 VVG a.F., 1 Abs. 1 BUZ zu. Die Beklagte hat die Verträge über die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungen mit Schreiben vom 25. Mai 2012 wirksam wegen arglistiger Täuschung gemäß §§ 123 BGB, 22 VVG a.F. angefochten mit der Folge, dass diese als von Anfang an nichtig anzusehen sind.

a.

Die Tatbestandsvoraussetzungen der Anzeigepflicht des vorliegenden Altvertrages beurteilen sich nach altem Recht (vgl. auch Neuhaus, r + s 2008, 45, 46). Das Landgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin ihre Anzeigepflicht verletzt hat. Insoweit kann - wie auch das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - offen bleiben, ob die Fragen in dem Gesundheitsfragebogen des Maklers A als solche der Beklagten anzusehen sind.

Wäre dies der Fall, so läge eine objektive Anzeigepflichtverletzung vor, weil die Klägerin unstreitig bestehende Beschwerden der rechten und linken Schulter, des Nackens, des Rückens und der Hände nicht angegeben hat, obwohl in dem Fragebogen nach dem Bestehen von Beschwerden in den letzten 5 Jahren gefragt worden ist. Gemäß § 16 Abs. 1 VVG a.F. hat der Versicherungsnehmer bei der Schließung des Vertrages alle ihm bekannten Umstände, die für die Übernahme der Gefahr erheblich sind, dem Versicherer anzuzeigen. Erheblich sind die Gefahrumstände, die geeignet sind, auf den Entschluss des Versicherers, den Vertrag überhaupt oder zu dem vereinbarten Inhalt abzuschließen, einen Einfluss auszuüben. Ein Umstand, nach welchem der Versicherer ausdrücklich und schriftlich gefragt hat, gilt im Zweifel als erheblich.

Würde es sich dagegen bei den Fragen in dem Gesundheitsfragebogen des Maklers A nicht um solche der Beklagten handeln, so hätte die Beklagte der Klägerin keine Fragen gestellt. Auch in diesem Fall hätte die Klägerin der Beklagten die ihr bekannten gefahrerheblichen Umstände anzeigen müssen. Nach altem Recht war eine ausdrückliche Frage des Versicherers nicht erforderlich; anzugeben waren vielmehr alle gefahrerheblichen Umstände, auch Ungefragtes (Voit/Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 2. Aufl., Rn. M 4). Die Annahme des Landgerichts, nicht ausdrücklich erfragte Umstände seien nicht schon wegen ihrer objektiven Gefährlichkeit mitzuteilen, sondern nur dann, wenn sich eine Frage konkludent auf sie beziehe oder ihre Mitteilung selbstverständlich erscheine, betrifft nicht die Konstellation, dass dem Antragsteller keine Fragen gestellt werden. Gemeint ist insoweit vielmehr der Fall, dass Fragen formuliert werden, nach dem verschwiegenen, objektiv gefahrerheblichen Umstand aber gerade nicht gefragt worden ist.

b.

Die Gefahrerheblichkeit der Schulterbeschwerden liegt auf der Hand. Diese haben ausweislich der Behandlungsunterlagen der Dres. B und C, deren Richtigkeit die Klägerin nicht bestreitet, "Schmerzen bei der Abduktion" hervorgerufen, was die Berufsausübungsfähigkeit einer Bratschistin zumindest erschwert bzw. einschränkt. Es handelte sich dabei auch nicht um eine Gesundheitsstörung, die offenkundig als leicht einzuordnen sowie nicht wiederholt aufgetreten ist und deshalb von vornherein keinen Anhalt dafür bietet, dass sie für die Risikoeinschätzung des Versicherers hinsichtlich des auf Dauer angelegten Versicherungsvertrages von Bedeutung sein könnte (BGH r + s 2003, 118). Die Beschwerden sind vielmehr wiederholt aufgetreten und therapiert worden. Unstreitig haben nicht nur physiotherapeutische Behandlungen stattgefunden, sondern es ist auch eine Schmerztherapie durchgeführt worden - und zwar innerhalb des abgefragten Fünfjahres-Zeitraums. Hinzu kommt, dass die Beschwerden in Zusammenhang mit dem von der Klägerin ausgeübten Beruf stehen und damit in besonderem Maße geeignet sind, das versicherte Risiko zu erhöhen.

c.

Das Landgericht hat auch ein arglistiges Verhalten zu Recht bejaht. Diesbezüglich musste der Senat nicht aufklären, ob der Makler A - wie die Klägerin behauptet - bei Antragstellung erklärt hat, akute Belastungsschmerzen von Berufsmusikern müssten nicht mitgeteilt werden. In diesem Fall wäre der Klägerin selbst zwar keine Arglist vorzuwerfen sein. Dann hätte aber der Makler arglistig gehandelt; dessen Verhalten ist - wie das Landgericht richtig festgestellt hat - der Klägerin zuzurechnen. Dass Herr A davon ausgegangen ist, die Schulterbeschwerden müssten nicht offenbart werden, macht die Klägerin selbst nicht geltend.

2.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

3.

Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht erfüllt. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch bedarf es einer Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Vielmehr sind die Fragen, auf die es hier alleine ankommt, in der obergerichtlichen Rechtsprechung im Grundsätzlichen hinreichend geklärt. Im Übrigen beruht die Entscheidung lediglich auf einer Würdigung der konkreten Umstände des vorliegenden Einzelfalles.

Berufungsstreitwert: 68.853,39 €

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