AG Schwerin, Beschluss vom 15.12.2015 - 20 F 190/15
Fundstelle
openJur 2019, 38911
  • Rkr:
Tenor

1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin rückständigen Kindesunterhalt für die Zeit Februar 2015 bis November 2015 für L. in Höhe von 1.200,00 € und für P. in Höhe von 800,00 € zu zahlen.

2. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin für L. für die Zeit ab Dezember 2015 einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 120,00 € zu zahlen, für P. für die Zeit ab Dezember 2015 einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 80,00 € zu zahlen, jeweils monatlich im Voraus.

3. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

4. Die Entscheidung ist sofort wirksam.

5. Der Verfahrenswert wird festgesetzt auf insgesamt 9.630,00 €.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um Kindesunterhalt.

Die Beteiligten sind noch miteinander verheiratet, aus der Ehe sind die gemeinsamen Kinder L., geboren am 25.01.2008, und P., geboren am 13.01.2015, hervorgegangen.

Seit Anfang Januar 2015 leben die Beteiligten voneinander getrennt.

Nach einer Aufforderung durch das Jugendamt im Februar 2015 erteilte der Antragsgegner Auskunft über seinen monatlichen Einnahmen. Hieraus ging hervor, dass der Antragsgegner monatlich in der Zeit von April bis Dezember 2015 netto 2.209,43 € durchschnittlich bezog.

Für zwei weitere Kinder aus einer anderen Verbindung zahlt der Antragsgegner monatlich zweimal 44,00 € monatlich. Zudem trägt der Antragsgegner Schulden in Raten von monatlich 900,00 € ab, die aus der Finanzierung des Erwerbs und der Sanierung des ehemaligen Familienheims in G. herrühren, das im Alleineigentum des Antragsgegner steht, aber von der Antragstellerin und den Kindern zur Zeit kostenfrei genutzt wird.

Die Antragstellerin behauptet, der auf diese Zahlungsverpflichtung entfallende Tilgungsanteil belaufe sich nur auf ca. 587,00 €, der Zinsanteil auf 313,00 €, nur letzterer sei ihres Erachtens zu berücksichtigen. Das Kindergeld für L. und für P. erhält die Antragstellerin.

Die Antragstellerin meint, der Antragsgegner sei leistungsfähig genug, um Unterhalt in Höhe der Tabellensätze der Rostocker Tabelle zu zahlen.

Die Antragstellerin beantragt,

1.) den Antragsgegner zu verpflichten, an die Antragstellerin rückständigen Kindesunterhalt für den Zeitraum Februar bis November 2015 für L. in Höhe von 2.958,00 € und für P. in Höhe von 2.458,00 € zu zahlen.

2.) den Antragsgegner zu verpflichten, an die Antragstellerin für L.-Fabien mit Wirkung ab Dezember 2015 laufenden Unterhalt in Höhe von 303,00 € monatlich zu zahlen und für P. ab Dezember 2015 laufenden Unterhalt in Höhe 253,00 € monatlich zu zahlen,

und zwar monatlich im Voraus.

Der Antragsgegner beantragt,

die Anträge abzuweisen.

Er sei nicht leistungsfähig. Er habe von April 2014 bis März 2015 nur 2.1 03,66 € monatlich im Durchschnitt verdient, in der Zeit von Februar 2015 bis Juni 2015 nur Verletztengeld in Höhe von 1.890,00 € monatlich erhalten. Sodann habe er an seine neue Lebensgefährtin, bei der er seit Januar 2015 wohne, einen Mietanteil in Höhe von 300,00 € monatlich zu zahlen (Anlage AG 1), ab November 2015287,00 €.

Darüber hinaus habe er abzugsfähige Schulden.

Die Zahlungsverpflichtungen in Höhe von 900,00 € monatlich resultierten aus vier Darlehen:

a) 48.000,00 € Sparkasse Mecklenburg-Schwerin (Anlage AG 4)b) 250.000,00 € Sparkasse Mecklenburg-Schwerin (Anlage AG 5)c) 25.500,00 € Sparkasse Mecklenburg-Schwerin (Anlage AG 6)d) 10.640,00 € Sparkasse Mecklenburg-Schwerin (Anlage AG 7).

Diese Darlehen dienten der Finanzierung des Erwerbs und der Sanierung der Immobilie in G..

Weitere Zahlungsverpflichtungen resultierten aus:

e) KFZ Versicherungen DEVK für einen PKW Mercedes und Anhänger (Anlage AG 8)f) Müllgebühren Landkreis LWL-PCH fur die Immobilie in G. in Höhe von 90,32 € (Anlage AG 9)g) Rechtschutzversicherung ADVOCARD in Höhe von 525,88 € (Anlage AG 10)h) Rechtschutzversicherung ADVOCARD in Höhe von 414,54 € (Anlage AG 11)i) Gebäudeversicherung Provinzial AG monatlich 30,00 € (Anlage AG 12)j) Kosten Gas-Heizung Eon GmbH in Höhe von 3.053,24 € (Anlage AG 13)k) Stromkosten WEMAG AG in Höhe von 942,00 € (Anlage AG 14)1) KFZ Versicherungen DIRECT fur ein Fahrzeug der Antragstellerin 117,75 €(Anlage AG 15).

Der Antragsgegner meint, die unter a) bis d) genannten Kreditbelastungen, monatlich 900,00 € Zins + Tilgung, seien jedenfalls in Gänze zu berücksichtigen.

Die Antragstellerin zahle keinerlei Nutzungsentschädigung für das von ihr und den Kindern allein genutzte Haus.

Auch die weiteren unter e) bis 1) genannten Verpflichtungen seien zu berücksichtigen, es handele sich bei ihnen um eheliche, weil gemeinsam eingegangene Schulden.

II.

Der Antrag ist zulässig und zum Teil begründet.

Die Antragstellerin hat gegen den Antragsgegner einen Anspruch auf Zahlung von Kindesunterhalt gemäß §§ 1601, 1602, 1603 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1629 Abs. 3 BGB. Gemäß § 1601 BGB schulden Verwandte, die in gerader Linie miteinander verwandt sind, einander Unterhalt, berechtigt ist, wer bedürftig ist, Eltern minderjähriger Kinder sind verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und zum Unterhalt der Kinder gleichmäßig zu verwenden.

L. und P. sind die Kinder des Antragsgegners, beide sind bedürftig, der Antragsgegner ist in gesteigertem Maße unterhaltspflichtig.

Gemäß § 1629 Abs. 3 BGB kann, wenn die Eltern (noch) miteinander verheiratet sind, ein Elternteil die Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil nur im eigenen Namen geltend machen.

Der Höhe nach ist der Antrag zum Teil begründet. Die Zahlungsverpflichtung des Unterhaltsschuldners richtet sich nach seiner Leistungsfähigkeit, § 1603 BGB.

Danach ergibt sich folgendes Bild:

a) Nettoeinkommen des Antragsgegners monatlich durchschnittlich ca. 2.000,00 €        b) abzüglich vermögensbildender Leistungen 40,00 €verbleiben 2.160,00 €c) abzüglich Unterhalt (2 x 44,00 €) = 88,00 €verbleiben 2.072,00 €d) abzüglich Schulden 900,00 €verbleiben 1.172,00 €e) abzüglich Selbstbehalt (1.080,00 € x 90%) = 972,00 €verbleiben 200,00 €

Hieraus errechnet sich für L. ein Unterhalt in Höhe von 120,00 €, für P. ein Unterhalt in Höhe von 80,00 € monatlich.

zu a):

Das Nettoeinkommen errechnet sich aus dem Jahreseinkommen des Antragsgegners, nicht allein aus dem des 3/4 Jahres April bis Dezember 2014, wie die Antragstellerin meint, denn durchschnittlich sind Sonderzuwendungen und sonstige Gratifikationen auf das Jahr umzulegen. Jedoch ist der Monat März 2015 herauszurechnen, denn das Verletztengeld ist nicht prägend für das Gesamtbild.

zu b):

Aufwendungen auf vermögenswirksame Leistungen sind absetzbar, vgl. Nr 10.4 der Leitlinie des OLG Rostock.

zu c):

Der Unterhalts betrag für die beiden anderen Kinder ist absetzbar, denn diese stehen den Kindern der Beteiligten im Range gleich.

zu d):

Schulden sind einzelfallbezogen abzugsfähig. Als unterhaltsrechtlich relevant gelten Verbindlichkeiten, die bereits die Lebensverhältnisse der Familie bis zur Trennung geprägt haben (Palandt / Brudermüller, BGB, 71. Auflage, § 1603 Rdnr. 7), denn die von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Unterhaltspflichtigen abgeleitete Lebensstellung des Kindes richtet sich nach dessen verfügbaren Mitteln. Danach sind im Einzelfall nicht nur Zins-, sondern auch Tilgungszahlungen zu berücksichtigen (Palandt / Brudermüller, am angegebenen Ort). Im Falle des Antragsgegners lassen sich Zins- und Tilgungsleistungen ohnehin nicht voneinander separieren.

Das Gericht erkennt dem Antragsgegner die Kreditbelastungen oben a) bis d) vollumfänglich als Abzugsposten zu. Die weiteren Belastungen, unter e) bis 1), sind dagegen nicht absetzbar. Rechtschutzversicherungen lassen sich kündigen. KFZ-Versicherungen sind in die Tabellensätze bereits eingearbeitet. Ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung gegen die Ehefrau ließe sich ggf. gerichtlich geltend machen, Schulden bei Energieversorgern und Abfallentsorgern sind unterhaltsrechtlich nicht relevant, denn Mietkosten und Mietnebenkosten sind Bestandteil des eigenen Lebensbedarfes und nur im Rahmen des Selbstbehaltes anzuerkennen.

zu e):

Der Antragsgegner lebt mit seiner neuen Lebensgefährtin zusammen, wodurch Synergie-Effekte entstehen. Das Gericht setzt den Selbstbehalt von 1.080,00 € deshalb um 10 % herab. Der verbleibende Betrag von monatlich 200,00 € ist im Verhältnis der Bedürftigkeit zwischen L. und P. aufzuteilen, und zwar im Verhältnis 60 zu 40.

III.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 243 FamFG.

Die sofortige Wirksamkeit wird angeordnet gemäß § 116 FamFG.

Der Verfahrenswert richtet sich nach den Vorschriften des FamGKG.