Hessisches LAG, Urteil vom 05.02.2019 - 12 Sa 842/17
Fundstelle
openJur 2019, 29607
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 16. Mai 2017 - 12 Ca 694/16 - abgeändert und die Beklagte unter Aufhebung des Versäumnisurteils des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 15. November 2016 verurteilt, an den Kläger 169.174,04 EUR zu zahlen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen. Von den Kosten des Verfahrens erster Instanz hat der Kläger 43 % und die Beklagte 57 % zu tragen.

Ausgenommen von dieser Kostenentscheidung sind die Kosten, welche auf die Säumnis des Klägers im Termin vor dem Arbeitsgericht am 15. November 2016 zurückgehen.

Diese Kosten hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Beiträgen an die Sozialkassen des Baugewerbes i.H.v. 163.768,- EUR wegen der Beschäftigung baugewerblicher Arbeitnehmer im Zeitraum von Dezember 2011 bis März 2016, i.H.v. 1.783,- EUR wegen der Beschäftigung eines/einer Angestellten im Zeitraum von Dezember 2011 bis Dezember 2013 und um die Zahlung von Verzugszinsen i.H.v. 3.623,04 EUR.

Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien in der Rechtsform eines Vereins mit eigener Rechtspersönlichkeit kraft staatlicher Verleihung. Er ist tarifvertraglich zum Einzug der Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes berechtigt und verpflichtet.

Die Beklagte, die ihre Betriebstätigkeit im Jahr 2005 aufgenommen hat und keinem der tarifschließenden Verbände des Baugewerbes angehört, ist im Gewerberegister der Stadt Dortmund mit den Tätigkeiten: Dienstleistungen im Baunebengewerbe, hier u.a. Abbruch und Ausbrucharbeiten, Kesselreinigung und Entschlackung von Ofenanlagen sowie Arbeiten im Industrie- und Feuerungsbau eingetragen. Die Eintragung der Beklagten im Handelsregister ist mit Ausnahme der Angabe von Arbeiten im Industrie- und Feuerungsbau identisch. In den streitgegenständlichen Kalenderjahren wurden von Mitarbeitern der Beklagten mit einem Zeitanteil zwischen 25 und 45 % an der betrieblichen Gesamtarbeitszeit Zusetzungen durch Reste erhitzte Metalle (Schlacken) in Industrieöfen mittels einer Sauerstofflanze beseitigt, mit einem Zeitanteil an der betrieblichen Gesamtarbeitszeit von 15 bis 20 % wurden Schweißarbeiten an Öfen zum Zwecke von deren Reparatur durchgeführt und zwischen 15 und 20 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit entfiel auf den Wechsel von Induktoren in Industrieöfen. Daneben wurden mit einem Zeitanteil zwischen 25 und 45 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit in Räumen, in welchen Industrieöfen aufgestellt sind, Halterungen an den Wänden angebracht, damit später durch Drittfirmen keramische Fasern an diesen Halterungen angebracht werden können. Schließlich entfielen zwischen 5 und 10 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit auf die Koordination von Subunternehmern und die Erledigung von Verwaltungsarbeiten.

Während des streitgegenständlichen Zeitraums beschäftigte die Beklagte von Dezember 2011 bis April 2013 vier gewerbliche Arbeitnehmer, in den Zeiträumen Mai bis Juni 2013 sowie Dezember 2013 bis März 2015 jeweils fünf gewerbliche Arbeitnehmer, im Zeitraum von Juli 2013 bis November 2013 sieben gewerbliche Arbeitnehmer und von April 2015 bis März 2016 sechs gewerbliche Arbeitnehmer. Darüber hinaus wurde von Dezember 2011 bis Dezember 2013 ein(e) Angestellte(r) für die Beklagte tätig.

Ihren gewerblichen Arbeitnehmern zahlte die Beklagte jedenfalls den von dem Statistischen Bundesamt ermittelten durchschnittlichen Lohn für Bauarbeiter im Tarifgebiet West. Hieraus folgen Beitragssätze pro gewerblichem Arbeitnehmer in Höhe von monatlich 609,- EUR für das Kalenderjahr 2011, i.H.v. monatlich 643,- EUR für das Kalenderjahr 2012, i.H.v. monatlich 629,- EUR für den Zeitraum von Januar 2013 bis April 2015 und i.H.v. monatlich 663,- EUR für den Zeitraum ab Mai 2015.

Unter dem Datum des 15. März 2017 übersandte der Kläger der Beklagten eine Abrechnung über Verzugszinsen auf die Beiträge für die gewerblichen Arbeitnehmer für die Monate Januar 2013 bis April 2015 (Blatt 124 ff. der Akte) bezogen auf einen Zinszeitraum von März 2015 bis Juni 2015. Die Forderung beläuft sich auf 3.623,04 EUR.

Der Kläger hat seine Ansprüche erstinstanzlich zunächst in sechs getrennten Rechtsstreitigkeiten verfolgt und einen Gesamtbetrag i.H.v. 204.724,88 EUR begehrt. Nach Teilklagerücknahmen i.H.v. 55.063,- EUR und Verbindung der sechs Rechtsstreitigkeiten wies das Arbeitsgericht die Klage am 15. November 2016 durch Versäumnisurteil ab, da der Kläger keinen Antrag gestellt hatte. Nach rechtzeitigem Einspruch erfolgte eine weitere Reduzierung der Klageforderung um 9.817,84 EUR sowie eine Erweiterung um 28.526,- EUR. Schließlich wurde ein siebter Rechtsstreit dem Verfahren hinzu verbunden, in welchem der Kläger nach erfolgter Teilklagerücknahme i.H.v. 62.640,- EUR zuletzt noch 804,- EUR erstrebt.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte unterfalle dem betrieblichen Geltungsbereich der Tarifverträge über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV), da ihre gewerblichen Arbeitnehmer in den streitgegenständlichen Kalenderjahren gesamtbetrieblich gesehen und auch jeweils einzeln arbeitszeitlich überwiegend folgende baugewerblichen Tätigkeiten ausgeführt hätten: Anschweißen von Isolierungsbefestigungen, Mauerungsanker, Konsolen und Metallkonstruktionen sowie Anschießen von Bolzen, Stiften und Faserfixierstiften mittels Bolzenschussgeräten an Industrieöfen und Müllverbrennungsanlagen. Jedenfalls habe die Beklagte im Klagezeitraum deshalb einen Baubetrieb geführt, weil Öfen bereits als solche bauliche Anlagen darstellten und an diesen gearbeitet worden sei. Die Qualifizierung von Öfen als bauliche Anlagen, ergäbe sich aus § 1 Abs. 2 Abschnitt V Ziffer 14 VTV. Bei den erledigten Arbeiten habe es sich um dem Berufsbild des Ofenbauers zuzurechnende Instandsetzungstätigkeiten gehandelt, welche unter Einsatz baulichen Geräts (Schweißbrenner etc.) ausgeführt worden seien.

Der Kläger hat beantragt, das Versäumnisurteil vom 15. November 2016, soweit die Klage nicht zurückgenommen worden sei, aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung von 169.174,04 EUR zu verurteilen.

Die Beklagte hat die Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils und die Abweisung der darüberhinausgehende Klage beantragt und die Auffassung vertreten, ihre Beschäftigten hätten weder Bauwerke hergestellt, noch seien nach Herkommen, Üblichkeit, verwendeten Methoden oder eingesetzten Arbeitsmitteln baulich geprägte Leistungen erbracht worden. Die Arbeit an den Öfen stelle eine Tätigkeit der Metallbearbeitung dar. Dem Berufsbild des Ofenbauers entspräche sie nicht. Im Übrigen hat die Beklagte die Auffassung vertreten, infolge der Unwirksamkeit der maßgebenden Allgemeinverbindlicherklärungen durch das Bundesarbeitsgericht fehle es dem Begehren an einer Rechtsgrundlage. Auch hat die Beklagte hinsichtlich der Ansprüche für die Kalenderjahre 2011 und 2012 die Einrede der Verjährung erhoben.

Hinsichtlich des Parteivorbringens erster Instanz im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze, die Niederschriften der mündlichen Verhandlungen sowie auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils verwiesen.

Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat mit Urteil vom 16. Mai 2017 das Versäumnisurteil vom 15. November 2016 aufrechterhalten und die darüber hinausgehende Klage abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, die überwiegend durchgeführten Instandsetzungsarbeiten an Industrieöfen unterfielen weder § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 14 VTV noch § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV. Hinsichtlich letztgenannter Vorschrift hat das Arbeitsgericht angenommen, der zentrale Begriff der Bestimmung sei derjenige des Bauwerks. Industrieöfen, die lediglich auf den Boden eines Raumes gestellt und an den Strom angeschlossen würden, seien keine Bauwerke.

Bei Industrieöfen handele es sich um technische Anlagen, welche sowohl selbst Bauwerke sein könnten als auch wesentliche Bestandteile eines (übergeordneten) anderen Bauwerks. Bauwerke seien technische Anlagen dann, wenn sie aus Baustoffen oder Bauteilen mit baulichem Gerät hergestellt und fest mit dem Erdboden verbunden seien bzw. infolge ihrer Schwere auf dem Boden ruhten. Wesentliche Bestandteile eines anderen Bauwerks seien technische Anlagen dann, wenn sie fest mit dem übergeordneten Bauwerk verbunden und für dessen Nutzbarkeit erforderlich seien oder ihnen prägende Bedeutung für das sie beherbergen Gebäude zukäme.

Das Arbeitsgericht meint, Industrieöfen der von den Mitarbeitern der Beklagten gewarteten Art erfüllten die Voraussetzungen der bezeichneten Alternativen nicht. Zwar könnten sie überwiegend aus auch in der Baubranche verwandten Materialien (Metall, feuerfeste Matten, ggf. Beton) bestehen, doch sei ihre Herstellung nicht unter Einsatz baulichen Geräts, sondern mit Maschinen, Werkzeugen und Methoden des metallverarbeitenden Handwerks bzw. der metallverarbeitenden Industrie erfolgt. Ebenso wenig handele es sich bei ihnen um wesentliche Bestandteile der sie beherbergen Gebäude. Wie jede nur über ein Stromkabel angeschlossene Maschine seien die Öfen mit den Räumen, in denen sie aufgestellt seien, nicht fest verbunden und könnten deshalb jederzeit aus ihnen beseitigt und gegen neue ausgetauscht werden. Auch eine prägende Bedeutung für das ihnen übergeordnete Bauwerk komme ihnen nicht zu.

Das Arbeitsgericht ist weiterhin der Auffassung, im Betrieb der Beklagten seien in den streitgegenständlichen Kalenderjahren auch nicht arbeitszeitlich überwiegend Feuerungs- und Ofenbauarbeiten im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Ziffer 14 VTV ausgeführt worden. Zwar erfasse die Norm grundsätzlich auch Wartung- und Reparaturarbeiten an Öfen, wie z.B. das Ersetzen alter Metallbleche durch neue oder das Beseitigen von Zusetzungen mittels Schweißbrenner oder ähnlichem. Unter dem Begriff des Ofens im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Ziffer 14 VTV seien allerdings nur solche zu verstehen, die in ein Gebäude eingebaut seien. Dies ergebe sich daraus, dass die gewarteten Öfen weder selbst Bauwerke seien, noch wesentliche Bestandteile von solchen. Das Arbeitsgericht argumentiert, wollte man wegen der Vorschrift in § 1 Abs. 2 Abschnitt V Ziffer 14 VTV vorliegend eine bauliche Leistungserbringung anerkennen, so liefe dies der Systematik des VTV zuwider. Während die isolierte Herstellung jedweder Art von Maschinen, Heizkörpern, Lüftungsanlagen, Sanitärgegenstände etc. außerhalb des fachlichen Geltungsbereichs des Tarifvertrags läge, würde allein mit Blick auf Öfen etwas anderes gelten. Selbst die Fertigung elektrisch betriebene Kleinstgeräte müsste dann als baulich qualifiziert werden. Daher müsse § 1 Abs. 2 Abschnitt V Ziffer 14 VTV so verstanden werden, dass nur solche Öfen erfasst seien, die fest eingebaut seien und nicht mehr problemlos aus dem sie beherbergenden Gebäude entfernt werden könnten. Insoweit seien die von der Beklagten gewarteten Industrieöfen transportablen Maschinen oder Haushaltsgeräten gleichzusetzen und ihre Herstellung, Instandsetzung etc. sei nicht als baulich zu werten.

Bezüglich der Einzelheiten der Argumentation des Arbeitsgerichts werden die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils in Bezug genommen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts ist dem Kläger am 23. Mai 2017 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 13. Juni 2017, eingegangen beim Hessischen Landesarbeitsgericht am 13. Juni 2017, hat der Kläger Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 23. August 2017 am 23. August 2017 begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist auf Antrag vom 24. Juli 2017 (Montag), eingegangen am 24. Juli 2017, bis zum 23 August 2017 verlängert worden war.

Der Kläger ist unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags der Auffassung, das Arbeitsgericht habe das Versäumnisurteil vom 15. November 2016 zu Unrecht aufrechterhalten und die darüber hinausgehende Klage fehlerhaft abgewiesen. Sein Begehren stützt der Kläger im Berufungsverfahren auf die Vorschriften des Gesetzes zur Sicherung der Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (SokaSiG).

Der Kläger behauptet, dass die Industrieöfen, die Gegenstand der Tätigkeit der gewerblichen Arbeitnehmer der Beklagten seien, sowohl aufgrund eigener Schwere auf dem Erdboden ruhten als auch zusätzlich fest verbunden seien. Auch stellten sie wesentliche Bestandteile des jeweiligen Gebäudes/Raumes dar. Der Kläger meint, dass es sich bei den von der Beklagten ausgeführten Arbeiten um Tätigkeiten zur Wiederherstellung der uneingeschränkten bestimmungsgemäßen Nutzung der Bauwerke "Öfen" handele und die Aufrüstung der Wände der Räume, in denen sich die Öfen befänden, belege, dass es sich bei den Öfen um wesentliche Bestandteile der Räume handele.

Der Kläger meint, die Herstellung der Öfen erfolge mit baulichem Gerät und behauptet, die Öfen könnten nicht ohne weitreichende Arbeiten aus den Räumen, in denen sie aufgestellt seien, entfernt werden. Auch meint er, die Öfen seien prägend für den sie beherbergenden Raum, was zu besonderen Anforderungen an die Raumhöhe und an Boden und Decke führe.

Darüber hinaus ist der Kläger der Auffassung, dass auch das Anschweißen von Bolzen an freistehenden Wärmeschutzwänden jedenfalls als eine Arbeit an einem Bauwerk anzusehen sei. Dies gelte unabhängig davon, ob die feuerfesten Dämmmatten später von eigenen Mitarbeitern der Beklagten oder von Dritten an den Bolzen angebracht würden. Dies gelte auch für die Bolzen, die nicht an Wärmeschutzwänden, sondern an den Induktionsöfen selbst angeschweißt würden.

Hinsichtlich der genauen Begründung wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 23. August 2017 (Blatt 247 ff. der Akte) und auf den Schriftsatz des Klägers vom 26. November 2018 (Blatt 335 f. der Akte) verwiesen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 16. Mai 2017 - 12 Ca 694/16 - abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Versäumnisurteils des Arbeitsgerichts vom 15. November 2016 zu verurteilen, an ihn 169.174,04 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts und ist der Auffassung, die elektrisch betriebenen Öfen, an welchen durch ihre Mitarbeiter Arbeiten erbracht wurden, seien schon nicht aus Baustoffen oder Bauteilen mit baulichem Gerät hergestellt worden und seien mithin keine Bauwerk. Die Öfen bestünden fast ausschließlich aus Metall und würden nach Methoden des metallverarbeitenden Handwerks in Schlossereien mit Schlosserwerkzeugen und Schweißgeräten erbaut. Die Öfen seien transportabel und könnten jederzeit mittels eines LKWs an einen anderen Ort verbracht werden. Das Aufstellen in den Hallen erfolge mittels Gabelstapler oder Autokran. In Abhängigkeit von ihrer Größe und ihrem Umfang erfolge ggf. eine Anlieferung in Teilen, überwiegend würden sie jedoch in einem unzerlegten Zustand angeliefert. Die Größe der Öfen und Wärmebehandlungsanlagen differiere erheblich. Es gäbe Längen von 4,00 bis 13,00 Metern, Breiten zwischen 2,00 und 2,50 Metern und Höhen von 1,50 bis 1,70 Metern. Die Gewichte der Öfen hingen von ihrer Größe ab und betrügen geschätzt zwischen einer und 15 Tonnen.

Die Beklagte bestreitet, dass durch ihre Mitarbeiter eine Aufrüstung von Raumwänden erfolge, in denen sich Öfen befänden. Die Öfen befänden sich in Hallen mit eigenen Absauganlage. Ein etwaig vorhandener freistehender Metallschutz bestehe völlig unabhängig von den baulich erstellten Gebäudemauern. Die Metallwände würden auch nicht mit einem Keramikschutz bestückt. Anders sei dies allerdings bei den Öfen selbst. Soweit an diesen ein neuer Keramikschutz angebracht werden müsse, erstelle sie mit ihren Mitarbeitern nur die erforderlichen Metallvorarbeiten, also das Anschweißen der Bolzen.

Der Beklagte meint, der Zweck der Gesamtleistung der von ihr bzw. ihren Arbeitnehmern ausgeübten Tätigkeiten diene nicht der Herstellung eines Bauwerks, sondern der Wiederherstellung oder Instandhaltung von - mit elektrischer Energie betriebenen - Ofenanlagen in Kraftwerken und Industrieanlagen und damit letztlich von technischen Anlagen bzw. Maschinen. Insoweit unterfielen sie der europarechtlichen Maschinenrichtlinie.

Schließlich ist die Beklagte der Ansicht, der Verfassungsmäßigkeit des SokaSiG stünden Bedenken entgegen.

Hinsichtlich ihres Vortrags im Einzelnen wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 27. Oktober 2017 (Blatt 270 ff. der Akte) und auf ihre Schriftsätze vom 27. September 2018 (Blatt 312 ff. der Akte) und vom 18. Dezember 2018 (Blatt 342 ff. der Akte) verwiesen.

Gründe

I. Die gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 16. Mai 2017 - 12 Ca 694/16 - eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig.

Das Rechtsmittel ist gem. §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 b) ArbGG statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,- EUR übersteigt. Die Berufung ist auch zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 519, 520 Abs. 1, 3 und 5 ZPO.

II. In der Sache hat die Berufung Erfolg.

Der Anspruch folgt für das Kalenderjahr 2011 aus § 7 Abs. 7 SokaSiG i.V.m. §§ 18 Abs. 2, 19, 21 Abs. 1 des VTV vom 18. Dezember 2009, für das Kalenderjahr 2012 aus § 7 Abs. 6 SokaSiG i.V.m. §§ 18 Abs. 2, 19, 21 Abs. 1 des VTV vom 18. Dezember 2009 in der Fassung vom 21. Dezember 2011, für den Zeitraum von Januar bis Juni 2013 aus § 7 Abs. 5 SokaSiG i.V.m. § 18 Abs. 2, 19, 21 Abs. 1, 23 des VTV vom 18. Dezember 2009 in der Fassung vom 17. Dezember 2012, für den Zeitraum von Juli 2013 bis Dezember 2013 aus § 7 Abs. 4 SokaSiG i.V.m. § 15 Abs. 2, 16, 18 Abs. 1, 20 Abs. 1 des VTV vom 03. Mai 2013, für das Kalenderjahr 2014 aus § 7 Abs. 3 SokaSiG i.V.m. § 15 Abs. 2, 18 Abs. 1, 20 Abs. 1 des VTV vom 03. Mai 2013 in der Fassung vom 03. Dezember 2013, für das Kalenderjahr 2015 aus § 7 Abs. 2 SokaSiG i.V.m. §§ 15 Abs. 2,18 Abs. 1, 20 Abs. 1 des VTV vom 03. Mai 2013 in der Fassung vom 10. Dezember 2014 und für das Kalenderjahr 2016 aus § 7 Abs. 1 SokaSiG i.V.m. § 15 Abs. 2, 18 Abs. 1 des VTV vom 03. Mai 2013 in der Fassung vom 24. November 2015.

Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Wirksamkeit des SokaSiG bestehen nicht (unter 1.). Im Anwendungsbereich des SokaSiG ist der betriebliche Geltungsbereich des VTV eröffnet (unter 2.) und die Forderung des Klägers ist der Höhe und dem Grunde nach begründet (unter 3.).

1. Unproblematisch findet das SokaSiG auf den vorliegenden Rechtsstreit Anwendung. Es ist einen Tag nach seiner Verkündung, mithin am 25. Mai 2017 in Kraft getreten, § 14 SokaSiG. Eine Übergangsregelung ist nicht vorgesehen. Das Gesetz sieht vor, dass der Bauarbeitgeber nach § 7 an den VTV in der jeweils maßgeblichen Fassung gebunden ist. Der Anwendungsbefehl kraft Gesetzes tritt insoweit an die Stelle der für unwirksam erklärten Allgemeinverbindlicherklärung.

Das SokaSiG unterliegt trotz der geregelten Rückwirkung keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Wegen der hier (ausnahmsweise) anzuerkennenden Zulässigkeit der Rückwirkung wird auf die zutreffenden Ausführungen der Kammer 10 des Hessischen Landesarbeitsgerichts im Verfahren 10 Ta 524/16 verwiesen. Dieser Sichtweise hat sich zwischenzeitlich auch das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 20. November 2018 - 10 AZR 121/18 - angeschlossen. Es wird insoweit auf die Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts 64/18 vom 20. November 2018 verwiesen.

Auch im Übrigen stehen der Verfassungsmäßigkeit des SokaSiG keine durchgreifenden Bedenken entgegen. Es wird auf die Ausführungen der Kammer 10 des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 02. Juni 2017 im Verfahren 10 Sa 907/16 (dokumentiert in Juris) verwiesen.

Da das SokaSiG nach Auffassung der Kammer im Einklang mit dem Grundgesetz steht, scheidet eine Vorlage nach Art. 100 GG aus, da es an der zur Vorlage erforderlichen Überzeugung der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes fehlt.

2. Der betriebliche Geltungsbereich des VTV ist vorliegend eröffnet.

a. Der betriebliche Geltungsbereich des VTV ist in dessen § 1 Abs. 2 geregelt. Danach unterfallen ihm "Betriebe des Baugewerbes". Das sind solche Betriebe, die nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich entweder Bauten aller Art erstellen (§ 1 Abs. 2 Abschnitt I) oder gewerblich bauliche Leistungen erbringen, die der Erstellung, Instandhaltung, Instandsetzung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen (§ 1 Abs. 2 Abschnitt II), oder die gewerblich sonstige bauliche Leistungen durchführen (§ 1 Abs. 2 Abschnitt III). Zu den erfassten betrieblichen Tätigkeiten zählen unter anderem die in § 1 Abs. 2 Abschnitt V VTV in Form von Tätigkeitsbeispielen aufgezählten Einzeltätigkeiten.

Ein Betrieb ist dann dem Baugewerbe im tariflichen Sinne zuzuordnen, wenn seine betrieblichen Tätigkeiten entweder in der Einzelaufstellung (§ 1 Abs. 2 Abschnitt V) genannt sind oder unter die allgemeinen Bestimmungen der Abschnitte I bis III des § 1 Abs. 2 VTV fallen. Für die Frage, ob im Betrieb des Arbeitgebers vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasste Tätigkeiten verrichtet worden sind, ist auf die arbeitszeitlich überwiegende Tätigkeit der Arbeitnehmer und nicht auf wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz und Verdienst, aber auch nicht auf handels- und gewerberechtliche Kriterien abzustellen (ständige Rechtsprechung, vgl. BAG 19. Februar 2014 - 10 AZR 428/113 - AP Nr. 351 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau m.w.N.). Betriebe, die überwiegend eine oder mehrere in den Beispielen des § 1 Abs. 2 Abschnitt V VTV genannte Tätigkeiten ausführen, fallen unter dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV, ohne dass die Erfordernisse der allgemeinen Merkmale der Abschnitte I bis III geprüft werden müssen. Den baugewerblichen Tätigkeiten ebenfalls zuzuordnen sind dabei diejenigen Nebenarbeiten, die zu einer sachgerechten Ausführung der baulichen Leistungen notwendig sind und deshalb mit ihnen in Zusammenhang stehen (BAG 14. März 2012 - 10 AZR 610/10 - AP Nr. 342 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau m.w.N.).

Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass in einem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend baugewerbliche Tätigkeiten verrichtet werden, obliegt der klagenden Kasse. Ihr Sachvortrages schlüssig, wenn sie Tatsachen vorträgt, die den Schluss zulassen, der Betrieb des Arbeitgebers werde vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasst (BAG 10. September 2014 - 10 AZR 959/13 - NZA 2014, 1282 m.w.N.).

Nach diesen Maßgaben hat der Kläger schlüssig vorgetragen, dass die Beklagte arbeitszeitlich überwiegend baugewerbliche Tätigkeiten ausgeführt hat. Nach allgemeinen Grundsätzen ist ein Sachvortrag zur Begründung eines Klageanspruchs dann schlüssig, wenn die klägerische Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person des Klägers entstanden erscheinen zu lassen. Der Kläger muss demnach Tatsachen vortragen, die den Schluss zulassen, der Betrieb werde vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasst. Dazu gehört neben der Darlegung von Arbeiten, die sich § 1 VTV zuordnen lassen, auch der Vortrag, dass diese Tätigkeiten insgesamt arbeitszeitlich überwiegen (BAG 14. März 2012 - 10 AZR 610/10 - AP Nr. 342 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau m.w.N.). Es ist nicht erforderlich, dass der Kläger jede Einzelheit der behaupteten Tätigkeiten vorträgt. Dies kann er in der Regel auch gar nicht, wenn er nicht in jeden potentiell unter den Geltungsbereich des VTV fallenden Betrieb einen Prüfer setzt, der die gesamte Tätigkeit ständig überwacht. Eine Partei, die - wie der Kläger in seiner Funktion als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien - keine näheren Einblicke in die dem Gegner bekannten Geschehensabläufe hat und deren Darlegung deswegen erschwert ist, kann auch von ihm nur vermutete Tatsachen behaupten und unter Beweis stellen. Unzulässig ist ein derartiges prozessuales Vorgehen erst dann, wenn die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhaltes willkürlich Behauptungen "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufstellt und sich deshalb rechtsmissbräuchlich verhält. Dies kann allerdings in der Regel nur bei Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte angenommen werden oder wenn die Partei selbst nicht an die Richtigkeit ihrer Behauptungen glaubt (BAG 14. März 2012 - 10 AZR 610/10 - AP Nr. 342 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau m.w.N.).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der klägerische Vortrag schlüssig. Es ist im Ergebnis zwischen den Parteien nicht streitig, dass die gewerblichen Mitarbeiter der Beklagten in jedem der streitgegenständlichen Kalenderjahren arbeitszeitlich überwiegend Ablagerungen (Schlacken) in Industrieöfen mittels einer Sauerstofflanze entfernt haben (Arbeitszeitanteil zwischen 25 und 45 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit), Schweißarbeiten an Industrieöfen zum Zwecke von deren Reparatur mit einem Arbeitszeitanteil zwischen 15 und 20 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit durchgeführt haben und mit einem Arbeitszeitanteil zwischen 15 und 20 % der Gesamtarbeitszeit Induktoren in Industrieöfen gewechselt haben. Allein auf diese drei Tätigkeiten entfielen nach Angaben der Beklagten, die sich der Kläger zu eigen gemacht hat, in den Kalenderjahren 2011 und 2012 zwischen 70 und 85 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit, in den Kalenderjahren 2013 bis 2015 zwischen 55 und 70 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit und im Kalenderjahr 2016 zwischen 60 und 75 %. Auch ist zwischen den Parteien unstreitig, dass diese Tätigkeiten erforderlich waren, um die Industrieöfen instandzuhalten bzw. wieder instandzusetzen.

b. Ob die von den Mitarbeitern der Beklagten überwiegend durchgeführten Arbeiten unter die Vorschrift von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 14 VTV zu subsumieren sind, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Zumindest fallen die Tätigkeiten unter § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV.

§ 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 14 VTV bestimmt, dass zu den in den Abschnitten I bis III genannten Betrieben solche gehören, die Feuerungsbau- und Ofenbauarbeiten ausführen. Der in der tariflichen Vorschrift verwendete Begriff der Ofenbauarbeiten ist im Tarifvertrag nicht bestimmt. Definieren die Tarifvertragsparteien einen Begriff nicht eigenständig, so ist hinsichtlich seiner Interpretation vom allgemeinen Sprachgebrauch auszugehen. Wird ein Fachbegriff verwendet, der in allgemeinen oder fachlichen Kreisen eine bestimmte Bedeutung hat, ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien mit diesem Begriff den allgemein üblichen Sinn verbinden wollten, wenn nicht sichere Anhaltspunkte für eine abweichende Auslegung gegeben sind, die aus dem Tarifwortlaut oder aus anderen aus dem Tarifvertrag selbst ersichtlichen Gründen erkennbar sein müssen (BAG 19. September 2018 - 10 AZR 496/17 - NZA 2018, 1555).

Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch sind Öfen Vorrichtungen zur kontrollierten Erzeugung von Wärme, die in verschiedenen Bauformen für verschiedene Anwendungen existieren. Der Begriff wird allgemein weit verwendet und umfasst einfach überkuppelte Feuerstellen zum Backen und Heizen ebenso wie große Hochöfen zum Erzeugen von Stahl. Öfen können aus Metall, feuerfesten keramischen Baustoffen, Stein und anderen Materialien gefertigt sein und dienen einer Feuerung in der durch Verbrennung von festen, flüssigen oder gasförmigen Brennstoffen oder durch elektrischen Strom Wärme erzeugt wird. (Quelle: Wikipedia, Stichwort Ofen).

Diesen Anforderungen werden die Öfen, an welchen die Mitarbeiter der Beklagten Arbeiten erbringen, in jeder Hinsicht gerecht. Sie bestehen ganz überwiegend aus Metall, ihre Feuerung wird mittels Induktion, also durch elektrischen Strom betrieben und sie dienen dem Erhitzen bzw. Schmelzen von Metallen.

Gleichzeitig stellen die hier gegenständlichen Öfen Bauwerke im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV dar, an denen die Beklagte Instandhaltung und Instandsetzungsarbeiten ausführt.

Der Anwendung von § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV steht nicht entgegen, dass es sich bei den Öfen zweifelsfrei auch um technische Anlagen handelt. Auch technische Anlagen sind nämlich Bauwerke, wenn es sich um mit dem Erdboden verbundene oder infolge ihrer eigenen Schwere auf ihm ruhende, aus Baustoffen oder Bauteilen mit baulichem Gerät hergestellte Anlagen handelt (BAG 18. März 2009 - 10 AZR 242/08 - AP Nr. 309 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).

Ob die Industrieöfen, an welchen die Mitarbeiter der Beklagten Arbeiten verrichten, fest mit dem Boden verbunden sind, kann offenbleiben. Zumindest ruhen sie aufgrund ihrer eigenen Schwere - die Beklagte gibt das Gewicht dieser Öfen mit einer Tonne bis 15 Tonnen an - auf diesem. Für die Beurteilung, ob eine technischer Anlage aufgrund ihrer eigenen Schwere auf dem Boden ruht und mithin ein Bauwerk sein kann, kommt der Frage ihrer Transportabilität keine abschließende Bedeutung zu, da annähernd jede Anlage - irgendwie - transportabel ist oder transportabel gemacht werden kann. Auch die Beklagte räumt ein, dass einige der Öfen, an welchen sie Tätigkeiten erbringt, in Teilen angeliefert werden. Im Übrigen zeigt sich sowohl aufgrund des Gewichts als auch aufgrund der Größe der Öfen, dass dem Kriterium der Transportabilität der Öfen vor dem Hintergrund der Verwendung von Gabelstapler und Autokran keine große Bedeutung beigemessen werden kann. Infolgedessen bleibt es im Grundsatz dabei, dass ein Ruhen auf dem Erdboden aufgrund der eigenen Schwere ausreichend ist. Ob dies auch bei solchen technischen Anlagen gilt, die ohne technische oder mechanische Unterstützung von Hand fortbewegt werden können, bedarf in Anbetracht der hier streitgegenständlichen Industrieöfen keiner Entscheidung.

Die Industrieöfen, an denen von den Mitarbeitern der Beklagten Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten durchgeführt wurden, sind auch aus Baustoffen des Baugewerbes und mit baulichem Gerät hergestellt. Dies gilt sowohl für die verbauten Metalle als auch die verwendeten Werkzeuge. Dass Metall nach Herkommen und Üblichkeit nicht nur im metallverarbeitenden Handwerk bzw. in der metallverarbeitenden Industrie verbaut wird, sondern auch zu den Materialien des Baugewerbes gehört, ist ebenso zweifelsfrei, wie der Umstand, dass Schweißgeräte, Schweißbrenner u.ä. auch Arbeitsgeräte des Baugewerbes sind. Nicht erforderlich ist nämlich, dass sich die Arbeitsgeräte und Arbeitsmaterialien ausschließlich dem Baugewerbe zuweisen lassen. Sie können auch in anderen Berufssparten verwendet werden, ohne dass dies Einfluss auf ihre Bewertung als Werkzeuge bzw. Materialien des Baugewerbes hat (für Werkzeuge etwa BAG 14. Januar 2014 - 10 AZR 182/03 - AP Nr. 263 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau, für Materialien etwa Hessisches Landesarbeitsgericht 08. Januar 2001 - 16 Sa 80/00 - NZA-RR 2001, 429).

Ungeachtet des Umstands, dass die Industrieöfen, an welchen die Mitarbeiter der Beklagten Instandsetzungs- und Instandhaltungsarbeiten durchgeführt haben, nach hier vertretener Auffassung mithin selbst Bauwerke im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV sind, so sind sie auch für das übergeordnete Bauwerk, in dem sie aufgestellt sind, prägend. Die Beklagte hat vorgetragen, dass über den Industrieöfen Absauganlagen angebracht seien. Auch hat sie dargelegt, dass um die Öfen herum (teilweise) Metallwände aufgestellt seien. Infolgedessen ist die Halle bzw. der Raum, in dem sich die Öfen befinden, in einer Weise ausgestattet, dass der sichere Betrieb der Öfen gewährleistet ist. Es existieren technische und bauliche Einrichtungen in dem Gebäude oder in dem Raum, welche erst den Betrieb der Öfen ermöglichen. Im Falle der Entfernung der Öfen bedarf es eines Rückbaus des Gebäudes bzw. der Anpassung des Gebäudes an den künftigen Nutzungszweck. Dass es eines Rückbaus nicht bedarf, etwa weil die aufgestellten Metallwände schlicht weggehoben werden können oder die Absaugeinrichtungen direkt auf den Öfen montiert sind, ist nicht dargelegt.

3. Die geltend gemachten Beitragsansprüche des Klägers stehen ihm auch der Höhe nach zu.

a. Der Kläger ist grundsätzlich berechtigt, sich im Wege einer Mindestbeitragsklage auf die von dem Statistischen Bundesamt im Baugewerbe ermittelten Durchschnittslöhne zu stützen. Will der Bauarbeitgeber dem entgegentreten, so muss er seinerseits konkreten Vortrag zu den in seinem Betrieb angefallenen Bruttolohnsummen halten (BAG 13. November 2013 - 10 AZR 842/12 - EzA Nr. 143 zu § 4 TVG Bauindustrie).

Da die Beklagte die konkret in den streitgegenständlichen Kalenderjahren gezahlten Löhne nicht benannt hat, bestehen hinsichtlich der Mindestbeitragsklage keine Bedenken. Die Höhe der Durchschnittslöhne bzw. der sich hieraus ergebenden Beiträge ist nicht bestritten worden.

b. Auch rechnerisch ist die Klageforderung schlüssig. Ausgehend von den von der Beklagten mitgeteilten Beschäftigtenzahlen, den tarifvertraglichen Beitragssätzen und dem angenommenen Durchschnittslohn in der Bauwirtschaft errechnet sich hinsichtlich der gewerblichen Arbeitnehmer eine Beitragsschuld i.H.v. 163.768,- EUR. Hinsichtlich des/der Angestellten ergibt sich auf Grundlage der tarifvertraglich geschuldeten Monatsbeiträge i.H.v. 67,- EUR bzw. 76,- EUR eine Beitragsschuld i.H.v. 1.783,- EUR. Dem substantiiert vorgetragen Zinsanspruch des Klägers betreffend die Monate Januar 2013 bis April 2015 bezogen auf ein Zinszeitraum von März 2015 bis Juni 2015 ist die Beklagte weder der Höhe, noch dem Grunde nach entgegengetreten. Er ist mithin i.H.v. 3.623,04 EUR unstreitig.

c. Schließlich sind auch die Ansprüche des Klägers für Dezember 2011 und das Kalenderjahr 2012 entgegen der erstinstanzlich von der Beklagten geäußerten Ansicht nicht verjährt. Die Ansprüche hinsichtlich der gewerblichen Arbeitnehmer und der/des Angestellten für Dezember 2011 sind am 15. Januar 2012 fällig geworden. Infolge des Verweises in § 24 Abs. 1 des VTV vom 18. Dezember 2009 kommt § 199 BGB zur Anwendung, mit der Folge, dass die Verjährungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahrs 2012 beginnt. Auch hinsichtlich der Beitragsansprüche für die Monate Januar 2012 bis November 2012 beginnt die Verjährungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres 2012. Unter Berücksichtigung der 4-jährigen Verjährungsfrist nach § 24 Abs. 1 des VTV vom 18. Dezember 2009, tritt Verjährung mit Ablauf des Kalenderjahrs 2016 ein. Da jedoch die Klageerweiterung, welche die Beitragsansprüche für den Kalendermonat Dezember 2011 und für das Kalenderjahr 2012 enthält, am 05. Dezember 2016 dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten zugestellt worden ist, ist die Hemmung der Verjährung nach § 204 Nr. 1 BGB eingetreten.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 Satz 2, 344 ZPO.

IV. Die Zulassung der Revision ist veranlasst, da die Frage, ob Industrieöfen der hier streitgegenständlichen Art Bauwerke im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV sind, nicht abschließend geklärt ist und die erkennenden Kammer möglicherweise von der Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 20. Juni 1988 - 14 Sa 1507/87 - abweicht.