OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 29.01.2019 - 16 W 4/19
Fundstelle
openJur 2019, 29562
  • Rkr:

Das Unterlassungsgebot hinsichtlich einer Bildberichterstattung ist auch verletzt, wenn in der Folgeberichterstattung das gesamte Foto (Totale) veröffentlich wird, von welchem in der ursprünglichen Bildberichterstattung, die Gegenstand des Unterlassungsgebots war, lediglich ein Teilausschnitt gezeigt wurde.

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 9.11.2018 - Az. 2-03 0 292/17 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf € 50.000,-- festgesetzt.

Gründe

Die gemäß §§ 793 Abs. 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes ist nicht begründet.

Die Schuldnerin hat mit der Veröffentlichung des Bildnisses Nr. 3 in der Folgeberichterstattung gegen die einstweilige Verfügung vom 8.8.2017, bestätigt durch Urteil vom 14.12.2017, verstoßen.

1. Ob ein Schuldner gegen ein gerichtliches Unterlassungsgebot verstoßen hat, bestimmt sich nach dem Inhalt des Verbotstenors. Gegenstand der einstweiligen Verfügung vom 8.8.2017 ist (ausschließlich) das Verbot, "die Gläubigerin im Zusammenhang mit der Suche nach den G20-Verbrechern durch Bekanntgabe ihres nachfolgend wiedergegebenen Bildnisses erkennbar zu machen und/oder machen zu lassen,

(Von der Darstellung wird abgesehen - die Red.)

a. Die von der Gläubigerin zum Gegenstand ihres Bestrafungsantrags gemachte Bildberichterstattung der Schuldnerin vom 12.1.2018 "A zeigt die Fotos trotzdem - Gericht verbietet Bilder von G20-Plünderin" (vgl. Anlage G 3) ist in Bezug auf das dort abgedruckte Bildnis Nr. 3 von dem Verbotsumfang umfasst. Deshalb ist das von dem Landgericht festgesetzte Ordnungsgeld verwirkt.

b. Zu Recht rügt die Berufung allerdings, dass das in der Folgeberichterstattung verwendete Bild Nr. 2, in dessen Veröffentlichung das Landgericht einen Verstoß gegen das Unterlassungsgebot in der Beschlussverfügung vom 8.8.2017 gesehen hat, nicht mit den Fotos übereinstimmt, die im Ausgangsbericht abgedruckt sind, und das Landgericht die streitgegenständliche Bildberichterstattung an den Kriterien der sog. "Kerntheorie" misst.

aa. Wie das Landgericht in dem angefochtenen Beschluss ausdrücklich festgestellt hat, sind die in der Folgeberichterstattung verwendeten Bildnisse Nr. 1, 2 und 4 nicht mit den beiden Bildnissen des Artikels identisch, auf die sich das Unterlassungsgebot der Beschlussverfügung bezieht.

bb. Das Landgericht wirft der Schuldnerin vielmehr einen Verstoß gegen den "Kern" der einstweiligen Verfügung dadurch vor, dass die in dem nunmehr streitgegenständlichen Beitrag (Anm.: gemeint ist offensichtlich die in dem Ausgangsbeitrag) enthaltenen Mitteilungen sinngemäß ganz oder teilweise Gegenstand der erneuten Berichterstattung gewesen und mit einem Bildnis erfolgt seien, das in seinem wesentlichen Kern, also seiner Aussage und dem Kontext des vorausgegangenen Bildnisses mit dem dem Verbot zugrundeliegenden Bildnis identisch sei.

Zu Recht rügt die Beschwerde, dass diese Rechtsauffassung nicht im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung steht. Wie der Bundesgerichtshof wiederholt entschieden hat, lassen sich die im Wettbewerbsrecht zur sog. "Kerntheorie" entwickelten Grundsätze, wonach die Rechtskraftwirkung solche Abweichungen ergreift, die den Kern der Verletzungsform unberührt lassen, auf das Recht der Bildberichterstattung nicht übertragen [vgl. Urt. V. 13.11.2007 - VI ZR 265/06 und IV ZR 269/06 Rn. 11; Uri. V. 1.7.2008 - VI ZR 243/06 - Rn. 7; Urt. V. 6.10.2009 - VI ZR 314/08 und IV ZR 315/08 - Rn. 7]. Demnach ist der Verbotsumfang auf die im Beschluss bzw. Urteil beschriebene sog. Konkrete Verletzungsform begrenzt; nicht umfasst sind über die konkrete Verletzungsform hinaus ähnliche oder im Kern gleichartige Bilder der Gläubigerin.

(1) Dass das Bild Nr. 2 in der Folgeberichterstattung vom 12.1.2017 nach Auffassung des Landgerichts einen "kerngleichen" Verstoß zu dem Bildnis in der ursprünglichen Berichterstattung vom 10.7.2018 darstellen mag, weil dieses aus derselben Fotoserie von dem entsprechenden Ereignis - (...) im Rahmen der Krawalle anlässlich des G20-Gipfels Anfang Juli 2017 in Hamburg stammt und damit bei lebensnaher Betrachtung nicht mit einer nennenswerten inhaltlichen Veränderung des ursprünglichen Bildnisses verbunden sei, ist rechtlich ohne Relevanz.

(2) Nichts anderes folgt aus den von dem Landgericht in Bezug genommenen Ausführungen in der Entscheidung des BGH [Urt. v. 23.6.2009 - VI ZR 232/08 - Rn. 11]. VVie die Beschwerde zutreffend ausführt, gelten diese nur für den Fall, dass das beanstandete, also das konkrete Bildnis im Zusammenhang mit einer weiteren Berichterstattung erneut veröffentlich wird.

cc. Schließlich ist der Beschwerde zuzugeben, dass auch der von dem Landgericht hervorgehobenen Formulierung der Schuldnerin in ihrer Berichterstattung, "DIESE" Bilder bzw. diejenigen Bilder, die ihr nach dem Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main verboten worden seien, "dennoch" zu zeigen, keine rechtliche Bedeutung zukommt. Für die Frage, ob die Bilder der beiden Berichte identisch sind, kommt es nicht auf einen etwaig gegenüber dem Durchschnittsrezipienten erzeugten Eindruck an, wie das Landgericht meint; diese beurteilt sich vielmehr allein nach den Tatsachen.

2. Allerdings handelt es sich bei dem Bild Nr. 3 des Folgeberichts um die gleiche Bildveröffentlichung wie in dem vergrößerten Bildausschnitt des Ausgangsberichts. Auch die Schuldnerin stellt nicht in Abrede, dass sie hier das gleiche Bild verwendet hat. Der Umstand, dass der in dem Ausgangsbericht gezeigte

Teilausschnitt des Fotos den Fokus auf dem Bereich von Kopf und Oberkörper der Gläubigerin legt, der auf dem Foto herangezoomt und vergrößert dargestellt wurde, während die Schuldnerin nunmehr das komplette Foto abgedruckt hat, ändert nichts an der Identität der beiden Fotos. Entgegen der Ansicht der Schuldnerin unterscheiden sich die beiden Fotos auch nicht in ihrem Aussagegehalt, mögen auch auf den Bild Nr. 3 weitere Einzelheiten erkennbar sein. Denn diese geben dem Rezipienten keine Informationen in Bezug auf die Gläubigerin, die über die Bildausschnitt und der Unterschrift in dem Ausgangsbeitrag hinausgehen. Vielmehr soll das Foto in beiden Berichterstattungen der Schuldnerin erkennbar als Beleg für ihre Behauptung dienen, dass die Gläubigerin an (...) anlässlich des G20-Gipfels in Hamburg beteiligt war.

3. Die Höhe des von dem Landgericht festgesetzten Ordnungsgeldes steht nicht außer Verhältnis zur Bedeutung des Verstoßes. Insoweit war insbesondere dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Schuldnerin hier bewusst und gewollt versucht hat, die gerichtliche Entscheidung des Landgerichts zu umgehen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 891 Satz 3 ZPO.

Der Streitwert bemisst sich nach der Höhe des gegen die Schuldnerin festgesetzten Ordnungsgelds [OLG Celle Beschl. v. 4.4.2014 - 4 W 55/14 Rn. 10 m.w.N.J.

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