OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 03.01.2019 - 5 WF 133/18
Fundstelle
openJur 2019, 29542
  • Rkr:
Tenor

Der Beschluss vom 14.02.2018 in der Fassung des Teilabhilfebeschlusses vom 29.05.2018 wird dahingehend abgeändert, dass die angeordnete Ratenzahlung entfällt.

Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei; eine Erstattung von Kosten der Beteiligten erfolgt nicht.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 18.08.2016 Scheidungsantrag eingereicht und Verfahrenskostenhilfe beantragt. Mit Beschluss vom 14.02.2018 wurde der Antragstellerin vom Familiengericht Verfahrenskostenhilfe für das Scheidungsverfahren und die Folgesache "Versorgungsausgleich" bewilligt und angeordnet, dass die Antragstellerin auf die Verfahrenskosten monatliche Raten in Höhe von 437 € zu zahlen habe. Ferner wurde ihr antragsgemäß Rechtsanwalt B beigeordnet.

Am 12.03.2018 fand beim Familiengericht die mündliche Verhandlung über den Scheidungsantrag statt. Die Ehe wurde mit Beschluss vom gleichen Tage geschieden und der Versorgungsausgleich wurde durchgeführt.

Mit Schreiben vom 21.03.2018, das am gleichen Tag beim Familiengericht einging, hat die Antragstellerin "Einspruch" gegen die Ratenzahlungsanordnung eingelegt und mitgeteilt, dass sie Privatinsolvenz angemeldet habe und zur Zahlung der festgesetzten Raten nicht in der Lage sei.

Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 13.04.2018 wurde über das Vermögen der Antragstellerin das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt A als Insolvenzverwalter bestellt. Dieser teilte mit Schreiben vom 24.04.2018, das an die Gerichtskasse gerichtet war, die Insolvenzeröffnung mit.

Mit Beschluss vom 29.05.2018 hat das Familiengericht der Beschwerde der Antragstellerin gegen die Ratenzahlungsanordnung teilweise abgeholfen und die Ratenhöhe auf 342 € ermäßigt. Wegen der darüber hinausgehenden Beschwerde wurden die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Vom Beschwerdegericht wurde darauf hingewiesen, dass wegen der Eröffnung der Privatinsolvenz zu einem Zeitpunkt, als im vorliegenden Verfahren bereits alle Kosten entstanden waren, Bedenken gegen eine Zahlungsanordnung bestehen. Der Bezirksrevisor hat sich dieser Auffassung angeschlossen.

Der Senat entscheidet über die Beschwerde in der nach dem GVG vorgesehenen Besetzung, da die Sache grundsätzliche Bedeutung hat und deshalb vom Einzelrichter dem Senat übertragen wurde.

II.

Der "Einspruch" der Antragstellerin ist als sofortige Beschwerde i.S.v. § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 127 Abs. 2 ZPO zu behandeln. Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Der Beschluss v. 14.02.2018 wurde dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin am 07.03.2018 zugestellt, so dass die Monatsfrist des § 127 Abs. 2 S. 3 ZPO gewahrt ist.

Die sofortige Beschwerde führt zur Aufhebung der Ratenzahlungsanordnung.

Die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Scheidungsverfahren unterliegt gem. § 113 Abs. 1 FamFG den Bestimmungen der Zivilprozessordnung. Gemäß § 120 Abs. 1 ZPO setzt das Gericht mit der Bewilligung der Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe die zu zahlenden Monatsraten fest. Da gegen diese Festsetzung Beschwerde eingelegt wurde, sind die im Beschwerdeverfahren eingetretenen Änderungen in den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Antragstellerin zu berücksichtigen, mithin auch die etwa zwei Monate nach dem Erlass des angefochtenen Beschlusses erfolgte Eröffnung der Privatinsolvenz über das Vermögen der Antragstellerin.

Die Rechtsprechung dazu, wie es sich auswirkt, wenn über das Vermögen des Beteiligten, um dessen Verfahrenskostenhilfe es geht, die Privatinsolvenz eröffnet wird, ist uneinheitlich.

Teilweise wird vertreten, dies stehe einer Ratenzahlungsanordnung nicht entgegen (vgl. z.B. LArbG Köln v. 07.10.2015 - 1 Ta 231/15 - zitiert nach juris; LSG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 18.02.2013 - L 7 R 144/10 - zitiert nach juris; OLG Koblenz v. 06.04.2010 - 9 WF 159/10, FamRZ 2010, 1360). Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass das unterhalb der Pfändungsfreigrenze liegende Einkommen nicht der Zwangsvollstreckung unterliegt und daher nicht zur Insolvenzmasse gehört, weshalb insoweit kein Verfügungsverbot des Insolvenzschuldners besteht (so auch LArbG Rheinland- Pfalz v. 27.04.2016 - 7 Ta 53/16, NZI 2016, 587, zitiert nach juris; OLG Zweibrücken v. 04.10.2005 - 6 UF 87/05, FamRZ 2006, 436).

Nach anderer Ansicht kann die Staatskasse nach Eröffnung des Insolvenzverfahren die Gerichtskosten und verauslagten Rechtsanwaltsgebühren nicht mehr durch die Anordnung einer Ratenzahlung geltend machen, sondern sie hat die Forderung zur Tabelle anzumelden (LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 05.01.2011 - 10 Ta 266/10 - zitiert nach juris; LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 19.12.2011 - 10 Ta 271/11, zitiert nach juris; OLG Bamberg v. 24.11.2003 - 2 WF 163/03, FamRZ 2005, 1187). Soweit die Kosten bei Insolvenzeröffnung bereits entstanden waren, kommt nach dieser Ansicht eine Ratenzahlungsanordnung nicht mehr in Betracht (vgl. auch OLG Frankfurt, Beschl. v. 10.08.2018 - 6 WF 158/18, veröffentlicht unter www.hefam.de).

Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an.

Die Staatskasse ist Insolvenzgläubigerin i.S.v. § 38 InsO, da sie zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen die Antragstellerin und Insolvenzschuldnerin einen Vermögensanspruch in Form der entstandenen Verfahrenskosten und des auf sie übergegangenen Vergütungsanspruchs des beigeordneten Anwalts hatte. Dieser Anspruch der Staatskasse war hier bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens in vollem Umfang entstanden. Das erstinstanzliche Verfahren war bei Insolvenzeröffnung bereits beendet, mithin alle Gebührentatbestände bereits verwirklicht.

Es ist insolvenzrechtlich unerheblich, dass diese Kosten durch die VKH-Bewilligung gestundet waren, weil die Staatskasse diese Kosten gem. § 122 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nur insoweit gelten machen bzw. einziehen kann, als eine gerichtliche Anordnung über Ratenzahlung oder über aus dem Vermögen zu zahlende Beträge erfolgt ist. Denn gemäß § 41 InsO gelten auch gestundete Forderungen im Insolvenzverfahren als fällig. Der Gläubiger einer gestundeten Forderung muss sie daher zur Tabelle auch dann anmelden, wenn er sie aus Rechtsgründen derzeit noch gar nicht anderweitig durchsetzen kann.

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewirkt gem. § 87 InsO, dass Insolvenzgläubiger ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen können.

Dies gilt auch für die Staatskasse, soweit es um die hier betroffene Forderung geht. Es gibt keine gesetzliche Regelung, die Forderungen des Staates im Insolvenzverfahren generell privilegiert. Die Insolvenzordnung enthält eine gesonderte Regelung hinsichtlich der Forderung aus einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe nur, soweit es um die Verfahrenskostenhilfe für das Insolvenzverfahren selbst geht (§§ 4a - 4c InsO). Diese gestundeten Verfahrenskosten sind von der Wirkung der Restschuldbefreiung ausgenommen. Dies gilt auch für ein zinsloses Darlehen, wenn es zur Begleichung der Kosten des Insolvenzverfahrens diente (§ 302 Nr. 3 InsO). Ansonsten ist der Staat jedoch nur dann Absonderungsberechtigter, wenn es um Zölle und Steuern geht (§ 51 Nr. 4 InsO).

Die Zulässigkeit einer Ratenzahlungsanordnung kann nicht damit begründet werden, dass die Raten nur aus dem pfändungsfreien Einkommen zu bemessen sind. Es trifft zwar zu, dass gem. § 36 InsO das pfändungsfreie Vermögen nicht vom Insolvenzbeschlag erfasst wird. Der Insolvenzschuldner ist daher nicht gehindert, aus diesem Vermögen von sich aus Verfügungen zu treffen. Dies besagt aber nicht, dass ein Insolvenzgläubiger auf dieses unpfändbare Einkommen zugreifen könnte. Denn gemäß § 89 Abs. 1 InsO sind während der Dauer des Insolvenzverfahrens Vollstreckungen der Insolvenzgläubiger weder in die Insolvenzmasse noch in das sonstige Vermögen des Schuldners zulässig. Der Schuldner kann daher zwar aus seinem pfändungsfreien Einkommen Verfügungen treffen; das Vollstreckungsverbot verbietet es aber, dass solche Verfügungen zwangsweise - also etwa durch eine Ratenzahlungsanordnung - durchgesetzt werden. Dies würde zu einer Privilegierung der Staatskasse als Insolvenzgläubigerin führen. Solchen Privilegierungen will die Insolvenzordnung aber - von gesetzlich geregelten Ausnahmefällen abgesehen - gerade verhindern. Der Rechtsgedanke der Regelungen des § 89 Abs. 1 InsO verbietet es, außerhalb des Insolvenzverfahrens Zahlungsverpflichtungen des Insolvenzschuldners auf eine dem Insolvenzverfahren unterliegende Forderung zugunsten eines Insolvenzgläubigers zu begründen. Aus diesem Grund wurde aus Gründen der Verteilungsgerechtigkeit mit dem Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte die Regelung des § 114 InsO aufgehoben, nach deren Absatz 2 des Insolvenzgläubigern möglich war, ihre Forderung zur Aufrechnung zu stellen, oder etwa einem Sozialhilfeträger möglich war, trotz Insolvenzeröffnung seine Forderungen durch einen Einbehalt von Leistungen bzw. eine Abzweigung durchzusetzen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 127 Abs. 4 ZPO.

Wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung wird die Rechtsbeschwerde zugelassen.