ArbG Siegburg, Urteil vom 17.05.2018 - 5 Ca 2430/17
Fundstelle
openJur 2019, 29957
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • nachfolgend: Az. 7 Sa 540/18
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 18.202,58 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Zahlung einer Abfindung aus dem Sozialplan vom 13.06.2017.

Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 01.10.2010 auf Grund des zwischen den Parteien vereinbarten Arbeitsvertrags vom 27.05.2010 als Kinderkrankenschwester beschäftigt. Wegen des Inhalts des Arbeitsvertrags wird auf Bl. 15-23 d. A. Bezug genommen.

Im Rahmen einer Betriebsversammlung am 30.11.2016 wurden die Arbeitnehmerinnen der Beklagten darüber unterrichtet, dass die Beklagte beabsichtigte, die Abteilung Geburtshilfe zu schließen. Ein konkreter Schließungstermin wurde zunächst nicht genannt, jedoch für den Lauf des 1. Quartals 2017 in Aussicht gestellt.

Zu einem persönlichen Gespräch bezüglich der Weiterbeschäftigung der Klägerin im Betrieb der Beklagten kam es bis zur tatsächlichen Schließung der Abteilung Geburtshilfe nicht. Die Schließung der Abteilung Geburtshilfe erfolgte seitens der Beklagten am 13.02.2017.

Mit Schreiben vom 29.12.2016 sprach die Klägerin gegenüber der Beklagten eine ordentliche Kündigung zum 31.03.2017 aus.

Unter dem 13.06.2017 schlossen die Beklagte und deren Betriebsrat bezüglich der Schließung der Abteilung Geburtshilfe und deren Auswirkungen auf die Beschäftigten einen Interessenausgleich und einen Sozialplan. Wegen des Inhalts des Interessenausgleichs wird auf Bl. 67-71 d. A. Bezug genommen und wegen des Inhalts des Sozialplans auf Bl. 72-76 d. A..

Die Klägerin ist der Ansicht, dass ihr entsprechend § 2 Abs. 1 des Sozialplans eine Abfindung gegen die Beklagte in Höhe von 17.896,35 Euro brutto zustehe. Dies, da ihre Eigenkündigung erkennbar aus betriebsbedingten Gründen im S. d. § 2 Abs. 1 des Sozialplans erfolgt sei. Sie ist zudem der Ansicht, dass ihr der Anspruch zustehe, da sie mit der Kündigung hätte rechnen müssen, wenn sie einer Versetzung widersprochen hätte.

Zudem stütze sie ihren Zahlungsanspruch auf den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz. Frau O, Frau H2, Frau C2 und Frau T2 hätten seitens der Beklagten eine Abfindungszahlung erhalten. Die Ungleichbehandlung sei nicht gerechtfertigt.

Gem. § 4 Abs. 3 des Sozialplans stehe ihr eine Jahressonderzahlung in Höhe von 306,23 € zu. Zudem stünden ihr gemäß § 288 Abs. 5 BGB gegen die Beklagte insgesamt 80,00 Euro zu.

Unter Zurücknahme des ursprünglich angekündigten Klageantrags zu 2) beantragt die Klägerin nunmehr,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 18.202,58 Euro nebst Zinsen in Höhe von jeweils 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz - seit dem 2.4.2017 aus 306,23 €

- vom 2.4.2017 bis zum 26.4.2017 aus 306,23 €; und

- seit dem 1.8.2017 aus 17.896,35 €

- sowie Verzugspauschalen von 80,00 €

zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche nicht zu stehen. Die anspruchsbegründenden Voraussetzungen seien nicht gegeben. Bereits aus dem Interessenausgleich, namentlich aus § 3 Abs. 1 lit. a, sei erkennbar, dass die bei der Beklagten eingesetzten Mitarbeiter des Pflegedienstes, die zum Zeitpunkt der Schließung in der Geburtshilfe eingesetzt waren, keine Kündigung erhalten werden, sondern einen anderen Arbeitsplatz in der Pflege bei der Beklagten erhalten werden. Die Eigenkündigung der Klägerin sei nicht durch die Schließungspläne der Beklagten bezüglich der Abteilung Geburtshilfe veranlasst worden. Das Bundesarbeitsgericht sehe die Veranlassung zu einer Eigenkündigung im Hinblick auf eine konkret geplante Betriebsänderung nur dann als gegeben an, wenn der Arbeitnehmer mit seiner Eigenkündigung der arbeitgeberseitigen Kündigung zuvorkomme. Zudem müsse das Verhalten des Arbeitgebers bei dem Arbeitnehmer eine entsprechende Annahme rechtfertigen. Hieran fehle es, wenn ein Arbeitnehmer eine vom Arbeitgeber geplante Betriebsänderung, deren Auswirkungen auf seinen Arbeitsplatz noch völlig ungewiss sind, zum Anlass nimmt, selbst zu kündigen. Zu keinem Zeitpunkt habe die Klägerin davon ausgehen müssen, dass ihr Arbeitsverhältnis mit der Beklagten in absehbarer Zeit und schon gar nicht durch die geplante Schließung der Geburtshilfe beendet werde. Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels im pflegerischen Bereich habe die Beklagte ihren Beschäftigten mehrfach und auf unterschiedlichen Wegen darüber informiert, dass sie keinen Verlust ihres Arbeitsplatzes zu befürchten haben. Die Klägerin habe dennoch ihre Eigenkündigung ausgesprochen, bevor das zur Durchführung der Maßnahme zwingend erforderliche Mitbestimmungsverfahren abgeschlossen gewesen sei und etwaige Auswirkungen auf ihren Arbeitsplatz bekannt waren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst den dazugehörigen Anlagen und auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist insgesamt zulässig und unbegründet.

I. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Zahlung einer Abfindung in Höhe von 17.896,35 Euro brutto zu.

1. Der Klägerin steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht aus § 2 Abs. 1 des Sozialplans vom 13.06.2017 zu. Die seitens der Klägerin ausgesprochene Kündigung beruht nicht auf Grund der am 30.11.2016 angekündigten Maßnahme. Insoweit ist für die Beurteilung, ob die Eigenkündigung der Klägerin auf der angekündigten Maßnahme beruht, nicht auf das subjektive Empfinden der Klägerin sondern auf das objektive Kriterium des Betroffenseins von der Schließung der Abteilung Geburtshilfe abzustellen. Dass die Klägerin von der Schließung der Abteilung Geburtshilfe nicht betroffen war, ergibt sich daraus, dass im Interessenausgleich vom 13.06.2017 unter § 3 Abs. 1 lit. a geregelt ist, dass alle Arbeitnehmer im Pflegedienst einen anderen Arbeitsplatz in der Pflege bei der Arbeitgeberin am Standort T-Stadt erhalten. Die Klägerin war als Kinderkrankenschwester bei der Beklagten und damit im Pflegedienst beschäftigt. Von der Schließung der Geburtshilfe war daher nicht der Bestand ihres Arbeitsverhältnisses betroffen. Dass der Betriebsrat und die Beklagte keine Sozialplanabfindungen an Mitarbeiter auszahlen wollten, die ohne die Gefahr des Verlusts ihres Arbeitsplatzes wegen der Schließung der Abteilung Geburtshilfe aus dem Arbeitsverhältnis zu der Beklagten ausschieden, zeigt sich auch an der in § 2 Abs. 3 des Sozialplans getroffenen Regelung. Diese besagt, dass keinen Anspruch auf Leistungen aus diesem Sozialplan Beschäftigte haben, denen eine Forstsetzung ihres Arbeitsverhältnisses innerhalb der B GmbH (auf einer anderen Station oder Abteilung) zu unveränderten Bedingungen angeboten wird und die dieses Angebot ablehnen.

2. Der Anspruch auf Zahlung der Abfindung nach dem Sozialplan ergibt sich auch nicht daraus, dass sie mit einer Kündigung in dem Falle der Ablehnung einer Weiterbeschäftigung hätte rechnen müssen. Die Klägerin war als Kinderkrankenschwester bei der Beklagten gemäß des Arbeitsvertrags vom 27.05.2010 beschäftigt. Der Arbeitsvertrag sieht in § 1 Abs. 5 eine Versetzungsregelung vor. Die Klägerin hätte daher in einem solchen Fall lediglich mit einer Versetzung rechnen müssen. Dass die Beklagte bei Ablehnung eines Weiterbeschäftigungsangebots durch eine versetzbare Arbeitnehmerin gerade keine Abfindung schuldet, hat sie in § 2 Abs. 3 des Sozialplans ausdrücklich geregelt.

3. Der Anspruch auf Zahlung der streitgegenständlichen Abfindung lässt sich auch nicht aus dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz herleiten. Insoweit schließt sich die erkennende Kammer der Entscheidung im Parallelverfahren vor der 1. Kammer (1 Ca 2364/17) an.

Der auf den allgemein Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG zurückzuführende betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Maßgeblich für das Vorliegen eines die Bildung unterschiedlicher Gruppe rechtfertigenden Sachgrundes, ist vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck (vgl. BAG vom 14.12.2010 - 1 AZR 279/09, NZA-RR 2011, 182 ff.).

Der mit einer Sozialplanabfindung verfolgte Zweck besteht in dem Ausgleich oder der Minderung der wirtschaftlichen Nachteile, die Arbeitnehmern im Folge einer Betriebsänderung entstehen (§ 111 Abs. 1 S. 2 BetrVG). Gemessen an diesem Zweck ist es nicht gleichheitswidrig, den Arbeitnehmern, die sich zur Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses entschließen, obwohl der Arbeitgeber sie im Wege des Direktionsrechts in einen anderen Bereich versetzen/umsetzen könnte und die ein Angebot auf Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen ablehnen, von einer Sozialplanabfindung auszuschließen. Entsprechendes gilt für solche Arbeitnehmer, die die Abgabe eines entsprechenden Angebots dadurch vereiteln, dass sie vor Abschluss des Interessenausgleichs und Sozialplans, mithin vor Beendigung des betriebsverfassungsrechtlichen Beteiligungsverfahrens, ihr Arbeitsverhältnis selbst kündigen. Diese Arbeitnehmer können nicht besser gestellt werden, als diejenigen, die auf den Abschluss des Interessenausgleichs und Sozialplans warten, um zu sehen, ob ihr Arbeitsverhältnis von der Betriebsänderung überhaupt betroffen ist oder nicht. Die Klägerin ist Kinderkrankenschwester und kann als solche ohne weiteres bei der Beklagten weiter beschäftigt werden. Hebammen können ihre eigentliche Berufstätigkeit bei der Beklagten nach der Schließung der Abteilung Geburtshilfe hingegen nicht mehr ausüben.

Der Anspruch auf Zahlung der begehrten Abfindung kann auch nicht auf Grund des Vortrags der Klägerin zu den Abfindungszahlungen an die Damen O, C2, H2 und T2 unter Bezugnahme auf den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz angenommen werden. Die Damen O, C2, H2 und T2 waren alle als Hebammen bei der Beklagten beschäftigt und sind daher mit der Klägerin nicht vergleichbar. Diese waren entsprechend den Ausführungen im Interessenausgleich unter § 3 Abs. 1 c) von der streitgegenständlichen Maßnahme betroffen, sodass diesen auch einen Anspruch auf eine Abfindung entsprechend des Sozialplans gem. § 2 im Gegensatz zur Klägerin zustand. Insoweit ist nicht die vergangene Beschäftigung der Hebammen maßgeblich, sondern die in der Zukunft bestehende Möglichkeit der Beschäftigung. Dass Hebammen auf Grund einer anderen Ausbildung nicht genauso eingesetzt werden können, wie Krankenschwestern, ist selbstverständlich. Es verstößt daher nicht gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn die Beklagte sich dazu entschloss, die Arbeitsverhältnisse mit den Hebammen auf Grund der Schließung der Abteilung Geburtshilfe zu beenden.

II. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Zahlung einer Jahressonderzahlung gem. § 4 Abs. 3 des Sozialplans zu. Wie sich aus § 1 Abs. 2 des Sozialplans ergibt, dient der Sozialplan zum Ausgleich und zur Milderung der Nachteile für die Beschäftigten, die sich aus den vorgenannten Maßnahmen ergeben können. Die Klägerin ist wie bereits festgestellt nicht auf Grund der Schließung der Abteilung Geburtshilfe und damit der benannten Maßnahme des Sozialplans, sondern auf Grund ihrer Eigenkündigung aus dem Beschäftigungsverhältnis mit der Beklagten ausgeschieden. Mithin steht ihr ein Zahlungsanspruch gem. § 4 Abs. 3 des Sozialplans nicht zu.

III. Ein Anspruch gem. § 288 Abs. 5 BGB steht der Klägerin ebenfalls nicht zu, da die Beklagte ihr nach den zuvor getroffenen Feststellungen weder eine Abfindung noch eine Jahressonderzahlung aus dem Sozialplan schuldet. Entsprechendes gilt für die von der Klägerin begehrten Zinszahlungen.

IV. Die Berufung war nicht gesondert zu zulassen. Zulassungsgründe nach § 64 Abs. 3 ArbGG sind nicht gegeben.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG i. V. m. §§ 91 Abs. 1 S. 1, 269 Abs. 3 Satz 2 1. Alt ZPO. Als unterlegene Partei trägt die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits.

V. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG, 3, 5 ZPO.