LG Köln, Urteil vom 03.02.2017 - 7 O 457/15
Fundstelle
openJur 2019, 29314
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Beklagte zu 2) jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung des Beklagten zu 1) durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zu 1) vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Die Mitglieder der klagenden Erbbauberechtigtengemeinschaft sind Inhaber von Wohnungserbbaurechten an der Wohnanlage L-Straße 8/10, 10785 Berlin. Die W GmbH & Co. KG, Köln (im Folgenden: Schuldnerin) hatte sich als Bauträgerin zur Kernsanierung und Veräußerung der gebildeten Wohnungserbbaurechte verpflichtet. Zur Bereinigung von Differenzen über Mängel am Gemeinschaftseigentum unterbreitete die Klägerin einen durch ihren anwaltlichen Bevollmächtigten ausgearbeiteten Vergleichsvorschlag (Anlage K 5a, Bl. 47 ff. d. A.), den die Schulderin am 15.08.2012 annahm. Neben diversen anderen - hier nicht verfahrensgegenständlichen - Positionen enthielt der Vergleich unter Ziffer II. 1. die folgende Regelung:

"Bezüglich der straßenseitig gelegenen Außenfenster erklärt die W GmbH & Co. KG, derzeit ein gerichtliches Beweissicherungsverfahren gegen den Fensterbauer, die Firma [Anm.: Auslassung im Original] zu betreiben. Gegenstand dieses Beweissicherungsverfahrens ist die Frage, ob die Firma Tischlerei E GmbH, T-Straße, 12587 Berlin die Überarbeitung der Fenster mangelhaft ausgeführt hat bzw. ob die Leistung als vertragsgemäß anzusehen ist. Die W GmbH & Co. KG erklärt, dass die vertraglichen Vorgaben in ihrem Rechtsverhältnis zur Tischlerei E insoweit den vertraglichen Vorgaben der Kaufverträge im Verhältnis der W GmbH & Co. KG zu den Wohnungskäufern inhaltlich, also von der Leistungsbeschreibung her, entsprechen. Ist die jeweils vertraglich geschuldete Leistung eine andere, kann sich die W GmbH & Co. KG nicht auf die Haftungsbefreiung berufen.

Vor diesem Hintergrund erklärt die W GmbH & Co. KG, das Ergebnis des Beweissicherungsverfahrens auch im Verhältnis zu Erbbauberechtigtengemeinschaft gegen sich gelten zu lassen.

Sie erklärt weiter, dass die Dauer des vorgenannten Beweissicherungsverfahrens auch die Verjährung des diesbezüglichen Gewährleistungsanspruchs der Erbbauberechtigtengemeinschaft gegen die W GmbH & Co. KG hemmt und sie sich im so errechneten Zeitraum nicht auf die Einrede der Verjährung zum 27.03.2014 berufen wird.

Die Erbbauberechtigtengemeinschaft erklärt, das Ergebnis des Beweissicherungsverfahrens (vor dem oben geschilderten Hintergrund) ebenfalls gegen sich gelten zu lassen.

Zur Besicherung der potentiellen Mängelbeseitigungskosten hinterlegt die W GmbH & Co. KG eine Sicherheit i. H. v. 29.000,00 € in Form einer Gewährleistungsbürgschaft.

Die Erbbauberechtigtengemeinschaft erklärt, diese Sicherheit nach Mängelbehebung, spätestens aber mit Verjährungseintritts freizugeben."

Unter dem 24.09.2012 übernahm die Beklagte zu 2) im Zusammenhang mit der vorgenannten Vergleichsregelung eine Mängelansprüchebürgschaft bis zum Betrag von 29.000,00 €. Wegen der Einzelheiten des Bürgschaftsinhalts wird auf Anlage K 7 (Bl. 58 d. A.) Bezug genommen.

Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 18.03.2014 (Anlage K 11, Bl. 108 ff. d. A.) nahm die Klägerin die Beklagte zu 2) unter anderem wegen der vorgenannten Bürgschaft in Anspruch.

Mit Beschluss des AG Köln vom 24.06.2014 (75 IN 104/14) wurde der Beklagte zu 1) zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin bestellt. Der klägerische Bevollmächtigte wandte sich ab dem 24.04.2015 mehrfach - im Ergebnis erfolglos - an den Beklagten zu 1), um Auskunft über den Stand des selbständigen Beweisverfahrens zu erlangen.

Die Klägerin nimmt den Beklagten zu 1) auf Auskunft und die Beklagte zu 2) - an die Auskunft anknüpfend - auf Leistung in Anspruch; sie vertritt die Auffassung, eine derartige Vorgehensweise sei analog § 254 ZPO zulässig.

Die Klägerin beantragt,

1. den Beklagten zu 1) zu verurteilen, ihr Auskunft darüber zu erteilen,

a) ob das Beweissicherungsverfahren der Insolvenzschuldnerin gegen die Tischlerei E GmbH, Scharweberstr. 27, 12587 Berlin beim LG Berlin, Az. 5 OH 6/11 beendet ist;

b) für den Fall, dass dies der Fall ist, Auskunft über den Inhalt des Beweisbeschlusses;

c) für den Fall, dass dies nicht der Fall ist, Auskunft über den Verfahrensstand, ggf. eines Zwischenergebnisses;

2. für den Fall, dass sich aus dem Beweisbeschluss die Mangelhaftigkeit der streitgegenständlichen Fenster ergibt, die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an sie einen Betrag bis zu höchstens 29.000,00 € nebst Zinsen über dem Basiszins seit Rechthängigkeit zu zahlen;

hilfsweise, für den Fall, dass das Gericht der klägerischen Auffassung zur analogen Anwendung des § 254 ZPO nicht folgt oder das selbständige Beweisverfahren noch gar nicht abgeschlossen ist, statt des Antrags zu 2:

festzustellen, dass die Beklagte zu 2) dem Grunde nach verpflichtet ist, der Klägerin die sich aus der Auskunft des Beklagten zu 1) (i. S. d. Antrags zu 1.) ergebenden Kosten der Mängelbeseitigung an den straßenseitigen Holzfenstern des Hauses L-Straße 8, 10785 Berlin vorzuschießen bzw. zu erstatten.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte zu 1) vertritt die Auffassung, die Erteilung der geforderten Auskunft falle nicht in den Pflichtenkreis eines Insolvenzverwalters; vielmehr seien Auskunftsansprüche gegen den Schuldner durchzusetzen. Im Übrigen stehe der Klägerin mit Rücksicht auf ihr Akteneinsichtsrecht gemäß § 299 Abs. 2 ZPO kein Auskunftsanspruch aus § 242 BGB zu. Er behauptet zudem, ihm lägen keine Informationen zum Stand des Beweisverfahrens vor.

Die Beklagte zu 2) bemängelt, die Klägerin trage nicht substantiiert vor, aus welchen Mängeln sie ihren Hauptanspruch herleite und wegen welcher Mängelansprüche in welcher Höhe sie Ansprüche ihr gegenüber aus der streitgegenständlichen Bürgschaft geltend mache. Sie bestreitet den Tatsachenvortrag über die behaupteten Mängel sowie den Gegenstand und Stand des Beweissicherungsverfahrens mit Nichtwissen. Zudem erhebt sie die Einrede der Verjährung.

Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 11.01.2017 (Bl. 130 ff. d. A.) hat die Klägerin den gegen die Beklagte zu 2) gerichteten Hilfsantrag umformuliert und zu den gerichtlichen Hinweisen Stellung genommen. Wegen der neuen Antragsfassung wird auf den vorgenannten Schriftsatz Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist teils unzulässig, teils unbegründet.

I.

Der gegen den Beklagten zu 1) gerichtete Auskunftsantrag ist zulässig, jedoch - zumindest derzeit - unbegründet.

Soweit die Klägerin meint, aus dem mit der Schuldnerin geschlossenen Vergleich ergebe sich im Wege ergänzender Vertragsauslegung ein Auskunftsanspruch, der vom Beklagten zu 1) zu erfüllen sei, vermag dies nicht zu überzeugen. Die Voraussetzungen für eine ergänzende Vertragsauslegung liegen nicht vor. Es ist bereits zweifelhaft, ob das Fehlen einer Regelung zur Auskunftserteilung auf einer Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit beruht. Jedenfalls kommt eine ergänzende Vertragsauslegung dann nicht in Betracht, wenn die Lücke auf verschiedene Weise geschlossen werden kann und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, für welche Alternative sich die Parteien entschieden hätten (Palandt-Ellenberger, BGB, 76. Auflage, § 157 Rn. 10). So liegt es hier. Es fehlt an jeglichem Anhaltspunkt, welche Häufigkeit und welchen Umfang die Vergleichsparteien für eine Auskunftsverpflichtung der Schuldnerin vorgesehen hätten.

Eine Auskunftspflicht des Beklagten zu 1) aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) besteht ebenfalls nicht. Hierfür wäre erforderlich, dass die zwischen den Parteien bestehende Rechtsbeziehung es mit sich bringt, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen oder Umfang seines Rechts im Ungewissen ist - insbesondere: sich die erforderliche Information nicht selbst auf zumutbare Weise beschaffen kann - und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann (Palandt-Grüneberg, BGB, aaO., § 260 Rn. 4, 7). Vorliegend kann sich die Klägerin die benötigten Informationen über den Stand des selbständigen Beweisverfahrens im Wege der Akteneinsicht gemäß § 299 Abs. 2 ZPO selbst verschaffen. Das erforderliche rechtliche Interesse wird durch den Umstand begründet, dass das Ergebnis des selbständigen Beweisverfahrens nach der mit der Schuldnerin getroffenen Vergleichsregelung unmittelbar auf ihre Rechtsstellung einwirkt. Dass ein Akteneinsichtsgesuch der Klägerin abschlägig beschieden worden wäre, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich; vielmehr hat diese - soweit erkennbar - bislang noch keine Bemühungen in dieser Richtung übernommen, obwohl der Beklagte zu 1) ausdrücklich in die Akteneinsicht eingewilligt hat (Erklärung vom 18.01.2016, Bl. 75 d. A.) und zudem in der mündlichen Verhandlung hat erklären lassen, die Klägerin erforderlichenfalls durch Stellung eines eigenen Gesuchs zu unterstützen.

II.

Die gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Klage ist unzulässig.

1.

Der als Ziffer 2. der Klageanträge formulierte Hauptantrag ist unzulässig. Er steht unter einer unzulässigen außerprozessualen Bedingung, nämlich dem Ergebnis des vor einem anderen Gericht geführten selbständigen Beweisverfahrens. Ferner fehlt es an einem eindeutig bestimmten Leistungsantrag, da nur ein Höchstbetrag angegeben ist.

Eine analoge Anwendung des § 254 ZPO scheidet aus. Soweit Leistungsanträge nach dieser Vorschrift im Rahmen einer Stufenklage zunächst unbeziffert bleiben können, setzt dies voraus, dass sich die verschiedenen Stufen gegen den gleichen Beklagten richten. Eine Aufteilung der Stufen auf verschiedene Streitgenossen kommt angesichts des Grundsatzes der Selbständigkeit der Prozessrechtsverhältnisse (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 31. Auflage, § 61 Rn. 8) nicht in Betracht.

2.

Der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag ist zulässig, aber unbegründet.

Das erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich aus dem drohenden Eintritt der Verjährung. Der Antrag ist auch hinreichend bestimmt. Ein Feststellungsantrag muss das Rechtsverhältnis, dessen Bestehen oder Nichtbestehen festgestellt werden soll, so genau bezeichnen, dass über dessen Identität und damit über den Umfang der Rechtskraft des begehrten Feststellungsanspruchs keinerlei Ungewissheit herrschen kann. Zur streitgegenstandsbestimmenden Auslegung des Antrags ist nicht nur sein Wortlaut, sondern auch der klägerische Sachvortrag heranzuziehen (BGH, NJW 2001, 445). Vorliegend ergibt sich aus dem Antrag unter Heranziehung des Vorbringens in der Klageschrift mit hinreichender Bestimmtheit, dass es sich bei dem festzustellenden Rechtsverhältnis um die Verpflichtung der Beklagten zu 2) aus der Mängelansprüchebürgschaft vom 24.09.2012 (Anlage K 7) handelt.

Soweit der Antrag die Formulierung "die sich aus der Auskunft des Beklagten zu 1) (i. S. d. Antrags zu 1) ergebenden (...)" umfasst, hält die Kammer die in der mündlichen Verhandlung geäußerten Bestimmtheitsbedenken nicht aufrecht. Der Zusatz ist dahingehend auszulegen, dass die festzustellende Leistungspflicht der Beklagten zu 2) durch die im selbständigen Beweisverfahren ggf. festgestellten Mängelbeseitigungskosten begrenzt sein soll.

Der Feststellungsantrag ist jedoch unbegründet.

Die Voraussetzungen eines Bürgschaftsanspruchs gemäß § 765 BGB sind weder dargelegt noch unter Beweis gestellt. Die Einstandspflicht des Bürgen setzt neben einem wirksamen Bürgschaftsvertrag auch den Bestand der gesicherten Hauptschuld voraus. Im Fall einer Gewährleistungsbürgschaft tritt der Bürgschaftsfall zudem erst ein, wenn der Auftraggeber einen auf Geld gerichteten Gewährleistungsanspruch erworben hat (BGH, NJW 2013, 1228, Rn. 16).

Demgemäß hat die Klägerin zu den Voraussetzungen eines auf Geldleistung gerichteten Gewährleistungsanspruchs gegen die Schuldnerin vorzutragen; dieser Verpflichtung wird sie auch nicht durch die Vergleichsregelung enthoben. Die Schuldnerin hat im Vergleich hinsichtlich der streitgegenständlichen Fenster keine Gewährleistungspflicht anerkannt. Vielmehr sollte die im selbständigen Beweisverfahren zu klärende Frage der Vertragsgemäßheit der Leistungen auch für das Verhältnis zwischen Klägerin und Schuldnerin gelten.

Vorliegend hat die Klägerin trotz Bestreitens der Beklagten zu 2) nicht näher schriftsätzlich zu den streitgegenständlichen Mängeln vorgetragen. Soweit nach der sog. Symptomtheorie zur Bezeichnung von Mängeln eine genaue Bezeichnung der Mangelerscheinungen ausreichen kann, fehlt es auch an einer solchen. Die Klägerin hat auch nicht konkret vorgetragen, die Schuldnerin erfolglos unter Fristsetzung zur Mängelbehebung aufgefordert zu haben (mit der Folge des Entstehens von Geldansprüchen). Da die Beklagte zu 2) die Mängelbehauptungen zulässigerweise mit Nichtwissen bestritten hat, war die Klägerin zudem gehalten, für diese Beweis anzubieten. Auch dies ist nicht erfolgt.

III.

Das Vorbringen im nachgelassenen Schriftsatz vom 11.01.2017 sowie der dort neu formulierte Hilfsantrag geben keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

IV.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

Streitwert:

für die Klage gegen den Beklagten zu 1 (1/4 von 29.000,00€): 7.250,00 €

für die Klage gegen die Beklagte zu 2): 29.000,00 €

Gesamtstreitwert (keine Wertaddition, wirtsch. Identität) 29.000,00 €.