OLG Düsseldorf, Urteil vom 04.07.2019 - 2 U 81/18
Fundstelle
openJur 2019, 29130
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 4b O 66/18
Tenor

I. Die Berufung gegen das am 27. November 2018 verkündete Urteil der 4b Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

II. Die Verfügungsbeklagten haben auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Die Vollziehung der einstweiligen Verfügung ist davon abhängig, dass die Verfügungsklägerin zuvor eine Sicherheit in Höhe von 3.500.000,- € leistet.

IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 3.500.000,- € festgesetzt.

Gründe

I.

Von einer Darstellung des Sachverhaltes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1, 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO abgesehen.

II.

Die Berufung der Verfügungsbeklagten ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Nachdem die Verfügungsklägerin sowohl das Vorliegen eines Verfügungsanspruchs als auch eines Verfügungsgrundes glaubhaft gemacht hat, begegnet der Erlass der Unterlassungsverfügung durch das Landgericht keinen Bedenken.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht in dem durch die Verfügungsbeklagten angedachten Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform, dem in Indien unter dem Namen "B" hergestellten und vertriebenen Einweg-Injektionsstift "B", für den der Verfügungsbeklagten zu 1) unter dem Namen "C" am 23. März 2018 eine Marktzulassung erteilt wurde, eine wortsinngemäße Benutzung von Patentanspruch 1 des Verfügungspatents (EP 2 346 XXA [DE 60 2009 XXB]) gesehen und davon ausgehend gegen die Verfügungsbeklagten wegen unmittelbarer Patentverletzung unter dem Gesichtspunkt der Erstbegehungsgefahr im Wege der einstweiligen Verfügung ein Unterlassungsgebot ausgesprochen. Der Verfügungsklägerin steht ein entsprechender Unterlassungsanspruch aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG zu.

Des Weiteren ist der Rechtsbestand vor dem Hintergrund der erstinstanzlichen Aufrechterhaltung des Verfügungspatents im Einspruchsverfahren auch unter Berücksichtigung des ergänzenden Vorbringens der Verfügungsbeklagten in dem für den Erlass der begehrten Unterlassungsverfügung erforderlichen Umfang gesichert. Da auch eine Abwägung der Interessen der Parteien zu Gunsten der Patentinhaberin ausfällt, besteht für eine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung durch den Senat kein Anlass.

Im Einzelnen:

1.

Das Verfügungspatent betrifft eine Arzneimittelabgabevorrichtung. Derartige Arzneimittelabgabevorrichtungen werden für die Verabreichung von Arzneimitteln, beispielsweise von Insulin, Heparin oder Wachstumshormonen, verwendet. Einige dieser Vorrichtungen sind dazu konfiguriert, eine Mehrzahl von Dosen abzugeben. Außerdem ermöglichen einige Vorrichtungen zusätzlich die Einstellung verschiedener abzugebender Dosisgrößen. Hierfür ist es wichtig, dass die Größe der Dosis genau eingestellt und die eingestellte Dosis zuverlässig abgegeben werden kann (Abs. [0001]).

Aus der US 2007/XXC ist eine Spritze bekannt, bei der eine Feder zwischen einem Gehäuseeinsatz und einem Antriebselement angeordnet ist. Die Feder kann als Ausgleich für Längentoleranzen dienen, um einen medizinischen Behälter in einer Injektionsvorrichtung zu stützen (Abs. [0002]).

Die in der US 3,742,XXD gezeigte Spritze weist ein Druckelement auf, welches als Tellerfeder ausgebildet ist und über Federzungen verfügt, die sich mit ihrem freien Ende auf dem oberen Rand des Flüssigkeitsbehälters abstützen. Weitere Medikamentenabgabevorrichtungen sind aus der WO 2005/XXE und der DE 10 2004 053XXF bekannt (Abs. [0003] f.).

Die WO 96/XXG offenbart eine Arzneimittelabgabevorrichtung mit einer Spiralfeder, die so im Gehäuse angeordnet ist, dass sie eine Kraft auf die Patrone ausübt und die Patrone gegen eine Bewegung bezüglich des Patronenhalteelements befestigt. Schließlich offenbart die DE 10 2005 032 XXH ausweislich der Beschreibung des Verfügungspatents die Merkmale der Präambel des nachstehend wiedergegebenen Patentanspruchs 1 (Abs. [0005]).

Vor dem geschilderten Hintergrund liegt dem Verfügungspatent die Aufgabe zu Grunde, eine verbesserte Arzneimittelabgabevorrichtung bereitzustellen, die insbesondere eine verbesserte Funktionsfähigkeit in Bezug auf die Dosiskontrolle und/oder eine verbesserte Reproduzierbarkeit der Dosierung in Verbindung mit verschiedenen Kartuschen erlaubt (Abs. [0006]).

Zur Lösung dieser Problemstellung sieht Patentanspruch 1 in der dem einstweiligen Verfügungsverfahren zugrundeliegenden Fassung eine Kombination der folgenden Merkmale vor:

1. Arzneimittelabgabevorrichtung (5).

2. Die Arzneimittelabgabevorrichtung (5) weist auf:

2.1. ein Gehäuse (10) mit einem proximalen und einem distalen Ende;

2.2. eine Kartusche (15), die geeignet ist, ein Arzneimittel unterzubringen;

2.3. ein Kartuschenhalteelement (45);

2.4. eine Federscheibe (50);

2.5. ein Hülsenelement (60).

3. Das Kartuschenhalteelement (45) ist

3.1. geeignet, die Kartusche (15) zu halten und

3.2. am Gehäuse (10) befestigt.

4. Das Hülsenelement (60) ist an dem Gehäuse (10) befestigt.

5. Die Federscheibe (50) ist

5.1. so angeordnet, dass sie an einer Seite der Kartusche (15) an die Kartusche (15) anschlägt, die dem proximalen Ende des Gehäuses (10) zugewandt ist;

5.2. so im Gehäuse (10) angeordnet, dass sie

5.2.1. eine Kraft gegen die Kartusche (15) ausübt und

5.2.2. die Kartusche (15) gegen eine Bewegung bezüglich des Kartuschenhalteelements (45) befestigt;

5.3. am Hülsenelement (60) an einer Außenfläche des Hülsenelements (60) befestigt.

5.3.1. Die Befestigung der Federscheibe (50) erfolgt durch Befestigungselemente (52) der Federscheibe (50).

5.3.1.2. Die Befestigungselemente (52) erstrecken sich in axialer Richtung.

Den Kern der Erfindung bildet die in der Merkmalsgruppe 5. im Einzelnen beschriebene Federscheibe (50). Deren technische Gestaltung definiert Patentanspruch 1 im Wesentlichen funktional bzw. über die räumliche Anordnung der Feder in der Arzneimittelabgabevorrichtung. So soll die Federscheibe so angeordnet sein, dass sie an einer dem proximalen Ende des Gehäuses zugewandten Seite der Kartusche anschlägt (Merkmal 5.1.). Zudem soll sie so im Gehäuse angeordnet sein, dass sie eine Kraft gegen die Kartusche (15) ausübt und die Kartusche gegen eine Bewegung bezüglich des Kartuschenhalteelements (45) befestigt (Merkmalsgruppe 5.2.). Vereinfacht gesagt "drückt" die Feder somit auf der proximalen Seite des Gehäuses gegen die Kartusche, wie dies beispielhaft in der nachfolgend verkleinert eingeblendeten, ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel der Erfindung darstellenden Figur 1 des Verfügungspatents gezeigt ist:

Dadurch, dass die Federscheibe somit Kraft auf die Kartusche ausübt, wird eine Bewegung der Kartusche bezüglich des Gehäuses und/oder des Kartuschenhalteelements verringert oder sogar verhindert und ein Spiel zwischen Kartusche und Gehäuse bzw. zwischen Kartusche und Kartuschenhalteelement reduziert. Gleichzeitig kompensiert die Federscheibe damit Fertigungstoleranzen in der Kartuschenlänge (Abs. [0008]). All dies trägt letztlich zu der angestrebten Dosiergenauigkeit bei (vgl. Abs. [0001] a. E., Abs. [0006] a. E., Abs. [0008] a.E. sowie Abs. [0043]). Soweit das Verfügungspatent in Abschnitt [0008] darüber hinaus die Möglichkeit des Einsatzes von Kartuschen unterschiedlicher Länge und als Folge daraus die Bereitstellung einer wiederverwendbaren Vorrichtung anspricht, handelt es sich auch nach der im Einspruchsverfahren geänderten Fassung der Verfügungspatentbeschreibung um eine besonders vorteilhafte Gestaltung, auf die der Schutzbereich des Verfügungspatents in Ermangelung einer entsprechenden Vorgabe in Patentanspruch 1 nicht reduziert werden darf (vgl. auch Abs. [0032]: "Das Kartuschenhalteelement kann so ausgebildet sein, dass die Kartusche (15) von einem Benutzer ersetzt werden kann, nachdem sie geleert worden ist"., Hervorhebung hinzugefügt).

Damit die Federscheibe wie von Merkmal 5.2.1. gefordert eine Kraft gegen die Kartusche ausüben kann, ist sie am Gehäuse (10) befestigt. Allerdings sieht Patentanspruch 1 keine unmittelbare Befestigung der Federscheibe am Gehäuse vor. Am Gehäuse befestigt ist vielmehr das Hülsenelement (Merkmale 2.5. und 4.). Die Federscheibe ist ihrerseits sodann an der Außenfläche des Hülsenelements und damit - vermittelt durch das Hülsenelement - auch am Gehäuse befestigt (Merkmal 5.3.).

Was das Hülsenelement selbst betrifft, lässt Patentanspruch 1 dessen technische Gestaltung über die angesprochene Befestigungsfunktion hinaus ebenso offen wie die Verfügungspatentbeschreibung. Dieser entnimmt der Fachmann nur, dass es sich bei dem Hülsenelement um ein Gewindehülsenelement handeln kann (Abs. [0019] und [0037]), welches die Herstellung der Arzneimittelabgabevorrichtung erleichtert (Abs. [0037]) und das gleichzeitig genutzt werden kann, um das Kartuschenelement am Gehäuse zu befestigen, z.B. mittels eines Innengewindes (Abs. [0020]). Dem Fachmann ist somit in Ermangelung entgegenstehender Anhaltspunkte klar, dass das Verfügungspatent den Begriff der Hülse bzw. des Hülsenelements entsprechend dem natürlichen Sprachgebrauch verwendet. Danach handelt es sich bei einer Hülse um eine röhrenförmige, längliche feste Hülle, in die man etwas hineinstecken kann bzw. die etwas fest umschließt (vgl. www.duden.de, Begriff "Hülse", abgerufen am 04.06.2019).

Hinsichtlich der Art und Weise der Befestigung legt sich Patentanspruch 1 lediglich dahingehend fest, dass diese durch Befestigungselemente der Federscheibe (und damit nicht allein durch Solche des Hülsenelements) erfolgen soll, die sich in axialer Richtung erstrecken (Merkmalsgruppe 5.3.). Weitere Vorgaben hinsichtlich der technischen Gestaltung der Befestigungselemente finden sich in Patentanspruch 1 nicht. Wie er die Befestigungselemente gestaltet, ist somit dem Fachmann überlassen. Eine Möglichkeit hierfür ist in Figur 5 des Klagepatents nebst der zugehörigen Beschreibung (vgl. Abs. [0049] sowie [0053]) gezeigt:

Hierbei weist die Federscheibe zwei hakenförmige Befestigungselemente (52) auf, um die Federscheibe an dem Hülsenelement zu fixieren (vgl. Abs. [0049] und [0053]). Damit ist klar, dass sich die Befestigungselemente nicht ausschließlich axial erstrecken müssen. Ebenso zulässig ist eine Gestaltung, bei der die Befestigungselemente zunächst axial und sodann, etwa zur Ermöglichung eines Formschlusses, radial (und damit letztlich hakenförmig) verlaufen. Auch in einem solchen Fall erstrecken sich die Befestigungselemente (zunächst) in axialer Richtung. Wie genau die Befestigung an der Außenfläche des Hülsenelements erfolgt, stellt das Klagepatent in das Belieben des Fachmanns. Die Befestigung kann somit sowohl durch einen Form- als auch durch einen Reibschluss oder auch durch eine Kombination von beiden erfolgen (vgl. Abs. [0037], der eine Einrastpassung vorsieht). Entscheidend ist nur, dass die Federscheibe derart an der Außenfläche des Hülsenelements befestigt ist, dass sie letztlich die ihr zugewiesenen Funktionen - Ausübung einer Kraft gegen die Kartusche und Befestigung der Kartusche gegen eine Bewegung bezüglich des Kartuschenhalteelements - ausüben kann.

2.

Zu Recht hat das Landgericht ausgehend von einem solchen Verständnis des Verfügungspatents eine unmittelbar wortsinngemäße Verwirklichung sämtlicher Merkmale des streitgegenständlichen Patentanspruchs 1 durch die angegriffene Ausführungsform und davon ausgehend unter dem Gesichtspunkt der Erstbegehungsgefahr einen Unterlassungsanspruch der Verfügungsklägerin gegen die Verfügungsbeklagten aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG bejaht. Nachdem die Verfügungsbeklagten den diesbezüglichen Feststellungen des Landgerichts zum Verfügungsanspruch im Berufungsverfahren nicht entgegengetreten sind, kann insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen vollumfänglich auf die landgerichtlichen Feststellungen, die sich der Senat zu eigen macht, Bezug genommen werden.

3.

Der Unterlassungsanspruch kann im Wege der einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden; der hierzu notwendige Verfügungsgrund liegt vor. Bei der in diesem Zusammenhang vorzunehmenden Interessenabwägung wiegt das Schutzinteresse der Verfügungsklägerin, ihren Unterlassungsanspruch durchzusetzen, schwerer als das Interesse der Verfügungsbeklagten, die angegriffene Ausführungsform in Deutschland anzubieten und zu vertreiben.

a)

Der Rechtsbestand des Verfügungspatents ist unter Berücksichtigung der im Einspruchsverfahren ergangenen, das Verfügungspatent im streitgegenständlichen Umfang aufrechterhaltenden Entscheidung auch unter Berücksichtigung des weiteren Vorbringens der Verfügungsbeklagten in dem für den Erlass der begehrten Unterlassungsverfügung erforderlichen Umfang gesichert.

aa)

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (InstGE 9, 140 = GRUR-RR 2008, 329 - Olanzapin; InstGE 12, 114 = Mitt. 2011, 193 - Harnkatheter; GRUR-RR 2011, 81 = Mitt. 2012, 178 - Gleitsattel-Scheibenbremse; Urt. v. 20.01.2011, Az.: I-2 U 92/10, BeckRS 2011, 03266; Urt. vom 24.11.2011, Az.: I-2 U 55/10, BeckRS 2011, 08596; Urt. v. 06.12.2012, Az.: I-2 U 46/12, BeckRS 2013, 13744; Mitt. 2012, 415 - Adapter für Tintenpatrone; GRUR-RR 2013, 236, 239 f. - Flurpitin-Maleat; Urt. v. 07.11.2013, Az.: I-2 U 94/12, GRUR-RR 2014, 240; Urt. v. 21.01.2016, Az.: I-2 U 48/15, BeckRS 2016, 03306; Urt. v. 19.02.2016, Az.: I-2 U 54/15, BeckRS 2016, 06344), dass der Erlass einer einstweiligen Verfügung insbesondere auf Unterlassung nur in Betracht kommt, wenn sowohl die Frage der Patentverletzung als auch der Bestand des Verfügungspatents im Ergebnis so eindeutig zugunsten des Antragstellers (Verfügungsklägers) zu beantworten sind, dass eine fehlerhafte, in einem etwa nachfolgenden Hauptsacheverfahren zu revidierende Entscheidung nicht ernstlich zu erwarten ist. Davon kann regelmäßig nur ausgegangen werden, wenn das Verfügungspatent bereits ein erstinstanzliches Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren überstanden hat (Senat, InstGE 9, 140, 146 - Olanzapin; InstGE 12, 114 - Harnkatheterset; Urt. v. 18.12.2014, Az.: I-2 U 60/14, BeckRS 2015, 01829; Urt. v. 10.12.2015, Az.: I-2 U 35/15, BeckRS 2016, 06028; Urt. v. 31.08.2017, Az.: I-2 U 6/17, BeckRS 2017, 125978; OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2015, 509 - Ausrüstungssatz; a.A. OLG Braunschweig, Mitt. 2012, 410). Um ein Verfügungsschutzrecht für ein einstweiliges Verfügungsverfahren tauglich zu machen, bedarf es deshalb einer positiven Entscheidung der dafür zuständigen, mit technischer Sachkunde ausgestatteten Einspruchs- oder Nichtigkeitsinstanzen.

Aus der regelmäßigen Notwendigkeit einer positiven streitigen Rechtsbestandsentscheidung folgt umgekehrt aber auch, dass, sobald sie vorliegt, prinzipiell von einem ausreichend gesicherten Bestand des Verfügungspatents auszugehen ist (Senat, Urt. v. 10.11.2011, Az.: I-2 U 41/11; Urt. v. 19.02.2016, Az.: I-2 U 54/15, BeckRS 2016, 06344; Urt. v. 31.08.2017, Az.: I-2 U 6/17, BeckRS 2017, 125978; Urt. v. 14.12.2017, Az.: I-2 U 17/17, BeckRS 2017, 150889). Das Verletzungsgericht hat - ungeachtet seiner Pflicht, auch nach erstinstanzlichem Abschluss eines Rechtsbestandsverfahrens selbst ernsthaft die Erfolgsaussichten der dagegen gerichteten Angriffe zu prüfen, um sich in eigener Verantwortung ein Bild von der Schutzfähigkeit der Erfindung zu machen (Senat, InstGE 8, 122 - Medizinisches Instrument; Urt. v. 18.12.2014, Az.: I-2 U 60/14, BeckRS 2015, 01829) - grundsätzlich die von der zuständigen Fachinstanz (DPMA, EPA, BPatG) nach technisch sachkundiger Prüfung getroffene Entscheidung über die Aufrechterhaltung des Verfügungspatents hinzunehmen und, sofern im Einzelfall keine besonderen Umstände vorliegen, die gebotenen Schlussfolgerungen zu ziehen, indem es zum Schutz des Patentinhabers die erforderlichen Unterlassungsanordnungen trifft (Senat, Urt. v. 10.11.2011, Az.: I-2 U 41/11; Urt. v. 19.02.2016, Az.: I-2 U 54/15, BeckRS 2016, 06344; Urt. v. 31.08.2017, Az.: I-2 U 6/17, BeckRS 2017, 125978; Urt. v. 14.12.2017, Az.: I-2 U 17/17, BeckRS 2017, 150889).

Grund, die Rechtsbestandsentscheidung in Zweifel zu ziehen und von einem Unterlassungsgebot abzusehen, besteht nur dann, wenn das Verletzungsgericht die Argumentation der Einspruchs- oder Nichtigkeitsinstanz für nicht vertretbar hält oder wenn der mit dem Rechtsbehelf gegen die Einspruchs- oder Nichtigkeitsentscheidung unternommene Angriff auf das Verfügungspatent auf (z.B. neue) erfolgversprechende Gesichtspunkte gestützt wird, die die bisher mit der Sache befassten Stellen noch nicht berücksichtigt und beschieden haben (Senat, Urt. vom 06.12.2012, Az.: I-2 U 46/12, BeckRS 2013, 13744; Urt. v. 31.08.2017, Az.: I-2 U 6/17, BeckRS 2017, 125978; Urt. v. 14.12.2017, Az.: I-2 U 17/17, BeckRS 2017, 150889). Demgegenüber ist es für den Regelfall nicht angängig, den Verfügungsantrag trotz erstinstanzlich aufrechterhaltenen Schutzrechts allein deshalb zurückzuweisen, weil das Verletzungsgericht seine eigene (laienhafte) Bewertung des technischen Sachverhaltes an die Stelle der Beurteilung durch die zuständige Einspruchs- oder Nichtigkeitsinstanz setzt (Senat, Urt. v. 10.11.2011, Az.: I-2 U 41/11; Urt. v. 18.12.2014, Az.: I-2 U 60/14, BeckRS 2015, 01829; Urt. v. 14.12.2017, Az.: I-2 U 17/17, BeckRS 2017, 150889). Solches verbietet sich ganz besonders dann, wenn es sich um eine technisch komplexe Materie (z.B. aus dem Bereich der Chemie oder Elektronik) handelt, in Bezug auf die die Einsichten und Beurteilungsmöglichkeiten des technisch nicht vorgebildeten Verletzungsgerichts von vornherein limitiert sind. Geht es nicht darum, dass z.B. Passagen einer Entgegenhaltung von der Einspruchsabteilung übersehen und deshalb bei seiner Entscheidungsfindung überhaupt nicht in Erwägung gezogen worden sind, sondern dreht sich der Streit der Parteien darum, welche technische Information einem im Bestandsverfahren gewürdigten Text aus fachmännischer Sicht zu entnehmen und welche Schlussfolgerungen der Durchschnittsfachmann hieraus aufgrund seines allgemeinen Wissens zu ziehen imstande gewesen ist, sind die Rechtsbestandsinstanzen aufgrund der technischen Vorbildung und der auf dem speziellen Fachgebiet erworbenen beruflichen Erfahrung ihrer Mitglieder eindeutig in der besseren Position, um hierüber ein Urteil abzugeben. Es ist daher prinzipiell ausgeschlossen, dass sich das Verletzungsgericht mit (notwendigerweise laienhaften) eigenen Erwägungen über das Votum der technischen Fachleute hinwegsetzt und eine Unterlassungsverfügung verweigert. Anderes kann sich im Einzelfall allenfalls daraus ergeben, dass die einstweilige Verfügung - über den Regelfall hinaus - ganz besonders einschneidende Konsequenzen für den Antragsgegner und/oder die Öffentlichkeit (z.B. für auf den Verletzungsgegenstand angewiesene Patienten) hat, die es im Rahmen der Interessenabwägung ausnahmsweise verbieten, bereits jetzt eine Unterlassungsanordnung zu verfügen, die im weiteren Rechtsbestandsverfahren mit einiger Aussicht auf Erfolg ihre Grundlage verlieren kann (Senat, Urt. v. 19.02.2016, Az.: I-2 U 54/15, BeckRS 2016, 06344).

bb)

Ausgehend von den vorstehenden Grundsätzen ist der Rechtsbestand vorliegend, nachdem die Einspruchsabteilung das Verfügungspatent im streitgegenständlichen Umfang aufrechterhalten hat, hinreichend gesichert.

(1)

Das Verfügungspatent ist derzeit Gegenstand eines Einspruchsverfahrens, wobei die Einspruchsabteilung das Verfügungspatent erstinstanzlich im Hinblick auf die dem einstweiligen Verfügungsverfahren zugrunde liegende Anspruchsfassung aufrechterhalten hat (vgl. Anlage AR 11, S. 9 ff.). Die durch die erstinstanzlich am Einspruchsverfahren nicht beteiligten Verfügungsbeklagten erhobenen weiteren Einwände vermögen - wovon offenbar auch die Beschwerdekammer des EPA in ihrem Vorbescheid vom 3. Juli 2019 (Anlagen TWB 6 bzw. AR 55) ausgeht - zumindest im Hinblick auf die dem einstweiligen Verfügungsverfahren zugrunde liegende Anspruchsfassung keine hinreichenden Zweifel an der Rechtsbeständigkeit des Verfügungspatents zu begründen und stehen dem Erlass einer die angegriffene Ausführungsform betreffenden Unterlassungsverfügung daher nicht entgegen.

(a)

Im Hinblick auf die DE 10 2005 032 XXH (Entgegenhaltung D 1) gilt es zunächst zu berücksichtigen, dass diese Entgegenhaltung bereits Gegenstand der erstinstanzlichen Einspruchsentscheidung war. Dabei hat sich das Europäische Patentamt mit dieser Entgegenhaltung im Hinblick auf sämtliche (Hilfs-) Anträge beschäftigt und das Verfügungspatent letztlich gleichwohl im hier streitgegenständlichen Umfang, der Hilfsantrag 3 im Einspruchsverfahren entspricht, als schutzfähig erachtet. Insbesondere hat sich die Einspruchsabteilung in Bezug auf Hilfsantrag 3 ausführlich mit dem in Figur 4 der Entgegenhaltung gezeigten zweiten Ausführungsbeispiel beschäftigt und die streitgegenständliche Anspruchsfassung auch im Lichte dieser Ausgestaltung als schutzfähig angesehen (vgl. Anlage AR 11, S. 11, Punkte 5.2.3. f.). Zu Recht sind die Verfügungsbeklagten daher auf dieses Ausführungsbeispiel im Berufungsverfahren nicht mehr zurückgekommen, so dass weitere Ausführungen durch den Senat entbehrlich sind.

(b)

Zwar weisen die Verfügungsbeklagten im Ansatz zu Recht darauf hin, dass sich die Einspruchsabteilung bisher nicht mit der durch die Verfügungsbeklagten nunmehr in den Mittelpunkt ihrer Ausführungen gerückten Figur 1 der D 1 unter dem durch die Verfügungsbeklagten erstmals angesprochenen Gesichtspunkt der Einordnung des Bauteils (2) der nachfolgend eingeblendeten Figur 1 als Hülsenelement beschäftigt hat, so dass es sich insoweit um eine neue Einwendung handelt:

Gleichwohl fehlt es auch bei einer solchen Betrachtungsweise an einer neuheitsschädlichen Offenbarung sämtlicher Merkmale des streitgegenständlichen Patentanspruchs 1.

Die Beurteilung der Frage, ob der Gegenstand eines Patents durch eine Vorveröffentlichung neuheitsschädlich getroffen ist, erfordert die Ermittlung des Gesamtinhalts der Vorveröffentlichung. Maßgeblich ist, welche technische Information dem Fachmann offenbart wird. Der Offenbarungsbegriff ist dabei kein anderer als er auch sonst im Patentrecht zu Grunde gelegt wird (BGHZ 179, 168 = GRUR 2009, 382 - Olanzapin; GRUR 2004, 407, 411 - Fahrzeugleitsystem). Zu ermitteln ist deshalb nicht, in welcher Form der Fachmann etwa mit Hilfe seines Fachwissens eine gegebene allgemeine Lehre ausführen oder wie er diese Lehre gegebenenfalls abwandeln kann, sondern ausschließlich, was der Fachmann der Vorveröffentlichung als den Inhalt der von ihr gegebenen (allgemeinen) Lehre "unmittelbar und eindeutig” entnimmt (BGH, BGHZ 148, 383, 389 = GRUR 2002, 146 - Luftverteiler; GRUR 2004, 133, 135 - Elektronische Funktionseinheit; GRUR 2008, 597 - Betonstraßenfertiger; GRUR 2011, 999, 1001 - Mementain; Senat, Urt. v. 31.08.2017, Az.: I-2 U 71/16, BeckRS 2017, 129336).

Davon ausgehend fehlt es in der Entgegenhaltung zumindest an der Offenbarung der Merkmalsgruppe 5.3.1., wonach die Befestigung der Federscheibe durch sich in axialer Richtung erstreckende Befestigungselemente (Plural!) und damit durch eine Mehrzahl von Befestigungselementen erfolgen soll. Wie die nachfolgend eingeblendeten Figuren 2 und 3 der Entgegenhaltung verdeutlichen, weist die in Figur 1 gezeigte Schraubenfeder-Positioniereinrichtungen (13, 14) auf, die jeweils als flache Ringe geformt sind, die an ihren äußeren axialen Stirnseiten plane, zur Längsachse L rechtwinklige Stirnflächen (13a, 14a) aufweisen. Die Stirnflächen (13a, 14a) bilden Stützflächen, über welche sich die Feder (10) an dem Behältnis (5) und dem Einsatz (2) lediglich durch Druckkontakt abstützt (vgl. D 1, Abs. [0021]). Dafür bildet der Einsatz (2) für die Abstützung der Feder (10) eine in die Vortriebsrichtung V weisende Schulterfläche, von der in die Vortriebsrichtung V ein flacher Sockel aufragt, den die Feder (10) umgibt (vgl. D 1, Abs. [0020]).

Selbst wenn es sich - zu Gunsten der Verfügungsbeklagten unterstellt - bei dem Element (2) um ein Hülsenelement handelt, erscheint bereits fraglich, ob sich die in der Entgegenhaltung als flacher Ring umschriebene Positionierungseinrichtung (D 1, Abs. [0021]) als ein sich in axialer Richtung erstreckendes Befestigungselement einordnen lässt.

Letztlich kann dies jedoch dahinstehen, da es jedenfalls an der von Merkmal 5.3.1. geforderten Mehrzahl von Befestigungselementen fehlt. Dass das Vorhandensein lediglich eines Befestigungselements den Anforderungen des vorstehend genannten Merkmals nicht entspricht, folgt bereits aus dem klaren Wortlaut des Patentanspruchs, der die Befestigung der Federscheibe durch Befestigungselemente (Hervorhebung hinzugefügt) und damit das Vorhandensein von mindestens zwei Befestigungselementen, wie sie auch in den Figuren 1 bis 5 des Verfügungspatents gezeigt sind, bedingt. Ein einzelner Ring entspricht dieser Anforderung nicht und lässt sich auch nicht, wie von den Verfügungsbeklagten vertreten, ohne in eine stets unzulässige rückschauende Betrachtung zu verfallen als eine unendliche Zahl von Befestigungselementen einordnen. Bei dem in den vorstehenden Figuren gezeigten Ring (14) handelt es sich vielmehr um eine einzige Befestigungsvorrichtung. Es fehlt dementsprechend an der Offenbarung einer Mehrzahl von sich in axialer Richtung erstreckenden Befestigungselementen (so auch: Einspruchsabteilung, Anlage AR 11, Punkt 5.2.3. "D1 offenbart keine Vielzahl von Fixierungselementen, die sich in axialer Richtung erstrecken.").

Daraus, dass in Abschnitt [0011] der Entgegenhaltung eine Tellerfeder als Alternative zu der in den Figuren gezeigten Schraubenfeder genannt ist, folgt nichts anderes. Dazu, wie der Fachmann eine Tellerfeder an dem Einsatz (2), wie er in Figur 1 gezeigt ist, festlegen kann, verhält sich die Entgegenhaltung überhaupt nicht. Die Lösung dieser Fragestellung ist auch keinesfalls trivial. Vielmehr erkennt der Fachmann, dass der Befestigungsmechanismus, der in Figur 1 vorgestellt wird, für eine Tellerfeder vollkommen ungeeignet ist, weil sich der radiale innere und äußere Umfang der Feder bei ihrer Druckbeaufschlagung seitlich verschieben können müssen, was durch ein innen und außen radiales Umfassen des inneren und äußeren Federrandes durch die innen wie außen passende Aufnahme im Einsatz unterbunden würde, womit jede Federwirkung zunichte gemacht wäre. Im Falle der Verwendung einer Tellerfeder war der Fachmann mithin darauf angewiesen, einen geeigneten Befestigungsmechanismus zwischen Federscheibe und Hülse vollständig eigenständig zu entwickeln. Dass der Fachmann allein aufgrund des Hinweises auf die Möglichkeit des Einsatzes einer Tellerfeder deren Befestigung über eine Mehrzahl von Befestigungselementen im Sinne des Verfügungspatents zwingend und ohne weiteres bei Betrachtung der Figur 1 mitliest, haben die Verfügungsbeklagten vor diesem Hintergrund nicht hinreichend dargetan und ist auch im Übrigen nicht ersichtlich.

(b)

Auch in der US 6,585,XXI (Entgegenhaltung D 16) wird die durch Patentanspruch 1 in der streitgegenständlichen Fassung unter Schutz gestellte technische Lehre nicht neuheitsschädlich offenbart. Dies erschließt sich bereits mit Blick auf die durch die Verfügungsbeklagten zur Begründung ihrer abweichenden Auffassung zur Akte gereichte kolorierte Fassung der Figur 15 der Entgegenhaltung:

Es kann dahinstehen, ob es sich bei dem in der vorstehenden Abbildung rot gekennzeichneten zweiteiligen, aus den Einrastelementen (20a, 20b) bestehenden Bauteil um ein Hülsenelement im Sinne des Verfügungspatents handelt. Jedenfalls sind die radialen Federarme (36d) des in der eingeblendeten Abbildung gelb eingefärbten multifunktionalen Feder- und Führungselements (36), welche die Einrastelemente (20a, 20b) in ihre ersten Positionen drückt, in denen die Injektionspatrone (14) innerhalb der Vertiefung (18) eingerastet ist (vgl. D 16, Sp. 10, Z. 44 - 47), nicht an einerAußen-, sondern an der Innenseite des durch die Verfügungsbeklagten als Hülsenelement angesehenen, rot eingefärbten Bauteils (20a, 20b) befestigt.

Nach dem natürlichen Sprachgebrauch handelt es sich bei der Innenfläche einer Hülse um den Bereich, der den Hohlraum umgibt. Die Außenfläche ist demgegenüber der Bereich, der vom Hohlraum weg und damit nach außen zeigt. Anhaltspunkte für ein abweichendes Begriffsverständnis des Verfügungspatents sind nicht ersichtlich. Vielmehr verwendet das Verfügungspatent den Begriff der Außenfläche genau in dem Sinne, wie nicht nur die bereits zuvor eingeblendete Figur 1, sondern ebenso die nachfolgend eingeblendeten Figuren 3 und 4 der Verfügungspatentschrift verdeutlichen:

Stets sind die Befestigungselemente (52) an der Außenseite des Hülsenelements (60) im vorgenannten Sinne befestigt.

Gründe, den Bereich, in welchem die radialen Federarme (36d) mit dem Bauteil (26a) und (26b) in Kontakt stehen, als Außenfläche und lediglich den grün hervorgehobenen, die Kolbenstange unmittelbar umgebenden Bereich entgegen dem allgemeinen Sprachgebrauch als Innenfläche anzusehen, sind nicht ersichtlich. Vielmehr sind auch die entsprechenden Angriffsflächen der radialen Federarme (36d) - wenn auch in größerem Abstand - der Kolbenstange zugewandt und dementsprechend Innenflächen. Eine innere Fläche einer Hülse kann jedoch nicht zugleich als deren äußere Fläche angesehen werden (so auch zur Entgegenhaltung D 1: Einspruchsabteilung Anlage AR 11, S. 11, Punkt 5.2.3). Die radialen Federarme (36d) sind daher an der Innen- und nicht an der Außenfläche des (vermeintlichen) Hülsenelements befestigt.

(2)

Der Senat vermag auch nicht festzustellen, dass der Gegenstand der streitgegenständlichen Patentansprüche für einen Durchschnittsfachmann anhand des entgegengehaltenen Standes der Technik nahegelegt wäre (Art. 56 EPÜ).

(a)

Die Beantwortung der Frage, ob eine erfinderische Tätigkeit zu bejahen ist, bedarf einer wertenden Entscheidung (BGH, GRUR 1995, 330 - Elektrische Steckverbindung) unter Berücksichtigung der Kriterien des Standes der Technik als Ausgangspunkt für die Beurteilung sowie des Fachwissens des Durchschnittsfachmanns in der Frage des Nichtnaheliegens (Senat, Urt. v. 07.11.2013, Az.: I-2 U 94/12, BeckRS 2014, 04902 - Desogestrel; Urt. v. 18.12.2015, Az.: I-2 U 35/15, BeckRS 2016, 06208; Urt. v. 14.12.2017, Az.: I-2 U 17/17, BeckRS 2017, 150889). Die Beurteilung stützt sich auf tatsächliche Umstände, nämlich die Feststellung der Erfindung, des Standes der Technik sowie des dem maßgeblichen Fachmann eigenen Wissens und Könnens. Eine erfinderische Tätigkeit liegt erst in derjenigen Leistung, die sich über die Norm dessen erhebt, was ein Fachmann mit durchschnittlicher Ausbildung, Kenntnissen und Fähigkeiten bei herkömmlicher Arbeitsweise erreichen kann (Senat, Urt. v. 07.11.2013, Az.: I-2 U 94/12, BeckRS 2014, 04902 - Desogestrel; Urt. v. 14.12.2017, Az.: I-2 U 17/17, BeckRS 2017, 150889).

Eine Maßnahme kann als "naheliegend" angesehen werden, wenn der Fachmann sie in der Erwartung einer gewissen Verbesserung oder eines Vorteils vorgenommen hätte. Maßgeblich ist eine angemessene (= realistische) Erfolgserwartung, so dass es nicht auf eine absolute Gewissheit im Hinblick auf das Eintreten vorteilhafter Effekte ankommt, andererseits aber auch nicht genügt, dass auf Seiten des Fachmanns die bloße Hoffnung auf ein gutes Gelingen besteht. Die angemessene Erfolgserwartung erfordert über den bloßen Wunsch nach Verbesserung hinaus eine vernünftige wissenschaftliche Bewertung der vorliegenden Tatsachen (BGH, GRUR 2012, 803 - Calcipotriol-Monohydrat; GRUR 2016, 1027, 1029 - Zöliakiediagnoseverfahren; Senat, Urt. v. 14.12.2017, Az.: I-2 U 17/17, BeckRS 2017, 150889; Benkard/Asendorf/Schmidt, Patentgesetz, 11. Aufl., § 4 PatG, Rz. 118).

(b)

Dies vorausgeschickt vermag der Senat nicht zu erkennen, dass der Fachmann, ausgehend von der in Figur 1 der Entgegenhaltung D 1 offenbarten Lösung ohne einen erfinderischen Schritt zu der technischen Lehre von Patentanspruch 1 in der streitgegenständlichen Fassung gelangt.

Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass es sich bei dem in Figur 1 der Entgegenhaltung gezeigten Ausführungsbeispiel zunächst um eine in sich geschlossene, auf den Einsatz einer Schraubenfeder ausgerichtete Lösung handelt. So korrespondiert die flache ringförmige Positionierungseinrichtung (13) mit dem flachen Sockel des Einsatzes (2), so dass sich die Feder (10) auf dem Sockel abstützen kann (Abs. [0020] f.).

Zwar weisen die Verfügungsbeklagten im Einklang mit dem Ausführungen der Einspruchsabteilung (Anlage AR 11, S. 4, Punkt 2.1.3) zutreffend darauf hin, dass die Entgegenhaltung - wie bereits im Rahmen der Neuheitsprüfung ausgeführt - in Abschnitt [0011] ausdrücklich auch den Einsatz einer Tellerfeder und damit letztlich einer Federscheibe im Sinne des Verfügungspatents vorsieht. Der Fachmann, der sich mit der in Figur 1 gezeigten Lösung beschäftigt, hatte somit Anlass, den Einsatz einer solchen Tellerfeder anstelle der aus der Figur ersichtlichen Schraubenfeder in Erwägung zu ziehen. Nichts gesagt ist damit jedoch zur Frage der Befestigung der Tellerfeder. In Abschnitt [0011] finden sich dazu keine Hinweise. Insbesondere erschließt sich für den Fachmann allein aus der Entgegenhaltung nicht, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang er die in der Figur gezeigten Positionierungselemente (13, 14) und damit letztlich die gesamte Befestigungsvorrichtung beim Einsatz eines von der Schraubenfeder abweichenden Federtyps umgestalten muss. Gelangt er zu der Überzeugung, dass die bisher gezeigte Lösung des Zusammenspiels eines flachen Sockels am Einsatz (2) und eines ringförmig ausgestalteten Positionierungselements für den nunmehr angedachten Einsatz einer Tellerfeder untauglich ist, bedarf es weiterer Überlegungen im Hinblick auf die stattdessen zum Einsatz kommende Befestigungslösung.

Dementsprechend oblag es dem Fachmann, ausgehend von der in Figur 1 der D 1 gezeigten Gestaltung, nach der für die dort offenbarte Gesamtlösung aus seiner Sicht idealen Befestigungsmöglichkeit zu suchen und die entsprechende Arzneimittelabgabevorrichtung insgesamt darauf abzustimmen. Dass sich der Fachmann dabei, ausgehend von dem gezeigten Abstützen der Feder über einen flachen Positionierungsring an einem flachen Sockel (vgl. Abs. [0020] f.), naheliegend für den Einsatz axial verlaufender (und damit gerade nicht mehr flacher) Befestigungselemente entschieden hätte, die sich an einer Außenfläche eines Hülsenelements abstützen, ist nicht ersichtlich und wird durch die Verfügungsbeklagten auch nicht hinreichend dargelegt. Soweit die Verfügungsbeklagten auf den als Anlage TW2.D11 vorgelegten Produktkatalog der D GmbH & Co. KG aus dem Jahr 2007 rekurrieren, ist dort auf S. 7 zwar ein flaches Bauteil mit zwei axial verlaufenden Seitenwänden zu sehen. Dass es sich dabei jedoch überhaupt um ein Federelement handelt, lässt sich dem vorgelegten Katalog nicht entnehmen; das durch die Verfügungsbeklagten in Bezug genommene Produkt findet sich lediglich unter der allgemeinen Überschrift "Produktauswahl aus Bandmaterial", was dessen weitere technische Gestaltung offenlässt. Abgesehen davon mag der vorgelegte Prospekt zwar belegen, dass es solche Tellerfedern gegeben hat. Er besagt jedoch nichts dazu, dass es sich um ein in der Fachwelt geläufiges Konstruktionsmittel gehandelt hat. Die Vorlage eines solchen, inhaltslosen Prospekts spricht für sich und belegt, dass axiale Befestigungselemente offensichtlich kein übliches Mittel einer Befestigung von Tellerfedern (gewesen) sind. Tellerfedern werden vielmehr üblicherweise durch einen zentralen Dorn gehalten, der die innere Öffnung der Tellerfeder mit Spiel führt, sowie durch eine die Tellerfeder radial ebenfalls mit Spiel umschließende Hülse, die verhindert, dass die Tellerfeder bei Druckbeaufschlagung aus der Hülse herausfällt. Ausgehend von diesem Wissensstand beruhen die Merkmale 5.3. ersichtlich auf erfinderischer Tätigkeit.

Im Übrigen hat sich auch bereits die Einspruchsabteilung in ihrer Einspruchsentscheidung - wenn auch im Zusammenhang mit der Entgegenhaltung D 7 - mit der Frage des Austauschs eines Fixierungselements durch eine Vielzahl von Fixierungselementen beschäftigt und dazu ausgeführt (Anlage AR 11, S. 12 oben, Punkt 5.3.3):

"Selbst wenn der proximale Teil der Federpositionierungsvorrichtung (23), welcher in den Gehäuseteil (3) eintritt, als ein axiales rohrförmiges Fixierungselement betrachtet wird, ist es nicht naheliegend, dieses einzelne Fixierungselement durch eine Vielzahl von Fixierungselement zu ersetzen."

Auch nach Auffassung der Einspruchsabteilung liegt es somit nicht ohne Weiteres nahe, ein offenbartes einzelnes Fixierungselement in mehrere Fixierungs- bzw. Befestigungselemente aufzuteilen.

(c)

Schließlich ist auch nicht ersichtlich, welchen Anlass der Fachmann haben sollte, die in der Entgegenhaltung D 16 gewählte Innenbefestigung durch eine Außenbefestigung zu ersetzen. Dies gilt umso mehr, als die Befestigungselemente der Federscheibe durch entsprechende Ausnehmungen auf der Innenseite des Hülsenelementfortsatzes nicht nur seitlich, sondern gerade wegen ihres Anliegens gegen die Innenfläche des Hülsenelementes auch in radialer Richtung gehalten sind. Würde der Fachmann die Befestigungselemente der Federscheibe stattdessen auf der Außenfläche des Hülsenelementes angreifen lassen, wäre weder eine radiale Halterung gegeben noch eine Sicherung gegen ein seitliches Verschieben der Befestigungselemente verwirklicht.

c)

Ist - wie hier - sowohl die Frage der Patentbenutzung als auch die des Bestands des Verfügungspatents im Ergebnis eindeutig zugunsten des Verfügungsklägers zu beurteilen, überwiegen grundsätzlich seine Interessen gegenüber denjenigen des Verfügungsbeklagten. Es erübrigen sich daher in einem solchen Fall in aller Regel weitere Erwägungen zur Interessenabwägung (Senat, Urt. v. 27.10.2011, Az.: I-2 U 3/11, BeckRS 2011, 26945; Urt. v. 10.11.2011, Az.: I-2 U 41/11, BeckRS 2011, 139629; Urt. v. 31.08.2017, Az.: I-2 U 6/17, BeckRS 2017, 125978). Die Notwendigkeit einstweiligen Rechtschutzes kann sich deshalb im Einzelfall auch aus der eindeutigen Rechtslage als Solches ergeben (Senat, Urt. v. 10.11.2011, Az.: I-2 U 41/11, BeckRS 2011, 139629).

Abgesehen davon steht das Vorbringen der Verfügungsbeklagten dem Erlass einer einstweiligen Verfügung auch in der Sache nicht entgegen. Dass den Verfügungsbeklagten durch die einstweilige Verfügung der Zutritt zu einem sehr lukrativen Arzneimittelmarkt verwehrt wird, ist letztlich die Folge der mit dem Marktzutritt verbundenen Patentverletzung und ist per se nicht geeignet, das aus der Patentverletzung resultierende überwiegende Interesse der Verfügungsklägerin am Erlass der Unterlassungsverfügung zu beseitigen. Dies gilt auch dann, wenn es sich - wie hier - bei der angegriffenen Ausführungsform um eine mit einem Arzneimittel vorbefüllte Spritzenvorrichtung handelt, die einer einheitlichen Gesamt-Marktzulassung unterliegt. Selbst wenn, was letztlich dahinstehen kann, der wirtschaftliche Wert der angegriffenen Ausführungsform vorrangig durch das enthaltene Arzneimittel und nicht durch die entsprechende Abgabevorrichtung gebildet wird, handelt es sich letztlich gleichwohl um ein einheitliches, patentverletzendes Produkt, durch welches die Interessen der Verfügungsklägerin maßgeblich beeinträchtigt werden.

So sind auch in einem solchen Fall die Marktaussichten für die Verfügungsklägerin günstiger, wenn die angegriffene Ausführungsform vom Markt genommen werden muss bzw. erst gar nicht auf den Markt kommt. Ohne eine im einstweiligen Verfügungsverfahren ergangene Unterlassungsanordnung könnte die Verfügungsklägerin gezwungen sein, das von ihr angebotene Produkt "E" preislich zu reduzieren. Zudem droht ihr ein Schaden dadurch, dass die Verfügungsbeklagten mit der angegriffenen Ausführungsform Marktanteile für sich einnehmen, welche ohne die Wettbewerbssituation grundsätzlich zumindest auch der Verfügungsklägerin zugutekämen. Den Interessen der Verfügungsbeklagten kann in hinreichender Weise - wie geschehen - wirksam durch die Anordnung einer angemessenen Sicherheitsleistung begegnet werden, von deren Erbringung die Vollziehung der einstweiligen Verfügung abhängig ist (§ 938 ZPO).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Eines Ausspruches zur vorläufigen Vollstreckbarkeit bedurfte es nicht, weil das vorliegende Urteil als zweitinstanzliche Entscheidung im Verfahren der einstweiligen Verfügung keinem Rechtsmittel mehr unterliegt (§ 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO) und ohne besonderen Ausspruch endgültig vollstreckbar ist.

Wie auch das Landgericht hat der Senat die Vollziehung der einstweiligen Verfügung nach §§ 925, 936 ZPO davon abhängig gemacht, dass die Verfügungsklägerin zuvor eine Sicherheitsleistung erbringt, die sich aus § 945 ZPO ergebende Schadenersatzansprüche der Antragsgegnerin absichert. Da wegen der eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten im Eilverfahren nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich die einstweilige Verfügung im Hauptsacheverfahren als ungerechtfertigt erweist und die Verfügungsklägerin der Verfügungsbeklagten nach § 945 ZPO Schadenersatz leisten muss, kann die Vollziehung einer Unterlassungsverfügung wegen Patentverletzung keinen geringeren Anforderungen unterliegen als die Vollstreckung eines erstinstanzlichen Unterlassungsurteils. In Bezug auf die Höhe der Sicherheitsleistung hat sich der Senat an dem auf das Unterlassungsbegehren entfallenden Streitwert orientiert (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR-Prax 2016, 240; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 11. Aufl., Abschn. G, Rz. 78).

X Y Z