OLG Hamm, Beschluss vom 04.06.2019 - 4 RBs 181/19
Fundstelle
openJur 2019, 29000
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 78a OWi 70/19

Bei Erhebung der Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs durch unberechtigte Einspruchsverwerfung (anstatt der Entscheidung aufgrund Abwesenheitsverhandlung unter Berücksichtigung des aktenkundlichen Vorbringens des Betroffenen) bedarf es des Vortrags, dass und wie sich der Betroffene bis zur tatrichterlichen Entscheidung erklärt hat.

Tenor

Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wird verworfen.

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Betroffene (§ 473 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG).

Gründe

I.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid des Kreises Q vom 04.01.2019, mit dem gegen den Betroffenen wegen einer Abstandsunterschreitung ein Bußgeld von 80 Euro festgesetzt worden war, verworfen. Zur Begründung führt es aus, dass der Betroffene nicht von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden worden und im Termin ohne genügende Entschuldigung nicht erschienen sei.

Gegen das Urteil wendet sich der Betroffene mit dem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde. Er rügt eine Verletzung "formellen und sachlichen Rechts". Konkret macht er geltend, dass das Amtsgericht den Einspruch wegen unentschuldigten Nichterscheinens des Betroffenen verworfen habe, obwohl dieser vor der Hauptverhandlung auf seinen Antrag hin von seiner Pflicht zum persönlichen Erscheinen entbunden worden sei.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde wegen einer Verletzung des Anspruchs des Betroffenen auf rechtliches Gehör zuzulassen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen. Sie führt u.a. aus, dass die Rüge zulässig erhoben worden sei. Zwar habe der Betroffene in der Begründung des Zulassungsantrages seine schriftsätzliche Einlassung gegenüber dem Amtsgericht nicht ausgeführt. Diese sei aber als Anlage der Begründung beigefügt gewesen, so dass wegen der Überschaubarkeit des Sachverhaltsvortrages eine Ausnahme von der Unzulässigkeit der Bezugnahme auf Anlagen auszugehen sei. Es komme daher auf den Streit in der obergerichtlichen Rechtsprechung, ob überhaupt in der Begründung des Zulassungsantrages vorzutragen sei, welcher Vortrag infolge der Einspruchsverwerfung unberücksichtigt geblieben ist, nicht an.

II.

Der Zulassungsantrag war zu verwerfen, da es nicht geboten ist, die Nachprüfung des angefochtenen Urteils zur Fortbildung des (materiellen) Rechts zu ermöglichen oder das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben (§ 80 Abs. 1, 2, 4 Satz 3 OWiG).

Einzig in Betracht kommender Zulassungsgrund ist hier der wegen Versagung des rechtlichen Gehörs. Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs genügt aber nicht den an eine Verfahrensrüge zu stellenden Begründungsanforderungen gem. §§ 79 Abs. 3 OWiG, 344 Abs. 2 StPO. Zur Rügebegründung gehört auch, welcher Sachvortrag, der nach § 74 Abs. 1 S. 2 OWiG in die Hauptverhandlung einzuführen gewesen wäre, infolge der Einspruchsverwerfung unberücksichtigt geblieben ist. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist nur dann verletzt, wenn die Einspruchsverwerfung dazu geführt hat, dass eine sachliche Einlassung des Betroffenen nicht berücksichtigt worden ist (OLG Brandenburg, Beschl. v. 26.06.2014 - (2Z) 53 Ss-OWi 249/14 (1135/14); OLG Düsseldorf, Beschl. v. 04.04.2011 - IV - 3 RBs 52/11 m. Anm. Krenberger, jurisPR-VerkR 15/2011 Anm. 6, jew. m.w.N.; a.A. OLG Oldenburg NZV 2011, 563). Dementsprechend bedarf es bei Erhebung der Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs durch unberechtigte Einspruchsverwerfung (anstatt der Entscheidung aufgrund Abwesenheitsverhandlung unter Berücksichtigung des aktenkundlichen Vorbringens des Betroffenen) des Vortrags, dass und wie sich der Betroffene bisher erklärt hat (OLG Brandenburg a.a.O.; OLG Düssseldorf a.a.O.).

Vorliegend enthält die Begründung des Zulassungsantrages keinerlei Vortrag hierzu. Anders als die Verteidigung mit Schriftsatz vom 03.06.2019 ausführt, ist der Inhalt des Schreibens vom 21.03.2019 in der Rechtsbeschwerdebegründung nur insoweit dargestellt, als darin der Antrag auf Entbindung des Betroffenen von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen benannt wird, nicht aber eine etwaige Einlassung des Betroffenen zur Sache. Es wird auch noch nicht einmal im Rahmen der Rechtsbeschwerdebegründung auf etwaige, dem Begründungsschriftsatz beigefügte Anlagen Bezug genommen, so dass sich schon alleine deswegen eine Berücksichtigung etwaiger Anlagen verbietet. Darüber hinaus, sieht der Senat aber auch keinen Anlass, von der einhelligen revisionsgerichtlichen Rechtsprechung (auf die er hingewiesen hat), welche auch für das Rechtsbeschwerdeverfahren nach dem OWiG bedeutsam ist, da die Anforderungen an die Rechtsbeschwerdebegründung denen an eine Revisionsbegründung entsprechen (§§ 79 Abs. 3 OWiG, 344 Abs. 2 StPO), abzuweichen. Dementsprechend muss die Rechtsbeschwerdebegründung den Verfahrensfehler ohne Bezugnahme oder Verweisungen unmittelbar selbst enthalten (vgl. nur: OLG Hamm NStZ 2019, 109; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 344 Rdn. 21 m.w.N.).

Eine Vorlage an den Bundesgerichtshof wegen einer Abweichung von der o.g. Entscheidung des OLG Oldenburg nach §§ 79 Abs. 3 OWiG, 121 Abs. 2 GVG scheidet aus (vgl. BGH, Beschl. v. 14.-09.2004 - 4 StR 62/04 - juris; OLG Brandenburg a.a.O.; OLG Oldenburg a.a.O.).