Niedersächsisches OVG, Urteil vom 06.04.2018 - 10 LB 109/18
Fundstelle
openJur 2019, 38810
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 7 A 5868/15

Die Aufnahmebedingungen für in Italien bereits anerkannte Schutzberechtigte weisen keine systemischen Mängel auf, die die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EUGrCh und Art. 3 EMRK bei ihrer Rücküberstellung nach Italien begründen.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das auf die mündliche Verhandlung vom 3. Mai 2017 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover – Einzelrichter der 7. Kammer – wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner kann eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in der Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger, dem in Italien der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden ist, wendet sich gegen die Androhung seiner Abschiebung nach Italien und begehrt die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG in Bezug auf Italien.

Der im Jahr 1991 geborene Kläger, der Personalpapiere seines Heimatlands nicht vorgelegt hat, ist nach eigenen Angaben afghanischer Staatsangehöriger paschtunischer Volks- und islamischer Religionszugehörigkeit. Er reiste am 24. Januar 2015 auf dem Landweg nach Deutschland ein und stellte am 3. September 2015 einen Asylantrag. Nach Mitteilung der zuständigen italienischen Behörde vom 13. Oktober 2015 war ihm der Flüchtlingsstatus bereits in Italien zuerkannt worden, weshalb seine Rückübernahme gemäß der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) nicht möglich sei.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte mit Bescheid vom 6. November 2015 den Asylantrag des Klägers als unzulässig ab (Ziffer 1), drohte ihm die Abschiebung nach Italien an und stellte fest, dass er nicht nach Afghanistan abgeschoben werden darf (Ziffer 2). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot befristete es gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 3). Eine Feststellung zu Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG hinsichtlich Italien wurde nicht getroffen.

Der Kläger hat am 24. November 2015 Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, sein Gesundheitszustand würde sich durch eine Abschiebung nach Italien wesentlich verschlechtern. Er sei psychisch sehr belastet. Er leide an Schlafstörungen und habe den Tod seines Bruders im Oktober 2015 nicht verarbeitet. Für seine Psyche sei es wichtig, dass er das Grab seines Bruders in Deutschland regelmäßig besuchen und auch pflegen könne.

Er hat ferner einen Entlassungsbrief des Klinikums F. vom 22. November 2016 über seinen dortigen Aufenthalt vom 12. Oktober bis 22. November 2016 vorgelegt. Danach sind bei dem Kläger eine mittelgradige depressive Episode, Schwierigkeiten bei der kulturellen Eingewöhnung und ein Abhängigkeitssyndrom diagnostiziert worden. Als psychischer Befund wurde eine gedrückte, depressiv gefärbte Stimmungslage festgestellt, wobei er sich glaubhaft von Suizidalität distanziert habe. Er sei am 20. Oktober und 14. November 2016 positiv auf Cannabis getestet worden. Er leide unter starken Zukunftssorgen und über ein Engegefühl im Flüchtlingslager. Zum Entlassungszeitpunkt hätten keine Hinweise auf eine Eigen- oder Fremdgefährdung vorgelegen.

Mit Schriftsatz und Bescheid vom 11. Januar 2017 hat das Bundesamt seine Entscheidung vom 6. November 2015 ergänzt und festgestellt, dass Abschiebungsverbote hinsichtlich Italien nicht vorliegen.

Nach teilweiser Rücknahme der Klage, soweit der Kläger sich ursprünglich auch gegen die Ablehnung seines Asylantrags als unzulässig gewandt hatte, hat der Kläger beantragt,

1. den Bescheid der Beklagten vom 6. November 2015 in Gestalt der Ergänzung durch den Schriftsatz der Beklagten vom 11. Januar 2017 insoweit aufzuheben, als darin die Feststellung von Abschiebungsverboten zu seinen Gunsten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG abgelehnt worden ist.

2. hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung der Ziffer 3 des angegriffenen Bescheids vom 6. November 2015 zu verpflichten, die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bestimmen.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht hat mit dem auf die mündliche Verhandlung vom 3. Mai 2017 ergangenen und den Beteiligten durch Zustellung bekannt gegebenen Urteil das Verfahren eingestellt, soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, und im Übrigen die Klage abgewiesen. Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG lägen in Bezug auf Italien nicht vor. Italien sei als Mitglied der Europäischen Union ein sicherer Drittstaat. Den Regelungen über sichere Drittstaaten liege das Konzept einer normativen Vergewisserung über die Sicherheit im Drittstaat zugrunde. Für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union folge diese normative Vergewisserung unmittelbar aus der Verfassung. Der Betroffene sei daher grundsätzlich mit der Behauptung ausgeschlossen, der Drittstaat werde in seinem Fall seine Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht erfüllen. Eine Ausnahme komme in Betracht, wenn der Drittstaat selbst gegen den Schutzsuchenden zu Maßnahmen politischer Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK greife und dadurch zum Verfolgerstaat werde. Nach der aktuellen Auskunftslage sei aber nicht erkennbar, dass anerkannten Schutzberechtigten in Italien eine unmenschliche      oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK drohe. Auch die Erkrankung des Klägers begründe kein Abschiebungsverbot, da sie nicht lebensbedrohlich sei und in Italien ohne Weiteres behandelt werden könne. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot für 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung sei rechtsfehlerfrei. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang vortrage, dass sein Bruder in Deutschland begraben und es für seine Psyche wichtig sei, das Grab seines Bruders regelmäßig besuchen und pflegen zu können, könne darin keine derart schützenswerte Bindung an das Bundesgebiet gesehen werden, dass eine kürzere Befristung rechtlich geboten sei.

Auf den Antrag des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom 14. Februar 2018 die Berufung wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Der Kläger hat zur Begründung der Berufung fristgerecht vorgetragen, es sei nicht auf formale Aspekte wie die Inländergleichbehandlung oder theoretische Zugangsmöglichkeiten zu staatlichen oder karitativen Unterstützungsleistungen abzustellen. Denn bei der Prüfung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK bzw. bei der Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG seien die faktischen Zugangsmöglichkeiten zu Wohnraum und Arbeit maßgeblich. Insofern bestünden grundlegende Unterschiede zwischen schutzsuchenden und bereits als Flüchtlinge anerkannten Personen in Italien. Anerkannte Schutzberechtigte hätten lediglich die Möglichkeit einer auf 6 Monate befristeten Aufnahme im sogenannten SPRAR-System. Aber auch dieser Anspruch sei ausgeschlossen, wenn die betroffene Person die ihr zugewiesene staatliche Aufnahmeeinrichtung verlassen habe, ohne die zuständigen Stellen zu benachrichtigen. Auch Sozialleistungen erhielten anerkannte Schutzberechtigten nicht. Sie seien aber nicht in der Lage, ihren Lebensunterhalt durch eigene Arbeitsleistung sicherzustellen. Da sie in Italien nicht über ein familiäres Netz verfügten, seien sie insofern schlechter gestellt als italienische Staatsangehörige. Schließlich ergebe sich ein Abschiebungsverbot aus seiner psychischen Erkrankung, da er sich nach wie vor in therapeutischer Behandlung befinde. Die unzureichende Versorgung psychischer Erkrankungen in Italien wirke sich nicht nur negativ auf den Gesundheitszustand aus, sondern beeinträchtige auch die Befriedigung elementarer Grundbedürfnisse und führe zu einem Leben in Obdachlosigkeit.

Der Kläger beantragt,

das auf die mündliche Verhandlung vom 3. Mai 2017 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover zu ändern und die Beklagte unter Teilaufhebung ihres Bescheids vom 6. November 2015 in Gestalt der Ergänzung vom 11. Januar 2017 zu der Feststellung zu verpflichten, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG in Bezug auf Italien vorliegen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Gründe

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage hinsichtlich der Anfechtung der Ziffern 2 (Androhung der Abschiebung nach Italien) und 3 (Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots) des Bescheids der Beklagten vom 6. November 2015 in Gestalt der Ergänzung durch den Schriftsatz und Bescheid der Beklagten vom 11. Januar 2017, soweit darin die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG abgelehnt worden ist, zu Recht abgewiesen (dazu unter 1.) Auch der erst im Berufungsverfahren gestellte Verpflichtungsantrag des Klägers hat keinen Erfolg (dazu unter 2.).

Dabei sieht sich der Senat durch den Vorlagebeschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. März 2017 (- 1 C 17/16 -, juris) nicht an einer Entscheidung gehindert. Denn in dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Fall ging es um einen Folgeantrag mit dem Ziel der "Aufstockung" und um die Frage, ob ein Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes unzulässig ist, wenn dem Antragsteller in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union bereits subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist. Im vorliegenden Fall geht es jedoch allein um die Frage, ob der Abschiebung des Klägers nach Italien die nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG entgegenstehen bzw. ob der Kläger einen Anspruch auf Feststellung des Vorliegens dieser Abschiebungsverbote hat.

Auch der Vorlagebeschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Juni 2017 (- 1 C 26/16 -, juris) ist hier nicht einschlägig. Diese Vorlage betrifft die Frage, ob ein Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abgelehnt werden kann wegen der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Italien, wenn die dortigen Lebensbedingungen möglicherweise den Anforderungen der Artikel 20 ff. der Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie) nicht genügen, ohne bereits gegen Art. 4 EUGrCh bzw. Art. 3 EMRK zu verstoßen. Im vorliegenden Fall geht es jedoch nicht um einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes. Denn der Kläger hat die Klage, soweit er sich zunächst gegen die Ablehnung seines Asylantrags als unzulässig gewandt und die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft begehrt hatte, bereits im erstinstanzlichen Verfahren zurückgenommen. Außerdem verstoßen nach Auffassung des Senats die Lebensverhältnisse in Italien für anerkannte Schutzberechtigte – wie im Folgenden dargestellt wird – nicht gegen die Qualifikationsrichtlinie, so dass die Vorlagefrage auch aus diesem Grunde hier nicht einschlägig ist.

1. Soweit der Kläger den Bescheid der Beklagten vom 6. November 2015 in Gestalt der Ergänzung durch den Bescheid der Beklagten vom 11. Januar 2017 anficht, ist die Klage als Anfechtungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Denn der angefochtene Bescheid ist insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

a) Das beklagte Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) hat in der Ergänzung seines Bescheids vom 6. November 2015 durch seinen Schriftsatz und Bescheid vom 11. Januar 2017 zu Recht das Vorliegen von nationalen Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG verneint. Denn die Voraussetzungen für die Feststellung von Abschiebungsverboten nach diesen Vorschriften in Bezug auf Italien liegen nicht vor.

aa) Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden. Gleichlautend verbietet dies auch Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: EUGrCh).

Bei der Prüfung, ob Italien hinsichtlich der Behandlung von rücküberstellten Schutzberechtigten gegen Art. 3 EMRK verstößt, ist ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. Senatsurteil vom 29.01.2018 – 10 LB 82/17 –, juris Rn. 28). Denn Italien unterliegt als Mitgliedstaat der Europäischen Union deren Recht und ist den Grundsätzen einer gemeinsamen Asylpolitik sowie den Mindeststandards des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems verpflichtet. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und in der EMRK finden. Daraus hat der Europäische Gerichtshof die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 –, Rn. 80). Diese Vermutung ist zwar nicht unwiderleglich. Eine Widerlegung der Vermutung hat der Europäische Gerichtshof aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU (Abl. 2013, L 180/96), die Qualifikationsrichtlinie oder die Verfahrensrichtlinie 2013/32/EU (Abl. 2013, L 180/60) genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln. Ist hingegen ernsthaft zu befürchten, dass die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber bzw. anerkannte Schutzberechtigte im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Personen im Sinne von Art. 4 EUGrCh bzw. Art. 3 EMRK zur Folge haben, ist eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 – 10 B 6.14 –, juris Rn. 6).

Für das in Deutschland – im Unterschied zu anderen Rechtssystemen – durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 EUGrCh bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 – 10 C 5.09 –, BVerwGE 136, 377, Rn. 22 m.w.N.) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Dies entspricht dem Maßstab des „real risk“ in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. EGMR, Große Kammer, Urteil vom 28.02.2008 – Nr. 37201/06, Saadi –, NVwZ 2008, 1330, Rn. 129; BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 – 10 C 23/12 –, juris Rn. 32). Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 –, Rn. 88 bis 94), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der oben genannten Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 – 10 B 6.14 –, juris Rn. 9).

Das erfordert eine aktuelle Gesamtwürdigung der zur jeweiligen Situation vorliegenden Berichte und Stellungnahmen, wobei regelmäßigen und übereinstimmenden Berichten von internationalen Nichtregierungsorganisationen besondere Bedeutung zukommt (BVerfG, Beschluss vom 21.04.2016 – 2 BvR 273/16 –, juris Rn. 11; vgl. auch EuGH, Urteil vom 21.12.2011, – C-411/10 und C-493/10 –, juris Rn. 90 f.). Das gilt insbesondere für die Stellungnahmen des UNHCR angesichts der Rolle, die diesem in Hinblick auf die Überwachung der Einhaltung der GFK (vgl. dort Art. 35) übertragen worden ist (vgl. EuGH, Urteil vom 30.05.2013 – C-528/11 –, juris Rn. 44).

Zur Bestimmung der wesentlichen Kriterien für das Vorliegen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ist auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu dem mit Art. 4 EUGrCh übereinstimmenden Art. 3 EMRK zurückzugreifen (Senatsurteil vom 29.01.2018 – 10 LB 82/17 –, juris Rn. 31; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 25.06.2015 – 11 LB 248/14 –, juris Rn. 43; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2014 – 1 A 21/12.A –, juris Rn. 112). Eine Behandlung ist unmenschlich, wenn sie absichtlich über Stunden erfolgt und entweder tatsächliche körperliche Verletzungen oder schwere körperliche oder psychische Leiden verursacht. Als erniedrigend ist eine Behandlung dann anzusehen, wenn sie eine Person demütigt oder herabwürdigt und fehlenden Respekt für ihre Menschenwürde zeigt oder diese herabmindert oder wenn sie Gefühle der Furcht, Angst oder Unterlegenheit hervorruft, die geeignet sind, den moralischen oder psychischen Widerstand der Person zu brechen (EGMR, Urteil vom 21.01.2011 – 30696/09 –, M.S.S./Belgium and Greece, NVwZ 2011, 413, Rn. 220). Die Behandlung bzw. Misshandlung muss dabei, um in den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu fallen, einen Mindestgrad an Schwere erreichen. Dessen Beurteilung ist allerdings relativ, hängt also von den Umständen des Falles ab, insbesondere von der Dauer der Behandlung und ihren physischen und psychischen Auswirkungen sowie mitunter auch vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers (EGMR, Urteil vom 21.01.2011, a.a.O., Rn. 219).

Im Hinblick auf die Situation rücküberstellter Schutzberechtigter ist ferner zu beachten, dass Art. 3 EMRK die Vertragsstaaten nicht aus sich heraus dazu verpflichtet, jedermann in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen und Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen. Art. 3 EMRK ist im Kern ein Abwehrrecht gegen unwürdiges Staatsverhalten im Sinne eines strukturellen Versagens bei dem durch den Vertragsstaat zu gewährenden angemessenen materiellen Mindestniveau und weniger ein individuelles Leistungsrecht einzelner Personen auf bestimmte materielle Lebens- und Sozialbedingungen. Anerkannte Schutzberechtigte müssen sich deshalb auf den für alle italienischen Staatsangehörigen vorhandenen Lebensstandard verweisen lassen (vgl. Senatsurteil vom 29.01.2018 – 10 LB 82/17 –, juris Rn. 32; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31.08.2016 – 3 L 94/16 –, juris Rn. 9 und 11). Durch Missstände im sozialen Bereich wird die Eingriffsschwelle von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EUGrCh mithin nur unter strengen Voraussetzungen überschritten (Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 10.03.2017    – 2 ME 63/17 –). Es ist aber jedenfalls mit Art. 3 EMRK unvereinbar, wenn sich ein Asylbewerber, der von staatlicher Unterstützung vollständig abhängig ist und sich in einer gravierenden Mangel- oder Notsituation befindet, staatlicher Gleichgültigkeit ausgesetzt sieht (vgl. EGMR, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 53). Die Verpflichtung zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung kann sich ferner aus europarechtlichen Verpflichtungen wie der Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie) ergeben (vgl. EGMR, Urteil vom 21.01.2011, a.a.O., Rn. 249-250; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 15.11.2016 – 8 LB 92/15 –, juris, und Beschluss vom 20.12.2016 – 8 LB 184/15 –, juris Rn. 57 m.w.N.). Die Qualifikationsrichtlinie garantiert anerkannten Flüchtlingen den Zugang zu Sozialhilfeleistungen und zu medizinischer Versorgung zu denselben Bedingungen wie Staatsangehörigen des aufnehmenden Staats (Art. 29 Abs. 1 und 30 Abs. 1) sowie den Zugang zu Wohnraum zu gleichwertigen Bedingungen wie sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet aufhaltenden Drittstaatsangehörigen (Art. 32 Abs. 1).

Zusammenfassend liegt eine ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EUGrCh bzw. Art. 3 EMRK (insbesondere) vor, wenn im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung mit Blick auf das Gewicht und das Ausmaß einer drohenden Beeinträchtigung dieses Grundrechts mit einem beachtlichen Grad von Wahrscheinlichkeit die reale, nämlich durch eine hinreichend gesicherte Tatsachengrundlage belegte Gefahr besteht, dass der Betroffene in dem Mitgliedstaat, in den er überstellt werden soll, wegen einer grundlegend defizitären Ausstattung mit den notwendigen Mitteln die elementaren Grundbedürfnisse des Menschen (wie z.B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme und Hygienebedürfnisse) - im Unterschied zu den Staatsangehörigen des betreffenden Mitgliedstaats - nicht in einer noch zumutbaren Weise befriedigen kann (Senatsurteil vom 29.01.2018 – 10 LB 82/17 –, juris Rn. 32 und 34; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 20.12.2016 – 8 LB 184/15 –, juris Rn. 36) und der betreffende Mitgliedstaat dem mit Gleichgültigkeit begegnet, weil er auf die gravierende Mangel- und Notsituation nicht mit (geeigneten) Maßnahmen reagiert (Senatsurteil vom 29.01.2018 – 10 LB 82/17 – juris Rn. 32 und 40).

Nach diesen strengen Maßstäben bestehen in Italien keine grundlegenden Defizite im Hinblick auf die Aufnahmebedingungen für anerkannte Schutzberechtigte, da diese in ihrer Gesamtheit zur Überzeugung des Senats nicht die Annahme rechtfertigen, dass anerkannten Schutzberechtigten – wie dem Kläger – bei einer Abschiebung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 EUGrCh bzw. Art. 3 EMRK droht (ebenfalls eine drohende Verletzung von Art. 3 EMRK für rücküberstellte anerkannte Schutzberechtigte verneinend: OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24.08.2016 – 13 A 63/16. A –, juris Rn. 51 ff; VG Braunschweig, Urteil vom 26.09.2017 – 7 A 338/16 –, juris Rn. 57 ff.).

Für Dublin-Rückkehrer, die in Italien noch keinen Schutzstatus erhalten haben, hat der Senat in seinem Urteil vom 4. April 2018 (- 10 LB 96/17 -, juris) systemische Mängel in den Aufnahmebedingungen und die beachtliche Wahrscheinlichkeit von Verstößen gegen Art. 4 EUGrCh und Art. 3 EMRK ebenfalls verneint. Anerkannte Schutzberechtigte befinden sich nach ihrer Rückkehr nach Italien hinsichtlich des Zugangs zu Wohnraum und zu den Leistungen zum Lebensunterhalt zwar in einer schwierigeren Situation als Dublin-Rückkehrer, die noch keinen Schutzstatus erhalten haben, doch auch in ihrem Fall können systemische Mängel in den Aufnahmebedingungen, die eine Verletzung von Art. 4 EUGrCh bzw. Art. 3 EMRK begründen, nicht festgestellt werden. Auch die Vorgaben der Qualifikationsrichtlinie sind für diesen Personenkreis erfüllt. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Anerkannte Schutzberechtigte erhalten eine Aufenthaltsbewilligung, die 5 Jahre gültig ist, bei Ablauf in der Regel automatisch verlängert wird (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, Mai 2011, Seite 31, und Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seite 34) und Zugang zum Arbeitsmarkt bzw. zu einer Berufsausbildung verschafft (BAMF, Länderinformation: Italien, Stand: Mai 2017, Seite 3). Sie können mit dieser Aufenthaltsbewilligung ein- und ausreisen und sich in Italien ohne Einschränkungen bewegen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seite 33).

Sie sind bezüglich der sozialen Rechte und dem Zugang zu Sozialleistungen den italienischen Staatsangehörigen völlig gleichgestellt (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seite 35, und Anlage vom 31.07.2017 zu der Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.09.2017, Seite 3). Angesichts dessen, dass das italienische Sozialsystem nicht dem deutschen Sozialsystem vergleichbar ausgestaltet ist und sowohl für anerkannte Flüchtlinge als auch für italienische Staatsangehörige gleichermaßen deutlich weniger Fürsorgeleistungen vorhält, bedeutet dies aber auch, dass von ihnen grundsätzlich erwartet wird, dass sie selbst für ihre Unterbringung und ihren Lebensunterhalt sorgen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seiten 35 und 49, und Anlage vom 31.07.2017 zu der Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.09.2017, Seite 1). Soweit es danach im Bereich der Versorgung mit einer Unterkunft und mit den Leistungen zum Lebensunterhalt – wie im Folgenden dargestellt wird – zu Problemen kommen kann, ergeben sich daraus keine systemischen Mängel in den Aufnahmebedingungen für anerkannte Schutzberechtigte, die eine Verletzung von Art. 4 EUGrCh bzw. Art. 3 EMRK begründen (so auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24.08.2016 – 13 A 63/16. A –, juris Rn. 55 ff.). Denn Art. 3 EMRK ist nach dem oben dargestellten Maßstab im Kern ein Abwehrrecht gegen unwürdiges Verhalten eines Staates, der mit Gleichgültigkeit auf eine gravierende Mangel- und Notsituation reagiert, und begründet beispielsweise keinen individuellen Anspruch auf Versorgung mit einer Wohnung oder die allgemeine Verpflichtung, Flüchtlinge finanziell zu unterstützen. Anerkannte Schutzberechtigte müssen sich insbesondere auf die für alle italienischen Staatsangehörigen geltenden Voraussetzungen und Einschränkungen hinsichtlich des Empfangs von Sozialleistungen verweisen lassen (sogenannte Inländergleichbehandlung).

Höhere Anforderungen an die Versorgung von anerkannten Flüchtlingen ergeben sich auch nicht aus der Qualifikationsrichtlinie. Denn nach deren Art. 29 Abs. 1 tragen die Mitgliedstaaten “nur“ dafür Sorge, dass Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, in dem Mitgliedstaat, der diesen Schutz gewährt hat, die notwendige Sozialhilfe – wie Staatsangehörige dieses Mitgliedstaats – erhalten. Nach Art. 30 Abs. 1 der Richtlinie tragen die Mitgliedstaaten ferner dafür Sorge, dass diese Personen zu denselben Bedingungen – wie Staatsangehörige des ihren Schutz gewährenden Mitgliedstaats – Zugang zu medizinischer Versorgung haben. Schließlich muss nach Art. 32 Abs. 1 der Richtlinie auch der Zugang zu Wohnraum “nur“ unter den Bedingungen gewährleistet werden, die den Bedingungen gleichwertig sind, die für andere Drittstaatsangehörige gelten, die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats aufhalten. Da Italien anerkannte Schutzberechtigte im Hinblick auf die Sozialleistungen genauso behandelt wie seine eigenen Staatsangehörigen, scheidet deshalb auch ein Verstoß gegen die Qualifikationsrichtlinie von vornherein aus (ebenso OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24.08.2016 – 13 A 63/16. A –, juris Rn. 58).

Demgegenüber kann nicht mit Erfolg eingewandt werden, dass Flüchtlinge, die die Landessprache oft nur unzureichend beherrschen, über kein familiäres Netzwerk in Italien verfügen, das sie bei fehlenden staatlichen Leistungen auffangen könnte, und sie insofern faktisch schlechter gestellt sind als die italienischen Staatsangehörigen. Denn dies ändert nichts daran, dass sie den Vorgaben der Qualifikationsrichtlinie entsprechend dieselben rechtlichen und tatsächlichen Zugangsmöglichkeiten zu den Sozialleistungen haben wie italienische Staatsangehörige. Im Unterschied beispielsweise zu der Lage in Bulgarien (siehe hierzu Senatsurteil vom 29.01.2018 – 10 LB 82/17 – juris Rn. 36 ff, 45 ff. und 49 ff.) werden sie nämlich nicht durch die rechtliche und tatsächliche Ausgestaltung des Zugangs zu den Sozialleistungen von diesen ausgeschlossen.

Davon abgesehen dürften auch viele italienische Staatsangehörige in der heutigen Zeit über kein ausreichendes familiäres Netzwerk mehr verfügen, das sie im Falle der Bedürftigkeit auffängt. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass gerade auch anerkannte Flüchtlinge Zugang zu den Hilfeleistungen kommunaler und karitativer Einrichtungen sowie der Nichtregierungsorganisationen (NGO’s) haben, die das fehlende familiäre Netzwerk zumindest teilweise ausgleichen. Denn diese versorgen sie nicht nur mit Lebensmitteln und Unterkunftsplätzen (Auswärtiges Amt, Anfragebeantwortung an OVG Nordrhein-Westfalen vom 23.02.2016 zum Az. 13 A 516/14.A, Seite 5; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seite 80), sondern bieten auch andere, speziell auf anerkannte Flüchtlinge zugeschnittene und durch staatliche sowie europäische Mittel geförderte Hilfen wie Jobtrainings, Praktika und Sprachkurse (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seite 53; BAMF, Länderinformation: Italien, Mai 2017, Seite 3) und auch Projekte an, die beim Übergang zur Selbstständigkeit nach der Beendigung der Unterbringung in einem SPRAR-Zentrum unterstützen sollen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seite 51).

Über die Hilfen durch kommunale und karitative Einrichtungen sowie NGO’s hinaus sind rücküberstellte anerkannte Schutzberechtigte aber auch im Hinblick auf staatliche Hilfen keineswegs gänzlich auf sich selbst gestellt. Unabhängig von dem oben genannten Gesichtspunkt der sogenannten Inländergleichbehandlung kann deshalb auch aus diesem Grund eine Verletzung der Rechte aus Art. 4 EUGrCh und Art. 3 EMRK nicht festgestellt werden, zumal der italienische Staat auf die Situation anerkannter Flüchtlinge nicht mit Gleichgültigkeit reagiert.

Anerkannte Flüchtlinge haben im Rahmen der bestehenden Kapazitäten und sofern die maximale Aufenthaltsdauer von 6 Monaten, die unter bestimmten Voraussetzungen (bei Gesundheitsproblemen oder im Hinblick auf bestimmte Integrationsziele) um weitere 6 Monate verlängert werden kann, noch nicht ausgeschöpft ist, Zugang zum Zweitaufnahmesystem SPRAR, das zur Zeit über 31.313 Plätze verfügt. (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.09.2017, Seite 1, Anlage vom 31.07.2017 zu der Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.09.2017, Seite 1, und Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seiten 29, 35 f. und 39; BAMF, Länderinformation: Italien, Stand: Mai 2017, Seite 3). Bei den SPRAR handelt es sich um eine dezentrale auf lokaler Ebene organisierte (Zweit-)Unterbringung, die aus einem Netzwerk von Unterkünften und überwiegend aus Wohnungen besteht, auf einer Zusammenarbeit zwischen dem Innenministerium, den Gemeinden und verschiedenen NGO‘s basiert und die Teilhabe am kommunalen Leben fördern soll. Die Unterbringung wird von Unterstützungs- und Integrationsmaßnahmen (Rechtsberatung, Sprachkurse, psychosoziale Unterstützung, Jobtrainings, Praktika, Unterstützung bei der Suche einer Stelle auf dem Arbeitsmarkt) begleitet (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seiten 35 f. und 53, und Anlage vom 31.07.2017 zu der Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.09.2017, Seite 6; BAMF, Länderinformation: Italien, Mai 2017, Seiten 1 und 2). Neben Lebensmitteln erhalten die Bewohner auch ein Taschengeld je nach SPRAR-Projekt zwischen 1,50 Euro/Tag und 3 Euro/Tag (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seite 50, und Anlage vom 31.07.2017 zu der Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.09.2017, Seite 3; BAMF, Länderinformation: Italien, Stand: Mai 2017, Seiten 1 und 2).

Soweit (in der Vergangenheit) die Plätze in den SPRAR-Einrichtungen (wie möglicherweise auch in anderen Einrichtungen) nicht ausreichend (gewesen) sein sollten, ergibt sich daraus schon deshalb keine Verletzung der Rechte aus Art. 4 EUGrCh und Art. 3 EMRK, weil diese Rechte die Staaten weder verpflichten, eine absolut bestimmbare Mindestanzahl von Unterkünften zur Verfügung zu stellen, noch dazu, rein vorsorglich Unterkunftskapazitäten im Umfang einer "Spitzenbelastung" vorzuhalten (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.07.2016 – 13 A 2302/15.A –, juris Rn. 90).

Deshalb und weil von dem Einzelfall des Klägers ausgehend nicht auf die gesamte Unterkunftssituation in Italien geschlossen werden kann, führt auch der Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung, dass während seines 15-tägigen Aufenthalts in Italien im Jahr 2014 in den Unterkunftszentren, in denen er untergebracht gewesen sei, katastrophale Zustände geherrscht hätten, zu keiner anderen Beurteilung der gegenwärtigen Unterkunftssituation in Italien, zumal der italienische Staat die Unterkunftskapazitäten in den letzten Jahren erheblich ausgebaut hat. Denn Ende Februar 2015 waren lediglich 67.128 Plätze vorhanden, davon 9.504 im Erstaufnahmesystem, 20.596 im SPRAR-System und 37.028 in den Notfallzentren (Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 23.04.2015, Anfragebeantwortung an VG Schwerin, Seite 2; Auswärtiges Amt vom 25.03.2015, Anfragebeantwortung an VG Schwerin, Seite 2), nunmehr bestehen 183.225 Plätze im Unterkunftssystem (siehe hierzu ausführlich das Senatsurteil vom 04.04.2018 – 10 LB 96/17 -, juris), davon 31.313 Plätze im SPRAR-System (SFH, Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.09.2017, Seite 2).

Allerdings haben anerkannte Schutzberechtigte in der Regel keinen Zugang zum SPRAR-System mehr, wenn sie einmal in einer SPRAR- Unterkunft aufgenommen worden sind und diese wieder verlassen haben. Von dieser Regel kann nur abgewichen werden, wenn die betroffene Person einen Antrag beim Innenministerium einreicht und neue “Verletzlichkeiten“ vorbringt (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seite 36, und Anlage vom 31.07.2017 zu der Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.09.2017, Seite 1). In diesem Fall ebenso wie in dem Fall, dass die maximale Aufenthaltsdauer in einer SPRAR-Einrichtung abgelaufen ist, haben die betroffenen Personen, sofern sie nicht in der Lage sind, für sich selbst zu sorgen und eine Wohnung zu mieten, und auch keinen Unterkunftsplatz in den bereits erwähnten kommunalen und karitativen Einrichtungen oder mit Hilfe der NGO’s erhalten, ebenso wie italienische Staatsangehörige in vergleichbarer Situation nur Zugang zu Notschlafstellen und zu Unterkünften in besetzten Häusern (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Anlage vom 31.07.2017 zu der Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.09.2017, Seite 2). Daraus ergibt sich aber kein systemisches Versagen bezüglich der Aufnahmebedingungen für rücküberstellte anerkannte Schutzberechtigte und keine Verletzung von Art. 3 EMRK und Art. 4 EUGrCh. Denn auch nach diesen rechtlichen Maßgaben ist der italienische Staat nicht gehindert, den Zugang zu den SPRAR-Einrichtungen von bestimmten - von den Schutzberechtigten erfüllbaren - Voraussetzungen abhängig zu machen und den Anspruch auf Unterkunft in einer solchen Einrichtung entfallen zu lassen, wenn der Schutzberechtigte die Unterkunft “eigenmächtig“ verlässt (vgl. Art 20 Abs. 1 a) der Aufnahmerichtlinie, wonach einem Antragsteller die gewährten materiellen Leistungen entzogen werden können, wenn dieser den von der zuständigen Behörde bestimmten Aufenthaltsort eigenmächtig verlässt), bzw. die Aufenthaltsdauer in einer solchen Einrichtung zu begrenzen. Aus diesem Verhalten des italienischen Staates kann deshalb auch nicht auf dessen Gleichgültigkeit gegenüber anerkannten Schutzberechtigten geschlossen werden.

Abgesehen davon sind anerkannte Flüchtlinge, sofern sie weder in einer staatlichen noch in einer kommunalen oder karitativen Einrichtung einen Unterkunftsplatz finden, genauso gestellt wie italienische Staatsangehörige in vergleichbarer Situation. Schon aus diesem Grund folgen – wie oben ausgeführt – aus den dargestellten Schwierigkeiten keine systemischen Mängel in den Aufnahmebedingungen für anerkannte Schutzberechtigte, die eine Verletzung von Art. 4 EUGrCh bzw. Art. 3 EMRK begründen.

Schließlich ergibt sich aus den verfügbaren Erkenntnisquellen auch nicht, dass tatsächlich der größte Teil der anerkannten Schutzberechtigten über einen längeren Zeitraum obdachlos ist. Denn danach ist ein im Verhältnis zu ihrer Gesamtzahl eher kleiner Teil der Migranten tatsächlich obdachlos bzw. lebt in besetzten Häusern. Nach Schätzung der MÈDECINS SANS FRONTIÈRES (= Ärzte ohne Grenzen) gibt es nämlich “nur“ ungefähr 10.000 obdachlose Menschen unter den Asylsuchenden und Schutzgenehmigungsinhabern (MSF, „OUT of sight“ – Second edition, Stand: 08.02.2018).

Einen Anspruch auf staatliche Sozialhilfe, die mit der in Deutschland gewährten Sozialhilfe vergleichbar ist, haben außerhalb der Aufnahmeeinrichtungen lebende und mangels hinreichender Chancen auf dem regulären Arbeitsmarkt oft auf Schwarzarbeit (beispielsweise in der Landwirtschaft) angewiesene Schutzberechtigte (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seite 52) ebenso wenig wie italienische Staatsangehörige (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seite 49). Es gibt ein Arbeitslosengeld, wenn jemand seine (legale) Arbeit verloren hat. Personen mit sehr geringem oder keinem Einkommen – wie viele anerkannte Schutzberechtigte – haben ferner die Möglichkeit, sich für einen “finanziellen Beitrag“ zu bewerben, dessen Höhe je nach Region bzw. Gemeinde sehr unterschiedlich ist (beispielsweise in Rom bis zu 500 Euro im Jahr, in Mailand 250 Euro pro Monat für einen Zeitraum von 6 Monaten) und dessen Gewährung von der Anzahl der Anfragen und dem verfügbaren Budget abhängt (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seiten 49 f., und Anlage vom 31.07.2017 zu der Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.09.2017, Seite 4). Da der italienische Staat die anerkannten Schutzberechtigten demnach auch in dieser Hinsicht genauso behandelt wie seine eigenen Staatsangehörigen, können auch insoweit systemische Mängel in den Aufnahmebedingungen, die eine Verletzung von Art. 4 EUGrCh bzw. Art. 3 EMRK begründen, nicht festgestellt werden.

Sowohl die innerhalb eines Unterkunftszentrums als auch die außerhalb einer solchen Einrichtung lebenden Schutzberechtigten haben schließlich einen Anspruch auf eine den Anforderungen aus Art. 4 EUGrCh bzw. Art. 3 EMRK jedenfalls genügenden kostenfreien Grund- und Notfallversorgung bei Krankheit oder Unfall sowie auf eine Präventivbehandlung zur Wahrung der individuellen und öffentlichen Gesundheit (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, Seite 54, und Anlage vom 31.07.2017 zu der Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.09.2017, Seite 4). Das beinhaltet einen in der Regel kostenlosen Zugang zu allen öffentlichen medizinischen Leistungen wie Arzt, Zahnarzt und Krankenhaus (Auswärtiges Amt, Anfragebeantwortung an OVG Nordrhein-Westfalen vom 23.02.2016, zum Az. 13 A 516/14.A, Seite 6). Sie haben in Bezug auf die medizinische Versorgung dieselben Rechte und Pflichten wie italienische Staatsbürger (BAMF, Länderinformation: Italien, Stand: Mai 2017, Seite 3).

Hinsichtlich des aufgrund Art. 4 EUGrCh und Art. 3 EMRK nicht zu fordernden Zugangs zu dem weiterführenden medizinischen Leistungsangebot in Italien hat der Senat in seinem Urteil vom 4. April 2018 (- 10 LB 96/17 -, juris) ausgeführt:

„Um von einem weiterführenden Leistungsangebot profitieren zu können müssen sich Schutzsuchende in den SSN („Servizio Sanitario Nazionale) einschreiben. Nach der Einschreibung in den SSN erhalten Schutzsuchende - und damit auch Dublin-Rückkehrer wie der Kläger - dieselbe medizinische Behandlung wie (arbeitslose) italienische Staatsbürger (vgl. dazu Aida, Country Report: Italy, 2016 Update, S. 79, 80 und SFH, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, S. 54).

In der praktischen Umsetzung bestehen Hürden und Einschränkungen dieses Rechts auf medizinische Behandlung, insbesondere für anerkannte Schutzberechtigte mit Aufenthaltserlaubnis als auch andere Migranten in informellen Unterkünften und Obdachlose. MSF gibt mit Verweis auf bürokratische Hürden an, dass diese Personengruppen reduzierte Möglichkeiten beim Zugang zum Gesundheitssystem hätten, was Allgemeinmedizin einschließe. Die Notaufnahme der Krankenhäuser sei häufig die einzige Zugangsmöglichkeit zum Italian National Healthcare Service (SSN) (MSF, Stand: 08.02.2018, „OUT of sight“ – Second edition). MSF hat deshalb in den Jahren 2016 und 2017 sein Engagement in Italien insbesondere für Migranten in informellen Unterkünften erhöht und unterhält in Como und Ventimiglia psychologische Notfallbehandlung und in Ventimiglia gynäkologische Behandlungen. In Rom wird primäre Gesundheitsversorgung und psychologische Unterstützung geleistet. In Bari und Turin half MSF bei der Kontaktherstellung zum SSN. Dabei kritisiert MSF, dass ehrenamtliche Nothilfe mitunter unter Verweis auf das Verbot der Unterstützung illegaler Einreise und Aufenthalts kriminalisiert werde (MSF, Stand: 08.02.2018, „OUT of sight“ – Second edition). Weitere NGOs, die vor allem auch Asylsuchende und Schutzberechtigte in besetzten Häusern und auf der Straße unterstützen, sind MEDU, Cittadini del Mondo und Naga (SFH, Länderinformation Italien, August 2016, S. 57 f.).

AIDA erklärt, dass Asylsuchende zwar theoretisch denselben Zugang zum Gesundheitssystem haben sollten wie Italiener, dies aber de facto erst geschehe, wenn die jeweilige Questura den Asylantrag formalisiert habe. Dies verzögere sich teilweise um mehrere Monate. In dieser Zeit hätten Asylsuchende jedoch Zugang zur Notfallversorgung. Eine große praktische Hürde sei die Sprachbarriere (AIDA, 02/2017, S. 79 f.). Problematisch sei auch das Vorgehen bei der Beantragung einer Gesundheitskarte. Hierfür würden ein Ausweis und ein dauerhafter Wohnsitz verlangt. Es gebe einen Selbstbehalt, der in vielen Fällen von den Patienten getragen werden müsse und der das Budget Asylsuchender und von Personen mit Schutzstatus oft übersteige (SFH, Länderinformation Italien, August 2016, S. 55-57).

Erkenntnisse darüber, dass kranken Dublin-Rückkehrern die erforderliche Behandlung vorenthalten worden ist und sie deshalb ernsthafte Schäden an Leib oder Leben erlitten haben, liegen dem Senat nicht vor. Folglich sind auch die dargestellten Mängel und Defizite im Bereich der medizinischen Versorgung für Asylbewerber weder für sich genommen noch insgesamt als so gravierend zu bewerten, dass ein grundlegendes systemisches Versagen des Mitgliedstaates festgestellt werden kann, welches für einen Dublin-Rückkehrer nach dem Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit Rechtsverletzungen im Schutzbereich von Artikel 3 EMRK oder Artikel 4 EUGrCh mit dem dafür notwendigen Schwergrad zur Folge hätte.“

Können demnach schon aus den oben genannten Gründen systemische Mängel in den Aufnahmebedingungen für anerkannte Schutzberechtigte, die eine Verletzung von Art. 3 EMRK oder Art. 4 EUGrCh begründen könnten, weder im Hinblick auf deren Unterkunftssituation noch bezüglich der medizinischen Versorgung und der Bereitstellung der übrigen materiellen Leistungen festgestellt werden, ist eine Verletzung dieser Rechte bzw. die Annahme systemischer Mängel auch deshalb zu verneinen, weil der italienische Staat auf die Situation der anerkannten Schutzberechtigten keineswegs mit Gleichgültigkeit reagiert.

Denn zum einen hat er nach den obigen Feststellungen die Unterkunftskapazitäten insgesamt nahezu verdreifacht und auch die Zahl der Unterkunftsplätze im SPRAR-System erheblich um 10.000 Plätze auf nunmehr 31.313 Plätze erhöht (SFH, Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.09.2017, Seite 2).

Zum anderen hat er im Oktober 2017 einen Nationalen Integrationsplan erlassen, der insbesondere Hilfen für anerkannte Schutzberechtigte enthält. Der Plan wird durch EU-Gelder finanziert und wurde mithilfe lokaler Regierungen und NGOs entwickelt (The Local, „Italy launches forst official migrant integration plan: Five Things you need to know“, 27.09.2017).

Er beinhaltet eine Verpflichtung anerkannter Schutzberechtigter zu italienischen Werten (Verfassung), Rechten und zum Erlernen der italienischen Sprache. Er sieht spezielle Hilfen für Analphabeten, die Aufnahme anerkannter Schutzberechtigter in regionale Notfallunterkünfte nach Verlassen der Aufnahmezentren sowie die Unterstützung bei der Arbeitssuche und eine Bekräftigung des Rechts auf Zugang zum Gesundheitssystem vor. Nach diesem Plan ist Italien bestrebt, das CAS-System weitestgehend in das SPRAR-System zu überführen, um effektive nationale Integration zu ermöglichen (Nationaler Integrationsplan, „FOR PERSONS ENTITLED TO INTERNATIONAL PROTECTION, October 2017, http://www.interno.gov.it/sites/default/files/piano_nazionale_integrazione_eng.pdf, Seite 17). Ferner möchte Italien laut dem Nationalen Integrationsplan eine vollständige Umsetzung der Übereinkunft zwischen der Zentralregierung und den Regionen zur Gesundheit von Migranten von 2012 erreichen, wobei der Zugang zum nationalen Gesundheitsdienst verbessert werden und eine Überwachung auf nationaler und regionaler Ebene erfolgen soll, ob die Vereinbarung von 2012 umgesetzt wird. Im Übrigen ist geplant, die Organisationen und das Angebot im Bereich der Gesundheitsversorgung zu stärken, indem spezifische Wege für jede Krankheit aufgezeigt werden, besonders auch für psychiatrische Fälle und PTBS. Die Zahl kostenloser Dienste soll angepasst und Präventionsprogramme mit Impfungen und Vorsorgeuntersuchungen und für die Gesundheit von Mutter und Kind sollen gestärkt werden (Nationaler Integrationsplan, „FOR PERSONS ENTITLED TO INTERNATIONAL PROTECTION, October 2017, Seite 25). Des Weiteren will Italien Anreize für Sprachkurse schaffen, die außerhalb der Unterbringungseinrichtungen angeboten werden. Zu diesem Zweck sollen Sprachkurse mit Lehrern angeboten werden, die spezialisiert sind und interaktive und experimentelle Methoden nutzen (Nationaler Integrationsplan, „FOR PERSONS ENTITLED TO INTERNATIONAL PROTECTION, October 2017, Seite 22). Ziel ist es, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um Zugang zu sekundärer und höherer Bildung zu ermöglichen und die Anerkennung vorheriger Kompetenzen und Abschlüsse zu garantieren (Nationaler Integrationsplan, „FOR PERSONS ENTITLED TO INTERNATIONAL PROTECTION, October 2017, Seite 23).

In diesen gerade auf die Situation anerkannter Schutzberechtigter reagierenden Hilfebemühungen und in den bereits tatsächlich umgesetzten Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Lage (Erhöhung der Zahl der Unterkunftsplätze im SPRAR-System um 10.000 Plätze) liegt auch ein wesentlicher Unterschied zu der Situation anerkannter Schutzberechtigter in Bulgarien, die sich dort letztlich staatlicher Gleichgültigkeit ausgesetzt sehen (Senatsurteil vom 29.01.2018 – 10 LB 82/17 –, juris Rn. 40). Außerdem besteht ein maßgeblicher Unterschied darin, dass der bulgarische Staat seinen Staatsangehörigen soziale Leistungen anbietet, zu denen anerkannte Schutzberechtigte jedoch keinen Zugang haben (Senatsurteil vom 29.01.2018 – 10 LB 82/17 – juris Rn. 36 ff., 46 f. und 50), während der italienische Staat anerkannte Schutzberechtigte in jeder Hinsicht gleich behandelt mit italienischen Staatsangehörigen.

Eine andere Einschätzung der Lage in Italien ergibt sich aus nicht aus den vom Kläger angeführten Erkenntnisquellen, soweit diese sich nicht ohnehin mit den oben wiedergegebenen Erkenntnismitteln decken.

Der Kläger gehört schließlich auch nicht zu einem besonders schutzbedürftigen Personenkreis, bei dem nach dem Urteil des EGMR vom 4. November 2014 im Verfahren Tarakhel ./. Schweiz (Az. 29217/12, NVwZ 2015, 127 ff.) eine Abschiebung nach Italien nur zulässig ist, wenn zuvor besondere Garantien von den italienischen Behörden eingeholt worden sind.

Der EGMR hat in diesem Verfahren entschieden, dass die Schweizer Behörden die Abschiebung einer Familie nach Italien nicht vornehmen dürfen, ohne vorher individuelle Garantien von den italienischen Behörden erhalten zu haben, dass die Antragsteller in Italien in einer dem Alter der Kinder adäquaten Art und Weise behandelt werden und die Familie zusammenbleiben darf. Dieses Urteil enthält demnach lediglich eine Einschränkung für die Abschiebung von Familien nach Italien und keine Aussage zu systemischen Mängeln in Italien, die der EGMR auch nicht in seiner Entscheidung vom 5. Februar 2015 im Verfahren A.M.E./. Niederlande (Az. 51428/10) festgestellt hat. Nach letzterer Entscheidung sind vielmehr die Struktur und die Gesamtsituation des italienischen Flüchtlings- und Asylbewerberaufnahmesystems kein genereller Grund dafür, eine Überstellung im Zuge des sogenannten Dublin-Verfahrens zu verbieten.

Die Situation des Klägers ist mit derjenigen, die der Entscheidung des EGMR vom 4. November 2014 zugrunde gelegen hat, nicht vergleichbar. Er ist alleinstehend und leidet nach der insoweit allein aussagekräftigen ärztlichen Stellungnahme des Klinikums G. vom 22. November 2016 (die in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Bescheinigungen des Netzwerks für traumatisierte Flüchtlinge in Niedersachsen enthalten keinerlei konkrete Begründung der “Diagnose schwere Depression“ und im Übrigen nur die Feststellung, dass der Kläger regelmäßig an psychosozialen Beratungsgesprächen teilnimmt) nicht unter gesundheitlichen Einschränkungen, die ihn als besonders schutzbedürftig erscheinen lassen. Denn nach dieser Stellungnahme hatte der Kläger u. a. Schwierigkeiten bei der kulturellen Eingewöhnung und ein Abhängigkeitssyndrom und litt zum damaligen Zeitpunkt unter einer mittelgradigen depressiven Episode, die mit einer depressiv gefärbten gedrückten Stimmungslage einherging, wobei der Kläger, der im Oktober und November 2016 positiv auf Cannabis getestet worden war, von seinen Zukunftssorgen und dem Engegefühl im Flüchtlingslager berichtete. Derartige psychische Probleme, die (auch) mit der Situation der Unterbringung in den deutschen Aufnahmezentren zusammenhängen, dürfte allerdings wohl eine große Zahl von Flüchtlingen aufweisen. Der in der genannten ärztlichen Stellungnahme nicht erwähnte und mittlerweile zweieinhalb Jahre zurückliegende Tod seines Bruders im Oktober 2015 mag diese psychische Belastung des Klägers noch – vorübergehend – verstärkt haben. Es liegen aber jedenfalls keine genügenden Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass die Fähigkeiten des Klägers, seine Rechte in Italien wahrzunehmen und dort für sich selbst zu sorgen, durch seine psychischen Probleme, selbst wenn diese in Italien nicht (hinreichend) behandelt würden, in erheblicher Weise eingeschränkt sind. Erst recht kann der Kläger nicht mit dem Personenkreis gleichgestellt werden, bei dem nach der genannten Entscheidung des EGMR vor einer Abschiebung Garantien des italienischen Staats einzuholen sind.

Aus diesen Gründen kann hinsichtlich der von dem Kläger geltend gemachten psychischen Erkrankung auch kein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG festgestellt werden.

bb) Auch die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG sind nicht gegeben. Nach Satz 1 dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG allerdings nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, vor. Für eine derart schwerwiegende Erkrankung fehlen im Falle des Klägers jegliche Anhaltspunkte.

b) Das Bundesamt hat in seinem Bescheid vom 6. November 2015 auch zu Recht die Abschiebung des Klägers nach Italien angedroht. Denn gemäß § 35 AsylG droht das Bundesamt dem Ausländer die Abschiebung in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG an, also in den Fällen, in denen ein anderer Mitgliedsstaat dem Ausländer - wie hier dem Kläger - bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat. Eine Abschiebungsandrohung gemäß § 35 AsylG kann nur unter den Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG erlassen werden. Sie setzt also unter anderem voraus, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen. Da hier Abschiebungsverbote nach diesen Vorschriften in Bezug auf den Zielstaat der Abschiebung (Italien) nicht vorliegen, ist die Abschiebungsandrohung rechtmäßig. Auch die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 AufenthG begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil des Verwaltungsgerichts verwiesen.

2. Soweit der Kläger die Verpflichtung der Beklagten begehrt, in Bezug auf Italien Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG festzustellen, liegt eine Klageänderung im Sinne des § 91 Abs. 1 VwGO vor, weil nachträglich im Wege der Klagehäufung nach § 44 VwGO ein weiteres Klagebegehren geltend gemacht wird (vgl. Senatsurteil vom 29.01.2018 – 10 LB 82/17 –, juris Rn. 54).

Die Klageänderung ist zulässig, da die Beklagte in der mündlichen Verhandlung in die Änderung der Klage eingewilligt hat (§ 91 Abs. 2 VwGO).

Die demnach zu prüfende Verpflichtungsklage ist zulässig, aber nicht begründet, da die Voraussetzungen für die Feststellung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG – wie oben ausgeführt – nicht vorliegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor, da die Rechtsfragen – wie oben ausgeführt – geklärt sind und es im Übrigen hier nur um Tatsachenfragen geht, die nicht revisibel sind.