OLG Köln, Urteil vom 17.09.2018 - 21 U 26/18
Fundstelle
openJur 2019, 28716
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird das am 28.02.2018 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bonn (1 O 266/17) wie folgt abgeändert:

Es wird festgestellt, dass der in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten bei dem Amtsgericht Bonn - 99 IK 210/16 - am 20.02.2017 unter der laufenden Nummer 3 zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderung eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung der Beklagten zugrunde liegt.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung der Kläger wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Beklagte war bis Mitte 1994 im Büro der A Spedition GmbH in B (nachfolgend: A GmbH) angestellt. Geschäftsführer des Familienunternehmens war ihr Bruder C A. Die Kläger sind dessen Ehefrau und Sohn.

Am 26.02.1996 erkannte die (bis 2013 den Namen A-D führende) Beklagte vor dem Notar E in B zu dessen Urkundenrollen-Nr. 3xx/1996 an, der A GmbH einen Betrag in Höhe von 282.000,-- DM (= 144.184,31 €) zu schulden, und unterwarf sich wegen dieser Schuld nebst Zinsen und Kosten der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen (Anlage K 5). Mit privatschriftlicher Erklärung vom 27.02.1996 trat die A GmbH ihr "Eigentum siehe Notarielle Urkunde 3xx/1996" den Klägern ab (Anlage K 6).

Über das Vermögen der A GmbH wurde später das Konkursverfahren (25 N 145/98 AG Bonn) eröffnet; sie wurde im Handelsregister gelöscht. Gegen ihren Geschäftsführer wurde 2001 ein Strafbefehl (2 Cs 106/01 AG Königswinter) wegen Konkursverschleppung und anderer Vergehen erlassen.

Am 06.04.2006 erging gegen die von den Rechtsanwälten F in G vertretene Beklagte ein Anerkenntnisurteil, mit dem das Landgericht Bonn - 9 O 531/05 - den Klägern als Gesamtgläubigern die Vollstreckungsklausel zu der Urkunde des Notars E vom 26.02.1996 erteilte (Anlage K 7).

2016 wurde über das Vermögen der Beklagten das Verbraucherinsolvenzverfahren vor dem Amtsgericht Bonn - 99 IK 210/16 - eröffnet. Die Kläger meldeten mit am 20.02.2017 bei der Insolvenzverwalterin eingegangenem Schreiben vom 16.02.2017 (Anlage K 1) eine Forderung über 117.438,22 € (108.739,09 € zzgl. 8.699,13 € Zinsen) unter der laufenden Nummer 3 zur Insolvenztabelle an (Anlage K 3) und machten geltend, die Forderung sei von der Restschuldbefreiung ausgenommen, weil die Verbindlichkeit der Schuldnerin aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung resultiere. Dazu legten sie neben der notariellen Urkunde vom 26.02.1996 und dem Anerkenntnisurteil vom 06.04.2006 ein als Schuldanerkenntnis vom 20.02.1995 bezeichnetes Schriftstück vor (Anlage K 2), dessen Echtheit zwischen den Parteien umstritten ist. Die Beklagte widersprach dem deliktischen Rechtsgrund der (später in voller Höhe zur Tabelle festgestellten) Forderung.

Mit ihrer am 18.08.2017 angebrachten Klage haben die Kläger die Feststellung begehrt, dass die angemeldete Insolvenzforderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung stamme. Sie haben behauptet, dass die Beklagte Unterschlagungen zum Nachteil der A GmbH begangen, nämlich Kundenschecks einbehalten und Rechnungen erstellt habe, für die sie unrechtmäßig Schecks ausgestellt und zu ihren Gunsten eingezogen habe. Eine ohne Unterlagen nicht mehr genau zu ermittelnden Höhe des Schadens von einigen Hunderttausend Deutsche Mark habe sie mit Schuldanerkenntnis vom 20.02.1995 zugestanden. Das notarielle Schuldanerkenntnis vom 26.02.1996 betreffe denselben Lebenssachverhalt; nach seiner vereinbarten Abgabe sei ein gegen sie eingeleitetes Ermittlungsverfahren (133 Js 952/95 StA Bonn) nicht weiter betrieben worden.

Die Beklagte hat um Klageabweisung gebeten. Sie hat erklärt, sich unter Ausnutzung ihrer Vollmacht als Büroangestellte der A GmbH mehrere Schecks ausgestellt und so Darlehen gewährt zu haben; als sie diese nicht mehr habe zurückführen können, sei letztlich das notarielle Schuldanerkenntnis unterzeichnet worden. Sie behauptet, das jetzt vorgelegte andere Schuldanerkenntnis habe sie nicht unterschrieben, auch wenn die Unterschrift der ihren gleiche. Angebliche Ansprüche aus von ihr begangenen vorsätzlichen unerlaubten Handlungen hält sie für verjährt. Der durch notarielle Urkunde titulierte Anspruch bilde einen anderen Streitgegenstand.

Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen und rechtliche Erwägungen verwiesen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Die Kläger verfolgen ihr Feststellungsbegehren im Berufungsrechtszug weiter. Sie rügen eine unzureichende Würdigung der tatsächlichen Hintergründe des notariellen Schuldanerkenntnisses der Beklagten; ergänzend behaupten sie, der (inzwischen verstorbene) Rechtsanwalt F habe mit dem Zeugen C A und dem (ebenfalls verstorbenen) Notar E besprochen, dass damit der zuvor im Speditionsbüro in Gegenwart des Zeugen und der Klägerin bereits privatschriftlich anerkannte Schadensersatzanspruch ohne Änderung des deliktischen Schuldgrundes verjährungsfest gemacht werden sollte. Zur Erwähnung der Deliktseigenschaft in der Urkunde habe nach damaliger Rechtslage kein Anlass bestanden.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung. Sie behauptet, nach ihrem Ausscheiden aus dem Unternehmen dessen Räume nicht mehr betreten und dort erst recht kein privates Schuldanerkenntnis unterzeichnet zu haben. Davon, dass sich das von seinem Wortlaut her abstrakte notarielle Anerkenntnis auf eine unerlaubte Handlung hätte beziehen sollen, sei beim Notar keine Rede gewesen. Von strafrechtlichen Ermittlungen wisse sie nichts. Unstimmigkeiten über die Rechtsnatur ihres Handelns hätten allenfalls durch die Arbeitsgerichtsbarkeit geklärt werden können. Ein konstitutives, von der Kausalforderung unabhängiges Anerkenntnis habe damals im Gläubigerinteresse gelegen; die Urkunde sei in der Folgezeit auch allseits so aufgefasst worden.

Der Senat hat die Kläger in der mündlichen Berufungsverhandlung persönlich angehört; der Prozessbevollmächtigte der Beklagten, die nach dem vorgelegten ärztlichen Attest "nicht verhandlungsunfähig aus gesundheitlichen Gründen" war, hat die Faxkopie einer eidesstattlichen Versicherung ihres Vaters vom 02.01.2006 vorgelegt, wonach ihr Bruder als Geschäftsführer der A GmbH im März 1996 eingewilligt habe, unter Verrechnung mit Forderungen der Eltern keine Ansprüche aus dem Schuldanerkenntnis mehr gegen sie geltend zu machen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes zweiter Instanz wird auf die Sitzungsniederschrift vom 12.07.2018 und die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.

1. Ob die aufgeworfenen Rechtsfragen, wie die Beklagte meint, von den Arbeitsgerichten zu klären gewesen wären, ist unerheblich, weil der Senat die vom Landgericht nach Anhörung der Parteien bejahte Zulässigkeit des Rechtswegs nicht zu prüfen hat (§ 17a Abs. 5 GVG; vgl. BGH NJW 2008, 3572).

2. Zutreffend hat das Landgericht ein rechtliches Interesse für die von den Klägern begehrte Feststellung (§ 256 ZPO) angenommen.

Die Beklagte hat im Verbraucherinsolvenzverfahren über ihr Vermögen der Forderungsanmeldung der Kläger (§ 174 Abs. 2 InsO) widersprochen, soweit diese angegeben haben, dass dem zur Tabelle festgestellten Anspruch eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung zugrunde liege. Für die gerichtliche Klärung dieser für das Vorliegen einer Ausnahme von der Restschuldbefreiung wesentlichen Frage (§ 302 Nr. 1 InsO) müssen die Kläger nicht das Restschuldbefreiungsverfahren abwarten; ihnen steht auch kein einfacherer Weg als die titelergänzende Feststellungsklage zur Verfügung, weil die Forderung zwar - durch die vollstreckbare notarielle Urkunde vom 26.02.1996 und das klauselumschreibende Anerkenntnisurteil vom 06.04.2006 - tituliert, der Anspruchsgrund dort aber nicht festgestellt worden ist (vgl. BGH NZI 2006, 536 [Rn. 10]; MDR 2011, 130 [Rn. 12 ff.]; FamRZ 2013, 1969 [Rn. 10]; OLG Düsseldorf ZInsO 2013, 1488 [Rn. 33 bei juris]; Ahrens, in: Wimmer, FK-InsO, 9. Aufl. 2018, § 302 Rn. 71 ff.).

Der Klageantrag nimmt auf die im Insolvenzverfahren 99 IK 210/16 beim Amtsgericht Bonn zu lfd. Nr. 3 der Tabelle am 20.02.2017 angemeldete Forderung Bezug und bezeichnet das festzustellende Rechtsverhältnis damit hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Es genügt, dass der Antrag den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) absteckt, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennen lässt sowie das Risiko des Unterliegens nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Gegner abwälzt; im Allgemeinen muss der Klageanspruch nicht schlüssig dargelegt, sondern lediglich identifizierbar sein (vgl. BGH FamRZ 2018, 1010 m.w.N.). Um klarzustellen, den Rechtsgrund welcher Forderung die Kläger festgestellt wissen wollen, bedurfte es im Streitfall erst recht keiner näheren Darlegung, wie sich die vor Insolvenzeröffnung teilweise realisierte, unter dem Betrag des notariellen Schuldanerkenntnisses liegende Forderung der Höhe nach zusammensetzt.

3. Der Feststellungsantrag ist begründet, denn der angemeldeten Forderung liegen vorsätzlich begangene unerlaubte Handlungen der Beklagten zugrunde.

a) Im Ausgangspunkt zu Recht hat das Landgericht allerdings geprüft, ob die Forderungsanmeldung der Kläger sich auf einen durchsetzbaren - insbesondere unverjährten - materiellrechtlichen Anspruch aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung bezieht.

Der Verjährung unterliegt nicht der auf Klärung eines Rechtsverhältnisses gerichtete, dem prozessualen Begehren entsprechende Feststellungsanspruch (BGHZ 187, 337 [Rn. 12 ff.]; BGH FamRZ 2014, 32 [Rn. 11]; FK-InsO / Ahrens, § 302 Rn. 83). Verjähren kann aber der Leistungsanspruch, dessen Grund festgestellt werden soll. Die gerichtliche Prüfung im Feststellungsprozess kann sich deshalb nicht darauf beschränken, ob der Schuldner vorsätzlich deliktisch gehandelt hat und dem Gläubiger ein anderer, wirtschaftlich auf das Gleiche gerichteter, noch nicht verjährter Anspruch zusteht; vielmehr muss gerade der Anspruch aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung durchsetzbar und nicht verjährt sein (BGHZ 209, 168 = FamRZ 2016, 972 [Rn. 19 ff.]; FK-InsO / Ahrens § 302 Rn. 83 f.). Bei titulierten Ansprüchen kommt es darauf an, ob der deliktische Anspruch Gegenstand des Titels ist. Handelt es sich um verschiedene Streitgegenstände, kann gegenüber dem Feststellungsbegehren nämlich regelmäßig schon nach drei Jahren (§§ 195, 199 BGB) die Verjährung des nicht titulierten deliktischen Anspruchs eingewandt werden. Dagegen bewirkt ein die Leistungspflicht allgemein feststellender Vollstreckungstitel über denselben Streitgegenstand, dass alle davon umfassten materiellrechtlichen Ansprüche erst in dreißig Jahren verjähren (§ 197 Abs. 1 Nr. 3 bis 6 BGB). Dabei sind die Regeln der Verjährung in Bezug auf den Streitgegenstand mit denen der Rechtskraft kongruent (BGHZ 209, 168 = FamRZ 2016, 972 [Rn. 25] m.w.N.).

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung wird der Streitgegenstand (der prozessuale Anspruch) durch das Rechtsschutzbegehren (Antrag) und den die begehrte Rechtsfolge stützenden Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund) bestimmt. Diesem Lebenssachverhalt sind alle Tatsachen zuzurechnen, die bei einer vom Standpunkt der Parteien ausgehenden natürlichen Betrachtungsweise dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex angehören und trotz verschiedener, dem Gericht vorbehaltener Möglichkeiten der rechtlichen Bewertung nicht sinnvoll auf verschiedene eigenständige, den Sachverhalt in seinem Kerngehalt verändernde Geschehensabläufe aufgeteilt werden können (BGHZ 194, 314 [Rn. 19] - Biomineralwasser; BGH GRUR 2016, 292 [Rn. 11] -Treuhandgesellschaft). Bei wirtschaftlich auf das Gleiche gerichteten Ansprüchen mit unterschiedlichen materiellrechtlichen Voraussetzungen und Folgen kommt es darauf an, ob sich die zugrundeliegenden Lebenssachverhalte in wesentlichen Punkten unterscheiden oder ob es sich um marginale Abweichungen handelt, die bei natürlicher Betrachtung nach der Verkehrsauffassung keine Bedeutung haben (BGH 209, 168 = FamRZ 2016, 972 [Rn. 27 f.]).

Verschiedene Streitgegenstände in diesem Sinn bestehen bei titulierten gesetzlichen Unterhaltsansprüchen und einem deliktischen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Unterhaltspflicht (BGH 209, 168 = FamRZ 2016, 972 [Rn. 29 ff.]). Ebenso liegt es in Kontokorrentbeziehungen, etwa im Kreditwesen, bei einem abstrakten Saldoanerkenntnis im Verhältnis zur kausalen Saldoforderung (BGHZ 200, 121 [Rn. 32]).

Ein in diesem Sinne abstraktes (selbständiges, konstitutives) Schuldanerkenntnis (§§ 780, 781 BGB) liegt nur vor, wenn die darin übernommene Verpflichtung von ihrem Rechtsgrund, das heißt von ihren wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhängen gelöst und allein auf den im Versprechen zum Ausdruck gekommenen Leistungswillen des Schuldners gestellt werden soll. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist ausgehend vom Wortlaut der Erklärung unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere ihres Anlasses und ihres Zwecks sowie der Interessenlage beider Seiten, durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln (BGHZ 161, 273 [279]; BGH NJW 2008, 1589 [Rn. 15]; BAG BB 2016, 2427 [Rn. 25 bei juris]). Eine Vermutung für ein abstraktes Leistungsversprechen besteht nicht (BGH FamRZ 1999, 217 = NJW 1999, 574 [575]). In Betracht kommt vielfach auch ein deklaratorisches (kausales) Schuldanerkenntnis, das seine Grundlage in der Vertragsfreiheit (§ 311 Abs. 1 BGB) hat und mit dem eine bestehende Schuld lediglich bestätigt, ganz oder teilweise dem Streit oder der Ungewissheit der Parteien entzogen und endgültig festgelegt werden soll, wobei der Anerkennende mit sämtlichen Einwendungen und Einreden ausgeschlossen wird, die ihm bei Abgabe seiner Erklärung bekannt waren oder mit denen er rechnete (BGH BauR 2016, 1035 [Rn. 13]; BAG a.a.O. [Rn. 26 bei juris]).

Stützt sich ein Kläger einerseits auf Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche, andererseits auf die Verpflichtung zu einer Pauschalzahlung, die sich aus einem vor Klageerhebung geschlossenen außergerichtlichen Vergleich ergibt, kann es sich dabei um verschiedene, einer Eventual-Klagehäufung zugängliche Lebenssachverhalte handeln, auch wenn mit dem Vergleich keine Novation beabsichtigt war (BGH NJW 2014, 3314 [Rn. 13] für Ansprüche innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft). Anders kann es sich verhalten, wenn mit einem Vergleich die ursprüngliche Forderung nur umgestaltet werden soll (BGH JZ 2002, 721 = NJW 2002, 1503). In der Regel hat ein Vergleich, durch den lediglich ein Streit über einzelne Einwendungen im Wege gegenseitigen Nachgebens beigelegt wird, nach dem Willen der Parteien keine das streitige Schuldverhältnis ersetzende (schuldumschaffende), sondern nur schuldbestätigende und -ändernde Wirkung; für einen abweichenden Parteiwillen bedarf es besonderer Anhaltspunkte (BGHZ 52, 39 [46] für Zahlungsvergleich mit einem Angestellten, der Lagerbestände veruntreut hatte; BGH ZIP 1989, 110 [Rn. 32 bei juris] für keinen konkursfreien Neuerwerb begründenden Vergleich über Pensionszusage gegenüber dem Gemeinschuldner; BGH FamRZ 2004, 1783 für Vergleich nach Schenkungswiderruf wegen groben Undanks).

b) Nach den Umständen des Streitfalls ist Rechtsgrund des aus dem Anerkenntnisurteil des Landgerichts Bonn vom 06.04.2006 und der vollstreckbaren Urkunde des Notars E vom 26.02.1996 (Anlagen K 5 und K 7) hergeleiteten, zur Insolvenztabelle angemeldeten Anspruchs der Kläger eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung der Beklagten; weil die hierin gründende Verbindlichkeit keinem anderen Streitgegenstand als die titulierte Forderung zuzuordnen ist, dringt die Beklagte mit ihrer gegenüber dem deliktischen Anspruch erhobenen Verjährungseinrede nicht durch.

Unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen ist der Senat davon überzeugt (§ 286 ZPO), dass mit der notariellen Urkunde - ungeachtet ihres Wortlauts, der Angaben nur zur Höhe, nicht zum Grund des geschuldeten Betrages enthält - kein selbständiger neuer Schuldgrund geschaffen, sondern eine bereits zuvor bestehende Verbindlichkeit der Beklagten lediglich bestätigt, beziffert, verstärkt, vollstreckbar gemacht (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) und der kurzen Regelverjährung entzogen worden ist (§ 197 Abs. 1 Nr. 4 BGB).

aa) Soweit die Beklagte in Zweifel zieht, sich während der Zeit ihrer Anstellung überhaupt in strafbarer Weise gegen die A GmbH vergangen zu haben, ist dies unerheblich. Auch auf das von den Klägern bei ihrer Forderungsanmeldung und im Feststellungsprozess vorgelegte schriftliche "Schuldanerkenntnis" (Anlage K 2), das dem Landgericht im Original vorlag und zu dem der Prozessbevollmächtigte der Beklagten erklärt hat, dass die Beklagte ein solches Schriftstück nicht unterschrieben habe, es sich vom Unterschriftsbild her aber um ihre Unterschrift handele (Protokoll der Sitzung vom 11.12.2017), kommt es rechtlich nicht entscheidend an.

Schon auf der Grundlage des unstreitigen Sachverhalts steht nämlich fest, dass die Beklagte sich Firmengeld in erheblichem Umfang verschafft hat, ohne dazu im Innenverhältnis berechtigt gewesen zu sein. Ihr eigenes Vorbringen, sich unter Ausnutzung ihrer Vollmacht zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs der A GmbH mehrere "Darlehen durch Ausstellen von Schecks" gewährt und diese nicht zurückgeführt zu haben, ist in der Sache als Zugeständnis (§ 288 ZPO) von Handlungen zu werten, die den Straftatbestand der Untreue (§ 266 StGB) erfüllen und zugleich den Vorwurf begründen, wenigstens bedingt vorsätzlich gegen ein Schutzgesetz (§ 823 Abs. 2 BGB) verstoßen und der A GmbH in sittenwidriger Weise Schaden zugefügt (§ 826 BGB) zu haben. Ob die Beklagte darüber hinaus durch das Entwenden fremder Schecks auch den Tatbestand der (veruntreuenden) Unterschlagung (§ 246 Abs. 1 und 2 StGB) oder weitere Straftatbestände (§§ 263, 267 StGB) durch das Fälschen von Rechnungen und Buchungsunterlagen verwirklicht hat, kann dahingestellt bleiben.

bb) Angesichts der nach alledem keinem vernünftigen Zweifel unterliegenden, gegenüber konkurrierenden vertraglichen oder bereicherungsrechtlichen Ansprüchen ganz im Vordergrund stehenden deliktischen Vorsatzhaftung der Beklagten genügt es nicht, bei Auslegung ihrer Erklärung in der notariellen Urkunde (Anlage K 5), deren Kosten die A GmbH trug und von der dieser sofort eine vollstreckbare Ausfertigung zu erteilen war, am Wortlaut zu haften und aus der fehlenden Nennung des Schuldgrundes auf die Begründung einer neuen abstrakten Verbindlichkeit zu schließen. Zum Abschluss eines selbständigen Schuldanerkenntnisvertrages bestand aus Sicht der Beteiligten bei Errichtung der Urkunde im Jahr 1996 nämlich kein Anlass.

Einerseits lag es nach den unstreitigen Umständen nicht im Interesse der A GmbH als Gläubigerin, dass die Beklagte eine neue, vom Schuldgrund der vorsätzlichen unerlaubten Handlung losgelöste selbständige Verbindlichkeit einging. Denn am 05.10.1994 war, wie jedenfalls dem Notar und dem beratenden Rechtsanwalt bekannt war, die zum 01.01.1999 in Kraft tretende Insolvenzordnung verkündet worden (BGBl. 1994 I, 2911), die für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erstmals eine Verbraucherinsolvenz mit Restschuldbefreiung sowie eine diesbezügliche Ausnahme für Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung (§ 302 Nr. 1 InsO) vorsah. Ausreichend und in der Gesamtabwägung vorteilhafter war es für sie, dass die Beklagte ohne Nennung, doch in Kenntnis ihrer Kausalverpflichtung (deklaratorisch) anerkannte, der A GmbH einen auf 282.000,-- DM bezifferten Betrag zu schulden, damit gleichzeitig auf bekannte oder für möglich gehaltene Einwendungen und Einreden zumal gegen die Höhe der Forderung verzichtete sowie sich der sofortigen Zwangsvollstreckung aus der Urkunde in ihr gesamtes Vermögen unterwarf. Eine auf die Gesichtspunkte des Einwendungsausschlusses, der Vollstreckungsunterwerfung und der Verjährungsverlängerung beschränkte Errichtung notarieller Schuldurkunden ohne Schaffung eines neuen Schuldgrundes ist nicht etwa völlig ungewöhnlich (vgl. OLG Düsseldorf ZInsO 2013, 1488 [Rn. 8, 36 bei juris]). Die Kläger haben die in diese Richtung gehende Erwartung ihres Ehemanns und Vaters als damaliger Geschäftsführer der A GmbH bei ihrer persönlichen Anhörung in der Berufungsverhandlung plausibel geschildert, während die Beklagte zu den Hintergründen der Beurkundung keine nachvollziehbaren weiterführenden Angaben gemacht hat.

Andererseits lag es keineswegs im Interesse der Beklagten, dass der Schuldgrund in die notarielle Urkunde aufgenommen würde. Dabei dürfte es ihr vor allem um die Vermeidung einer strafrechtlichen Verfolgung gegangen sein; dass sie von staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen sich keine Kenntnis erlangt haben will, scheint die Angabe der Kläger zu stützen, dass eine zur Einleitung des Verfahrens 133 Js 952/95 StA Bonn führende Strafanzeige der A GmbH nach dem Notartermin zurückgezogen worden sei. Mit der Titulierung des in der Urkunde bezeichneten (nach Angaben der Kläger insbesondere unter Kostenaspekten eher zu niedrig festgelegten) Betrages konnte sie zudem eine zivilgerichtliche Inanspruchnahme vermeiden. Eine Schuldumschaffung oder auch nur eine auf einen neuen Lebenssachverhalt gestützte Pauschalabgeltung im Wege des Vergleichs lag darin aber nicht. Erst recht hat die Beklagte nicht dargelegt, welchen von ihrem deliktischen Fehlverhalten unabhängigen Anlass sie gehabt haben sollte, eine nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen kaum zu tragende Schuldverpflichtung gegenüber der A GmbH einzugehen; eine von den wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhängen gelöste und allein auf ihren Leistungswillen gestützte abstrakte Verbindlichkeit lag damit auch aus ihrer Sicht fern.

4. Das ergänzende zweitinstanzliche Vorbringen der Beklagten und die von ihrem Prozessbevollmächtigten nunmehr beigebrachten Schriftstücke sind für die für den Erfolg des Feststellungsbegehrens allein maßgebliche Frage, ob der angemeldeten und von der Insolvenzverwalterin in voller Höhe zur Tabelle festgestellten Verbindlichkeit der Beklagten eine vorsätzliche unerlaubte Handlung zugrunde lag, ohne Bedeutung.

Wäre der vorgelegten Erklärung des verstorbenen Vaters der Beklagten und des früheren Geschäftsführers der A GmbH zu folgen, hätte C A vierzehn Tage nach Abgabe des notariellen Anerkenntnisses im Hinblick auf Gesellschaftsschulden gegenüber den Eheleuten H und I A erklärt, aus der Urkunde keine Ansprüche gegen seine Schwester geltend machen zu wollen. Weil die A GmbH ihre Rechte aus der Urkunde bereits einen Tag nach dem Anerkenntnis an die Kläger abgetreten hatte, war sie zum Zeitpunkt der angeblichen Erklärung - mag diese als Erlass (§ 397 BGB) oder als Angebot einer vollstreckungsbeschränkenden Vereinbarung zu verstehen sein - jedoch schon nicht mehr Forderungsinhaberin, so dass der Einwand ins Leere geht; die Feststellung des Rechtsgrundes der angemeldeten Forderung hindert dieser Sachvortrag nicht.

Für die deliktische Qualifizierung der Forderung kommt es im Rahmen der vorstehend erläuterten Gesamtabwägung auch nicht auf das unstreitig gewordene Vorbringen der Beklagten an, dass gegen Herrn C A im Jahr 2001 ein Strafbefehl wegen verschiedener Konkursvergehen erlassen wurde.

5. Vom Rechtsgrund der vorsätzlichen unerlaubten Handlung umfasst sind neben der (teilweise getilgten) Hauptforderung auch die angemeldeten Zinsen und Kosten (BGH MDR 2011, 195 f.; OLG Düsseldorf ZInsO 2013, 1488 [Rn. 55 f. bei juris]).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Das Urteil betrifft die tatrichterliche Bewertung eines Einzelfalls und wirft keine ungeklärten Rechtsfragen grundsätzlicher Art auf, so dass gemäß § 543 ZPO kein Anlass besteht, die Revision zuzulassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 39.146,07 €

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