LG Düsseldorf, Urteil vom 21.03.2016 - 9 O 376/13
Fundstelle
openJur 2019, 28607
  • Rkr:
Tenor

Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger zu 1) aus dem Versicherungsvertrag mit der Vertragsnummer 04278304-8 für die gerichtliche Durchsetzung in I. Instanz im Zusammenhang mit seinen Beteiligungen an der M AG (Vertrags-Nr. 18939, Vertrags-Nr. 18941 und Vertrags-Nr. 18942), der H Beteiligungs-AG (Vertrags-Nr. 534875) und der T AG (Vertrags-Nr. 601156 und Vertrags-Nr. 601157) gegen die Ernst & X GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und gegen die EY Revision und U GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Kostenschutz zu gewähren hat.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger 2) und seiner mitversicherten Ehegatten, Frau P, aus dem Versicherungsvertrag mit der Vertragsnummer 05813629-5 für die gerichtliche Durchsetzung in I. Instanz im Zusammenhang mit ihren Beteiligungen an der H Beteiligungs-AG (Vertrags-Nr. 538908 und Vertrags-Nr. 538909) und an der T AG (Vertrags-Nr. 624259) gegen die Ernst & X GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Kostenschutz zu gewähren hat;

Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger zu 3) aus dem Versicherungsvertrag mit der Vertragsnummer 04369535-1 für die gerichtliche Durchsetzung in I. Instanz im Zusammenhang mit seinen Beteiligungen an der H AG (Vertrags-Nr. 108569) gegen die Ernst & X GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Kostenschutz zu gewähren hat;

Es wird festgestellt, dass die Beklagten der Klägerin zu 4) aus dem Versicherungsvertrag mit der Vertragsnummer 05902820-8 für die gerichtliche Durchsetzung in I. Instanz im Zusammenhang mit ihrer Beteiligung an der T AG (Vertrags-Nr. 629352) gegen die Ernst & X GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Kostenschutz zu gewähren hat;

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i. H.v. 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche aus Rechtsschutzversicherungen betreffend die gerichtliche Durchsetzung von Ansprüchen gegenüber Wirtschaftsprüfungsgesellschaften im Zusammenhang mit Beteiligungen an Unternehmen der H Gruppe.

Die Kläger und jeweils mitversicherte Personen sind bzw. waren bei der Beklagten rechtsschutzversichert. Vereinbart war jeweils die Geltung der ARB 75.

Hintergrund der Deckungsbegehren sind von der Klägerseite geltend gemachte Versicherungsfälle im Zusammenhang mit laut Klägervortrag unzutreffender Beratung und Risikoaufklärung betreffend den Abschluss von Kapitalanlagen an verschiedenen zur H Gruppe gehörenden Gesellschaften. Konkret ist das Rechtsschutzbegehren auf Schadensersatzansprüche gegen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften gerichtet, weil diese Beihilfe zu Betrugs- und Kapitalanlagebetrugshandlungen geleistet haben sollen. An Unternehmen der H Gruppe konnten sich Anleger als stille Gesellschafter beteiligen. Dabei sollten nach einigen Jahren Gewinne erzielt werden und die Anleger konnten sind im Rahmen des so genannten "Steigermodells" zeitlich hintereinander geschaltet an mehreren Aktiengesellschaften beteiligen. Innerhalb der H Gruppe wurden mehrfach Umstrukturierungen vorgenommen. Über verschiedene Gesellschaften dieser Unternehmensgruppe wurde das Insolvenzverfahren eröffnet.

Die Beklagte gewährte den Klägern Kostenschutz für die Vertretung durch deren Prozessbevollmächtigte den Insolvenzverfahren der Anlagegesellschaften, sowie in Bezug auf die Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen gegen Initiatoren, ehemalige Vorstände und sonstige Akteure im Zusammenhang der H Gruppe.

Mit der vorliegenden Klage wird Deckungsschutz betreffend ein gerichtliches Vorgehen gegen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aus Beihilfe zum Betrug und Kapitalanlagebetrug begehrt, nachdem für die außergerichtliche Interessenwahrnehmung bereits Deckungsschutz gewährt worden war.

Die Prozessbevollmächtigten der Kläger richteten Anträge auf außergerichtliche Streitschlichtung im Verhältnis der Kläger zu den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften an Herrn Rechtsanwalt E3 in Lübben. Für die Einzelheiten wird auf die Anlage K19 Bezug genommen. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften lehnten eine Teilnahme an dem Schlichtungsverfahren ab. Mit Schreiben vom 02.11, 05.11., 07.11. und 26.11.2012 wurde die Beklagte über die eingeleiteten (und gescheiterten) Güteverfahren informiert verbunden mit der jeweiligen Bitte um Zusage von Kostenschutz für die erstinstanzliche gerichtliche Verfolgung von Schadenersatzansprüchen. Mit Schreiben vom 08.11.2012 bzw. 29.11.2012 erbat die Beklagte weitere Informationen durch Beantwortung der in der dortigen Anlage beigefügten Fragen.

In Parallelverfahren, in denen die Prozessbevollmächtigten der Kläger vergleichbare Deckungsanfragen gestellt hatten, hatte die Beklagte nach zuvor erfolgter Korrespondenz und Übermittlung weiterer Informationen letztlich den erbetenen Kostenschutz für die beabsichtigten Klageverfahren gegen die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaften ausdrücklich mangels hinreichender Erfolgsaussichten abgelehnt.

Mit Schreiben vom 17.11.2012 und 05.12.2012 übermittelte die Beklagte nach vorheriger telefonischer Rücksprache den jeweiligen Klägern Angebote auf Abschluss eines "Deckungsvergleiches" in Bezug auf Klagen betreffend den Komplex T/H Gruppe, welche nach zwischenzeitlich mit dem Prozessbevollmächtigten der Kläger geführter Korrespondenz nicht in den Abschluss von Vergleichen mündeten. Mit Schreiben vom 15.11., 23.11. und 13.12.2012 erklärte die Beklagte gegenüber den Prozessbevollmächtigten der Kläger die Deckungsablehnung wegen fehlender hinreichender Erfolgsaussichten.

Die Prozessbevollmächtigten der Kläger erstellten daraufhin für die jeweiligen Kläger eine Stellungnahme, die - zumindest der Auffassung der Kläger - den Anforderungen an einen Stichentscheid gemäß § 17 ARB 75 entsprach und zu dem Ergebnis gelangte, dass hinreichende Erfolgsaussichten bestünden.

Die Kläger meinen, dass die Versicherungsfälle jeweils in versicherter Zeit eingetreten seien. Die Beklagte könne sich trotz zwischenzeitlich beendeter Versicherungsverträge nicht wirksam auf die Regelung des § 4 Abs. 4 ARB 75 berufen. Denn die Versicherungsnehmer treffe am Versäumen der dort genannten Frist kein Verschulden. Der jeweilige Versicherungsfall sei nach der notwendigen Kenntniserlangung unverzüglich der Beklagten angezeigt worden. Im Übrigen entbehre ein Erfordernis der unverzüglichen Mitteilung nach Kenntniserlangung einer Grundlage.

Die Kläger sind weiter der Auffassung, dass sich die Beklagte bereits deshalb nicht auf fehlende hinreichende Erfolgsaussichten berufen könne, weil die Deckungsablehnung nicht unverzüglich erfolgt sei. Darüber hinaus entfalte der jeweilige Stichentscheid gemäß § 17 Abs. 2 S. 2 ARB 75 Bindungswirkung. Es bestehe eine hinreichende Erfolgsaussicht der Klage gegenüber dem Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Insbesondere seien etwaige Schadensersatzansprüche nicht verjährt. Die Verjährung sei zumindest durch Einleitung des Güteverfahrens gehemmt worden.

Mit Schriftsatz vom 08.07.2014 haben die Kläger zu 2) bis 4) die Klage in Bezug auf die vollständige Freistellung von Kostenrechnungen betreffend die Erstellung des Stichentscheids erweitert. Die dort in Ansatz gebrachte 1,6 Geschäftsgebühr sei angemessen.

Die Kläger beantragen nunmehr,

1. festzustellen, dass die Beklagte dem Kläger zu 1) aus dem Versicherungsvertrag mit der Vertragsnummer 04278304-8 für die gerichtliche Durchsetzung in I. Instanz im Zusammenhang mit seinen Beteiligungen an der M AG (Vertrags-Nr. 18939, Vertrags-Nr. 18941 und Vertrags-Nr. 18942), der H Beteiligungs-AG (Vertrags-Nr. 534875) und der T AG (Vertrags-Nr. 601156 und Vertrags-Nr. 601157) gegen die Ernst & X GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und gegen die EY Revision und U GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Kostenschutz zu gewähren hat;

2. festzustellen, dass die Beklagte dem Kläger 2) und seiner mitversicherten Ehegatten, Frau P, aus dem Versicherungsvertrag mit der Vertragsnummer 05813629-5 für die gerichtliche Durchsetzung in I. Instanz im Zusammenhang mit ihren Beteiligungen an der H Beteiligungs-AG (Vertrags-Nr. 538908 und Vertrags-Nr. 538909) und an der T AG (Vertrags-Nr. 624259) gegen die Ernst & X GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Kostenschutz zu gewähren hat;

3. festzustellen, dass die Beklagte dem Kläger zu 3) aus dem Versicherungsvertrag mit der Vertragsnummer 04369535-1 für die gerichtliche Durchsetzung in I. Instanz im Zusammenhang mit seinen Beteiligungen an der H AG (Vertrags-Nr. 108569) gegen die Ernst & X GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Kostenschutz zu gewähren hat;

4. festzustellen, dass die Beklagten der Klägerin zu 4) aus dem Versicherungsvertrag mit der Vertragsnummer 05902820-8 für die gerichtliche Durchsetzung in I. Instanz im Zusammenhang mit ihrer Beteiligung an der T AG (Vertrags-Nr. 629352) gegen die Ernst & X GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Kostenschutz zu gewähren hat;

5. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu 2) von der Verbindlichkeit aus der Kostenrechnung der Kanzlei E2 vom 15.11.2013, Rechnungs-Nr. ...#/..., in Höhe von weiteren 394,00 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.11.2013 freizustellen;

6. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu 3) von der Verbindlichkeit aus der Kostenrechnung der Kanzlei E2 vom 22.10.2013, Rechnungs-Nr. ...#/..., in Höhe von weiteren 442,44 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 30.11.2013 freizustellen;

7. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin zu 4) von der Verbindlichkeit aus der Kostenrechnung der Kanzlei E2 vom 22.10.2013, Rechnungs-Nr. ...#/..., in Höhe von weiteren 215,39 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 30.11.2013 freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Feststellungsanträge bereits unzulässig seien. Es bestehe kein Feststellungsinteresse, weil die Kläger auch eine Leistungsklage erheben könnten. Die verfolgten Zahlungsansprüche bzw. Freistellungsansprüche könnten beziffert werden.

Ferner habe die Beklagte Deckungsschutz mit zutreffenden Begründungen mangels hinreichender Erfolgsaussichten abgelehnt. Zudem könne sich die Beklagte auf Leistungsfreiheit infolge vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung berufen, weil eine Beantwortung der Nachfragen verweigert worden sei. Mangelnde Erfolgsaussichten bestünden bereits deshalb, weil es schon an einer vorsätzlich begangenen Haupttat fehle, zu welcher die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften Beihilfe hätten leisten können. Dies ergebe sich aus einem Urteil des OLG Braunschweig vom 02.05.2012, 3 U 120/08. Auch eine Beihilfehandlung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sei nicht ersichtlich. Diese hätten bei der Erstellung von Bewertungsgutachten betreffend die Verschmelzung von zur H Gruppe gehörenden Gesellschaften lediglich berufstypische neutrale Handlungen vorgenommen. Gleiches gelte für die Prüfung und Testierung von Jahresabschlüssen der Beteiligungsgesellschaften.

Die Beklagte habe die Deckung auch unter Verweis auf fehlende Erfolgsaussichten ablehnen dürfen. Dies sei unverzüglich erfolgt. Die Frist für die Prüfung beginne erst mit vollständiger Informationserteilung an den Versicherer. Diese Frist sei hier eingehalten. Die erforderlichen Unterlagen hätten auch nicht bereits längere Zeit zuvor bei der Beklagten vorgelegen, weil sich vorherige Anfragen lediglich auf die außergerichtliche Interessenwahrnehmung gegenüber den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften bezogen hätten.

Im Übrigen seien etwaige Schadensersatzansprüche gegenüber den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften bereits verjährt, worauf die Beklagte in ihren Ablehnungsschreiben hingewiesen habe und worauf sich die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften auch berufen hätten. Die Prozessbevollmächtigten der Kläger hätten schon im August 2006, spätestens aber im Jahr 2007 Kenntnis von den Umständen, die sie zur Annahme der fehlenden Tragfähigkeit des Beteiligungsmodells der H Gruppe geführt haben, gehabt. Ferner hätten sie Kenntnis von den uneingeschränkten Testaten der Abschlussprüfer gehabt, so dass bekannt gewesen sei, dass bei einem angeblich von vornherein feststehenden Scheitern des Beteiligungsmodells etwaige Ansprüche auch gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in Betracht kämen. Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass das Schlichtungsverfahren im Dezember 2011 eingeleitet wurde. Bestritten wird auch die rechteckige Einleitung im Jahr 2011, da die Prozessbevollmächtigten der Kläger noch Ende April 2012 mitgeteilt hätten, eine Eingangsbestätigung der Schlichtungsstelle nicht vorlegen zu können.

Weiter ist die Beklagte der Auffassung, dass die Güteanträge zur Hemmung der Verjährung nicht geeignet gewesen seien, weil sie nicht hinreichend individualisiert gewesen seien. Darüber hinaus hätten die klägerischen Prozessbevollmächtigten gezielt eine Überlastung der Gütestelle herbeigeführt.

Darüber hinaus meint die Beklagte, dass die Stichentscheide keine Bindungswirkung entfalten könnten, da sie offensichtlich erheblich von der tatsächlichen Sach- und Rechtslage abwichen.

Für die weiteren Einzelheiten wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Die mündliche Verhandlung war auch vor dem Hintergrund der nicht nachgelassenen Schriftsätze nicht wieder zu eröffnen. Der Vortrag der Parteien in diesen Schriftsätzen ist für den Ausgang des Rechtsstreits ohne Belang.

I.

Die Klageanträge zu 1) bis 4) sind zulässig. Die Tatsache, dass die Kläger die Forderung zwischenzeitlich möglicherweise beziffern können, steht dem Feststellungsinteresse - wie im Hinweis- und Auflagenbeschluss vom 05.03.2015 ausgeführt - nicht entgegen.

Auch die subjektive Klagenhäufung ist zulässig, die Voraussetzungen von § 60 ZPO liegen vor.

II.

Die Kläger haben Anspruch auf Gewährung von Deckungsschutz für das jeweilige erstinstanzliche gerichtliche Vorgehen gegenüber den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften.

1.

Bezüglich der Kläger liegen jeweils Versicherungsfälle vor, die in versicherter Zeit eingetreten sind. Insbesondere steht § 4 Abs. 4 ARB 75 nicht entgegen. Dies gilt auch für die Kläger zu 2) und 3). Zwar hat die Beklagte ursprünglich geltend gemacht, dass die Versicherungsfälle nicht rechtzeitig angezeigt worden seien. Jedoch hat sie - worauf das Gericht im Hinweis- und Auflagenbeschluss vom 05.03.2015 hingewiesen hatte - auf den weiteren Vortrag der Kläger in deren Schriftsatz vom 01.04.2014 nicht mehr erwidert, so dass die Kammer davon ausgehen muss, dass auch die Beklagte letztlich davon ausgeht, dass die Kläger am Versäumen der Frist von zwei Jahren kein Verschulden trifft.

2.

Es kann dahinstehen, ob tatsächlich hinreichende Erfolgsaussichten der beabsichtigten Schadensersatzklagen wegen Beihilfe zum Betrug und Kapitalanlagebetrug gegenüber den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften bestehen oder ob etwaige Ansprüche möglicherweise bereits verjährt sind. Insbesondere kann offenbleiben, ob die bei dem Rechtsanwalt der E3 in Lübben gestellten Schlichtungsanträge überhaupt hinreichend individualisieren damit geeignet waren, die Verjährung zu hemmen. Denn die Beklagte ist an die Stichentscheide der Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 20.12.2012 gebunden (dazu sogleich unter 3.), sodass die Kammer hierüber nicht zu entscheiden hat.

Zwar ist richtig, dass nach dem Urteil des BGH vom 18.06.2015 (III ZR 198/14) ein Güteantrag, der die geltend gemachten Ansprüche nicht hinreichend konkretisiert, nicht geeignet ist, die Verjährung zu hemmen (BGH NJW 2015, 2407 ff.). Das führt in der vorliegenden Konstellation jedoch nicht dazu, dass die Bindungswirkung der Stichentscheide der nachträglich wieder entfiele. Das gilt bereits deshalb, weil die tatsächliche Ausgangslage unverändert geblieben ist und weil es sich bei der Gewährung von Deckungsschutz und ebenso bei dem Stichentscheid um Prognoseentscheidungen handelt (Bauer in: Harbauer, Rechtsschutzversicherung, 8. Aufl. 2010, Vor § 18 ARB2000 Rn. 20). Zudem ist es vor dem Hintergrund der nachstehenden Ausführungen unerheblich, ob - wie die Beklagte meint - eine Hemmung der Verjährung schon deshalb nicht bewirkt werden konnte, weil Verjährung bereits Ende 2010 eingetreten war, weil die Gütestelle mit einer Vielzahl von Anträgen überhäuft wurde, oder - unter Berücksichtigung der aktuellen BGH-Rechtsprechung - die Güteanträge nicht hinreichend individualisiert waren.

3.

Denn die Beklagte ist an die Stichentscheide der Prozessbevollmächtigten der Kläger gebunden. Gemäß § 17 Abs. 2 ARB 75 kann der Versicherungsnehmer, wenn er mit der Ablehnungsentscheidung des Versicherers nicht einverstanden ist, den für ihn tätigen oder noch zu beauftragenden Rechtsanwalt auf Kosten des Versicherers veranlassen, diesem gegenüber eine begründete Stellungnahme darüber abzugeben, dass die Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Entscheidung des Rechtsanwalts ist für beide Teile bindend, es sei denn, dass sie offenbar von der wirklichen Sach- oder Rechtslage erheblich abweicht.

Nach Auffassung der Kammer genügen die Stichentscheide der Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 20.12.2012 den Vorgaben von § 17 Abs. 2 ARB 75. Zunächst ist festzuhalten, dass es sich jeweils um eine begründete Stellungnahme handelt. Dies ergibt sich nicht allein aus dem Umfang von 44 Seiten, sondern maßgeblich aus dem Inhalt. Denn in den jeweils als Stichentscheid gekennzeichneten Dokumenten (Anlage K 38) machen die klägerischen Prozessbevollmächtigten Ausführungen zu den einzelnen Tatbestandsmerkmalen der Schadensersatzansprüche, die gegenüber den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften erhoben werden. Sie berücksichtigen dabei auch die Argumente der Beklagten und setzen sich mit ihnen auseinander. Es handelt sich nach Einschätzung der Kammer auch nicht um eine bloße summarische Prüfung. Sondern sie bezieht sich auf die Punkte, mit denen die Beklagte zuvor die Deckung abgelehnt hat.

Die Stellungnahmen sind bindend, weil sie nicht offenbar erheblich von der wirklichen Sach- und Rechtslage abweichen. Denn "erheblich" ist die Abweichung nur, wenn die Stellungnahme des Rechtsanwalts die Sach- oder Rechtslage gröblich verkennt (OLG Düsseldorf VersR 2006, 649, 650). "Offenbar" ist eine solche Unrichtigkeit erst dann, wenn sie sich dem Sachkundigen, wenn auch erst nach gründlicher Prüfung, mit aller Deutlichkeit aufdrängt (OLG Düsseldorf VersR 2006, 649, 650). Diese Voraussetzungen sind nach Auffassung der Kammer nicht erfüllt.

Ob hinreichende Erfolgsaussichten in diesem Sinne bestehen, beurteilt sich im Wesentlichen nach den zu § 114 ZPO entwickelten Grundsätzen (Armbrüster in: Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl. 2015, § 1 ARB 2010 Rn. 8 m.w.N.). Dies bedeutet, dass der Standpunkt des Versicherungsnehmers nach den von ihm aufgestellten Behauptungen und den ihm bekannten Einwendungen des Gegners zumindest vertretbar sein muss. Soweit ein Stichentscheid nur dann keine Bindungswirkung entfaltet, wenn er von der wirklichen Rechtslage offenbar erheblich abweicht, müssen die insoweit zu stellenden Anforderungen nochmals deutlich geringer sein. Das ist in Bezug auf die vorliegenden Stichentscheide nicht zu erkennen.

Dabei mag es - wie die Beklagte auch in ihrem Schreiben vom 24.01.2013 (Anlage K 39) ausführt - durchaus möglich sein, verschiedentlich zu divergierenden Ergebnissen zu gelangen. So erscheint es unter Berücksichtigung der von den Parteien vorgetragenen Argumente durchaus denkbar, dass eine vorsätzliche Förderung (durch die Verantwortlichend der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften) einer vorsätzlich begangenen rechtswidrigen Haupttat im Ergebnis abzulehnen ist. Gleichfalls ist der Einwand, etwaige Ansprüche seien bereits verjährt, nicht vollständig von der Hand zu weisen. Soweit aber - was klägerseits geltend gemacht wird - die dort vertretene Auffassung die von den Klägern verfolgten Ansprüche rechtfertigt und nicht augenscheinlich unvertretbar ist, kann zumindest von einer offenbar erheblichen Abweichung nicht die Rede sein. Selbst wenn sich die dort vertretene Auffassung später als unzutreffend herausstellen sollte, läge aus Sicht der Kammer keine offenbar erhebliche Abweichung vor, zumal eine exante-Betrachtung vorzunehmen ist. Denn auch soweit das OLG Braunschweig in seinem Urteil vom 02.05.2012 - 3 U 120/08 - Zweifel in Bezug auf einzelne Tatbestandsmerkmale angemeldet haben mag, bedeutet das im Ergebnis nicht, dass die Ausführungen in den Stichentscheiden offenbar erheblich von der tatsächlichen Sach- und Rechtslage abweichen. Dies gilt umso mehr, als durchaus in Betracht kommt, dass zu einzelnen Tatbestandsmerkmalen gegebenenfalls Beweis zu erheben sein könnte. Auch soweit die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften bereits vor Abfassen der Stichentscheide die Einrede der Verjährung erhoben haben, bedeutet dies nicht, dass die Verjährung tatsächlich eingetreten ist; auch dieser Aspekt ist vom Hauptsachegericht zu prüfen.

Aus Sicht des Versicherers mag dieses Ergebnis unbefriedigend sein. Jedoch ist die Möglichkeit des Stichentscheids durch den Rechtsanwalt des Versicherungsnehmers in den einschlägigen ARB ausdrücklich vorgesehen. Der Umstand, dass neuere Bedingungswerke vielfach andere Lösungswege wählen, kann ggf. als Indiz dafür angesehen werden, dass die Möglichkeit des Stichentscheids durch den Rechtsanwalt des Versicherungsnehmers, wenngleich dieser ein Organ der Rechtspflege ist, in der Vergangenheit nicht immer zu vollständig objektiven Ergebnissen geführt haben mag.

III.

Die Kläger zu 2) bis 4) können von der Beklagten nicht - wie mit den Klageanträgen zu 5) bis 7) begehrt - die Freistellung von den Kostenrechnungen betreffend die Erstellung der Stichentscheide verlangen.

§ 17 Abs. 2 ARB regelt zwar, dass der Stichentscheid durch eine Rechtsanwalt im Auftrag des Versicherungsnehmers auf Kosten des Versicherers zu fertigen ist. Insoweit trägt auch keine der Parteien vor, dass keinerlei Kosten hinsichtlich der Erstellung der Stichentscheide zu erstatten wären. Vielmehr richten sich die Einwendungen der Beklagten gegen die Höhe der geltend gemachten Gebühren. Mit den als Anlage K85 vorgelegten Schreiben der Beklagten vom 09.12.2013 bringt diese klar zum Ausdruck, dass sie sich lediglich dagegen wendet, dass die klägerischen Prozessbevollmächtigten eine 1,6 Geschäftsgebühr in Ansatz gebracht haben. Zugleich erklärt die Beklagte darin ausdrücklich, dass sie ihren Versicherungsnehmern Kostenschutz für die Abwehr der nach Auffassung der Beklagten unberechtigten Gebührenforderung gewähre.

Diesbezüglich hat der BGH klargestellt, dass einer Rechtsschutzversicherung ein Wahlrecht zusteht, ob sie aus dem Rechtsschutzversicherungsvertrag einen Gebührenanspruch, den sie für nicht berechtigt erachtet, erfüllt bzw. den Versicherungsnehmer hiervon freistellt, oder ob sie diesem Abwehrschutz gewährt in Bezug auf eine Honorarklage des klägerischen Prozessbevollmächtigten (BGH VersR 2015, 1501). Diese Möglichkeit muss die Rechtsschutzversicherung auch in der hier vorliegenden Konstellation haben. Soweit die Parteien die Auffassung vertreten haben sollten, dass sich die Rechtslage durch die aktuelle BGH-Entscheidung geändert habe, stimmt diese Wahrnehmung nicht mit den Erkenntnissen der Kammer überein. Dies ergibt sich bereits aus den vom BGH zitierten Fundstellen.

Durch die Gewährung von Abwehrschutz gegenüber etwaigen Honorarklagen der klägerischen Prozessbevollmächtigten hat die Beklagte den Anspruch aus dem Versicherungsvertrag bereits erheblich vor Klageerweiterung mit Schriftsatz vom 08.07.2014 erfüllt. Weitergehende diesbezügliche Ansprüche kommen nicht in Betracht.

In Ermangelung eines Hauptsacheanspruchs kommen daraus resultierende Zinsansprüche ebenfalls nicht in Betracht.

IV.

Die Kostenentscheidung basiert auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 Abs. 1 und 2 ZPO.

V.

Der Streitwert wird für die Zeit bis zum 07.07.2014 auf 32.900,37 € und für die Zeit ab dem 08.07.2014 auf 33.952,20 € festgesetzt.

VI.

Der Antrag der Beklagten vom 07.03.2016 auf Berichtigung des Protokolls vom 01.02.2016 wird zurückgewiesen.

Es lässt sich nicht feststellen, dass und inwieweit das Protokoll unrichtig sein sollte. Der Einzelrichter hat keine konkrete Erinnerung mehr an den Wortlaut der Äußerungen der Parteivertreter. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit das schriftlich vorliegende Protokoll von dem Diktat im Rahmen der mündlichen Verhandlung abweicht. Die Parteivertreter haben der Protokollierung im Termin unmittelbar beigewohnt und hätten, wenn Anlass hierzu bestanden hätte, im Termin um eine Ergänzung oder Korrektur der zu Protokoll genommenen Ausführungen bitten können. Das ist jedoch nicht erfolgt. Vielmehr haben die Parteivertreter im Anschluss an die Protokollierung der übrigen Ausführungen mit den schriftsätzlich angekündigten Anträgen verhandelt, ohne die Protokollierung zu monieren. Letztlich ist aus dem Vortrag der Beklagten im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 07.03.2016 nicht ersichtlich, welche Formulierung im Protokoll in welcher Form beanstandet wird und in welcher Weise aus Sicht der Beklagten eine Berichtigung vorzunehmen sei.