LG Düsseldorf, Urteil vom 07.11.2017 - 9 O 263/15
Fundstelle
openJur 2019, 28606
  • Rkr:
Tenor

Das Versäumnisurteil vom 3. Mai 2016 wird aufrechterhalten.

Der Kläger hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig fortgesetzt werden.

Tatbestand

Der Kläger unterhielt bei der Beklagten eine private Unfallversicherung. Die Grundsumme betrug 208.384,00 €. Für den Fall des Verlustes eines Arms im Schultergelenk war eine Invaliditätsentschädigung von 70 % vorgesehen. Darüber hinaus war für den Fall der Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit ein Tagegeld vereinbart, welches für die Dauer der ärztlichen Behandlung gezahlt und nach dem Grad der Beeinträchtigung abgestuft wird. Für die Bemessung des Grades der Beeinträchtigung war die Berufstätigkeit oder Beschäftigung des Versicherten maßgebend. § 10 Abs. 1 der Bedingungen bestimmte, dass, sofern bei den Unfallfolgen Krankheiten oder Gebrechen mitgewirkt haben, die Leistung entsprechend dem Anteil der Krankheit oder des Gebrechens zu kürzen ist, sofern dieser Anteil mindestens 25 % beträgt. § 10 Abs. 4 Satz 1 der Bedingungen sah vor, dass, wenn vor Eintritt des Unfalls der Versicherte schon durch Krankheit oder Gebrechen in seiner Arbeitsfähigkeit dauernd behindert war oder Körperteile oder Sinnesorgane ganz oder teilweise verloren oder gebrauchsunfähig gewesen sind, von der nach dem Unfall vorhandenen Gesamtinvalidität ein Abzug gemacht wird, der der schon vorher vorhanden gewesenen Invalidität entspricht. § 8 Abs. 7 der Bedingungen regelte, dass, sofern der Versicherte am Unfalltag das 65. Lebensjahr vollendet hat, die Invaliditätsentschädigung in Form einer Rente gemäß § 20 der Bedingungen gewährt wird.

Der Kläger erlitt nach seiner Darstellung am 15. Juni 2013 einen Unfall, bei welchem er auf die rechte Schulter fiel. Am 6. Februar 2014 wurde bei dem Kläger eine stationäre arthroskopische Behandlung durchgeführt. Es wurde eine Zusammenhangstrennung der Rotatorenmanschette im rechten Schultergelenk verschlossen. Bei dieser Operation wurden Läsionen der Supraspinatus- und der Infraspinatus-Sehne festgestellt.

Mit Schreiben vom 20. Mai 2015 (Anlage K 5) ging die Beklagte von einem Invaliditätsgrad von 10,5 % aus; sie brachte Vorinvalidität in Höhe von 3,5 % in Abzug und errechnete eine Invaliditätsleistung von 14.586,88 € (7 % der Grundsumme von 208.384,00 €). Die Leistung sollte als Rente gezahlt werden, da der Kläger am Unfalltag bereits das 65. Lebensjahr vollendet hatte. Darüber hinaus zahlte die Beklagte bis zum 6. März 2014 Tagegeld.

Der Kläger behauptet:

Die Zusammenhangstrennung der Rotatorenmanschette mit den Läsionen sei auf den Unfall am 15. Juni 2013 zurückzuführen. Infolge dieses Unfalls sei der Arm kraftlos geworden. Es ergebe sich daraus ein Invaliditätsgrad von 10,5 %. Er vertritt zudem die Rechtsmeinung, dass die Auszahlung einer Rente anstelle der Einmalzahlung aufgrund des Alters am Unfalltage gegen die Vorschriften des AGG verstoße.

Er sei zudem bis zum 31. Mai 2014 im Sinne der Bedingungen arbeitsunfähig gewesen, es stünden ihm also für den Zeitraum vom 6. März 2014 bis zum 31. Mai 2014 noch 4.427,28 € zu.

Der Kläger hat zunächst in erster Linie beantragt wie folgt zu erkennen:

1.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 20.947,89 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszins seit dem 30.09.2014 zu zahlen.

2.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.427,28 € nebst 5 % Zinsen seit dem 01.04.2014 zu zahlen.

3.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.514,63 € freizustellen.

Für den Fall, dass die genannten Anträge zu Ziffer 1 und Ziffer 2 abgewiesen werden sollten, hat er hilfsweise erkannt wie folgt zu erkennen:

4.

Die Beklagte wird verurteilt, jeweils zum 01.01., 01.04., 01.07., 01.10. eines jeden Jahres, beginnend mit dem 01.10.2015 bis längstens zu dem Quartal, in dem der Kläger verstirbt, einen monatlichen Betrag in Höhe von 704,39 e zu zahlen.

5.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.395,14 € mit 12 % Zinsen über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Klage ist zunächst durch Versäumnisurteil vom 3. Mai 2016 abgewiesen worden.

Der Kläger beantragt nunmehr,

das Versäumnisurteil aufzuheben und nach dem ursprünglichen Klageantrag zu entscheiden abzüglich jeweils gezahlter 498,00 € am 2. Oktober 2015, 5. Januar 2016, 4. April 2016 und 5. Juni 2016 auf den Klageantrag zu Ziffer 1.

Die Beklagte beantragt,

das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.

Die Beklagte bestreitet, dass bei dem Kläger Invalidität von mehr als 7 % vorliege. Sie bestreitet zudem, dass die Trennung der Manschette auf dem Ereignis am 15. Juni 2014 beruhe. Dagegen sprächen auch angebliche Vorerkrankungen wie Impingement und Arthrose. Die Beklagte behauptet, dass zudem Vorinvalidität in Höhe von 3,5 % vorliege. Soweit das Tagegeld betroffen sei, hätten unfallfremde Ursachen den Verlauf über den 6. März 2014 hinaus bestimmt.

Zudem bezieht sich die Beklagte auf den Ausschluss nach § 3 Abs. 4 der Bedingungen, wonach Unfälle infolge von Schlaganfällen, epileptischen Anfällen und solchen Krampfanfällen, die den ganzen Körper des Versicherten ergreifen, von Geistes- oder Bewusstseinsstörungen, auch soweit diese durch Trunkenheit verursacht sind, von der Versicherung ausgeschlossen sind. Diesbezüglich bezieht sich die Beklagte auf die Bekundung des Klägers, dass ihm schwindelig und schwarz vor Augen geworden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst den diesen beigefügten Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle verwiesen.

Die Kammer hat den Kläger informatorisch angehört. Darüber hinaus ist die Zeugin S in der mündlichen Verhandlung vom 5. Juli 2016 (Bl. 118 d.A.) aufgrund Verfügung vom 19. Januar 2016 (Bl. 75 d.A.) vernommen worden. Aufgrund Beweisbeschlusses vom 6. Juli 2016 (Bl. 123 d.A.) ist ein schriftliches Sachverständigengutachten des Dr. med. E3 eingeholt worden (Bl. 171 ff. d.A.). Der Sachverständige ist in der mündlichen Verhandlung am 19. September 2017 (Bl. 245 d.A.) persönlich angehört worden.

Gründe

Zunächst geht die Kammer bei der Auslegung des Antrags des Klägers davon aus, dass dieser die Aufhebung des Versäumnisurteils beantragt und eine Verurteilung nach dem Klageantrag erstrebt, wie er in der mündlichen Verhandlung vom 5. Juli 2016 (Bl. 118 d.A.) formuliert worden ist.

Indessen ist die Klage abzuweisen, weil die sich aus § 1 der Versicherungsbedingungen ergebende Voraussetzung, dass Folgen eines Unfalls vorliegen, nicht erfüllt ist.

Allerdings ist zunächst davon auszugehen, dass der Kläger einen Unfall erlitten hat, wie er ihn bei seiner Anhörung am 5. Juli 2016 geschildert hat. Er hat dort angegeben, dass er sich nach vorn gebückt habe, dass er, als er sich wieder aufgerichtet habe, ihm schwindelig geworden sei und schwarz vor Augen. Er sei dann nach hinten gefallen und sei mit der rechten Schulter auf eine Ecke eines Glastischs gefallen. Die Platte sei zerbrochen. Er habe dann auf dem Boden in den Glasscherben gelegen und sofort einen starken Schmerz in der Schulter verspürt. Äußerlich sei nur ein kleiner Riss auf dem Rücken zu erkennen gewesen.

Auch ist im Ergebnis der Beweisaufnahme davon auszugehen, dass bei dem Kläger eine Funktionsbeeinträchtigung der rechten Schulter gegeben ist. Der Sachverständige hat dazu in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass er diese nach der Rotatorenmanschettenruptur mit 4/20 Arm im Schultergelenk einschätze.

Indessen steht der erforderliche Ursachenzusammenhang im Ergebnis der Beweisaufnahme nicht fest.

Zwar genügt nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 19.10.2016 - IV ZR 521/14) es für einen adäquaten Kausalzusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsbeeinträchtigung, dass das Unfallereignis an der eingetretenen Funktionsbeeinträchtigung mitgewirkt hat, wenn diese Mitwirkung nicht gänzlich außerhalb aller Wahrscheinlichkeit liegt; eine wesentliche oder richtungsgebende Mitwirkung sei nicht zu verlangen. Daher schließe das Vorhandensein von Vorschäden für sich genommen die Kausalität nicht aus.

Jedoch hat der Sachverständige auf entsprechende Nachfrage im Verhandlungstermin am 19. September 2017 ausgeführt, dass, auch wenn es hundertprozentige Gewissheiten in der Medizin nicht gebe, er dabei bleibe, wenn er gefragt werde, wie es sich verhalte, wenn man für den Unfallursachenzusammenhang davon ausgehe, dass eine Mitwirkung ausreiche, die nicht außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit liege, dass auch unter diesem Blickwinkel der Unfallmechanismus nicht geeignet gewesen sei, an der Entstehung der Rotatorenmanschettenruptur mitzuwirken. Er hat das damit begründet, dass ein Riss der langen Bizepssehne diagnostiziert worden sei und diese auf jeden Fall immer degenerativ und unfallunabhängig sei. Eine weiterhin diagnostizierte Risswunde am Oberarm sei absolut nicht geeignet, eine Rotatorenmanschettenruptur herbeizuführen. Eine Prellmarke im Schulterbereich sei nicht diagnostiziert worden.

Die Kammer ist von der erforderlichen Sachkenntnis des Gutachters Dr. E3 überzeugt. Dieser ist Chefarzt der Unfallchirurgie und Orthopädie des St.-Elisabeth-Krankenhauses in M2, eines akademischen Lehrkrankenhauses der RWTH Aachen. Dieser Status setzt besondere Sachkunde und Erfahrung voraus.

Zudem hat der Sachverständige den Kläger selbst untersucht und - wie ihm vorgegeben - die Schilderung des Unfallgeschehens durch den Kläger im Rahmen von dessen informatorischer Anhörung zu Grunde gelegt.

Ein anderes Ergebnis kann aus dem in der Akte befindlichen Privatgutachten des Sachverständigen Riedel nicht hergeleitet werden. Diesbezüglich führt der Gerichtssachverständige aus, dass einer gesicherten äußeren Gewalteinwirkung auf das Schultergelenk zwar die generelle Eignung der Verursachung eines Schulterschadens nicht abgesprochen werden könne. Allerdings sei eine Pseudolähmung nicht dokumentiert. Die Rekonstruktionsfähigkeit der Sehne sei zwar ein Hinweis auf eine nicht allzu lange zurückliegende Ruptur, könne jedoch keinen Zusammenhang mit dem angegebenen Unfall beweisen. Anders als das in dem Privatgutachten wiedergegeben sei, verhalte es sich nicht so, dass die degenerativ aufgetretene Rotatorenmanschettenrupturen sich einer operativen Versorgung nicht zuführen ließen. Die Tätigkeit des Klägers als Tennisspieler spreche zusammen mit einer anlagebedingten Enge des Schulterdachs eher für eine chronische Schädigung der Rotatorenmanschette. Diese könne sich bei lange anhaltender Schädigung und ausholenden Bewegungen durchaus auch nicht nur auf den Obergrätenmuskel begrenzen, was eine Schädigung des Untergrätenmuskels erkläre.

Die Kammer versteht die eben erwähnte Entscheidung des Bundesgerichtshofs dahin, dass eine, wenn auch nur sehr geringe Mitwirkung, des Unfalls an der Folge feststehen muss. So hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung dahin formuliert, dass die Kausalität des Unfallgeschehens für die Gesundheitsbeeinträchtigung des dortigen Klägers jedenfalls deshalb zu bejahen wäre, wenn die bei dem Vorfall auf den Kläger einwirkenden Kräfte - mögen sie auch gering gewesen sein - die Aktivierung einer zuvor klinisch stummen Facettengelenksarthrose bewirkt und damit geltend gemachte Dauerbeschwerden ausgelöst hätte. Solches lässt sich allerdings übertragen auf den Fall des hiesigen Klägers auch nicht eindeutig feststellen.

Der Kläger hatte diesbezüglich angegeben, dass es ihm nach dem Unfall nicht mehr möglich gewesen sei, Tennis zu spielen und zu kegeln. Dass der Kläger bis zu dem Ereignis aber tatsächlich aktiv Tennis spielte und kegelte und dies dann infolge des Unfalls unterlassen musste, steht im Ergebnis der Beweisaufnahme nicht fest. Bezüglich des Tennisspielens hat die Zeugin S angegeben, dass der Kläger den Sport im Verein schon einige Jahre vor dem Vorfall aufgegeben gehabt habe und nur noch freizeitmäßig mit Freunden gespielt habe, wenn diese dazu Lust gehabt hätten. Dass der Kläger unmittelbar vor dem Vorfall den Tennissport noch ausübte, ist dem nicht zu entnehmen. Gleiches gilt hinsichtlich des Kegelsports. Die Zeugin hat diesbezüglich angegeben, dass der Kläger vor dem Vorfall fast jede Woche in seinem Verein gekegelt habe, allerdings nur solange, bis sich der Verein aus Altersgründen aufgelöst gehabt habe. Wann diese Auflösung geschehen war, konnte die Zeugin nicht mehr sagen, ergänzte allerdings, dass der Kläger ohnehin nur in Deutschland gekegelt habe, während man sich bei dem Vorfall auf Mallorca befunden habe, wo zu der Zeit des Unfalls regelmäßig etwa drei Monate des Jahres verbracht worden seien.

Es kommt danach nicht mehr darauf an, ob im Zeitpunkt des Vorfalls eine Vorinvalidität bereits gegeben war oder ob Krankheiten oder Gebrechen mitgewirkt haben.

Es kann auch dahinstehen, ob eine bedingungsgemäße Bewusstlosigkeit vorlag, woran allerdings Zweifel bestehen, weil der Gerichtssachverständige ausgeführt hat, dass es sich um einen durch eine Störung des Innenohrs ausgelösten Schwindel gehandelt haben dürfte, der jedenfalls aus Sicht des Sachverständigen mit einer Bewusstseinsstörung nicht gleichgesetzt werden könne.

Da sich weder feststellen lässt, dass die Funktionsbeeinträchtigung der Schulter auf den Unfall zurückzuführen ist noch dass aufgrund des Unfalls Arbeitsunfähigkeit des Klägers eingetreten ist, bleibt die Klage in der Hauptsache erfolglos.

Da auch die Hilfsanträge das Vorhandensein von Unfallfolgen voraussetzen, hat die Klage diesbezüglich ebenfalls keinen Erfolg.

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 91, 709 ZPO.

Der Streitwert wird auf 25.375,11 € festgesetzt.

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