VG Köln, Beschluss vom 31.10.2018 - 1 L 2550/18
Fundstelle
openJur 2019, 28574
  • Rkr:
Tenor

1. Durch einstweilige Anordnung wird vorläufig bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren festgestellt, dass die Verkaufsstellen in Frechen im „Gewerbegebiet Dürener Straße“ (östlich der Dürener Straße mit den Zufahrten Dürener Straße und zusätzlichen Zugängen Mühlenbach) nicht am Sonntag, dem 4. November 2018, auf Grund der Ordnungsbehördlichen Verordnung vom 17. Oktober 2018 über das Offenhalten von Verkaufsstellen im Gewerbegebiet Dürener Straße anlässlich des Martinsmarktes geöffnet sein dürfen.

Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, den Beschlusstenor zu 1. umgehend öffentlich bekannt zu machen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

1. Der auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO gerichtete Antrag ist zulässig und begründet.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung, um wesentliche Nachteile abzuwenden, drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Da der Sache nach die Gültigkeit einer Rechtsnorm vorübergehend suspendiert werden soll, können für eine derartige Entscheidung nach § 123 VwGO allerdings keine anderen Maßstäbe gelten als für eine normspezifische einstweilige Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO. Für diese ist allgemein anerkannt, dass eine Interessenabwägung unter Anlegung eines besonders strengen Maßstabs vorzunehmen ist. Die für die einstweilige Anordnung sprechenden Gründe müssen danach grundsätzlich so schwer wiegen, dass deren Erlass unabweisbar erscheint. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn sich die jeweils in Rede stehende untergesetzliche Norm schon im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes als offensichtlich unwirksam erweist, und ihre Umsetzung den Antragsteller so konkret beeinträchtigt, dass die einstweilige Anordnung deshalb dringend geboten ist. Demgegenüber kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn sich die jeweilige untergesetzliche Norm schon im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes als wirksam erweist.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. Juni 2016 - 4 B 504/16 -, juris Rn. 24 ff., m. w. N.; zuletzt bestätigt durch Beschluss vom 27. September 2018 - 4 B 1410/18 -, juris Rn. 16.

Gemessen daran liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung vor.

Für die sonntägliche Öffnung der Verkaufsstellen am 4. November 2018 im Gewerbegebiet Dürener Straße fehlt es an der notwendigen Rechtsgrundlage.

In § 6 Abs. 4 LÖG NRW wird die zuständige örtliche Ordnungsbehörde ermächtigt, die Tage nach Absatz 1 und 2 durch Verordnungen freizugeben. Gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 GO NRW ist der Rat einer Gemeinde für alle Angelegenheiten der Gemeindeverwaltung zuständig. Soweit dies u.a. den Erlass von ortsrechtlichen Bestimmungen betrifft, zu denen auch Rechtsverordnungen gehören, kann der Rat die Entscheidung auch nicht auf andere kommunale Entscheidungsträger - insbesondere den Bürgermeister - übertragen, § 41 Abs. 1 S. 2 lit. f) GO NRW.

Gemessen daran liegt kein wirksamer Ratsbeschluss über die Öffnung von Verkaufsstätten im Gewerbegebiet Dürener Straße für den 4. November 2018 vor. Zwar hat die Bürgermeisterin der Antragsgegnerin im Amtsblatt vom 17. Oktober 2018 die hier streitgegenständliche Verordnung verkündet. Eine derartige Verordnung ist vom Rat ausweislich der auf der Internetseite der Antragsgegnerin einsehbaren Informationen über Ratsbeschlüsse ("SD-Dienst") nicht beschlossen worden. In seiner Sitzung vom 9. Oktober 2018, auf die auch im Amtsblatt Bezug genommen wird, hat der Rat unter TOP A10.1.1 zur Vorlagen-Nr. 409/16/2018 1. Ergänzung anlässlich des verkaufsoffenen Sonntags am 4. November 2018 zum Martinsmarkt folgenden Beschluss getroffen:

Der Rat nimmt die Mitteilung der Verwaltung zum Ergebnis der rechtlichen Prüfung und Bewertung einer Ausweitung der Sonntagsöffnung auf den erweiterten Einzelhandelsbereich des Ortsteils Innenstadt anlässlich des Martinsmarkts zur Kenntnis und beauftragt die Verwaltung mit der Vorbereitung von vier weiteren Ordnungsbehördlichen Verordnungen, wonach in Ergänzung der bereits bestehenden Verordnung vom 27.04.2018 zusätzlich alle Verkaufsstellen

a) auf der Hauptstraße, Antoniterstraße, Keimesstraße, Dr.-Tusch-Straße, Sternengasse, Josefstraße und Rothkampstraße

b) auf der Kölner Straße

c) im Gewerbegebiet Europaallee (begrenzt durch Kölner Straße, Bonnstraße und A4) sowie

d) im Gewerbegebiet Dürener Straße (östlich der Dürener Straße)

am 04.11.2018 in der Zeit von 13.00 Uhr bis 18.00 Uhr geöffnet sein dürfen.

Seinem Inhalt nach hat der Rat damit gerade nicht den Erlass der Verordnungen beschlossen, sondern lediglich die Verwaltung mit der Vorbereitung entsprechender Verordnungen beauftragt. Dass die Verwaltung dieser Vorbereitungsbeauftragung nachgekommen ist, wird durch die Veröffentlichung im Amtsblatt augenscheinlich. Anhaltspunkte dafür, dass der Rat - wie von Gesetzes wegen verlangt - nach der Vorbereitung der Rechtsverordnung und vor der Veröffentlichung im Amtsblatt diese dann noch beschlossen hat, sind hingegen nicht ersichtlich. Auch die Antragsgegnerin hat in ihrer Antragserwiderung weder einen weiteren Ratsbeschluss noch eine Dringlichkeitsentscheidung erwähnt. Vielmehr scheint die Antragsgegnerin - wie gezeigt zu Unrecht - davon auszugehen, dass die Bürgermeisterin für den Erlass der Rechtsverordnung zuständig ist, wenn sie in der Antragserwiderung ausführt "die Bürgermeisterin (...) hat (...) angeordnet", dass die Verkaufsstellen öffnen dürfen.

Erweist sich die umstrittene Verordnung mithin schon im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes als offensichtlich unwirksam, beeinträchtigt auch ihre Umsetzung die Antragstellerin so konkret in ihrem verfassungsrechtlich durch die Vereinigungsfreiheit geschützten Recht auf Wahrung des Sonn- und Feiertagsschutzes, dass die einstweilige Anordnung dringend geboten ist. Denn eine rechtskräftige Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren wäre für die Antragstellerin nicht rechtzeitig zu erlangen. Die Interessen von Verkaufsstelleninhabern, die im Hinblick auf eine Sonntagsöffnung bereits Dispositionen getroffen haben mögen, müssen deshalb zurückstehen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

2. Der Streitwert wurde auf der Grundlage von §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG festgesetzt.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.

Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) erfolgen.

Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.

Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.

Die Beteiligten müssen sich bei der Einlegung und der Begründung der Beschwerde durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.

Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Die Beschwerde ist schriftlich, zur Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.

Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.

Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.

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