VG Aachen, Urteil vom 20.05.2019 - 6 K 742/18
Fundstelle
openJur 2019, 28422
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen als Gesamtschuldner.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages.

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von insgesamt fünf Windenergieanlagen in I. -W. , Vorrangzone "Q. ", soweit die zwei zu ihrem Grundstück am nächsten gelegenen Anlagen (WEA 1 und 2) betroffen sind.

Die Kläger sind Eigentümer des mit einem Zweifamilienwohnhaus bebauten Grundstücks Am Q. 1, xx I. (Gemarkung W. , Flur 10, Flurstücke 56 und 57).

Die für die Windenergieanlagen vorgesehenen Grundstücke (Gemarkung W. , Flur 11, Flurstück 10, Flur 10, Flurstück 19 und Flur 9, Flurstück 39) liegen innerhalb der durch die 9. Änderung des Flächennutzungsplans der Gemeinde I. ausgewiesenen Konzentrationszone für Windkraftanlagen "Q. " und werden vom vorhabenbezogenen Bebauungsplan xx "Windpark Q. " erfasst.

Auf Antrag vom 3. April 2017 und nach Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung sowie Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens durch die Gemeinde I. unter dem 19. Juli 2017 erteilte der Beklagte der Beigeladenen unter dem 8. Januar 2018 die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von fünf Windkraftanlagen vom Typ Enercon E-115 mit einer Nennleistung von 3.000 kW, einer Nabenhöhe von 135,4 m (WEA 1) bzw. 149 m (WEA 2-5) und einem Rotordurchmesser von 115,7 m in I. -W. (Vorrangzone "Q. ").

Im Genehmigungsverfahren hatten sich die Kläger beteiligt und mit anwaltlichem Schriftsatz vom 20. Juli 2017 Einwendungen gegen das Vorhaben vorgebracht. Sie machten neben zahlreichen Bedenken betreffend die Wirksamkeit des zugrundliegenden vorhabenbezogenen Bebauungsplans und der 9. Änderung des Flächennutzungsplans geltend, von den Anlagen gehe für ihr Grundstück eine optisch bedrängende Wirkung aus, da der Abstand zur WEA 1 und WEA 2 nur ca. 350 m bzw. 400 m betrage. Das Gutachten der Firma P. - C. und G. - von August 2016 zur Beurteilung der optisch bedrängenden Wirkung beruhe auf der unzutreffenden Annahme, der Ost-West-Flügel ihres Doppelhauses sei unbewohnt. Tatsächlich sei aber der gesamte Gebäudekörper bewohnt. Außerdem seien sie nicht verpflichtet, öffentlichrechtliche Eingriffe durch auf ihrem Grundstück vorhandene hoch aufragende und sichtverschattende Grünstrukturen abzumildern; diese seien vielmehr bei der Beurteilung außer Betracht zu lassen. Weiterhin würden laut im Genehmigungsverfahren herangezogener gutachterlicher Stellungnahme die Schallimmissionsrichtwerte voll ausgeschöpft und der Schattenwurf werde als unbedenklich eingestuft, obwohl das klägerische Grundstück insoweit nicht näher betrachtet worden sei. Im Übrigen handle es sich bei den Gebäuden am Q. um einen geschlossenen Bebauungszusammenhang im bauplanungsrechtlichen Sinne, der nicht nach den Maßgaben für Einzelhöfe im Außenbereich beurteilt werden dürfe.

Der Genehmigungsbescheid wurde den Klägern am 17. Januar 2018 zugestellt.

Die Kläger haben am Montag, dem 19. Februar 2018, Klage gegen den Bescheid vom 8. Januar 2018 erhoben, die sie in der mündlichen Verhandlung dahingehend klargestellt haben, dass sie sich ausschließlich gegen die Genehmigung der Anlagen WEA 1 und 2 richtet. Zur Begründung haben sie mit Schriftsatz vom 29. März 2019 vorgetragen, der zur Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen erforderliche Mindestabstand einer Windenergieanlage zur schutzwürdigen Bebauung betrage nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts mindestens 450 m. Dieser werde vorliegend nicht eingehalten. Unter dem 26. April 2019 wiederholten sie ihre Ausführungen aus dem Verwaltungsverfahren.

Die Kläger beantragen,

den Genehmigungsbescheid des Beklagten vom 8. Januar 2018 hinsichtlich der Windenergieanlagen "WEA 1" und "WEA 2" aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, von den Windenergieanlagen gehe keine bedrängende Wirkung für das klägerische Gebäude aus. Dies gelte unabhängig davon, ob nur ein Teil der Doppelhaushälfte oder das gesamte Gebäude zu Wohnzwecken genutzt werde. Im Hinblick auf den laut Gutachter nicht bewohnten Ost-West-Flügel würden sich die in Blickrichtung zur WEA 1 liegenden immergrünen Gehölze stark sichtverschattend auswirken.

Die Beigeladene beantragt ebenfalls,

die Klage abzuweisen.

Sie schließt sich dem Standpunkt des Beklagten an und trägt ergänzend vor, die Kläger hätten ihre Einwände nicht innerhalb der Klagebegründungsfrist von 10 Wochen gem. § 6 UmwRG vorgetragen. Die Einhaltung der Frist sei den Klägern zumutbar gewesen, da sie bereits im Genehmigungsverfahren beteiligt worden seien. Anlass für eine - ohnehin nicht beantragte - Fristverlängerung habe insoweit nicht bestanden. Der Abstand der WEA 1 zum Wohnhaus der Kläger betrage 449 m. Die Immissionsrichtwerte würden nach gutachterlicher Stellungnahme eingehalten. Eine optisch bedrängende Wirkung sei auch für den Ost-West-Flügel des klägerischen Gebäudes ausgeschlossen, da eine Sichtverschattung sowohl durch die vorhandene Vegetation als auch durch den Nord-Süd-Flügel bestehe. Der Vortrag der Kläger sei insoweit pauschal und unsubstantiiert. Im Übrigen entspreche die angegriffene Genehmigung den Vorgaben des vorhabenbezogenen Bebauungsplans K 14.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

I. Die Klage ist zulässig.

Die Kläger sind insbesondere klagebefugt i.S.d. § 42 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Auf der Grundlage ihres Vorbringens erscheint eine Verletzung eigener Rechte möglich und nicht von vornherein ausgeschlossen.

Da sie nicht Adressat des angefochtenen immissionsrechtlichen Genehmigungsbescheides sind, kommt es darauf an, ob sie sich für ihr Begehren auf eine öffentlichrechtliche Norm stützen können, die nach dem in ihr enthaltenen Entscheidungsprogramm auch sie als Dritte schützt.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. Januar 2018 - 8 B 1060/17 -, juris Rn. 5 m.w.N.

Vorliegend können die Kläger geltend machen, durch den der Beigeladenen erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid des Beklagten vom 8. Januar 2018 in eigenen Nachbarrechten aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (BImSchG) verletzt zu sein. Nach dieser Vorschrift sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Diese Bestimmung ist für die Nachbarn drittschützend. Als Nachbarn einer immissionsschutzrechtlich genehmigten Anlage sind alle Personen, die sich auf Dauer im Einwirkungsbereich der Anlage aufhalten, oder Eigentümer von Grundstücken im Einwirkungsbereich der Anlage anzusehen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. Februar 2015 - 8 A 959/10 -, juris Rn. 85 f.

Das im Eigentum der Kläger stehende, mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück Am Q. 1 befindet sich im Einwirkungsbereich der genehmigten Windenergieanlagen WEA 1 und 2, deren Standort sich in einer Entfernung von ca. 425 m bzw. 547 m südlich zum Wohnhaus befindet (gemäß der im Genehmigungsverfahren vorgelegten Lagepläne und einer Messung nach timonline). Angesichts dessen können die Kläger hier geltend machen, durch den Betrieb der Anlagen möglicherweise schädlichen Umwelteinwirkungen in Form von Lärm und Schattenwurf ausgesetzt und durch die angegriffene Genehmigung des emittierenden Vorhabens daher in eigenen Rechten verletzt zu sein. Auch eine Verletzung des ebenfalls nachbarschützenden Rücksichtnahmegebots ist angesichts dieser Abstände nicht von vornherein ausgeschlossen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. Februar 2015 - 8 B 959/10 -, juris Rn. 86.

Ob vorliegend tatsächlich eine Verletzung nachbarschützender Normen festzustellen ist, ist dem gegenüber eine Frage der Begründetheit.

Weiterhin ist der zwischen den Beteiligten geführte Streit, ob die Klage unter Verstoß gegen § 6 des Gesetzes über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG (UmwRG) zu spät begründet worden ist, für die Frage der Zulässigkeit der Klage nicht entscheidungserheblich. Denn § 6 UmwRG ordnet als Rechtsfolge einer Überschreitung der Begründungsfrist nicht die Unzulässigkeit der Klage an, sondern lediglich die entsprechende Geltung des § 87b Abs. 3 VwGO. Diese Vorschrift betrifft aber nicht die Zulässigkeit der Klage. Die mögliche Zurückweisung verspäteten Vorbringens, zu der die Norm ermächtigt, führt daher nicht dazu, dass eine Entscheidung in der Sache nicht ergehen darf.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2004 - 4 A 11.04 -, juris Rn. 14 (zu § 5 Abs. 3 Satz 2 VerkPBG) und Nds. OVG, Beschluss vom 28. Mai 2018 - 12 ME 25/18 -, juris Rn. 27 (zu § 6 UmwRG).

II. Die Klage ist jedoch unbegründet.

Der Genehmigungsbescheid des Beklagten vom 8. Januar 2018 verletzt im Hinblick auf die genehmigten Anlagen WEA 1 und 2 die Kläger nicht in nachbarschützenden Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.

Da die Kläger sich als Nachbarn gegen die genehmigten Windenergieanlagen WEA 1 und 2 wenden, ist Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung allein die Frage, ob die erteilte Genehmigung insoweit im Hinblick auf Vorschriften, die dem Schutz der Kläger als Nachbarn dienen, rechtmäßig ist.

Die Verletzung einer drittschützenden Norm durch die angefochtene Genehmigung vom 8. Januar 2018 ist hinsichtlich der Anlagen WEA 1 und 2 weder in formeller noch in materieller Hinsicht gegeben.

Dabei lässt die Kammer dahinstehen, ob die Klage unter Verstoß gegen § 6 UmwRG zu spät begründet worden ist und eine Zurückweisung des klägerischen Vorbringens als verspätet in Betracht kommt.

Es spricht zwar Überwiegendes dafür, entsprechend der Rechtsprechung zu Klagebegründungsfristen des Planfeststellungsrechts selbst bei schuldhafter Versäumung der Klagebegründungsfrist die formelle und materielle Rechtmäßigkeit des angegriffenen Genehmigungsbescheids (jedenfalls) innerhalb des Rahmens der bereits im Genehmigungsverfahren vorgetragenen Tatsachen zu prüfen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung sich der Kläger beschwert fühlt. Innerhalb der gesetzlichen Klagebegründungsfrist muss der Kläger die ihn beschwerenden Tatsachen so konkret angeben, dass der Lebenssachverhalt, aus dem er den mit der Klage verfolgten Anspruch ableitet, unverwechselbar feststeht. Mit weiteren Einwendungen ist ein Kläger nach Maßgabe des § 87b Abs. 3 VwGO dann zwar ausgeschlossen. Ein späterer vertiefender Vortrag steht dem aber regelmäßig nicht entgegen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. März 1995 - 4 A 1.93 -, juris Rn. 16; Nds. OVG, Beschluss vom 28. Mai 2018 - 12 ME 25/18 -, juris Rn. 27 und OVG NRW, Urteil vom 17. November 2017 - 11 D 12/12.AK - juris Rn. 70.

Vorliegend haben die Kläger den mit Schriftsatz vom 29. März 2019 vorgebrachten Einwand, der Abstand zwischen den Windenergieanlagen WEA 1 und 2 und ihrem Wohnhaus bleibe hinter den rechtlich zu stellenden Anforderungen zurück, sowie die unter dem 26. April 2019 erhobenen Einwände bereits im Genehmigungsverfahren mit anwaltlichem Schriftsatz vom 20. Juli 2017 geltend gemacht. Durch diese Einwendungen ist der Rahmen gesteckt worden, über den selbst bei einem Verstoß gegen § 6 UmwRG durch das Gericht im Klageverfahren zu entscheiden sein dürfte. Dieser Einwand verhilft der Klage jedoch - wie sogleich dazulegen ist - nicht zum Erfolg, sodass es letztendlich auf die Frage, ob das Vorbringen unter Verstoß gegen § 6 UmwRG als verspätet zurückzuweisen wäre, nicht ankommt.

Der Genehmigungsbescheid ist formell rechtmäßig. Beachtliche Verfahrensfehler, insbesondere solche, auf die sich die Kläger nach § 4 Abs. 1, 1a und 3 UmwRG berufen könnten, sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.

Die Genehmigung ist hinsichtlich der WEA 1 und 2 auch materiell rechtmäßig.

Rechtsgrundlage für die angefochtene Genehmigung zur Errichtung der Windenergieanlagen ist § 6 Abs. 1 BImSchG. Danach ist die erforderliche Genehmigung zu erteilen, wenn

1. sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und einer auf Grund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden, und

2. andere öffentlichrechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen.

In Betracht kommt vorliegend unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Verletzung von Nachbarrechten zunächst ein Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG.

Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Diese Bestimmung ist für Nachbarn drittschützend.

Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind gemäß § 3 Abs. 1 BImSchG Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind nach § 3 Abs. 2 BImSchG auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.

Die Erfüllung der Grundpflichten des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG ist "sichergestellt", wenn schädliche Umwelteinwirkungen, Nachteile oder Belästigungen mit hinreichender, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sind. Davon kann ausgegangen werden, wenn den Antragsunterlagen bei Anlegung praktischer Maßstäbe ohne verbleibenden ernstlichen Zweifel entnommen werden kann, dass der Betreiber die Pflichten erfüllen wird. Die Erfüllung der Pflichten muss für den Zeitpunkt der Inbetriebnahme sowie für die Dauer des Betriebs sichergestellt sein. Zweifel gehen grundsätzlich zu Lasten des Antragstellers. Ob und inwieweit dies der Fall ist, hängt vom Grad der Wahrscheinlichkeit schädlicher Umwelteinwirkungen sowie Art und Nachhaltigkeit der Zweifel ab. Unsicherheiten werden zum Teil über die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeitsprognose aufgefangen. Wie weit sich daher Zweifel zu Lasten des Antragstellers auswirken, hängt auch vom Grad der Wahrscheinlichkeit ab. Letztendlich lassen sich Unsicherheiten nicht selten durch geeignete Nebenbestimmungen kompensieren.

Vgl. Jarass, BImSchG, 12. Auflage 2017, § 6 Rn. 11 f.

Von Windenergieanlagen ausgehende schädliche Umwelteinwirkungen können für Nachbarn insbesondere in Form von Lärmimmissionen und Schattenwurf auftreten. Derartige schädliche und zum Nachteil der Kläger wirkende Umwelteinwirkungen sind hier nicht festzustellen.

Dies gilt zunächst mit Blick auf Beeinträchtigungen durch den von den Windenergieanlagen WEA 1 und 2 ausgehenden Lärm.

Zur Beurteilung, ob insoweit ein Verstoß gegen die Anforderungen des BImSchG vorliegt, kann die 6. Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum BImSchG (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm - TA Lärm -) vom 26. August 1998 herangezogen werden. Der TA Lärm kommt, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert, eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. August 2007 - 4 C 2.07 -, juris Rn. 12; OVG NRW, Beschluss vom 17. Juni 2016 - 8 B 1018/15 -, juris Rn. 21 ff. und VG Münster, Urteil vom 7. März 2019 - 10 K 3622/17 -, juris Rn. 23.

Die Immissionsrichtwerte für Immissionsorte außerhalb von Gebäuden richten sich nach Nr. 6.1 der TA Lärm, die nach Baugebietstypen und nach Tages- und Nachtzeit differenziert. Die Art der in Nr. 6.1 der TA Lärm bezeichneten Gebiete und Einrichtungen ergibt sich gemäß Nr. 6.6 Satz 1 der TA Lärm aus den Festlegungen in den Bebauungsplänen. Sonstige in Bebauungsplänen festgesetzte Flächen für Gebiete und Einrichtungen, für die keine Festsetzungen bestehen, sind gemäß Nr. 6.6 Satz 2 der TA Lärm nach Nr. 6.1 der TA Lärm entsprechend der Schutzbedürftigkeit zu beurteilen.

Daran gemessen beträgt der maßgebliche Immissionsrichtwert für das Grundstück der Kläger 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts.

Da sich das Grundstück der Kläger nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans befindet, erfolgt die Zuordnung des Immissionsorts entsprechend der Schutzbedürftigkeit nach Nr. 6.6 Satz 2 der TA Lärm. Die Kammer hält für das Grundstück der Kläger das Schutzniveau eines Kern-, Dorf- und Mischgebietes gemäß Nr. 6.1 Satz 1 lit. c) der TA Lärm mit einem Immissionsrichtwert von 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts für erforderlich, aber auch ausreichend, da es sich um Wohnbebauung im landwirtschaftlich geprägten Außenbereich handelt.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. Juli 2015 - 8 B 390/15 -, juris Rn. 6 m.w.N.

Dass es sich - wie von den Klägern vorgebracht - bei der Bebauung "Am Q. " um einen geschlossen Bebauungszusammenhang i.S.v. § 34 BauGB handeln würde, kann die Kammer nicht ansatzweise feststellen. Es liegt ersichtlich keine Bebauung vor, die trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermitteln würde. Vielmehr handelt es sich entlang der Straße "Am Q. " nach den in den Akten enthaltenen und den frei im Internet zugänglichen Luftbildaufnahmen um lediglich fünf von landwirtschaftlichen Flächen und Wald umgebene Einzelbauten, die zudem teilweise noch untereinander nicht unerhebliche Abstände aufweisen. Somit handelt es sich um "klassische" Außenbereichsbebauung. Unabhängig davon wäre, selbst wenn man einen Bebauungszusammenhang unterstellt, hier angesichts der landwirtschaftlichen Prägung (landwirtschaftliche Flächen sowie landwirtschaftliche Betriebe an der X. Straße und vor allem zum klägerischen Grundstück ausgerichtet an der nahgelegenen S.---straße ) jedenfalls nicht das für allgemeine oder sogar reine Wohngebiet, sondern vielmehr das für Dorfgebiete vorgesehene Schutzniveau heranzuziehen.

Gemäß Nr. 3.2.1 Abs. 1 der TA Lärm ist der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche vorbehaltlich der Regelungen in Nr. 3.2.1 Abs. 2 bis 5 der TA Lärm sichergestellt, wenn die Gesamtbelastung am maßgeblichen Immissionsort die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6 der TA Lärm nicht überschreitet. Die Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen setzt gemäß Nr. 3.2.1 Abs. 6 TA Lärm in der Regel eine Prognose der Geräuschimmissionen der zu beurteilenden Anlage und - sofern im Einwirkungsbereich der Anlage andere Anlagengeräusche auftreten - die Bestimmung der Vorbelastung sowie der Gesamtbelastung nach Nr. A.1.2 des Anhangs der TA Lärm voraus. Die Bestimmung der Vorbelastung kann im Hinblick auf Abs. 2 entfallen, wenn die Geräuschimmissionen der Anlage die Immissionsrichtwerte nach Nummer 6 um mindestens 6 dB(A) unterschreiten.

Hiervon ausgehend ist vorliegend nicht mit schädlichen Umwelteinwirkungen zu Lasten der Kläger in Form von Lärm zu rechnen.

Die Beigeladene hat mit ihrem Antrag ein schalltechnisches Gutachten des Ingenieurbüros xx vom 7. Juli 2016 vorgelegt, in dem als Immissionspunkt IP 02 das Grundstück der Kläger (Am Q. 1) betrachtet worden ist. Die Prognose kommt zu dem Ergebnis, dass die zulässigen Schallpegel dort im Tag- und vor allem auch im Nachtbetrieb sicher eingehalten werden.

Wie sich insbesondere aus § 4 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 4a Abs. 2 Nr. 1 der Neunten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über das Genehmigungsverfahren - 9. BImSchV) ergibt, geht der Normgeber von der grundsätzlichen Verwertbarkeit einer vom Betreiber vorgelegten Immissionsprognose aus; verwertbar ist die Prognose, wenn sie unter Beachtung der einschlägigen technischen Regelwerke fachgerecht und nachvollziehbar erstellt wurde und für fachkundige Dritte überzeugend ist.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. Mai 2006 - 8 B 2122/05 -, juris Rn. 23 und OVG des Saarlandes, Beschluss vom 4. Mai 2010 - 3 B 77/10 -, juris Rn. 21.

Diesen Anforderungen wird die vorgelegte Prognose gerecht. In ihr wurde an dem auf dem Grundstück der Kläger festgesetzten IP 02 unter Berücksichtigung einer Vorbelastung durch die Bestandsanlagen und eines Sicherheitszuschlages für den "oberen Vertrauensbereich" eine Gesamtbelastung von 45,0 dB(A) berechnet. Damit ist der für den IP 02 zugrunde gelegte Richtwert für Dorf- und Mischgebiete von 45 dB(A) nachts zwar ausgeschöpft, aber sicher eingehalten. Auf der Grundlage der LAI-Hinweise zum Schallimmissionsschutz an Windkraftanlagen vom 30. Juni 2016 kommen die Gutachter in einer Ergänzung des schalltechnischen Gutachtens vom 14. Dezember 2017 für den Immissionspunkt IP 02 sogar zu einer Gesamtbelastung von (nur) 44,3 dB(A).

Die auf der Grundlage der TA-Lärm erstellte Schallprognose ist auch nachvollziehbar und plausibel. Die im Umkreis des Vorhabenstandorts relevanten Schallemittenten sind als Vorbelastung zutreffend berücksichtigt worden. In Anbetracht der vorgenommenen Sicherheitszuschläge ist das Schallgutachten daher nach allen Betrachtungen "auf der sicheren Seite" und im Ergebnis nicht zu beanstanden. Substantiierte Einwände gegen die erstellte Schallprognose haben die Kläger nicht erhoben.

Auch in Form von periodischem Schattenwurf sind schädliche Umwelteinwirkungen nicht zu erwarten.

Eine Belästigung durch den Schattenwurf von Windenergieanlagen gilt i.d.R. dann nicht als schädliche Umwelteinwirkung i.S.d. § 3 Abs. 1 und 2 BImSchG, wenn die nach einer worstcase-Berechnung maximal mögliche Beschattungsdauer am jeweiligen Einwirkungsort nicht mehr als 30 Stunden im Jahr - entsprechend einer realen, d.h. im langjährigen Mittel für hiesige Standorte zu erwartenden Einwirkungsdauer von maximal 8 Stunden im Jahr - und darüber hinaus nicht mehr als 30 Minuten pro Tag beträgt. Zwar gibt es für den von Windenergieanlagen verursachten Schattenwurf keine feste, wissenschaftlich abgesicherte Grenze, deren Überschreitung stets die Annahme einer schädlichen Umwelteinwirkung und damit einer Verletzung von Rechten der Nachbarn nach sich ziehen müsste. Dem wird jedoch dadurch Rechnung getragen, dass die vorstehend wiedergegebenen Immissionsrichtwerte nicht nach Art eines Rechtssatzes anzuwenden sind. Vielmehr sind auch hinsichtlich des Schattenwurfs von Windenergieanlagen - wie allgemein bei der Frage nach dem Vorliegen schädlicher Umwelteinwirkungen - die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls im Rahmen einer wertenden Betrachtung zu würdigen.

Vgl. OVG NRW, Beschuss vom 6. Mai 2016 - 8 B 866/15 -, juris Rn. 35 und Beschluss vom 19. September 2012 - 8 A 339/12 -, juris Rn. 20.

Die Beigeladene hat mit ihrem Antrag ein Schattenwurfgutachten der J. GmbH vom 5. Juli 2016 vorgelegt. Die Prognose kommt unter Berücksichtigung der Vorbelastung durch Bestandsanlagen zu dem Ergebnis, dass an einigen der gewählten Immissionsorte die Orientierungswerte von 30 Stunden pro Jahr sowie 30 Minuten pro Tag überschritten werden, darunter an dem auf dem Grundstück der Kläger gelegenen IP 07. Nach den Angaben der Gutachter kann durch eine Abschaltautomatik aber sichergestellt werden, dass die reale Beschattungsdauer von acht Stunden pro Jahr an keinem Immissionsort überschritten wird. Dies entspricht regelmäßiger fachlicher Praxis und wird im Genehmigungsbescheid in den Nebenbestimmungen Nr. 3.1.5 - 3.1.10 im Einzelnen umgesetzt. Hierdurch ist verbindlich festgelegt, dass die genehmigten Windenergieanlagen nur mit einer Abschaltautomatik genehmigungskonform betrieben werden können und am Grundstück der Kläger die maximal zulässigen Höchstwerte für periodischen Schattenwurf nicht überschritten werden. Damit ist dem Schutzbedürfnis der Kläger ausreichend Rechnung getragen. Dass die notwendige Abschaltung der Anlagen durch die Einrichtung der Abschaltautomatik technisch nicht umgesetzt werden kann, ist nicht erkennbar.

Die Kläger können auch nicht mit Erfolg eine Verletzung anderer öffentlichrechtlicher Vorschriften im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG geltend machen.

Sie können sich allerdings nicht generell auf eine bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit der Windenergieanlagen berufen. Selbst wenn die immissionsschutzrechtliche Genehmigung aus diesem Grunde rechtswidrig wäre, würde dies der Klage nur dann zum Erfolg verhelfen, wenn die verletzte Norm des Bauplanungsrechts auch dem Schutz der Kläger dient.

Offen bleiben kann daher, ob der vorhabenbezogene Bebauungsplan der Gemeinde I. "Windpark Q. " - wie durch die Kläger geltend gemacht - unter Rechtsfehlern leidet und deshalb unwirksam ist. In diesem Fall würde sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nicht nach § 30 Abs. 2 des Baugesetzbuches (BauGB) richten, sondern nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB, wonach u.a. Windenergieanlagen im Außenbereich privilegiert zulässig sind.

Vgl. zu einer entsprechenden Konstellation VG München, Beschluss vom 24. August 2016 - M 1 SN 16.2014 -, juris Rn. 40 f., und VG Oldenburg, Beschluss vom 17. Januar 2003 - 5 B 3766/02 -, juris Rn. 38 f.

Unabhängig davon, ob die streitbefangenen Windkraftanlagen aufgrund eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans genehmigt wurden oder mangels eines wirksamen Bebauungsplans als Außenbereichsvorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 3 Satz 1 BauGB zu beurteilen sind, kann sich eine klägerische Rechtsposition nur aus dem bauplanungsrechtlich in § 30 BauGB i.V.m. § 15 der Verordnung über die bauliche Nutzung der Grundstücke (Baunutzungsverordnung - BauNVO) gleichermaßen wie in § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BauGB verankerten drittschützenden Gebot der Rücksichtnahme ergeben.

Vgl. VG Oldenburg, Beschluss vom 17. Januar 2013 - 5 B 3766/02 -, juris Rn. 39; VG Saarland, Urteil vom 10. März 2006 - 1 K 15/04 -, juris Rn. 63; im Ergebnis ebenso: BayVGH, Beschluss vom 28. September 2017 - 22 CS 17.1506 -, juris Rn. 28.

Die Genehmigung der Anlagen WEA 1 und WEA 2 begründet jedoch nicht zu Lasten der Kläger eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots.

Das drittschützende Gebot der Rücksichtnahme soll einen angemessenen Interessenausgleich zwischen benachbarten Grundstückseigentümern gewähren. Die dabei vorzunehmende Abwägung hat sich daran zu orientieren, was dem Rücksichtnahmebegünstigten einerseits und dem Rücksichtnahmeverpflichteten andererseits jeweils nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung des Rücksichtnahmebegünstigten ist, desto mehr Rücksichtnahme kann verlangt werden. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1977 - 4 C 22/75 -, juris Rn. 22; OVG NRW, Urteil vom 9. Dezember 2009 - 8 D 6/08.AK -, juris Rn. 426.

Eine unzumutbare Beeinträchtigung der Belange der Kläger ist danach nicht erkennbar.

Unzumutbare Immissionen gehen - wie oben ausgeführt - von den genehmigten Windenergieanlagen für die Kläger nicht aus. Ebenso kann nicht vom Vorliegen einer sogenannten optisch bedrängenden Wirkung der geplanten Windenergieanlagen auf das Grundstück der Kläger ausgegangen werden.

Die Prüfung, ob von einer Windenergieanlage eine optisch bedrängende Wirkung ausgeht, erfordert stets eine Würdigung aller Einzelfallumstände, wobei sich für die Ergebnisse der Einzelfallprüfungen grobe Anhaltswerte prognostizieren lassen:

Beträgt der Abstand zwischen einem Wohnhaus und einer Windenergieanlage mindestens das Dreifache der Gesamthöhe (Nabenhöhe + 1/2 Rotordurchmesser) der geplanten Anlage, dürfte die Einzelfallprüfung überwiegend zu dem Ergebnis kommen, dass von dieser Anlage keine optisch bedrängende Wirkung zu Lasten der Wohnnutzung ausgeht. Bei einem solchen Abstand treten die Baukörperwirkung und die Rotorbewegung der Anlage so weit in den Hintergrund, dass ihr in der Regel keine beherrschende Dominanz und keine optisch bedrängende Wirkung gegenüber der Wohnbebauung zukommt.

Ist der Abstand geringer als das Zweifache der Gesamthöhe der Anlage, dürfte die Einzelfallprüfung überwiegend zu einer dominanten und optisch bedrängenden Wirkung der Anlage gelangen. Ein Wohnhaus wird bei einem solchen Abstand in der Regel optisch von der Anlage überlagert und vereinnahmt. Auch tritt die Anlage in einem solchen Fall durch den verkürzten Abstand und den damit vergrößerten Betrachtungswinkel derart unausweichlich in das Sichtfeld, dass die Wohnnutzung überwiegend in unzumutbarer Weise beeinträchtigt wird.

Beträgt der Abstand zwischen dem Wohnhaus und der Windenergieanlage das Zwei- bis Dreifache der Gesamthöhe der Anlage, bedarf es regelmäßig einer besonders intensiven Prüfung des Einzelfalls.

Im Rahmen der Einzelfallwürdigung sind insbesondere die Kriterien Höhe und Standort der Windenergieanlage, Größe des Rotordurchmessers, Blickwinkel, Hauptwindrichtung, (Außenbereichs-)Lage des Grundstücks, Lage der Aufenthaltsräume und deren Fenster im Verhältnis zur Anlage sowie Bestehen von Ausweichmöglichkeiten von Bedeutung. Ferner ist zu berücksichtigen, ob auf dem Grundstück eine hinreichende optische Abschirmung zur Windenergieanlage besteht oder in zumutbarer Weise hergestellt werden kann. Auch reicht es für sich gesehen nicht aus, dass die Windenergieanlagen von den Wohnräumen aus überhaupt wahrnehmbar sind, um von einer optisch bedrängenden Wirkung zu sprechen. Das Gebot der Rücksichtnahme vermittelt dem Nachbarn keinen Anspruch auf eine von technischen Bauwerken freie Sicht. Die optisch bedrängende Wirkung einer Windenergieanlage entfällt daher nicht erst dann, wenn die Sicht auf die Windenergieanlage durch Abschirm- oder Ausweichmaßnahmen völlig gehindert wird. Ausreichend ist vielmehr, dass die Anlage in ihrer Wirkung durch eine vorhandene Abschirmung abgemildert wird oder dass eine solche Abschirmung in zumutbarer Weise hergestellt werden kann. Dies gilt insbesondere für Außenbereichsgrundstücke. Denn in diesen Fällen sind dem Betroffenen wegen des verminderten Schutzanspruchs eher Maßnahmen zuzumuten, durch die er den Wirkungen der Windenergieanlage ausweicht oder sich vor ihnen schützt.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. Oktober 2017 - 8 B 565/17 -, juris Rn. 91 ff., Beschluss vom 6. Mai 2016 - 8 B 866/15 -, juris Rn. 27, und Beschluss vom 27. Juli 2015 - 8 B 390/15 -, juris Rn. 29 ff.

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist vorliegend nicht von einer optisch bedrängenden Wirkung der geplanten Windenergieanlagen WEA 1 und 2 auf das Grundstück der Kläger auszugehen. Der Abstand zwischen dem Wohnhaus und den WEA 1 und 2 beträgt nach dem im Genehmigungsverfahren eingereichten Lageplänen und einer Messung bei tim online ca. 425 m bzw. 547 m. Ausgehend von einer Gesamthöhe der Windenergieanlage (Nabenhöhe + halber Rotordurchmesser) von ca. 193 m bzw. ca. 207 m ergibt sich als Abstand zwischen den WEA 1 und 2 und dem Wohngebäude der Kläger etwa das 2,2-fache bzw. das 2,6-fache der Gesamthöhe der Anlage. Da dieser Abstand damit zwar das Dreifache der Gesamthöhe der Anlage unterschreitet, das Zweifache aber überschreitet, sind im Wege einer Einzelfallprüfung die konkreten Beeinträchtigungen näher zu betrachten.

Dies hat der Beklagte auf der Grundlage eines Gutachtens der Firma P. - C. und G. - von August 2016 getan. Er hat im Rahmen einer eingehenden Einzelfallbewertung zunächst maßgeblich und zutreffend berücksichtigt, dass sich das Grundstück der Kläger im Außenbereich befindet. Selbst wenn man einen Bebauungszusammenhang unterstellen würde, würde dieser jedenfalls nach den Umständen des Einzelfalls vorliegend aufgrund seiner Lage inmitten eines landwirtschaftlich geprägten Gebiets nicht denselben Schutzanspruch genießen wie ein Grundstück in einem Wohngebiet. Überdies ist der Beklagte in Übereinstimmung mit der zuvor zitierten Rechtsprechung davon ausgegangen, dass verdeckende Grünstrukturen als mildernd zu berücksichtigen sind.

Das der abschließenden Beurteilung durch den Beklagten zugrundeliegende Gutachten kommt für den Nord-Süd-Flügel des Gebäudes nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass insoweit eine optisch bedrängende Wirkung ausgeschlossen werden kann, da es vor allem nach Süden zur B xx mit immergrünen Gehölzen bepflanzt sei, die stark sichtverschattend wirken würden sowohl für den "bewohnten" Trakt des teilweise unbewohnten Zweifamilienhauses als auch für die Terrasse. Die WEA 1 und 2 würden weder vom Außenbereich noch aus den Innenräumen des Gebäudes heraus sichtbar sein. Die vorhandene immergrüne Bepflanzung schirme die Sicht zu den geplanten WEA vollständig ab. Für die WEA 1 und 2 könne daher eine optisch bedrängende Wirkung sicher ausgeschlossen werden.

Dem können die Kläger nicht mit Erfolg entgegenhalten, die Grünstrukturen müssten unberücksichtigt bleiben, da der Grundstückseigentümer - insbesondere mit Blick auf Art. 14 des Grundgesetzes (GG) - nicht verpflichtet sei, öffentlichrechtliche Eingriffe dadurch abzumildern, dass er hoch aufragende und sichtverschattende Grünstrukturen vorhalte. Denn es entspricht der aktuellen Rechtsprechung, dass derartige Strukturen nicht nur berücksichtigt werden können, sondern sogar zusätzlich anzulegende architektonische Vorkehrungen abverlangt werden können, die den Blick auf die Anlagen soweit notwendig verdecken.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. Dezember 2018 - 8 B 1184/18 -, n.v., Beschluss vom 23. Oktober 2017 - 8 B 565/17 -, juris Rn. 98 f. m. w. N., und Beschluss vom 9. August 2006 - 8 A 3716/05 -, Rn. 81.

Soweit der Kläger zu 1. in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, es sei nicht sichergestellt, dass die als Sichtschutz wirkenden Bäume die gesamte weitere Nutzungszeit der Anlagen überlebten, greift dieser Einwand nicht durch. Abgesehen davon, dass für ein Absterben der vorhandenen Vegetation keinerlei Anhaltspunkte bestehen, obliegt es den Klägern, sollte sie ein solches befürchten, frühzeitig weitere Bäume zu pflanzen, die zukünftig die Funktion des Sichtschutzes übernehmen können.

Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 10. März 2011 - 8 A 11215/10 -, juris Rn. 12.

Zwar wird das im Nord-Süd-Flügel nach Süden hin ausgerichtete Giebelfenster, für das möglicherweise eine Sichtverschattung durch die immergrünen Gehölze nicht oder jedenfalls nicht in gleichem Maße wie für die durch den Gutachter berücksichtigten Räumlichkeiten besteht, im Gutachten nicht erwähnt. Allerdings wird der zu diesem Giebelfenster gehörende Raum nach Angaben des Klägers zu 1. (nur) als Schlafzimmer genutzt. Räume, die als Schlafzimmer genutzt werden, sind jedoch nicht in gleicher Weise schutzbedürftig wie sonstige Wohn- und Aufenthaltsbereiche. Denn die optische Wirkung der Anlagen selbst und die - möglicherweise am meisten Irritationen verursachenden - Drehbewegung ihrer Rotoren werden regelmäßig in erster Linie an den Orten wahrgenommen, die tagsüber dem Aufenthalt und der Erholung dienen, wie das etwa bei einem Wohnzimmer der Fall ist.

Vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 20. Juli 2012 - 12 ME 75/12 -, juris Rn. 12.

Dass bei der Nutzung als Schlafzimmer die Anlagen überhaupt ins Blickfeld treten, ist jedenfalls üblicherweise nicht in größerem Umfang zu erwarten. Die für ein Schlafzimmer typische Verdunkelung dürfte dies verhindern. Soweit eine solche bisher nicht genutzt werden sollte, wäre eine entsprechende Vorrichtung jedenfalls zumutbar.

Vgl. VG Minden, Urteil vom 9. Juli 2008 - 11 K 2815/07 -, juris Rn. 25; siehe auch VG Münster, Urteil vom 21. September 2012 - 10 K 758/11 -, juris Rn. 45.

Zu keinem anderen Ergebnis kommt die Kammer hinsichtlich des Ost-West-Flügels. Die Kläger haben geltend gemacht, die Annahme des Sachverständigen, der Ost-West-Flügel sei unbewohnt, entspreche nicht den Tatsachen, vielmehr sei der gesamte Gebäudekörper bewohnt. Zwar ist den Klägern im Ansatzpunkt dahingehend zuzustimmen, dass im Hinblick auf die Beurteilung einer etwaigen optisch bedrängenden Wirkung der gesamte Gebäudekörper zu berücksichtigen ist. Insoweit kann letztendlich dahinstehen, ob dies schon zum Zeitpunkt der Erteilung der streitgegenständlichen Genehmigung der Fall war, denn es dürfte den Klägern, selbst wenn sie damals nur einen Teil des Gebäudes bewohnt haben sollten, wohl kaum zumutbar sein, auf die Nutzung des unbewohnten Teils dauerhaft zu verzichten.

Auch unter Berücksichtigung des gesamten Gebäudekörpers kommt die Kammer jedoch zu dem Schluss, dass keine optische bedrängende Wirkung von den WEA 1 und 2 ausgeht. Dabei trifft die Kammer eine eigene Einschätzung, bei der das Gutachten der Firma P. - C. und G. - von August 2016 ebenso wie die ergänzende Stellungnahme des Gutachters unter dem 2. Mai 2019 lediglich neben anderen Aspekten als Hilfestellung zu berücksichtigen ist. Die Prüfung einer optisch bedrängenden Wirkung gehört zu denjenigen Lebens- und Erkenntnisbereichen, die einem Richter allgemein zugänglich sind. Sämtliche Erkenntnisse für die zu beurteilende Fragestellung hängen nicht von einer besonderen Sachkunde, sondern ausschließlich von der allgemeinen Lebenserfahrung ab, die es dem Gericht ermöglicht, gewöhnliche Vorgänge des täglichen Lebens in ihren Wirkungen abzuschätzen.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. November 2017 - 8 B 935/17 -, juris Rn. 56.

Hiervon ausgehend ist eine optisch bedrängende Wirkung zu verneinen.

Dabei fällt zunächst ins Gewicht, dass die vorhandene immergrüne Bepflanzung auch im Hinblick auf den Ost-West-Flügel in südlicher Richtung eine Sichtverschattung bewirkt. Diese Bepflanzung ist nach Einschätzung des Gutachters ca. fünf bis sechs Meter hoch, was durch die auf S. 9 des Gutachtens vorhandenen Lichtbilder bestätigt wird. Bezüglich des Erdgeschosses entspricht die Abschirmung - wie aus im Anhang (dort III) des Gutachtens abgebildeten Sichtachsen und dem vom Beklagten zur Akte gereichten Luftbild aus tim online ersichtlich - derjenigen des Nord-Süd-Flügels, sodass von einer zumindest weitgehenden Abschirmung auszugehen ist. Hinzu kommt, dass in Richtung der WEA 1 die Sichtachse zusätzlich durch den Nord-Süd-Flügel selbst unterbrochen wird, während zur WEA 2 von vornherein nur eine schräg ausgerichtete Sichtbeziehung besteht. Aber auch die Sichtachse aus den Dachgauben wird durch die Gehölze jedenfalls unterbrochen. Anhand des Lichtbildmaterials ist festzustellen, dass diese Gauben nicht maßgeblich höher liegen als das Satteldach des Nord-Süd-Flügels, während die Gehölze weit darüber hinausragen. Von der in östliche Richtung gelegenen Giebelseite aus, für die die Sichtachse durch die Vegetation nicht unterbrochen wird, besteht zur WEA 1 keine und zur WEA 2 nur eine schräge Sichtbeziehung. Hinzu kommt, dass die Räumlichkeiten im Dachgeschoss nach Angaben des Klägers zu 1. in der mündlichen Verhandlung als Schlaf- und Kinderzimmer genutzt werden. Bei der Nutzung als Schlafzimmer sind die Räumlichkeiten - wie bereits aufgezeigt - nicht in gleicher Weise schutzbedürftig wie Wohn- und Aufenthaltsbereiche. Dasselbe gilt letztendlich auch für die Nutzung als Kinderzimmer, da ein solches zum einen ebenfalls u.a. als Schlafzimmer genutzt wird,

vgl. zu diesem Aspekt VG Münster, Urteil vom 21. September 2012 - 10 K 758/11 -, juris Rn. 45,

und zum anderen tagsüber dem Spielen dient, wobei der Sichtkontakt nach außen aufgrund der Ablenkung durch und der Konzentration auf das Spielen gegenüber einer Nutzung von Wohn- und Esszimmer durch Erwachsene deutlich eingeschränkt sein dürfte. Im Übrigen besteht die Möglichkeit, hier durch entsprechende Gardinen die Sicht auf die Windenergieanlagen weiter einzuschränken.

Eine optische Dominanz der Anlagen ist vor dem Hintergrund dieser Feststellungen nicht anzunehmen. Insgesamt ist die Bewertung des Beklagten, von den WEA 1 und 2 gehe jedenfalls keine rücksichtslose optische Bedrängung aus, im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, da diese einen Sachantrag gestellt und sich somit selbst einem Kostenrisiko ausgesetzt hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 S. 2 ZPO.

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