LG Aachen, Urteil vom 05.10.2017 - 12 O 201/16
Fundstelle
openJur 2019, 28329
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte zu 3) wird verurteilt, an den Kläger einen Minderungsbetrag aus dem geschlossenen Kaufvertrag über das Fahrzeug W2, FIN: ... , in Höhe von 3.300,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.12.2016 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Gerichtskosten tragen der Kläger zu 80 % und die Beklagte zu 3) zu 20 %. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und 2) trägt der Kläger zu 100%, die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3) trägt der Kläger zu 45 %. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt der Beklagte zu 3) zu 20 %. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger ist befugt, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von den Beklagten zu 1) und 3) als Vertragspartner bzw. aus den Grundsätzen der Rechtsscheinhaftung und von der Beklagten zu 2) als Herstellerin die Zahlung eines Minderungsbetrages sowie die Feststellung der Pflicht zum Schadensersatz für zukünftige Schäden, die im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Gebrauchtwagenkauf stehen.

Der Kläger erwarb am 31.01.2015 bei der Beklagten zu 3), einer freien Händlerin, ein gebrauchtes Fahrzeug der Marke W2 mit der FIN ... zu einem Kaufpreis i.H.v. 16.500,00 €. Nach Zahlung des Kaufpreises wurde das Fahrzeug am 02.03.2015 übergeben. In dem Fahrzeug ist ein von der Beklagten zu 2) gestellter Dieselmotor des Typs EA 189 verbaut. Es ist mit einer Software ausgestattet, welche den Stickoxidausstoß dahingehend beeinflusst, dass erkannt wird, ob sich das Fahrzeug im Prüfstand befindet und daraufhin dergestalt auf die Motorsteuerung einwirkt, dass geringere sog. "NOX-Werte" als im normalen Fahrbetrieb erreicht werden. Nach Bekanntwerden des Einsatzes der Software und Einschreiten des Kraftfahrtbundesamtes entwickelte die Beklagte zu 2) einen Zeit- und Maßnahmeplan zur Bearbeitung der Software, wobei die Nachbesserungsmaßnahmen durch die Vertragshändler auf Kosten der Beklagten zu 2) durchzuführen sind. Dieser Plan wurde vom Kraftfahrtbundesamt geprüft und freigegeben. Er sieht die technische Überarbeitung in Form eines Software-Updates vor. Mit Wirkung vom 20.06.2016 gab das Kraftfahrt-Bundesamt die technische Lösung für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp frei.

Der Kläger behauptet, das Fahrzeug gehöre zu denjenigen, die von dem sog. "Abgasskandal" betroffen seien. Er ist der Ansicht, das Fahrzeug sei mangelhaft. Hierzu behauptet er, dass es die Euro-5-Norm nicht einhalte. Das Fahrzeug erreiche höhere Stickoxid- sowie CO2-Werte als bei Vertrieb angegeben. Das Fahrzeug müsse in der Lage sein, im normalen Fahrbetrieb die erforderlichen Grenzwerte einzuhalten. Tatsächlich seien die sog. "NOX"-Werte bis um das 40-fache höher als zugelassen. Hierdurch könne es zu Gesundheitsschädigungen kommen. Es sei eine illegale Abschalteinrichtung verwendet worden. Dem Kläger sei es beim Kauf auf die Zuordnung zur angegebenen Schadstoffklasse angekommen. Auch die Verbrauchswerte und die Voraussetzungen für eine "grüne Plakette" seien wichtig gewesen. Der Kläger habe sich insbesondere über den Umweltaspekt - etwa in den von den Beklagten zu 1) und 3) verwendeten und der Beklagten zu 2) herausgegebenen Broschüren, Preislisten und Prospekten - informiert. Die Beklagtenparteien hätten ihre Kunden in Broschüren über den CO2-Ausstoß und den Kraftstoffverbrauch informiert.

Eine Nachbesserung im Wege eines Softwareupdates führe zu erneuten Mängeln, wie etwa einem höheren Verbrauch, einer Minderleistung, einem höheren Partikelausstoß, einer Verkürzung der Lebenszeit des Dieselpartikelfilters, einer Verkürzung der Lebenszeit des Motors und einer höheren Geräuschentwicklung. Eine Nachbesserung sei aus physikalischer Sicht unmöglich. Jedenfalls sei eine folgenlose Nachbesserung wegen fehlender Langzeittests unsicher. Die betroffenen Fahrzeuge seien derzeit nicht zulassungsfähig, sodass ein Verlust der bestehenden Zulassung drohe. Die Fahrzeuge wiesen auch bei technisch einwandfreier Nachbesserung einen merkantilen Minderwert von 10 % auf.

Der Kläger behauptet weiter, die Führungspersönlichkeiten der Beklagten zu 2) - einschließlich des Vorstands - hätten von einer durch die eingebaute Software eintretenden Manipulation gewusst. Sie hätten diese angewiesen und gebilligt. Dies sei erfolgt, um sich zwecks Einhaltung der geforderten Grenzwerte Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Die beteiligten Behörden seien belogen worden, etwaige Zulassungen der betroffenen Fahrzeuge seien erschlichen worden. Aufgrund der engen Bindung der Beklagten zu 3) an die Vorgaben der Beklagten zu 2) sei ihr das Verhalten der Beklagten zu 2) zuzurechnen.

Der Kläger ist der Ansicht, eine Fristsetzung zur Nacherfüllung sei entbehrlich. Eine Fristsetzung sei sinnlos gewesen, da eine Frist nicht hätte eingehalten werden können, da das Softwareupdate erst nach Monaten entwickelt wurde.

Er ist der Ansicht, es liege ein Fall arglistiger Täuschung vor. Die Beklagte zu 2) sei "Nichtdritte" im Verhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 3). Darüber hinaus stünden ihm gegen die Beklagte zu 3) aufgrund der Mangelhaftigkeit des streitgegenständlichen Fahrzeuges die Gewährleistungsrechte des § 437 BGB zu. Er habe insbesondere davon ausgehen dürfen, dass das Fahrzeug nicht mit der unstreitig verwendeten Software ausgestattet ist. Im Rahmen dessen finde wegen der engen Verbindung und einer teilweise bestehenden Weisungsgebundenheit eine Zurechnung des Herstellerverschuldens gemäß § 278 BGB zulasten des Händlers statt. Zudem seien die Grundsätze der Prospekthaftung anwendbar. Gegen die Beklagte zu 2) stünden dem Kläger Ansprüche wegen unerlaubter Handlung in Verbindung mit Schutzgesetzen sowie wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu. Das Handeln der Beklagten zu 2) sei u.a. deswegen sittenwidrig, da sie aus reinem Gewinnstreben um jeden Preis gehandelt und in Kauf genommen habe, dass Millionen von Autokäufern am Vermögen und tausende Menschen aufgrund der erhöhten Abgasbelastung an der Gesundheit geschädigt würden. Auch bestünden Unsicherheiten hinsichtlich des Fortbestehens des Versicherungsschutzes.

Er behauptet ferner, der Schaden könne nicht abschließend beziffert werden, es würden steuerliche Schäden drohen.

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte zu 1) hafte aufgrund des ihr gesetzten Rechtsscheins. Dies ergebe sich aus der mit Ausnahme eines Buchstabens identische Firmenbezeichnung, derselben Geschäftsadresse und der Tätigkeit in demselben Geschäftsfeld.

Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ergebe sich aus § 32 ZPO. Die irreführende Werbung habe die Beklagte zu 2) deutschlandweit bestimmungsgemäß verbreitet.

Der Kläger hat ursprünglich mit der am 27.06.2016 erhobenen Klage die Beklagten zu 1) und 2) in Anspruch genommen und die Feststellung des Bestehens von Minderungs- und Schadensersatzansprüchen begehrt. Der Kläger hat die Klage mit dem Schriftsatz vom 07.09.2016, zugestellt am 18.09.2016, auf die Beklagte zu 3) als Vertragspartnerin erweitert. Mit Schriftsatz vom 13.12.2016, zugestellt am 21.12.2016, wurde die Klage u.a. auf Zahlung eines Minderungsbetrages geändert.

Nunmehr beantragt der Kläger,

1. die Beklagtenparteien gesamtschuldnerisch zu verurteilen, der Klägerpartei einen Minderungsbetrag aus dem geschlossenen Kaufvertrag über das Fahrzeug W2, FIN: ... dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch mindestens 4.125,00 € betragen muss, zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit;

2. festzustellen, dass die Beklagtenparteien verpflichtet sind, der Klägerpartei weiteren Schadensersatz, der über den Minderungsbetrag hinausgeht, zu zahlen, für Schäden die aus der Manipulation des Fahrzeugs W2 (FIN: ...) durch die Beklagtenpartei zu 2) resultieren;

3. die Beklagtenparteien jeweils getrennt nicht gesamtschuldnerisch zu verurteilen, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von jeweils 866,32 € freizustellen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten zu 1) behauptet, nicht Vertragspartnerin zu sein. Die Beklagten zu 2) und 3) bestreiten mit Nichtwissen, dass es dem Kläger bei Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeugs auf die Umweltfreundlichkeit oder sonstige Anpreisungen aus den Broschüren und Prospekten angekommen sei. Er habe nicht zum Ausdruck gebracht, dass es ihm auf einen bestimmten Schadstoffausstoß bzw. auf eine bestimmte Abgasnorm angekommen sei. Hierüber sei auch im Vorfeld des Vertragsschlusses nicht gesprochen worden.

Es gebe keine Einschränkungen bei der Gebrauchstauglichkeit des Fahrzeuges. So bliebe das Fahrzeug hinter keinem Sicherheitsstandard zurück, es sei uneingeschränkt gebrauchstauglich und der Kläger könne dieses im Straßenverkehr genauso einsetzen wie jedes andere Kraftfahrzeug der Abgasnorm EU 5 auch. Die Wirksamkeit der bestehenden Genehmigung sei nicht gefährdet. Für die Typengenehmigung komme es nicht auf die im tatsächlichen Fahrbetrieb erreichten Emissionswerte an. Zudem handle es sich bei der in Frage stehenden Software nicht um eine Abschalteinrichtung. Eine erhöhte Steuerlast sei nicht zu befürchten. Eine technische Überarbeitung des Fahrzeuges sei möglich und zumutbar, indem ein Software-Update durchgeführt werde, wofür eine Arbeitszeit von einer halben Stunde erforderlich sei. Die Kosten würden sich auf deutlich weniger als 100,- € belaufen. Auch im Nachhinein werde das Fahrzeug des Klägers weiterhin sicher und fahrbereit sein. Das Kraftfahrtbundesamt habe zudem bestätigt, dass sämtliche Fahrzeuge mit dem Motortyp EA189 EU 5 weiterhin im Straßenverkehr belassen würden und vertragsgemäß verwendet werden könnten. Es habe zum einen festgestellt, dass alle im Hinblick auf Schadstoffemissionen geltenden Grenzwerte und sonstigen Anforderungen durch das Softwareupdate eingehalten würden. Darüber hinaus habe es bestätigt, dass die Umsetzung der technischen Maßnahmen zu keinerlei negativen Auswirkungen auf Kraftstoffverbrauchswerte, CO2-Immissionswerte, Motorleistung, Drehmoment und Geräuschimmissionen führe. Auch sei ein merkantiler Minderwert nicht gegeben.

Falsche Angaben über die Emissionswerte oder der Umweltfreundlichkeit seien nicht getätigt worden. Es sei auch nicht über das Vorliegen der Typengenehmigung, eine vermeintlich drohende Rücknahme oder die Gebrauchsmöglichkeit in den Umweltzonen getäuscht worden.

Darüber hinaus sei dem Kläger kein Schaden entstanden - weder aufgrund der verwendeten Software und des diesbezüglichen Updates noch aufgrund eines Wertverlustes, insbesondere in Form eines merkantilen Minderwertes.

Die Beklagte zu 3) ist der Ansicht, eine arglistige Täuschung sei nicht gegeben. Die Kaufentscheidung beruhe auch nicht auf einer Täuschungshandlung. Jedenfalls sei ihr das Verhalten der Beklagten zu 2) nicht zuzurechnen, da es sich um selbständige Unternehmen handle. Ihr sei die Motorkonfiguration der betroffenen Fahrzeuge selbst erst im Rahmen der Medienberichterstattung im September 2015 bekannt geworden. Das streitgegenständliche Fahrzeug sei ferner nicht mangelhaft. Ein Rücktritt sei mangels Fristsetzung zur Nacherfüllung nicht möglich sei. Die Fristsetzung sei weder entbehrlich noch liege ein arglistiges Verschweigen seitens der Beklagten vor. Zudem sei ein Rücktritt wegen Unerheblichkeit ausgeschlossen. Schadensersatzansprüche seien auch mangels Vertretenmüssen der Beklagten zu 3) und mangels einer Zurechnung des Verhaltens des Herstellers ausgeschlossen. Die Grundsätze der Prospekthaftung seien nicht anwendbar.

Die Beklagte zu 2) ist der Ansicht, das Landgericht Aachen sei bereits örtlich unzuständig. So sei insbesondere der besondere Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nicht gegeben. Hinsichtlich des bereits unbestimmten Klageantrags zu 2) fehle dem Kläger das besondere Feststellungsinteresse.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

I.

Die Klage hat teilweise Erfolg.

A) Die Klage ist teilweise zulässig.

1) Die Zuständigkeit des Landgerichts Aachen ergibt sich in Bezug auf die Beklagten zu 1) und 3) aus dem allgemeinen Gerichtsstand, in Bezug auf die Beklagte zu 2) ergibt sich die Zuständigkeit aus § 32 ZPO. Hiernach ist für Klagen aus unerlaubten Handlungen das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist. Dies ist vorliegend nach dem Klägervortrag der Fall, da der Kläger sein Begehren auf Tatsachen stützt, die zu einer Haftung der Beklagten nach den §§ 823 ff BGB führen können.

2) Die Klageänderung von Feststellungs- auf Leistungsanträge war nach § 263 ZPO zulässig, da die Änderung sachdienlich war.

3) Für den unter Ziffer 2) begehrten Feststellungsantrag fehlt es an dem nach § 256 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass ein weiterer Schadenseintritt (wenn auch nur entfernt) möglich ist. Die pauschale Bezugnahme auf steuerliche Belastungen genügt zur Darlegung eines Schadens nicht aus, insbesondere da es um eine rückwirkende Last geht. Weitere Schadenspositionen werden von dem Kläger schon nicht benannt.

B) Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichem Umfang begründet.

1) Dem Kläger steht gegen die Beklagte zu 3) ein Anspruch auf Zahlung eines Minderungsbetrages in Höhe von 3.300,00 € aus §§ 346 Abs.1, 437 Nr. 2, 441, 433, 434 BGB zu.

a) Zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 3) wurde am 31.01.2015 ein Kaufvertrag über das Fahrzeug der Marke W2 mit der FIN ... zu einem Kaufpreis i.H.v. 16.500,00 € geschlossen.

b) Das streitgegenständliche Fahrzeug war zum gemäß § 446 BGB maßgeblichen Zeitpunkt der Übergabe am 02.03.2015 an den Kläger mangelhaft im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB, weswegen es nicht darauf ankommt, ob die Parteien im Hinblick auf Emissionswerte oder dergleichen eine Beschaffenheit (§ 434 Abs. 1 S. 1 BGB) oder im Vertrag eine bestimmte Verwendung vereinbart haben und ob sich das Fahrzeug für diese Verwendung eignet (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB).

Gemäß § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB ist eine Sache nur dann frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Hinsichtlich der Beschaffenheit, die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann, kommt es auf die objektiv berechtigte Käufererwartung an, die sich in Ermangelung abweichender Anhaltspunkte jedenfalls im Regelfall an der üblichen Beschaffenheit gleichartiger Sachen orientiert (BGH, Urt. v. 29.06.2011, Az. VIII ZR 202/10). Ein Neufahrzeug entspricht nicht bereits dann der üblichen und berechtigterweise von einem Käufer zu erwartenden Beschaffenheit, wenn es technisch sicher und fahrbereit ist und über alle erforderlichen Genehmigungen verfügt. Die Einrichtung bzw. Installation einer Software, welche die korrekte Messung von Emissionswerten verhindert und im Prüfbetrieb niedrigere Ausstoßmengen ausgibt, als sie im Fahrbetrieb entstehen, stellt nach Ansicht der Kammer eine negative Abweichung von der üblichen Beschaffenheit vergleichbarer Fahrzeuge dar (vgl. OLG München, Beschl. v. 23.03.2017, Az. 3 U 4316/16; OLG Hamm, Beschl. v. 21.06.2016, Az. I-28 W 14/16; LG Stuttgart, Urt. v. 30.6.2017, Az. 20 O 425/16; LG Bayreuth, Urt. v. 12.05.2017, Az. 23 O 348/16; LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016, Az. 2 O 83/16; i.E. auch OLG Celle, Beschl. v. 30.06.2016, Az. 7 W 26/16).

Der Durchschnittskäufer eines Neufahrzeugs kann berechtigterweise davon ausgehen, dass die gesetzlich vorgeschriebenen und im technischen Datenblatt aufgenommenen Abgaswerte nicht nur deshalb eingehalten und entsprechend attestiert werden, weil eine Software installiert worden ist, die dafür sorgt, dass der Prüfstandlauf erkannt und über eine entsprechende Programmierung der Motorsteuerung insbesondere der NOX-Ausstoß reduziert wird (LG Aachen, Urt. v. 06.12.2016, Az. 10 O 146/16 m.w.N.; LG Bayreuth, Urt. v. 12.05.2017, Az. 23 O 348/16). Zwar ist grundsätzlich zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass die unter Laborbedingungen erzielten Werte im Straßenverkehr nicht zwingend eingehalten werden müssen. Im Ergebnis ändert dies jedoch nichts an der Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs, da ein solcher nach der Auffassung der Kammer auch dann vorliegt, wenn der verbaute Motor die gesetzlichen Vorgaben im Prüfstandlauf nur deshalb einhält, weil - was von der Beklagten nicht bestritten wurde - die Software nach Erkennung des Rollenprüfstands regulierend einwirkt und die Motorsteuerung in einen Modus schaltet, aufgrund dessen geringere NOX-Werte ermittelt werden. Selbst wenn der Prüfstandmodus nicht den realen Motorbetrieb wiedergibt, darf ein Käufer von einer grundsätzlichen Übertragbarkeit der dort ermittelten Werte auf das Verbrauchsverhalten und die zu erwartenden Emissionswerte des jeweiligen Fahrzeugs im realen Straßenverkehr ausgehen (vgl. LG Aachen, Urt. v. 06.12.2016, Az. 10 O 146/16 m.w.N.). Da dieser grundsätzlichen Vergleichbarkeit durch den Einsatz der Software die Grundlage entzogen wird, weisen die in Prospekten und Werbung veröffentlichen Messwerte keinerlei Aussagekraft und Vergleichbarkeit mit den im realen Fahrbetrieb zu erwartenden Emissionswerten auf (vgl. LG Aachen, Urt. v. 06.12.2016, Az. 10 O 146/16).

Nach Auffassung der Kammer wies das klägerische Fahrzeug im maßgeblichen Zeitpunkt des Gefahrenübergangs auch deshalb nicht die berechtigterweise zu erwartende Beschaffenheit auf, weil - auch nach dem Vortrag der Beklagten - bei Nichtteilnahme an der technischen Überarbeitung gemäß des Zeit- und Maßnahmeplans der W AG ein Widerruf der Zulassung drohen kann (vgl. LG Aachen, Urt. v. 06.12.2016, Az. 10 O 146/16 mit Verweis auf LG Frankenthal, Urt. v. 12.05.2016, 8 O 208/15, BeckRS 2016, 08996). Insoweit verfängt auch der Vortrag der Beklagten nicht, wonach erstens auf den Zeitpunkt des Gefahrübergangs abzustellen sei, zweitens eine verweigerte Teilnahme dem Kläger zuzurechnen sei und drittens davon auszugehen sei, dass das Kraftfahrtbundesamt auch dem Verkäufer betroffener Fahrzeuge die Überarbeitung der Fahrzeuge aufgegeben hätte, wenn eine Nichtteilnahme eine Mangelhaftigkeit begründen würde. Nach Ansicht der Kammer begründet bereits ein drohender Verlust der Zulassung aufgrund der zum maßgeblichen Zeitpunkt der Übergabe an den Käufer vorhandenen Software eine Mangelhaftigkeit des Fahrzeuges, da hierin bereits der spätere Wegfall der Zulassungsvoraussetzungen angelegt war. Auch wirkt hinsichtlich der Frage der Mangelhaftigkeit nicht zulasten des Käufers, wenn dieser sich im weiteren Verlauf nicht bereit erklärt, an der zur Abwendung des drohenden Verlustes der Zulassung erforderlichen technischen Überarbeitung teilzunehmen. Schließlich lässt auch die Tatsache, dass das Kraftfahrtbundesamt nicht jedem einzelnen Händler aufgegeben hat, die betroffenen Fahrzeuge zu überarbeiten, keinen Rückschluss darauf zu, dass ein Verlust der Zulassung nicht droht. Denn es ist zum einen nicht Aufgabe des Kraftfahrtbundesamtes dafür Sorge zu tragen, dass jeder einzelne Verkäufer eines betroffenen Fahrzeuges seine etwaigen Gewährleistungspflichten erfüllt. Darüber hinaus stellt das Vorgehen des Kraftfahrtbundesamtes gegenüber der W AG vielmehr ein der Rechtssicherheit dienendes, da flächendeckend gleichlaufendes Verfahren dar, um etwaige mögliche technische Maßnahmen aufzuzeigen. Auf die Frage, ob bei Gefahrübergang ein Sachmangel vorlag, hat dies keinen Einfluss.

c) Zwar hat der Kläger der Beklagten zu 3) abweichend von §§ 441, 323 Abs. 1 BGB keine Frist zur Nacherfüllung gesetzt. Dies steht einem Rücktrittsrecht und damit dem Recht zur Minderung des Klägers jedoch nicht entgegen. Da das Softwareupdate unstreitig nicht von der Beklagten zu 3) als Vertragspartner des Klägers durchgeführt werden kann, sondern nur auf Kosten der Beklagten zu 2) von einem Vertragshändler, war die Fristsetzung entbehrlich, da die Beklagten zu 3) schon nach eigenem Vortrag außerstande war, die Nachbesserung, unabhängig von der Frage nach dessen Geeignetheit, durchzuführen. Darüber hinaus war die Nachfristsetzung vorliegend auch gemäß § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB entbehrlich. Hiernach ist die Fristsetzung entbehrlich, wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen. Für die Beurteilung, ob eine Nacherfüllung für den Käufer unzumutbar ist, sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen - insbesondere die Zuverlässigkeit des Verkäufers, eine etwaige nachhaltige Störung des Vertrauensverhältnisses der Parteien, die Art der Sache und der Zweck, für die sie benötigt wird, die Art des Mangels und die Begleitumstände der Nacherfüllung. (vgl. LG Bayreuth, Urt. v. 12.05.2017, Az. 23 O 348/16 m.w.N.; Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl. 2017, § 323 Rn. 22). In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist etwa anerkannt, dass einem Käufer die Nachfristsetzung regelmäßig unzumutbar ist, wenn dieser arglistig getäuscht wurde, da sich hieraus ein Vertrauensverlust ergibt, aufgrund dessen der Käufer von einer weiteren Zusammenarbeit Abstand nehmen darf (vgl. BGH, Urt. v. 10.03.2010, Az. VIII ZR 182/08 m. w. N.). Es kann dahinstehen, ob der Kläger durch die Beklagte getäuscht wurde und ob bzw. inwieweit eine etwaige Täuschung durch die W AG der Beklagten zuzurechnen wäre. Nach Ansicht der Kammer sind jedenfalls entsprechende besondere Umstände dergestalt gegeben, dass eine möglicherweise im Ergebnis erfolgversprechende Nachbesserung durch die technische Überarbeitung des Fahrzeuges aufgrund eines Zeit- und Maßnahmeplans der W AG erfolgt, wobei seitens des Käufers zumindest der nicht fernliegende Verdacht besteht, dass diese die unstreitig vorhandene Software bewusst eingesetzt hat, um im Rahmen der Messung im Prüfstandlauf geringere NOX-Werte zu erzielen. Aus Sicht des Käufers ist bei einem derartigen Sachverhalt ein Vertrauensverlust anzunehmen, der es ihm unzumutbar macht, eine Nacherfüllung nach den Vorgaben eines Herstellers vornehmen zu lassen, welcher unstreitig großflächig eine Software zur Beeinflussung der Messwerte im Rollprüfstand eingerichtet hat (vgl. LG Bayreuth Urt. v. 12.5.2017, Az. 23 O 348/16 m.w.N.; LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016, Az. 2 O 83/16). Der Unzumutbarkeit steht insgesamt nicht entgegen, dass die seitens der Beklagten angebotene technische Überarbeitung Teil eines Maßnahmepakets ist, welches in Abstimmung mit dem Kraftfahrtbundesamt erfolgt. Eine solche Zulassung durch das Kraftfahrtbundesamt in der Sache berührt das Vertrauensverhältnis der Betroffenen grundsätzlich nicht. Vor diesem Hintergrund ist insbesondere der Umstand zu berücksichtigen, dass die Beklagte durchweg geleugnet hat, dass das streitgegenständliche Fahrzeug überhaupt mangelbehaftet ist, sodass der Käufer trotz der im Raume stehenden technischen Überarbeitung annehmen kann, dass seinen Interessen nicht im erforderlichen Umfang nachgekommen wird (vgl. LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016, Az. 2 O 83/16).

d) Nach § 441 Abs. 3 BGB ist bei der Minderung der Kaufpreis in dem Verhältnis herabzusetzen, in welchem zur Zeit des Vertragsschlusses der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand zu dem wirklichen Wert gestanden haben würde. Die Minderung ist, soweit erforderlich, durch Schätzung zu ermitteln. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe erachtet die Kammer einen Betrag in Höhe von 20 % des Kaufpreises als angemessen. Dabei ist maßgeblich das Risiko eines Verlustes der Zulassung ohne technische Überarbeitung zu berücksichtigen.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 291 BGB.

2) Ein Anspruch auf Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 866,32 € steht dem Kläger nicht zu. Unabhängig von der Frage, ob ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach gegeben ist, hat der Kläger einen Schaden nicht dargelegt. Der Kläger hat eine vorgerichtliche Tätigkeit gegenüber den Beklagten nicht dargelegt. Soweit er pauschal behauptet, dass er seine Prozessbevollmächtigten zur außergerichtlichen Interessenwahrnehmung beauftragt habe und diese tätig geworden seien, genügt dieser Vortrag zur Darlegung nicht aus. Konkrete Korrespondenz, insbesondere eine Aufforderung zur Zahlung oder Anerkennung, wird nicht vorgetragen. Die Bezugnahme auf Anlagen ersetzt keinen substantiierten Parteivortrag.

3) Dem Kläger steht gegen die Beklagte zu 1) kein Anspruch zu. Zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) bestehen keine vertraglichen Beziehungen. Auch aus dem Grundsatz der sog. Rechtsscheinhaftung ergeben sich keine Ansprüche, da die Beklagte zu 1) keinen zurechenbaren Rechtsschein gesetzt hat. Die Klägerin trägt insofern lediglich vor, dass sich diese aus dem gleichen Geschäftssitz und dem ähnlichen Namen ergebe. Dass die Beklagte zu 1) unabhängig von deren bloßen Existenz einen Rechtsschein in Bezug auf das konkrete Rechtsgeschäft gesetzt hätte, wird nicht vorgetragen. Aus dem Kaufvertrag ergibt sich eindeutig die Beklagte zu 3) als Vertragspartner.

3) Dem Kläger stehen gegen die Beklagte zu 2) die geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Wie oben ausgeführt ist der Feststellungsantrag bereits unzulässig. Auch ein Zahlungsanspruch besteht nicht. Unabhängig von der Frage nach Ansprüchen dem Grunde nach, ergibt sich aus dem oben gesagten, dass der Kläger auch gegen die Beklagte zu 2) keinen Anspruch auf Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren hat. Soweit der Kläger darüber hinaus auch gegen die Beklagte zu 2) die Zahlung eines Minderungsbetrags begehrt, ist eine Anspruchsgrundlage nicht ersichtlich. Gewährleistungsansprüche bestehen gegen die Beklagte zu 2) mangels zwischen den Parteien bestehenden Kaufvertrags nicht. Soweit der Anspruch darüber hinaus auf Schadensersatzgesichtspunkte (§ 826 bzw. § 823 Abs. 2 iVm mit einem Schutzgesetz) gestützt wird, hat der Kläger bereits keinen Schaden dargelegt. Dadurch dass dem Kläger gegen die Beklagte zu 3) ein Zahlungsanspruch zusteht, ist in Bezug auf den Minderungsbetrag kein Schaden erkennbar, für den die Beklagte zu 2) gesamtschuldnerisch mit der Beklagten zu 3) eintrittspflichtig sein könnte.

C) Die Anträge auf Schriftsatznachlass ergaben keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, da die Schriftsätze keinen erheblichen Vortrag enthielten, auf den die Entscheidung gestützt wurde.

II.

Die prozessuale Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

III.

Streitwert: 6.000,00 EURO.