Hessisches LAG, vom 18.10.2018 - 11 Sa 70/18
Fundstelle
openJur 2019, 31905
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 22. November 2017 - 7 Ca 5453/17 - wird auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe einer an den Kläger zu zahlenden Ergebnisbeteiligung für das Kalenderjahr 2015 und die Zahlung einer Pauschale nach § 288 Abs. 5 BGB.

Der Kläger ist bei der Beklagten als Flugbegleiter beschäftigt. Auf sein Arbeitsverhältnis findet kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme insbesondere der Tarifvertrag Ergebnisbeteiligung für das Kabinenpersonal vom 31. Juli 2013. Nach den Regelungen dieses Tarifvertrages ist die Zahlung einer Ergebnisbeteiligung u.a. daran geknüpft, dass die Mitarbeiter des Kabinenpersonals "während des Bezugsjahres im A-Konzern aktiv beschäftigt waren". Ausgehend von dieser Formulierung kürzte die Beklagte die Ergebnisbeteiligung des Klägers für das Kalenderjahr 2015 anteilig um Zeiten, in denen der Kläger arbeitsunfähig erkrankt war, ohne einen Entgelt- oder Entgeltersatzanspruch zu haben. Gegen diese Kürzung hat der Kläger sich gewandt und erstinstanzlich die Zahlung einer weiteren Ergebnisbeteiligung von 1.614,50 € brutto nebst Zinsen und Verzugspauschale iSv. § 288 Abs. 5 BGB geltend gemacht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts, des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 61 - 62 d.A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit am 22. November 2017 verkündetem Urteil überwiegend stattgegeben. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 62 - 65 d.A.) Bezug genommen.

Gegen dieses am 18. Dezember 2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 12. Januar 2018 Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung ist am 15. Februar 2018 als elektronisches Dokument über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (im Folgenden: EGVP) an das Hessische Landesarbeitsgericht übermittelt worden. Die qualifizierte elektronische Signatur (im Folgenden: qeS) bezog sich nach dem Transfervermerk (Bl. 83 d.A.) nicht auf das elektronische PDF-Dokument selbst, sondern auf den "Nachrichtencontainer" (sog. Container-Signatur). Die Berufungsbegründung trägt den Unterschriftszug der Prozessbevollmächtigten der Beklagten. Dem Dokument wurde eine eingescannte Unterschrift der Prozessbevollmächtigten hinzugefügt. Das Original der Berufungsbegründung wurde nicht handschriftlich unterzeichnet.

Am 16. Februar 2018 hat der Vorsitzende der zur Entscheidung berufenen Kammer einen Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt und weitere Verfügungen zur Ladung der Parteien und Zustellung der Berufungsbegründung an die Klägerseite getroffen (Bl. 92 d.A.).

Mit Schriftsatz vom 7. September 2018 hat die Beklagte Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist beantragt und zugleich die Berufung erneut begründet. Die Beklagte greift das angegriffene erstinstanzliche Urteil in der Sache unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens an. Wegen der Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Beklagten wird auf die Berufungsbegründung vom 15. Februar 2018 und gleichlautend vom 7. September 2018 (Bl. 84 - 91; 135 - 142 d.A.) Bezug genommen.

Die Beklagte ist der Ansicht, ihr sei Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist zu gewähren. Die Berufungsbegründung sei am 15. Februar 2018 mit gültigem qualifiziertem Zertifikat signiert und ausweislich der Empfangsbestätigung des Landesarbeitsgerichts fehlerfrei per EGVP übermittelt worden. Die Gültigkeit des Zertifikats und Eingang der Berufungsbegründung beim richtigen Adressaten seien noch am 15. Februar 2018 von der zuständigen Rechtsanwaltsfachangestellten überprüft worden. Weder der Prozessbevollmächtigten der Beklagten noch der gewissenhaft arbeitenden Rechtsanwaltsfachangestellten sei zu diesem Zeitpunkt bekannt gewesen, dass seit dem 1. Januar 2018 nach § 4 Abs. 2 ERVV eine sog. Container-Signatur nicht mehr verwendet werden dürfe. Man sei vielmehr davon ausgegangen, dass die qualifizierte Signatur ausreichend sei, zumal das System auch eine ordnungsgemäße Eingangsbestätigung mit einem gültigen Zertifikat ausgeworfen habe. Von der Unzulässigkeit einer Container-Signatur habe sie erst am 21. August 2018 durch einen gerichtlichen Hinweis in einem Parallelverfahren Kenntnis erlangt. Tatsächlich sei vielen Rechtsanwälten diese Problematik bis heute nicht bekannt. Auch an den Gerichten scheine diese Entwicklung weitgehend unbemerkt vorübergegangen zu sein. In zahlreichen Berufungsverfahren seien die mit Container-Signatur versehenen und per EVP übermittelten Berufungen und Berufungsbegründungen nicht als formfehlerhaft behandelt worden, so etwa in den Verfahren 11 Sa 1637/17, 11 Sa 1638/17 und 11 Sa 10/18. Abgesehen davon nutze auch das Hessische Landesarbeitsgericht selbst weiterhin die Container-Signatur.

Wiedereinsetzung sei jedenfalls unter dem Gesichtspunkt effektiven Rechtsschutzes zu gewähren. Solange noch keine elektronische Akte geführt werde, erschwere die durch § 4 Abs. 2 ERVV gesteigerte Formenstrenge in unverhältnismäßiger Weise den Zugang zur Rechtsmittelinstanz.

Darüber hinaus ist die Beklagte unter Hinweis auf die Entscheidung des OLG Brandenburg vom 6. März 2018 - 13 WF 45/18 - der Ansicht, das Verbot der Container-Signatur des § 4 Abs. 2 ERVV bedürfe der teleologischen Reduktion. Das Ziel des § 4 Abs. 2 ERVV, die Integrität und Authentizität einer qualifizierten elektronischen Signatur sicherzustellen, werde auch im Fall einer Container-Signatur uneingeschränkt erreicht, wenn die mit ihr verbundenen Dokumente nur ein Verfahren beträfen und nach dem Eingang bei Gericht auf Papier ausgedruckt und zu den Gerichtsakten genommen würden. So verhalte es sich auch vorliegend. Der Nachrichtencontainer habe ausschließlich die Berufungsbegründung zu diesem Verfahren und keine weiteren Anlagen oder zu anderen Verfahren gehörende Dokumente beinhaltet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens zur Wiedereinsetzung wird auf den Schriftsatz und die eidesstattliche Versicherung vom 7. September 2018 (Bl. 124-132 d.A.) Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

ihr die Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist zu gewähren und das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 22. November 2017 - 7 Ca 5453/17 - abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil in der Sache unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Wegen der Einzelheiten des Berufungsvorbringens des Klägers wird auf die Berufungserwiderung vom 28. Februar 2018 (Bl. 98 - 106 d.A.) Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 22. November 2017 - 7 Ca 5453/17 - ist gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1, § 66 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 ArbGG, § 522 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen. Die Berufung ist nicht innerhalb der von § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG bestimmten Frist formgerecht begründet worden. Die Berufungsbegründung vom 15. Februar 2018 genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen von § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. § 130 Nr. 6 ZPO bzw. § 130a Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 ZPO iVm. § 4 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 ERVV. Die nachgereichte Berufungsbegründung vom 7. September 2018 erfolgte nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist des § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist der Beklagten nicht zu gewähren.

A. Die Berufungsbegründung der Beklagten vom 15. Februar 2018 genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen (§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. § 130 Nr. 6 ZPO bzw. § 130a Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 ZPO iVm.§ 4 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 ERVV).

I. Die Berufungsbegründung ist nach § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. § 520 Abs. 1, Abs. 3 ZPO in einem Schriftsatz beim Berufungsgericht einzureichen. Es gelten die allgemeinen Vorschriften über vorbereitende Schriftsätze, § 520 Abs. 5 ZPO.

1. Als bestimmender Schriftsatz muss die Berufungsbegründung von einem beim Landesarbeitsgericht nach § 11 Abs. 4 ArbGG vertretungsberechtigten Prozessbevollmächtigten nach eigenverantwortlicher Prüfung genehmigt und eigenhändig unterschrieben sein, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. § 130 Nr. 6 ZPO(BAG 25. Februar 2015 - 5 AZR 849/13 - Rn. 17; 5. August 2009 - 10 AZR 692/08 - Rn. 17).

2. Die Berufungsbegründung kann auch als elektronisches Dokument eingereicht werden (§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm.§ 130a Abs. 1 ZPO), wenn dieses für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist (§ 130a Abs. 2 Satz 1 ZPO).

a) Die für die Übermittlung und Bearbeitung geeigneten technischen Rahmenbedingungen sind in der zum 1. Januar 2018 in Kraft getretenen Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (§ 130a Abs. 2 Satz 2 ZPOiVm. der Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) vom 24. November 2017 (BGBl. I S. 3803) idF der Verordnung zur Änderung der ERVV vom 9. Februar 2018 (BGBl. I S. 200) geregelt. Das elektronische Dokument muss mit einer qeS der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person (einfach) signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden (§ 130a Abs. 3 und Abs. 4 ZPO). Ein elektronisches Dokument, das mit einer qeS der verantwortenden Person versehen ist, darf nur auf einem sicheren Übermittlungsweg (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 ERVV) oder an das für den Empfang elektronischer Dokumente eingerichtete EGVP übermittelt werden (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 ERVV). Mehrere elektronische Dokumente dürfen nicht mit einer gemeinsamen qeS übermittelt werden (§ 4 Abs. 2 ERVV).

b) Die Form des § 130a Abs. 3 ZPO ist nicht mehr gewahrt, wenn die qeS nur an dem an das EGVP übermittelten Nachrichtencontainer angebracht ist. Diese umfasst dann nicht das einzelne elektronische Dokument, sondern die elektronische Sendung. Diese Übermittlungsform genügt seit dem 1. Januar 2018 nicht (mehr) den Anforderungen des § 130a Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 ZPO iVm. § 4 Abs. 1 Nr. 2 ERVV. Dies gilt auch dann, wenn dem Gericht lediglich ein einziges Dokument übermittelt wird (BAG 5. August 2018 - 2 AZN 269/18 - Rn. 6). Ob die Container-Signatur ein Dokument oder mehrere Dokumente signieren soll, ist aus dem beim Gericht erstellten Transfervermerk nicht zu ersehen. Genau diese Erschwerung bei der Bearbeitung elektronischer Dokumente durch das Gericht soll der neu gefasste § 4 Abs. 2 ERVV verhindern. Nach der Verordnungsbegründung zu § 4 Abs. 2 ERVV schließt die Bestimmung "es künftig aus, mehrere elektronische Dokumente mit einer einzigen qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen" (BR-Drucks. 645/17 S. 15). Nach der Begründung zu § 5 Abs. 1 Nr. 5 ERVV kann "die qualifizierte elektronische Signatur ... entweder in die jeweilige Datei eingebettet ('Inline-Signatur') oder ... der Datei beigefügt werden ('Detached-Signatur')". "Würde hingegen die Datei mit der qualifizierten elektronischen Signatur umhüllt ('Container-Signatur'), könnte dies die Verarbeitung durch das Gericht erheblich erschweren" (BR-Drucks. 645/17 S. 17). Dies spricht dafür, dass nach der Vorstellung des Verordnungsgebers die Container-Signatur ab dem 1. Januar 2018 für die Übermittlung von Schriftsätzen generell nicht mehr verwandt werden kann. Das gilt auch dann, wenn sich die Container-Signatur nur auf elektronische Dokumente bezieht, die sämtlich ein Verfahren betreffen und bei nicht elektronisch geführten Akten mit dem Ergebnis der Signaturprüfung auf Papier ausgedruckt werden (BAG 5. August 2018 - 2 AZN 269/18 - Rn. 6; BVerwG 7. September 2018 - 2 WDB 3/18 - Rn. 8; offengelassen von BSG 9. Mai 2018 - B 12 KR 26/18 B - Rn. 6 zu § 65a SGG; anders Brandenburgisches OLG 6. März 2018 - 13 WF 45/18 - Rn. 18 ff.).

II. Diesen normativen Vorgaben genügt die Berufungsbegründung vom 15. Februar 2018 nicht.

1. Da sie als elektronisches Dokument über das EGVP an das Hessische Landesarbeitsgericht übermittelt wurde, die qeS aber nur am übermittelten Nachrichtencontainer angebracht war und nicht das elektronische PDF-Dokument selbst umfasste, wird sie den Anforderungen von § 130a Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 ZPO iVm. § 4 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 ERVV nicht gerecht. Der Umstand, dass einzig die dieses Verfahren betreffende Berufungsbegründung übermittelt wurde, die sodann mit dem Ergebnis der Signaturprüfung auf Papier ausgedruckt und zur Gerichtsakte genommen wurde, ist nach der vorstehend wiedergegebenen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes, der die Kammer folgt, unerheblich. Darin liegt entgegen der Ansicht der Beklagten keine Beeinträchtigung des von Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 3 GG garantierten effektiven Rechtsschutzes, weil zumutbare andere Übermittlungswege zur Verfügung stehen und das mit einer qeS versehene elektronische Dokument mit geeigneter Software auch über das EGVP übermittelt werden kann. Einer teleologischen Reduktion von § 4 Abs. 2 ERVV bedarf es daher nicht (vgl. BAG 5. August 2018 - 2 AZN 269/18 - Rn. 7; BVerwG 7. September 2018 - 2 WDB 3/18 - Rn. 8).

2. Da die auf elektronischem Wege als PDF-Datei übermittelte Berufungsbegründung lediglich mit einer eingescannten Unterschrift versehen, also im Original nicht handschriftlich unterzeichnet war, ist dem Schriftformerfordernis in entsprechender Anwendung des § 130 Nr. 6 Alt. 2 ZPO auch nicht dadurch Genüge getan, dass das Landesarbeitsgericht einen die Berufungsbegründung verkörpernden Ausdruck der Datei erstellt hat (vgl. dazu BGH 18. März 2015 - XII ZB 424/14 - Rn. 10; 15. Juli 2008 - X ZB 8/08 - Rn. 13; BAG 11. Juli 2013 - 2 AZB 6/13 - Rn. 12).

B. Die Berufungsbegründung vom 7. September 2018 erfolgte nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist des § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist der Beklagten insoweit nicht zu gewähren.

I. Da der Beklagten das erstinstanzliche Urteil am 18. Dezember 2017 zugestellt wurde, endete die zweimonatige Berufungsbegründungsfrist gemäß § 222 Abs. 1, Abs. 2 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB am 19. Februar 2018 (Montag). Die Berufungsbegründung vom 7. September 2018 ist daher verspätet eingegangen.

II. Der Beklagten ist auf ihren Antrag vom 7. September 2018 keine Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist zu gewähren.

1. Gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 233 Satz 1 ZPO kann einer Partei auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, wenn sie ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten. Der Antrag muss gemäß § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO innerhalb einer einmonatigen Frist gestellt werden. Diese beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist, § 234 Abs. 2 ZPO. Die Form des Wiedereinsetzungsantrages richtet sich nach der Form der versäumten Prozesshandlung. Die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen anzugeben und im Antrag oder im Verfahren glaubhaft zu machen, § 236 Abs. 1, Abs. 2 ZPO.

2. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 7. September 2018 in der gebotenen Form einen statthaften Antrag auf Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist gestellt. Der Antrag ist auch im Übrigen zulässig. Da die Prozessbevollmächtigte der Beklagte erstmals durch gerichtlichen Hinweis vom 21. August 2018 Kenntnis von der nach § 4 Abs. 2 ERVV zu beachtenden Unzulässigkeit einer Container-Signatur erlangt haben will, kann auch von der Fristwahrung nach § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO ausgegangen werden.

3. Der Wiedereinsetzungsantrag vom 7. September 2018 ist unbegründet. Es mangelt an einem Wiedereinsetzungsgrund.

a) Ein Wiedereinsetzungsgrund ergibt sich zunächst nicht daraus, dass die Beklagte ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist gehindert war, § 233 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Dies ist weder dargelegt noch glaubhaft gemacht.

aa) Verschulden iSv. § 233 Abs. 1 Satz 1 ZPO umfasst grundsätzlich Vorsatz und Fahrlässigkeit jeder Art, § 276 BGB. Verschulden eines Prozessbevollmächtigten während des Bestehens eines wirksamen Mandats ist dem Verschulden der Partei gleichgestellt, § 85 Abs. 2 ZPO. Bei einem Rechtsanwalt gilt ein objektiver Sorgfaltsmaßstab. Es ist auf die übliche Sorgfalt eines ordentlichen Rechtsanwalts in der jeweiligen Prozesssituation abzustellen (Grandel, in: Musielak/Voit, ZPO, 15. Aufl. 2018, § 233 Rn. 4). Geht es um die Beurteilung der Rechtslage wird von Rechtsanwälten grundsätzlich die Kenntnis bundesrechtlicher Normen, die in einer Anwaltspraxis gewöhnlich zur Anwendung kommen, vorausgesetzt (vgl. BGH 3. November 2010 - XII ZB 197/10 - Rn. 10; 18. Mai 1995 - I ZR 178/93 -, VersR 1996, 250 <251>; 7. April 1972 - IV ZB 24/72-, VersR 1972, 766; Grandel, in: Musielak/Voit, ZPO, 15. Aufl. 2018, § 233 Rn. 4.; Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 233 ZPO Rn. 23). Ebenso wird erwartet, dass Rechtsanwälte sich über Änderungen dieser normativen Regelungen innerhalb angemessener Frist informieren. Eine Fristversäumung ist daher grundsätzlich als verschuldet anzusehen, wenn sie auf Gesetzesunkenntnis des Anwalts beruht (BayVerfGH 10. Dezember 1993 - Vf.150-VI-92 -, NJW 1994, 1857 [BVerfG 13.04.1994 - 2 BvR 2107/93] <1858>; Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 233 ZPO Rn. 23).

bb) Ausgehend davon ist es zur Begründung eines Wiedereinsetzungsantrages nicht ausreichend, wenn die Prozessbevollmächtigte der Beklagten als die die Berufungsbegründung verantwortende Rechtsanwältin allein darauf verweist, keine Kenntnis von den seit dem 1. Januar 2018 gemäß § 4 Abs. 2 ERVV geltenden erhöhten Anforderungen an die qualifizierte elektronische Signatur eines per EGVP bei Gericht einzureichenden Schriftsatzes gehabt zu haben. Bei den formellen Wirksamkeitsvoraussetzungen der Einreichung von Schriftsätzen im elektronischen Rechtsverkehr handelt es sich nicht nur um berufsalltäglich relevante, sondern in der forensischen Anwaltspraxis besonders bedeutsame Regelungen. Angesichts dessen hätte es näherer Darlegungen dazu bedurft, aus welchen Gründen die Unkenntnis der Prozessbevollmächtigten ausnahmsweise unverschuldet sein soll und sie im Zeitraum zwischen der Veröffentlichung der Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung im Bundesgesetzblatt vom 24. November 2017 (BGBl. I S. 3803) und dem Ablauf der Berufungsbegründungsfrist am 19. Februar 2018 gehindert war, sich Kenntnis von den Neuregelungen zu verschaffen.

Auf die Frage, ob die für die Übermittlung der Berufungsbegründung zuständige und gewissenhaft arbeitende Rechtsanwaltsfachangestellte Kenntnis von den seit dem 1. Januar 2018 gemäß § 4 Abs. 2 ERVV geltenden erhöhten Anforderungen an die qualifizierte elektronische Signatur eines per EGVP bei Gericht einzureichenden Schriftsatzes hatte, kommt es nicht an. Nach § 130a Abs. 3 ZPO muss das elektronische Dokument mit einer qeS der verantwortenden Person, hier also der nach § 11 Abs. 4 ArbGG vertretungsberechtigten Rechtsanwältin versehen sein. Im Rahmen der Wiedereinsetzung kommt es daher allein auf deren unverschuldete Unkenntnis von § 4 Abs. 2 ERVV an.

b) Ein Wiedereinsetzungsgrund ergibt sich darüber hinaus nicht unter dem Gesichtspunkt der Verletzung einer gerichtlichen Hinweispflicht.

aa) Eine gerichtliche Hinweispflicht in Bezug auf die nicht ausreichende Übermittlung der Berufungsbegründung kann aus Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 3 GGfolgen, die zugunsten der Verfahrensbeteiligten einen Anspruch auf ein faires gerichtliches Verfahren begründen. Die sich daraus ergebende prozessuale Fürsorgepflicht verpflichtet die Gerichte, eine Partei auf einen offenkundigen Formmangel eines bestimmenden Schriftsatzes hinzuweisen. Ein solcher liegt bei der Übermittlung einer Rechtsmittelschrift durch ein elektronisches Dokument vor, wenn diese mit einer Container-Signatur im EGVP des Rechtsmittelgerichts eingeht. Ein Verfahrensbeteiligter kann erwarten, dass dieser Vorgang in angemessener Zeit bemerkt wird und innerhalb eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs die notwendigen Maßnahmen getroffen werden, um ein drohendes Fristversäumnis zu vermeiden. Unterbleibt ein gebotener Hinweis, ist der Partei Wiedereinsetzung zu bewilligen, wenn er bei ordnungsgemäßem Geschäftsgang so rechtzeitig hätte erfolgen müssen, dass der Partei noch die Fristwahrung möglich gewesen wäre (vgl. BAG 15. August 2018 - 2 AZN 269/18 - Rn. 11; BSG 9. Mai 2018 - B 12 KR 26/18 B - Rn. 11). Kann der Hinweis im Rahmen ordnungsgemäßen Geschäftsgangs nicht mehr so rechtzeitig erteilt werden, dass die Frist durch die erneute Übermittlung des fristgebundenen Schriftsatzes noch gewahrt werden kann, oder geht trotz rechtzeitig erteilten Hinweises der formwahrende Schriftsatz erst nach Fristablauf ein, scheidet eine Wiedereinsetzung allein aus diesem Grund dagegen aus. Aus der verfassungsrechtlichen Fürsorgepflicht der staatlichen Gerichte folgt keine generelle Verpflichtung zur sofortigen Prüfung der Formalien eines als elektronisches Dokument eingereichten Schriftsatzes. Dies enthöbe die Verfahrensbeteiligten und deren Bevollmächtigte ihrer eigenen Verantwortung für die Einhaltung der Formalien und überspannte die Anforderungen an die Grundsätze des fairen Verfahrens (BVerfG 17. Januar 2006 - 1 BvR 2558/05 - Rn. 10; BAG 5. August 2018 - 2 AZN 269/18 - Rn. 11; 22. August 2017 - 10 AZB 46/17 - Rn. 16).

bb) Vorliegend durfte die Beklagte aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles auch im Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs nicht davon ausgehen, auf den Formmangel der Berufungsbegründung so rechtzeitig hingewiesen zu werden, dass ein Fristversäumnis hätte vermieden werden können.

Die Berufungsbegründung ist am 15. Februar 2018 (Donnerstag) und damit zwei Arbeitstage vor Fristablauf am 19. Februar 2018 (Montag) bei Gericht eingegangen. Es kann dahinstehen, ob diese knappe Zeitspanne im Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs noch erwarten lässt, dass der Formfehler rechtzeitig bemerkt wird. Denn es mangelt jedenfalls an einem für das Gericht ohne weiteres erkennbaren, offenkundigen Formfehler. Die Beklagte hat die elektronisch übermittelte Berufungsbegründung mit einer eingescannten Unterschrift versehen. Ihr war bekannt, dass die per EGVP eingehenden Schriftsätze bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht ausgedruckt und in Papierform zu Akte genommen werden. Da die Schriftform entsprechend § 130 Nr. 6 Alt 2 ZPO gewahrt wäre, wenn das elektronisch übersandte Dokument im Original handschriftlich unterzeichnet und dann ausgedruckt worden wäre (vgl. BGH 18. März 2015 - XII ZB 424/14 - Rn. 10; 15. Juli 2008 - X ZB 8/08 - Rn. 13), war bei der Arbeit mit der Papierakte weder für die Geschäftsstelle noch für den entscheidenden Richter ohne weitere Nachforschungen erkennbar, dass die Berufungsbegründung unter einem Formmangel litt. Dies gilt umso mehr als die Übersendung einer im Original handschriftlich unterzeichneten, dann eingescannten Rechtsmittelschrift per EGVP im Geschäftsgang der entscheidenden Kammer nichts Ungewöhnliches ist. Der Kammervorsitzende hatte daher bei Befassung mit der Berufungsbegründung am 16. Februar 2018 keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass die dem ersten Eindruck nach formwahrende Berufungsbegründung tatsächlich mit einem Formfehler behaftet sein könnte. Eine anlasslose Pflicht, die Formalien einer als elektronisches Dokument eingereichten Rechtsmittelschrift zu prüfen, trifft die Gerichte von Amts wegen nicht. Ausgehend davon kann nicht von der Verletzung einer gerichtlichen Hinweispflicht ausgegangen werden.

C. Auch das weitere Vorbringen der Beklagten, auf das in diesem Urteil nicht besonders eingegangen wird, weil die Entscheidungsgründe gemäß § 313 Abs. 3 ZPO lediglich eine kurze Zusammenfassung der tragenden Erwägungen enthalten sollen, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung von Zulässigkeit und Begründetheit der Berufung.

D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Kosten der erfolglosen Berufung sind von der Beklagten zu tragen.

E. Die Revision wird nicht zugelassen. Es liegt kein Zulassungsgrund nach § 72 Abs. 2 ArbGG vor, weil die Entscheidung weder entscheidungserhebliche Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung iSv. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG betrifft noch auf einer Divergenz iSv. § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG beruht.