OLG Düsseldorf, Urteil vom 06.03.2019 - U (Kart) 15/18
Fundstelle
openJur 2019, 27716
  • Rkr:
Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das am 01. August 2018 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund- 8 O 24/17 (Kart) - wird zurückgewiesen.II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.III. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% der auf Grund dieses Urteils vollstreckbaren Beträge abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.IV. Die Revision wird nicht zugelassen.V. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 139.539,60 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über kartellrechtliche Schadensersatzansprüche.

Die Klägerin ist ein Transport- und Logistikunternehmen. Die Beklagte zu 2) - eine deutsche Tochtergesellschaft der Beklagten zu 1) - ist in der Vermarkung und Betreuung des Vertriebs von mittleren und schweren Nutzfahrzeugen der Marke "..." in Deutschland tätig.

Die Klägerin nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner auf Kartellschadensersatz nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 101 AEUV, § 33 Abs. 3 GWB a.F. in Anspruch, der ihr durch das von der EU-Kommission festgestellte Lkw-Kartell beim Erwerb von 12 Lkw der Marke "..." im Zeitraum von 2004 bis 2010 entstanden sein soll. Den Kartellvorwurf stützt die Klägerin auf den Beschluss der EU-Kommission vom 19. Juni 2016 (AT 39824 - Trucks) sowie die dort getroffenen Feststellungen.

Ausweislich des vorbezeichneten Beschlusses, auf dessen gesamten Inhalt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt, hat die EU-Kommission u.a. die folgenden Feststellungen getroffen:

In dem Zeitraum von 1997 bis 2010 tauschten sich die Mitglieder der höchsten Führungsebene der Lkw-Hersteller ..., E., ..., W./S. und ... über Preise sowie Bruttolistenpreiserhöhungen aus mit dem Ziel, die Bruttopreise im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) zu koordinieren und Unsicherheiten hinsichtlich des Verhaltens der jeweils anderen Hersteller zu beseitigen. Betroffen von diesen Verhaltensweisen waren Lkw zwischen 6 t und 16 t (mittelschwere Lkw) und Lkw über 16 t (schwere Lkw).

Die Absprache endete am 18. Januar 2011, dem Tag, an dem die Untersuchungen der Europäischen Kommission begonnen hatten.

Im ersten Rechtszug hat die Klägerin zunächst unter Bezugnahme auf eine Rechnung aus 2003 behauptet, dass sie in den Jahren 2004 bis 2010 insgesamt 13 Lkw der Marke "..." von Vertragshändlern der Beklagten zu einem Gesamtkaufpreis von EUR 1.246.630,00 erworben habe. Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass diese Lkw-Käufe von dem Kartellverstoß der Beklagten betroffen worden seien. Dadurch sei ihr ein Schaden entstanden, dessen Höhe sich zurzeit noch nicht beziffern lasse. Es sei jedoch von einem 15%igen Schaden, gemessen am Bruttolistenpreis, auszugehen.

Nach teilweiser Klagerücknahme in Hinblick auf den behaupteten Erwerb eines Lkw im Jahre 2003 hat die Klägerin vor dem Landgericht zuletzt beantragt,

1.

festzustellen, dass die Beklagten der Klägerin als Gesamtschuldner sämtliche Schäden zu ersetzen haben, die der Klägerin aus den folgenden Erwerbsvorgängen entstanden sind:

- ... Typ X... zu einem Kaufpreis von 83.800,00 EUR,

- ... Typ X... zu einem Kaufpreis von 95.000,00 EUR,

- ... Typ X... zu einem Kaufpreis von 92.000,00 EUR,

- ... Typ X... zu einem Kaufpreis von 95.000,00 EUR,

- ... Typ X... zu einem Kaufpreis von 85.500,00 EUR,

- ... Typ X... zu einem Kaufpreis von 85.500,00 EUR,

- ... Typ X... zu einem Kaufpreis von 110.515,00 EUR,

- ... Typ X... zu einem Kaufpreis von 110.515,00 EUR,

- ... Typ X... zu einem Kaufpreis von 103.400,00 EUR,

- ... Typ X... zu einem Kaufpreis von 103.400,00 EUR,

- ... Typ X... zu einem Kaufpreis von 98.500,00 EUR,

- ... Typ X... zu einem Kaufpreis von 98.500,00 EUR,

2.

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die Klägerin von den Kosten der Rechtsanwälte C. & Kollegen, ... Str. 16-18, ... H. in Höhe von 2.305,40 EUR freizustellen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben die Ansicht vertreten, dass die Feststellungsklage bereits wegen fehlenden Feststellungsinteresses unzulässig sei. Die Klage sei jedenfalls unbegründet, da der klägerische Vortrag zu den behaupteten Erwerbsvorgängen unschlüssig sei. Außerdem habe die Klägerin weder ihre Betroffenheit noch die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts nachgewiesen. Beides werde ebenso bestritten wer die Zahlung des Kaufpreises für die streitbefangenen Lkw. Schließlich seien die Ansprüche zum Teil verjährt.

Das Landgericht hat die Klage mit am 01. August 2018 den Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestelltem Urteil als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin - trotz des Bestreitens der Beklagten und des richterlichen Hinweises in der mündlichen Verhandlung vom 18. April 2018) - zu den in Rede stehenden Erwerbsvorgängen nicht substantiiert vorgetragen habe. Die Rechnungen für die Mietkaufverträge seien dafür nicht ausreichend. Vielmehr hätte die Klägerin Beweise über die Kaufverträge im Einzelnen nach Datum, Kaufgegenstand und Vertragspartner vorlegen müssen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Am 31. August 2018 versuchten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin um 16:06 und 16:42 vergeblich, die Berufungsschrift vom gleichen Tag per Fax an das Oberlandesgericht zu übersenden. Ausweislich der Sendeberichte (GA 175 f.) konnten die Übermittlungen jeweils wegen eines aufgetretenen Fehlers nicht abgeschlossen werden. Nach Auskunft der Geschäftsleitung des Gerichts (GA 177 ff.) hatte der Telefon- und Faxbetrieb des Gerichts vom 28. August 2018 (11:29 Uhr) bis 06. September 2018 (13:45 Uhr) eine technische Störung, so dass Faxe nur teilweise durchgingen. Das Original der Berufungsschrift ging am 04. September 2018 per Post beim Gericht ein.

Nach Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung bis zum 01. November 2018 hat die Klägerin das Rechtsmittel mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2018, dem Gericht per Fax am gleichen Tag eingegangen, begründet. Die Klägerin hält unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens an der Auffassung fest, dass die dem Landgericht mit der Klageerhebung eingereichten Rechnungen als Beweismittel ausreichend seien.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 01. August 2018 abzuändern und festzustellen, dass die Beklagten der Klägerin als Gesamtschuldner sämtliche Schäden zu ersetzen haben, die der Klägerin aus den folgenden Erwerbsvorgängen entstanden sind:

- ... Typ X... zu einem Kaufpreis von 83.800,00 EUR,

- ... Typ X... zu einem Kaufpreis von 95.000,00 EUR,

- ... Typ X... zu einem Kaufpreis von 92.000,00 EUR,

- ... Typ X... zu einem Kaufpreis von 95.000,00 EUR,

- ... Typ X... zu einem Kaufpreis von 85.500,00 EUR,

- ... Typ X... zu einem Kaufpreis von 85.500,00 EUR,

- ... Typ X... zu einem Kaufpreis von 110.515,00 EUR,

- ... Typ X... zu einem Kaufpreis von 110.515,00 EUR,

- ... Typ X... zu einem Kaufpreis von 103.400,00 EUR,

- ... Typ X... zu einem Kaufpreis von 103.400,00 EUR,

- ... Typ X... zu einem Kaufpreis von 98.500,00 EUR,

- ... Typ X... zu einem Kaufpreis von 98.500,00 EUR.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten, die von der beschriebenen Störung des gerichtlichen Faxbetriebs erst im Verhandlungstermin des Senats Kenntnis erlangt haben, halten das Rechtsmittel der Klägerin wegen Versäumung der Berufungsfrist für unzulässig. In der Sache verteidigen sie das Urteil des Landgerichts und vertreten weiterhin die von ihr in erster Instanz vorgetragenen rechtlichen Argumente.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil des Landgerichts und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, aber in der Sache unbegründet.

A.

Die Berufung der Klägerin ist nicht wegen der Versäumung der Einlegungsfrist unzulässig. Der Klägerin ist gem. § 236 Abs. 2 S. 2 HS. 2 ZPO vom Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

1.

Die Monatsfrist des § 517 ZPO war im Zeitpunkt der Berufungseinlegung abgelaufen.

Nach § 517 ZPO beginnt die Einlegungsfrist mit der Zustellung des angefochtenen Urteils. Die rechtzeitige Einlegung der Berufung wird im Regelfall durch den Eingangsstempel des angegangenen Gerichts auf dem entsprechenden Schriftsatz nachgewiesen, § 418 Abs. 1 ZPO.

Das landgerichtliche Urteil ist der Klägerin am 01. August 2018 zu Händen ihrer Prozessbevollmächtigten zugestellt worden. Die dadurch in Lauf gesetzte Einlegungsfrist endete am 31. August 2018 (24.00 Uhr), § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB. Laut Eingangsstempel ist die Berufungsschrift der Klägerin erst am 4. September 2018 beim Gericht eingegangen. Einen früheren Eingang per Fax hat die Klägerin weder behauptet noch nachgewiesen. Vielmehr hat sie im Schriftsatz vom 3. September 2018 selbst von "vergeblich versucht" gesprochen und nur zwei Sendeberichte für die fehlgeschlagenen Übermittlungen vom 31. August 2018 beigefügt.

2.

Die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung gem. § 236 Abs. 2 S. 2 HS. 2 ZPO liegen vor. Die Klägerin hat gem. § 233 S. 1 ZPO glaubhaft gemacht, dass ihre Prozessbevollmächtigten ohne Verschulden verhindert waren, die Berufungsfrist einzuhalten. Außerdem hat sie die Berufung gem. §§ 234 Abs. 1 S. 1, 236 Abs. 2 S. 2 HS. 1 ZPO innerhalb der Antragsfrist eingelegt.

a)

Grundsätzlich kann die Versäumung einer Frist wegen Verzögerung oder Störung bei der Übermittlung eines Telefax der Partei nicht als Verschulden zugerechnet werden, wenn sie oder ihr Prozessbevollmächtigter mit der ordnungsgemäßen Nutzung eines funktionsfähigen Sendegerätes und der korrekten Eingabe der Sendenummer alles zur Fristwahrung Erforderliche getan hat und so rechtzeitig mit der Übermittlung begonnen wurde, dass unter normalen Umständen mit deren Abschluss bis 24.00 Uhr gerechnet werden konnte (BGH, Beschl. v. 26.1.2017 - I ZB 43/16). Dabei dürfen die aus den technischen Gegebenheiten des Kommunikationsmittels Telefax herrührenden Risiken, insbesondere Störungen des Empfangsgeräts des Gerichts, nicht auf die Partei abgewälzt werden, da in solche Fällen die entscheidende Ursache für die Fristsäumnis in der Sphäre des Gerichts liegt (BGH, Beschl. v. 27.6.2017 - II ZB 22/16).

Diesen Anforderungen haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin genügt.

aa)

Ausweislich der Sendeberichte vom 31. August 2018 haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 31. August 2018 bereits um 16.06 Uhr mit der Versendung der zweiseitigen Berufungsschrift unter Eingabe der zutreffenden Telefaxnummer des Oberlandesgerichts begonnen und nach dem Fehlschlagen eine erneute Versendung um 16.42 Uhr vergeblich versucht. Damit haben sie alles zur Fristwahrung Erforderliche getan. Es ist aufgrund der Mitteilung der Geschäftsleitung des Gerichts vom 29. August 2018 davon auszugehen, dass die beiden Übermittlungsversuche wegen der zu diesem Zeitpunkt bestehenden technischen Störung des Faxbetriebs des Gerichts gescheitert sind.

bb)

Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin waren nicht dazu verpflichtet, nach den gescheiterten Fax-Übermittlungen zu versuchen, die Berufung anderweitig (z.B. durch Bote) einzulegen. Denn von einem Rechtsanwalt, der sich und seine organisatorischen Vorkehrungen darauf eingerichtet hat, ein Rechtsmittel per Fax einzulegen, kann beim Scheitern dieser Art der Übermittlung in Folge einer unerwarteten Störung des Empfangsgeräts des Gerichts nicht verlangt werden, dass er - unter Aufbietung aller nur denkbaren Anstrengungen - innerhalb kürzester Zeit eine andere als die gewählte Zugangsart sicherstellt (BGH, Beschl. v. 27.6.2017 - II ZB 22/16).

b)

Die Klägerin hat die Berufung am 4. September 2018 wirksam eingelegt und somit die versäumte Prozesshandlung innerhalb der Frist nach § 234 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 ZPO nachgeholt.

Gem. § 234 Abs. 2 ZPO beginnt die Frist mit dem Tag, an dem das Hindernis - in diesem Fall die technische Störung des Faxbetriebs des Gerichts - behoben ist. Ein Hindernis ist im Sinne von § 234 Abs. 2 ZPO auch behoben, sobald die Verhinderung nicht mehr unverschuldet ist. Die Wiedereinsetzungsfrist beginnt deshalb spätestens mit dem Zeitpunkt, in dem der verantwortliche Anwalt bei Anwendung der von ihm zu erwartenden Sorgfalt die eingetretene Säumnis hätte erkennen können und müssen (BGH, Beschl. v. 6.7.2011 - XII ZB 88/11).

Gemessen hieran war die Frist des § 234 Abs. 1 S. 1 ZPO nicht abgelaufen, als das Original der Berufungsschrift am 4. September 2018 beim Gericht einging. Die Frist hat gem. § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 187 Abs. 1 ZPO am 01. September 2018 (0.00 Uhr) zu laufen begonnen, da die Prozessbevollmächtigten der Klägerin wegen der Sendeberichte vom 31. August 2018 hätten erkennen können und müssen, dass die Übermittelung der Berufungsschrift per Fax nicht erfolgreich war. Gem. § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 188 Abs. 2 ZPO endete die Frist erst am 14. September 2018 (24.00 Uhr).

B.

Der Zulässigkeit der Berufung steht es nicht entgegen, dass die Klägerin in der Berufungsbegründung dem Grunde nach nur die Argumente wiederholt, die sie bereits in erster Instanz vorgebracht hatte.

1.

Im Gesetz bestehen grundsätzlich keine formalen Anforderungen für die Berufungsbegründung. Es ist erforderlich aber auch ausreichend, dass der Rechtsmittelführer in der Begründung verständlich angibt, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils er weshalb bekämpft, § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO. Ob seine Ausführungen dazu schlüssig und rechtlich haltbar sind, bleibt im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung ohne Bedeutung. Solange die Berufungsbegründung auf den konkreten Streitfall zugeschnitten ist und nicht nur mit formularmäßigen Sätzen auf das Vorbringen in erster Instanz verweist, ist es unerheblich, ob der Rechtsmittelführer seine bisherigen Argumente lediglich wiederholt (BGH, Beschluss vom 14.7.2016 - IX ZB 104/15). Denn Sinn und Zweck der Berufung ist es gerade, dem Rechtsmittelführer die Überprüfung der Rechtsansicht der ersten Instanz zu ermöglichen. Aus dem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz ist das verfassungsrechtliche Gebot abzuleiten, dass formelle Anforderungen an die Einlegung eines Rechtsmittels nicht weitergehen dürfen, als es durch ihren Zweck geboten ist (BGH, Beschluss vom 7.6.2018 - I ZB 57/17).

2.

Den vorgenannten Erfordernissen hat die Berufungsbegründung der Klägerin noch genügt. Das Landgericht hat die Klageabweisung allein damit begründet, dass es an der schlüssigen Darlegung der Erwerbsvorgänge fehle und die Rechnungen für die Mietkaufverträge als Beweismittel unzureichend seien. In der Berufungsbegründung hat die Klägerin sich mit dieser Urteilsbegründung in ausreichender Weise auseinandergesetzt, indem sie vorgetragen hat, dass die Kaufverhandlungen im Wesentlichen mündlich bzw. telefonisch geführt worden seien und aus diesem Grund weitere Dokumente zu den behaupteten Erwerbsvorgängen nicht bestehen würden. Die vom Landgericht für erforderlich gehaltenen Informationen seien aus den Rechnungen ebenfalls ersichtlich. Überdies beantragt die Klägerin erstmals in der Berufungsbegründung die "Anhörung" ihres Geschäftsführers und ihres kaufmännischen Leiters.

C.

Die Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht darauf erkannt, dass der Klägerin dem Grunde nach kein Schadensersatzanspruch gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 81 EGV bzw. Art. 101 AEUV, § 33 GWB (a.F.) für die behauptete Beschaffung der 12 Lkw zusteht, da sich ihre Anspruchsberechtigung nicht feststellen lässt. Das Prozessvorbringen der Klägerin ist in mehrfacher Hinsicht unzureichend.

1.

Die Klägerin ist für den geltend gemachten Kartellschaden beweisfällig geblieben. Sie behauptet, aufgrund der Kartellabsprachen, die Lkw-Hersteller unter Beteiligung der beiden Beklagten zu den Preisen und Bruttolistenpreiserhöhungen getroffen und praktiziert haben, sei ihr ein finanzieller Schaden in Höhe von 15 % des jeweiligen Bruttolistenpreises entstanden. Der so berechnete Kartellschaden setzt voraus, dass die Klägerin den (Miet-)Kaufpreis für die streitbefangenen Lkw gezahlt hat. Obschon die Beklagten seit Beginn des Prozesses eine Kaufpreiszahlung zulässigerweise mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) bestreiten, zuletzt mehrfach in ihrer Berufungserwiderung vom 21.12.2018 (dort Seite 6 im zweiten und fünften Absatz, ferner Seite 7 im zweiten Absatz, sowie Seite 11 im zweiten Absatz und Seite 17 unten), hat die Klägerin ihren diesbezüglichen Sachvortrag weder im landgerichtlichen Verfahren noch im Berufungsrechtszug unter Beweis gestellt. Der in der Berufungsbegründung der Klägerin enthaltene Beweisantritt auf Vernehmung des eigenen Geschäftsführers und des eigenen kaufmännischen Leiters bezieht sich nicht auf die Entrichtung des (Miet-)Kaufpreises für die streitbefangenen Lkw-Käufe und hat deshalb im vorliegenden Kontext außer Betracht zu bleiben. Eine Parteivernehmung des klägerischen Geschäftsführers von Amts wegen nach § 448 ZPO kommt nicht in Betracht, weil nicht schon einiger Beweis für die behauptete Kaufpreiszahlung geführt ist.

2.

Die Klägerin hat überdies nicht nachvollziehbar dargelegt, dass die in Rede stehenden Kartellverstöße dazu geführt haben, dass die streitgegenständlichen Lkw zu Bruttopreisen erworben worden sind, die infolge des Lkw-Kartells überhöht waren. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass die Absprachen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen zu den Preisen und Bruttopreislisten nach den Feststellungen der Europäischen Kommission das Ziel verfolgten, die Bruttopreise für Lkw im Europäischen Wirtschaftsraum "zu koordinieren". Das ist der Zusammenfassung des Beschlusses der Kommission vom 19. Juli 2016 in der Sache AT.39824 - Lkw (ABl. vom 6.4.2017 zu C 108/6) zu entnehmen und wird auch von der Klägerin ausdrücklich zugrunde gelegt (vgl. Klageschrift Seite 9). Eine Umsetzung dieser Koordinierungsabsicht bedeutet indes nicht, dass die der Schadensberechnung zugrunde gelegte Bruttolistenpreise während des gesamten streitbefangenen Zeitraums zwischen 2004 und Mitte 2010 künstlich überhöht gewesen sein müssen. Eine Koordinierung, d.h. Anpassung der Bruttopreise für Lkw im Europäischen Wirtschaftsraum setzt nämlich nicht zwangsläufig voraus, dass die Lkw-Listenpreise über den gesamten Zeitraum in allen Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums kartellbedingt angehoben worden sind. Eine Preisanpassung im Europäischen Wirtschaftsraum ist vielmehr ohne weiteres in der Weise denkbar, dass die Bruttolistenpreise nur in einigen Ländern angehoben und in anderen Ländern unverändert geblieben sind. Auf diesen Gesichtspunkt ist im Senatstermin hingewiesen worden (Seite 1 der Sitzungsniederschrift vom 6.3.2019). Der Klägerin, die die im Streit stehenden Lkw entweder selbst in Deutschland gekauft (Anlagen K 12 und K 13) oder im Wege des Mietkaufs von einem Unternehmen erworben haben will, das die Lkw seinerseits von einem deutschen Unternehmen (U. bzw. K. bzw. C.2) gekauft haben soll (siehe die Anlagen K 1, K 3 - K 11), hätte deshalb näherer Sachvortrag dazu oblegen, dass die Lkw-Preise zwischen 2004 und Mitte 2010 in der Bundesrepublik Deutschland kartellbedingt überhöht gewesen sind. Ein solcher Sachvortrag fehlt schon im Ansatz.

3.

Die Klage ist darüber hinaus auch deshalb weitgehend abzuweisen, weil die Klägerin für insgesamt acht Mietkäufe weder nachvollziehbar dargetan noch prozessual beachtlich unter Beweis gestellt hat, dass es sich um diejenigen Erwerbsvorgänge gehandelt hat, die im Klageantrag unter den Spiegelstrichen 1 bis 8 anhand der Fahrgestellnummer der jeweiligen Lkw individualisiert sind.

a)

Die als Anlagen K 1 und K 3 bis K 9 vorgelegten Rechnungen über den Mietkauf, den die Klägerin in einem Fall bei der H. (Anlage K 1) und in sieben Fällen bei der Q. (Anlagen K 3 bis K 9) getätigt haben will, weisen an keiner Stelle eine Fahrgestellnummer des verkauften Lkw aus. Es ist deshalb unklar, ob die genannten Mietkaufverträge sich auf den Erwerb von denjenigen Fahrzeugen beziehen, die im Klageantrag ausgewiesen sind. Überdies machen die Beklagten zutreffend geltend, dass die Fahrgestellnummer im dritten und sechsten Spiegelstrich des Klageantrags identisch sind, die Klägerin also für ein und denselben Lkw-Erwerb zweimal Schadensersatz verlangt.

Der in diesem Zusammenhang erhobene Vorwurf der Berufung, das Landgericht habe die bestehenden Unklarheiten durch Nachfrage bei dem im Verhandlungstermin anwesenden kaufmännischen Leiter der Klägerin, Herrn S., klären können, liegt neben der Sache. Ausweislich der Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung (GA 143 ff.) hat das Landgericht auf die Unschlüssigkeit des Klagevorbringens hingewiesen und der Klägerin Gelegenheit zu einer schriftsätzlichen Ergänzung ihres Sachvortrags innerhalb von vier Wochen gegeben. Die Klägerin hat von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht. Sie vermag ihr Vorbringen auch im Berufungsverfahren nicht weiter zu substantiieren. Das belegt, dass die notwendigen Einzelheiten der streitgegenständlichen Lkw-Käufe durch eine Nachfrage des Gerichts nicht zu klären gewesen wären.

b)

Die Übereinstimmung der durch die Mietkaufrechnungen dargelegten Lkw-Käufe mit den durch Angabe der Fahrgestellnummern individualisierten Erwerbsvorgängen ist nicht durch die zeugenschaftliche Vernehmung des kaufmännischen Leiters S. oder durch Parteivernehmung des Geschäftsführers der Klägerin zu klären.

aa)

Eine Zeugenvernehmung scheidet aus, weil sich der Beweisantritt der Klägerin (Berufungsbegründung Seite 4) alleine auf die Behauptung bezieht, dass der Klägerin keine weiteren Dokumente zu den streitbefangenen Erwerbsvorgängen vorliegen und die Kaufverhandlungen im Wesentlichen mündlich bzw. telefonisch geführt worden seien. Auf die Identität der Fahrzeugkäufe erstreckt sich der Beweisantritt nicht.

bb)

Die Parteivernehmung des Geschäftsführers der Klägerin kommt gleichfalls nicht in Betracht.

Da die Beklagten einer solchen Vernehmung widersprochen haben (Seite 8 der Berufungserwiderung), kann sie gemäß § 448 ZPO nur erfolgen, wenn bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der bestrittenen Behauptung erbracht ist und das Gericht durch die Parteivernehmung die Ausräumung seiner restlichen Zweifel erwartet (BGH, Urteil vom 30.9.2014 - VI ZR 443/13). Daran fehlt es. Nach dem bisherigen Prozessstand spricht nichts für die Annahme, dass sich die als Anlagen K 1 und K 3 bis K 9 in Ablichtung vorgelegten Mietkaufrechnungen auf die im Klageantrag anhand der Fahrgestellnummern individualisierten Lkw beziehen. Unter diesen Umständen kann es auf sich beruhen, ob - wofür alles spricht - die Klägerin mit einem Beweisantritt auf Parteivernehmung und Zeugenvernehmung ohnehin präkludiert ist, weil sie ihn aus Nachlässigkeit im landgerichtlichen Verfahren unterlassen hat (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO).

4.

Schließlich ist der Sachvortrag der Klägerin auch in Bezug auf die in den Anlagen K 12 und K 13 genannten Lkw unschlüssig, die sie ausweislich der vorgelegten Unterlagen unmittelbar von der C.2 - und nicht, wie sie behauptet, über einen Mietkauf - erworben hat.

Die Klägerin ist, weil sie die beiden Lkw von der an den Kartellabsprachen nicht beteiligten C.2 erworben hat, nur eine indirekte Abnehmerin der Kartellanten. Aus diesem Grund reicht alleine der von der Klägerin vorgetragene Erwerb nicht aus, um ihre kartellbedingte Betroffenheit darzulegen. Erforderlich ist vielmehr ein nachvollziehbares Vorbringen, aus dem sich ergibt, dass von C.2 zu aufgrund des Lkw-Kartells künstlich überhöhten Preisen gekauft worden ist. An einem solchen Sachvortrag fehlt es vollständig. Ein Anscheinsbeweis kommt der Klägerin nicht zugute. Wenn das kartellierte Produkt nicht direkt von einem der an der Preisabsprache beteiligten Kartellanten, sondern von selbstständigen Zwischenhändlern bezogen worden ist, spricht angesichts der ökonomischen Komplexität der Preisbildung, des eigenständigen Spielraums bei der Preisgestaltung und des unterschiedlichen Wettbewerbsdrucks auf den jeweiligen nachgelagerten Märkten keine allgemeine Vermutung dafür, dass eine im zeitlichen Zusammenhang mit dem Kartell auftretende Preiserhöhung auf den Anschlussmärkten ursächlich auf das Kartell zurückzuführen ist (vgl. BGH, Urt. v. 28.6.2011 - KZR 75/10). Unabhängig davon hat die Klägerin eine Preisüberhöhung durch C.2 nicht einmal vorgetragen.

Eine andere rechtliche Bewertung folgt auch nicht aus § 33 c Abs. 2 GWB. Gem. § 186 Abs. 3 S. 1 GWB ist diese Vorschrift nur auf Schadenersatzansprüche anzuwenden, die nach dem 26. Dezember 2016 entstanden sind. Die hier geltend gemachten Schadensersatzansprüche sind vorher entstanden.

V.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

VI.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO), bestehen nicht.