AG Siegburg, Beschluss vom 20.12.2018 - 350 F 43/18
Fundstelle
openJur 2019, 27583
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragstellerinnen jeweils zur Hälfte.

Gründe

I.

Die am xx.xx.xxxx geborene Antragstellerin zu 1. ist die Schwiegertochter der am yy.yy.yyyy geborenen Antragstellerin zu 2. Der Ehemann der Antragstellerin zu 1. - der Sohn der Antragstellerin zu 2. - verstarb am zz.zz.zzzz. Der Ehemann der Antragstellerin zu 2. - der Vater der Antragstellerin zu 1. - ist ebenfalls verstorben.

Die Antragsteller möchten, dass die Antragstellerin zu 1. von der Antragstellerin zu 2. adoptiert wird. Zur Begründung ihres Antrags tragen sie vor, dass sie sich seit ihrem Kennenlernen sehr gut verstehen und sich daraus bis heute ein sehr vertrauensvolles und inniges Verhältnis entwickelt habe. Insbesondere nach den familiären Schicksalsschlägen mit dem Tode ihre beiden Ehemänner bzw. Sohnes und Vaters seien sie sich eine große Stütze gewesen. Inzwischen bestehe zwischen ihnen eine "Mutter-Kind-Beziehung", die von emotionaler Verbundenheit getragen sei. Insoweit wird auf die Begründung unter § 3 der notariellen Urkunde vom 26.07.2018 und die Stellungnahme der Antragstellerin zu 2. vom 12.12.2018 verwiesen.

Mit ihrem notariell beurkundeten Antrag vom 26.07.2018 beantragen die Antragstellerinnen auszusprechen,

dass die Antragstellerin zu 1. von der Antragstellerin zu 2. als Kind angenommen wird.

Hinsichtlich des weiteren Sachstandes wird auf das schriftliche Vorbringen der Beteiligten sowie das Protokoll ihrer persönlichen Anhörung vom 21.11.2018 Bezug genommen.

II.

Der Antrag ist zurückzuweisen. Die Voraussetzungen für die beantragte Adoption liegen nicht vor.

Gemäß § 1767 Abs. 1 BGB kann eine Volljährige als Kind angenommen werden, wenn die Annahme sittlich gerechtfertigt ist; die sittliche Rechtfertigung der Annahme einer Volljährigen als Kind ist insbesondere dann anzunehmen, wenn zwischen der Annehmenden und der Anzunehmenden ein Eltern-Kind-Verhältnis entstanden ist.

Ein solches Eltern-Kind-Verhältnis unter Erwachsenen wird wesentlich durch eine auf Dauer angelegte Bereitschaft zu gegenseitigem Beistand geprägt, wie sie bei leiblichen Eltern und Kindern typischerweise gegeben ist. Daneben können zwar auch andere, nicht familienbezogene, vor allem wirtschaftliche Motive von Bedeutung sein. Diese dürfen aber nicht ausschlaggebender Hauptzweck der Adoption sein; denn für die sittliche Berechtigung der Adoption kommt es vorwiegend auf die Herstellung eines echten Eltern-Kind-Verhältnisses, eines sozialen Familienbandes an, das seinem ganzen Inhalt nach dem durch die natürliche Abstammung geschaffenen Band ähnelt (so u.a. OLG Stuttgart, Beschluss vom 26.04.2014, Az. 11 UF 316/13, FamRZ 2015, 592). Ob zwischen den Beteiligten ein Eltern-Kind-Verhältnis besteht oder ob es zu erwarten ist und ob die Adoption sittlich gerechtfertigt ist, muss zur Überzeugung des Familiengerichts feststehen; dies ist Gegenstand der Amtsermittlung nach § 26 FamFG und soll nach der Vorstellung des Gesetzgebers nicht der freien Disposition der Beteiligten überlassen bleiben (vgl. BT-Ds. 7 / 3061, S. 52).

Aus diesem Grund darf eine Adoption nicht alleine aufgrund der subjektiven Empfindungen der Beteiligten ausgesprochen werden, solange diese zur Überzeugungsbildung des Familiengerichts nicht ausreichen. Vielmehr sind objektive Anknüpfungstatsachen zu ermitteln, aufgrund derer die Feststellung eines Eltern-Kind-Verhältnisses möglich ist.

Dabei müssen familienbezogene Motive im Zentrum für die Kindesannahme stehen; das Vorliegen weiterer Motive schadet nicht, solange es sich um Nebenmotive handelt (Staudinger/Frank, BGB, 2007, § 1767 Rn. 21). Wenn nach Abwägung aller in Betracht kommender Umstände begründete Zweifel verbleiben, muss der Antrag abgelehnt werden (OLG Köln, Beschluss vom 16.10.2006, Az. 16 Wx 194/06, FamRZ 2007, 1576; OLG München, Beschluss vom 19.12.2008, Az. 31 Wx 49/08, NJW-RR 2009, 591; OLG München, Beschluss vom 08.06.2009, Az. 31 Wx 22/09, FamRZ 2010, 46; Palandt/Götz, 76. Auflage 2017, § 1767 BGB Rn.5; Prütting/Helms/Krause, 3. Auflage 2014, § 192 FamFG Rn. 3; Behrentin, Handbuch Adoptionsrecht, 2017, Rn. 757).

Davon ausgehend ist vorliegend nicht positiv feststellbar, dass zwischen den Antragstellern ein solches Eltern-Kind-Verhältnis entstanden ist, aufgrund dessen die beantragte Adoption sittlich gerechtfertigt wäre:

Zunächst ist davon auszugehen, dass die beiden Antragstellerinnen als Schwiegertochter und Schwiegermutter weiterhin miteinander verschwägert sind. Durch den Tod von des Ehemannes der Antragstellerin zu 1. - des Sohnes der Antragstellerin zu 2. - ist die Schwägerschaft nicht aufgehoben / beendet, wie sich aus § 1590 Abs. 2 BGB ergibt. Daran anknüpfend besteht kein Grund, eine schon bestehende Verwandtschaftsbeziehung qualitativ zu verändern; gleiches gilt für die Adoption durch die nach wie vor verschwägerte Schwiegermutter (vgl. hierzu Behrentin, Handbuch Adoptionsrecht Rn. 787 m.w.N.).

Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass die Adoption zur Folge hätte, dass die Antragstellerin zu 1. und ihr verstorbener Ehemann in Person der Antragstellerin zu 2. rechtlich die gleiche Mutter bekämen, also gedanklich Geschwister würden. Denn auch das Verwandtschaftsverhältnis zwischen der Antragstellerin zu 2. und ihrem verstorbenen Sohn bleibt durch dessen Tod unangetastet. Ein solches Ergebnis ist jedoch in der deutschen Rechtsordnung nicht vorgesehen und spricht gegen eine "sittliche Rechtfertigung". Unzulässig sind dementsprechend Erwachsenenadoptionen, die im natürlichen Verwandtschaftsverhältnis keine Entsprechung finden; auch gegen die Adoption der Lebensgefährtin des eigenen Sohnes bestehen erhebliche Bedenken (vgl. Staudinger/Rainer Frank (2007) BGB § 1767 Rn. 17).

Der in der Anhörung geäußerte Wunsch der Antragstellerinnen, die jeweils Andere bei Bedarf (z.B. im Krankheitsfall) auch rechtlich vertreten zu können, lässt sich ohne weiteres dadurch verwirklichen, dass (wechselseitige) Vorsorgevollmachten erteilt werden. Insoweit handelt es sich um kein taugliches Motiv, mit dem die "sittliche Rechtfertigung" einer Volljährigenadoption begründet werden könnte.

Vorliegend besteht auch kein Bedürfnis, hiervon eine Ausnahme zu machen. Zwar ist nach dem Vorbringen der Antragstellerinnen und dem Eindruck, den sie in ihrer persönlichen Anhörung hinterlassen haben, davon auszugehen, dass zwischen ihnen eine gute und intensiv gelebte Beziehung als Schwiegertochter und Schwiegermutter besteht. Die von ihnen geschilderten gemeinsamen Aktivitäten auf ihrem bisherigen Lebensweg und die emotionale Bindung zueinander begründen allerdings nicht per se ein "echtes" Eltern-Kind-Verhältnis. Die emotionale Verbundenheit zwischen den Antragstellerinnen genügt nicht, um eine Adoption auszusprechen. Ansonsten wäre die Volljährigenadoption entgegen der Intention des Gesetzgebers tatsächlich der reinen Disposition der Antragsteller ausgesetzt (Behrentin, Handbuch Adoptionsrecht, 2017, Rn. 780), zumal solche Motive kaum objektiv festgestellt werden können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG. Es entspricht billigem Ermessen, die Kosten des familiengerichtlichen Verfahrens beiden Antragstellerinnen zu gleichen Teilen aufzuerlegen. Gründe, die eine andere Kostenentscheidung rechtfertigen könnten, liegen nicht vor.

Der Verfahrenswert wird mangels anderweitiger Anknüpfungspunkte für eine Wertbemessung gemäß § 42 Abs. 3 FamGKG auf den Auffangwert von 5.000,00 Euro festgesetzt.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben. Beschwerdeberechtigt ist derjenige, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind. Die Beschwerde ist bei dem Amtsgericht - Familiengericht - S schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.

Die Beschwerde muss spätestens innerhalb eines Monats nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Siegburg eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichtes abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.

Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen und soll begründet werden.

Gegen die Festsetzung des Verfahrenswertes ist die Beschwerde zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 Euro übersteigt oder sie das Familiengericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat.

Sie ist schriftlich bei dem Amtsgericht - Familiengericht - S oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts innerhalb von sechs Monaten einzulegen, nachdem die Entscheidung wegen des Hauptgegenstands Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

Ist der Verfahrenswert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:

Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.