ArbG Köln, Urteil vom 23.03.2017 - 11 Ca 1540/16
Fundstelle
openJur 2019, 27469
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • nachfolgend: Az. 10 Sa 465/17
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

3. Streitwert: 84.825,51 EUR

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Hinterbliebenenversorgung der Klägerin.

Die Klägerin ist die Witwe des am 20.03.2013 verstorbenen ehemaligen Mitarbeiters der Beklagten zu 1)... Dieser schied am 31.12.1986 auf Veranlassung der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1) aus dem Arbeitsverhältnis aus und erhielt gemäß Aufhebungsvereinbarung vom 27.06.1986 ab dem 01.01.1987 eine betriebliche Altersversorgung auf der Grundlage der Pensionsordnung der ...vom 16.05.1969. Diese enthält unter anderem folgende Regelung:

10. Witwenpension

Beim Tode eines männlichen im Dienst befindlichen Angestellten erhält seine ihn überlebende Ehefrau (Witwe) eine Rente, die 55 % der Monatsrente beträgt, die der Ehemann bezogen hätte, wenn er zum Zeitpunkt seines Todes arbeitsunfähig geworden wäre.

Bei einem im vorzeitigen Ruhestand verstorbenen Angestellten - der noch keine Rente bezogen hat - beträgt die Witwenrente 55 % von der gemäß Ziffer 8 a, b und c ermittelten Rente.

Bei einem Rentenempfänger errechnet sich der Prozentsatz von der tatsächlich bezogenen Rente.

Ist die Witwe über 15 Jahre jünger als verstorbener Ehemann, so vermindert sich die Pension für jedes Jahr, um welches als Unterschied 15 Jahre übersteigt, um 5 % des an sich für sie vorgesehenen Betrages.

Die Witwe erhält keine Pension,

a) wenn die Ehe vor dem Tode des Verstorbenen gelöst wurde, oder

b) wenn die Ehe nach Vollendung des 60. Lebensjahres des Verstorbenen geschlossen wurde und nicht wenigstens fünf Jahre bestanden hat, oder

c) wenn die Ehe von dem Angestellten erst nach seiner vorzeitigen Pensionierung gemäß Ziffer 5 dieser Pensionsordnung geschlossen worden ist, oder

d) wenn die Witwe den Tod des Verstorbenen rechtswidrig und vorsätzlich herbeigeführt hat.

Die Witwenpension endet mit dem letzten Tage des Monats, in dem die Witwe wieder heiratet oder stirbt.

Wegen der Einzelheiten dieser Pensionsordnung wird auf die zur Gerichtsakte gereichte Kopie (Bl. 7 d.A.) verwiesen.

Die Klägerin heiratete den ehemaligen Mitarbeiter am 23.09.1992 nach Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis. Zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis war der Ehemann der Klägerin noch mit seiner ersten Ehefrau Frau ...verheiratet, die am 02.11.1990 verstarb.

Mit Schreiben von Februar 1993 informierte die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1) den Ehemann der Klägerin, dass die Pensionsverwaltung und Pensionsabrechnung zukünftig von der ...der Beklagten zu 2), betreut wird.

Der verstorbene Ehemann der Klägerin bezog zuletzt eine Betriebsrente in Höhe von monatlich 2.203,26 €.

Die Klägerin ist der Ansicht, einen Anspruch auf Witwenpension nach der Pensionsordnung gegen die Beklagten zu haben. Der Ausschluss einer Witwe nach § 10 Abs. 5 c stelle eine unangemessene und nicht sachgerechte Benachteiligung dar. Im Übrigen handele es sich dabei um eine mittelbare Altersdiskriminierung. Schließlich verstoße die Regelung gegen Art. 6 GG. Auf Grund der Mitteilung, dass die Beklagte zu 2) nunmehr für die Pensionsverwaltung und Pensionsabrechnung zuständig sei, ergebe sich, dass auch ein unmittelbarer Anspruch gegen diese bestehe.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie für den Zeitraum vom 01.04.2013 bis 29.02.2016 Witwenpension in Höhe von 38.557,05 € brutto zzgl. fünf Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz aus 30.845,64 € brutto ab dem 17.07.2015, aus 1.101,63 € brutto ab dem 01.08.2015, aus 1.101,63 € brutto ab dem 01.09.2015, aus 1.101,63 € brutto ab dem 01.10.2015, aus 1.101,63 € brutto ab dem 01.11.2015, aus 1.101,63 € brutto ab dem 01.12.2015, aus 1.101,63 € brutto ab dem 01.01.2016 und aus 1.101,63 € brutto ab dem 01.02.2016 zu zahlen;

2. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin beginnend ab März 2016 fortlaufend monatlich 1.101,63 € brutto Witwenpension zzgl. fünf Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 11.03.2016 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie rügen die Passivlegitimation der Beklagten zu 2), da diese nur die Administration übernommen habe.

Der Anspruch auf Witwenrente sei gemäß § 10 Abs. 5 c ausgeschlossen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des wechselseitigen Parteivorbringens wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung geworden sind, Bezug genommen.

Gründe

I. Die zulässige Klage ist unbegründet.

1. Der Beklagten zu 2. fehlt es bereits an der Passivlegitimation. Eine Anspruchsgrundlage für einen Anspruch gegen die Beklagte zu 2) hat die Klägerin nicht vorgetragen. Aus der Abwicklung der betrieblichen Altersversorgung über die Beklagte zu 2) ergibt sich kein unmittelbarer Anspruch gegen diese. Insbesondere ist nicht zu erkennen, dass die Beklagte zu 1) hier Leistungen einer Unterstützungskasse versprochen hat, die einen Anspruch gegen diese unmittelbar begründet (BAG vom 16.02.2010 - 3 AZR 216/09 - Rdn 67 nach Juris).

2. Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 1) keinen Anspruch auf Witwenrente auf Grund der Pensionszusage für ihren verstorbenen Ehemann auf Grund Ziffer 10 der Pensionsordnung der ...Köln.

Der Anspruch gegen die Beklagte zu 1) ist gemäß Ziffer 10 Abs. 5 c ausgeschlossen. Ein Anspruch auf Witwenrente nach der Pensionsordnung setzt voraus, dass die Ehe vor dem Ausscheiden des versorgungsberechtigten Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis geschlossen wurde. Insoweit formuliert Ziffer 10 Abs. 5 c einen Ausschluss der Pension, wenn die Ehe von dem Angestellten erst nach seiner vorzeitigen Pensionierung gemäß Ziffer 5 der Pensionsordnung geschlossen worden ist. Unstreitig liegt bei dem verstorbenen Ehemann der Klägerin ein Fall des vorzeitigen Ruhestands gemäß Ziffer 5 der Pensionsordnung vor, da der Kläger nicht mit Eintritt des normalen Ruhestands aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist. Der am 02.11.1929 geborene Ehemann der Klägerin ist bereits zum 31.12.1986 und damit mit 57 Jahren aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden. Die Ehe mit der Klägerin wurde erst nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis geschlossen.

Die Wirksamkeit einer solchen Ausschlussregelung ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anerkannt (BAG vom 15.10.2013 - 3 AZR 651/11 - Rdn 25 ff. nach Juris; BAG vom 21.02.2016- 3 AZR 297/15 -) Das Landesarbeitsgericht Köln hat zuletzt durch Entscheidung vom 24.04.2015 in dem Verfahren - 9 Sa 108/15 - entsprechende Regelungen für wirksam angesehen. Die Klägerin hatte im vorliegenden Verfahren keine Aspekte vorgetragen, die eine Abweichung von dieser ständigen Rechtsprechung rechtfertigen. Die Kammer macht sich damit die Erwägungen in den angeführten Entscheidungen zu eigen:

a. Ein Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung wegen Alters nach § 7 Abs. 1 AGG ist hier nicht gegeben. Die in Ziffer 10 Abs. 5 c der Versorgungsordnung vorgesehene einschränkende Voraussetzung für den Anspruch auf Witwenversorgung, dass die Ehe nicht erst nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis geschlossen wurde, verstößt nicht gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters nach § 7 Abs. 1 Halbsatz 1 AGG und ist deshalb nicht nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Die Regelung bewirkt weder eine unmittelbare noch eine unzulässige mittelbare Benachteiligung wegen des Alters.

Nach § 7 Abs. 1 Halbsatz 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes - unter anderem wegen des Alters - benachteiligt werden. Unzulässig sind unmittelbare und mittelbare Benachteiligungen. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstigere Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Benachteiligung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich. Bestimmungen und Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstoßen, sind nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam.

Die in Ziffer 10 Abs. 5 c der Pensionsordnung vorgesehene einschränkende Voraussetzung für den Anspruch auf Witwenversorgung, dass die Ehe vor dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis geschlossen wurde, knüpft nicht an das Lebensalter an und beruht auch nicht unmittelbar auf diesem Merkmal, so dass eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters ausscheidet.

Eine mittelbare Benachteiligung wegen des Alters im Sinne von § 3 Abs. 2 AGG liegt ebenfalls nicht vor. Es ist bereits nicht zu erkennen, ob die Voraussetzungen, dass die Ehe vor dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis geschlossen worden ist, einen Bezug zum Lebensalter hat. Jedenfalls ist die Regelung aber durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt. Mit dieser Regelung sollen die Leistungspflichten des Arbeitgebers erkennbar auf Risiken begrenzt werden, die bereits während des Arbeitsverhältnisses angelegt waren. Hierbei handelt es sich um ein rechtmäßiges Ziel im Sinne des § 3 Abs. 2 AGG. Der Arbeitgeber entscheidet bei einer von ihm finanzierten betrieblichen Altersversorgung frei über deren Einführung. Entschließt er sich hierzu, so ist er auch frei in der Entscheidung, für welche der in § 1 Abs. 1 BetrAVG genannten Versorgungsfälle er Leistungen zusagt und wie hoch er die entsprechenden Leistungen dotiert. Er kann Leistungen der Hinterbliebenenversorgung versprechen, eine Rechtspflicht hierzu trifft ihn jedoch nicht. Aus diesem Grund ist er grundsätzlich auch berechtigt, die Hinterbliebenenversorgung von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig zu machen und damit Personen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, von der Hinterbliebenenversorgung auszuschließen (BAG vom 20.04.2010 - 3 AZR 509/08 - Rdn 74 nach Juris).

Eine Begrenzung des Kreises der anspruchsberechtigten Dritten durch zusätzliche anspruchsbegründende oder besondere anspruchsausschließende Merkmale liegt gerade im Bereich der Hinterbliebenenversorgung nahe, weil ein dahingehendes Leistungsversprechen zusätzliche Unwägbarkeiten und Risiken mit sich bringt. Diese betreffen nicht nur den Zeitpunkt des Leistungsfalls, sondern auch die Dauer der Leistungserbringung. Vor diesem Hintergrund hat der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran, die mit der Hinterbliebenenversorgung verbundenen zusätzlichen Risiken zu begrenzen und sie deshalb kalkulierbar zu halten (BAG vom 20.04.2010 - 3 AZR 509/08 - Rdn 75 nach Juris). Diesem Ziel dient es, den Kreis der Anspruchsberechtigten auf Personen zu beschränken, hinsichtlich derer der Versorgungsbedarf bereits während des Arbeitsverhältnisses angelegt war. Die Voraussetzung, dass die Ehe vor dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis geschlossen sein muss, ist zur Erreichung des Ziels, die Leistungspflichten des Arbeitgebers auf Risiken zu begrenzen, die bereits während des Arbeitsverhältnisses angelegt waren, angemessen und erforderlich. Wenn die Klägerin insoweit anführt, dass im vorliegenden Fall ein Risiko für eine Witwenpension bereits zum Zeitpunkt des Bestehen des Arbeitsverhältnisses bestanden habe, da ihr Ehemann bereits zuvor verheiratet war, verkennt sie zum einen, dass durch den Ausschluss auch die Risiken begrenzt werden, die die Dauer der Leistungspflicht der Beklagten begründen. Im Übrigen verkennt die Klägerin den Ansatz für die Wirksamkeitskontrolle der Regelungen der Pensionsordnung, bei der es sich um eine abstrakte Kontrolle und nicht um eine individuelle Kontrolle hinsichtlich des Einzelfalles handelt.

b. Soweit die Klägerin darüber hinaus geltend macht, dass die Pensionsordnung gegen § 307 ff. BGB verstoße und die Klägerin unangemessen benachteilige, fehlt es bereits an einem hinreichenden Vortrag zu einer unangemessenen Benachteiligung. Der Ausschluss der Klägerin aus dem Anspruch nach § 10 Abs. 5 c der Pensionsordnung trägt dem Interesse des Arbeitgebers Rechnung, die besonderen Risiken einer Hinterbliebenenversorgung besser kalkulierbar zu machen, so dass eine unangemessene Benachteiligung nicht vorliegt (LAG Köln vom 24.04.2015 - 9 Sa 108/15 - Rdn 36 nach Juris). Im Übrigen ist wie bereits ausgeführt, der Arbeitgeber frei in seiner Entscheidung, für welche der in § 1 Abs. 1 BetrAVG genannten Versorgungsfälle er Leistungen zusagt und wie hoch er die entsprechenden Leistungen dotiert (BAG vom 15.10.2013 - 3 AZR 653/11 - Rdn 37 nach Juris). Damit fehlt es bereits an der nach § 307 Abs. 3 vorgesetzten Abweichung von Rechtsvorschriften und ergänzenden Regelungen, die eine Inhaltskontrolle möglich machen.

c. Auch ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG ist nicht gegeben. Dadurch ist untersagt, die Ehe zu schädigen oder in sonstiger Weise zu beeinträchtigen. Durch die vorliegende Klausel geschieht dem Ehegatten kein Nachteil, den sie ohne die Heirat nicht gehabt hätte. Die Versorgungsansprüche des BetrAVG bleiben ungeschmälert. Das Ausbleiben eines Vorteils ist kein rechtlicher Nachteil (BAG vom 20.04.2010 - 3 AZR 509/08 - Rdn 77 nach Juris; LAG Köln vom 24.04.2015 - 9 Sa 108/15 - Rdn 35 nach Juris; LAG München vom 01.02.2011 - 6 Sa 1078/10 - Rdn 70 nach Juris). Eine nach Art. 6 Abs. 1 GG nicht geforderte Hinterbliebenenversorgung kann unter einschränkenden Voraussetzungen gewährt werden, die hier nicht vorliegen (LAG München a.a.O. Rdn 71 nach Juris).

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus § 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 91 Abs. 1 ZPO. Der Streitwert war im Urteil festzusetzen gemäß § 61 ArbGG und ergibt sich aus dem 42-fachen monatlichen geltend gemachten Rentenanspruch für den Antrag zu 2. und dem bezifferten Zahlungsantrag für den Antrag zu 1.

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