LAG Köln, Beschluss vom 07.03.2019 - 9 Ta 16/19
Fundstelle
openJur 2019, 27285
  • Rkr:
Verfahrensgang

Verlangt eine Aktiengesellschaft von der Erbin eines verstorbenen Arbeitnehmers vinkulierte Vorzugsnamensaktien heraus, die dieser im Rahmen eines Mitarbeiterbeteiligungsprogramms erworben hatte, besteht ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zu dem Arbeitsverhältnis, so dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a ArbGG eröffnet ist.

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den die Zulässigkeit des Rechtswegs feststellenden Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 18.01.2019 - 3 Ca 4777/18 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Klägerin ist ausweislich des vom Amtsgericht Münster am 15.06.2018 ausgestellten Erbscheins Alleinerbin nach ihrem am 23.01.2018 im Alter von Jahren verstorbenen Vater Dr. T V , der Arbeitnehmer der Beklagten war.

Bei der Beklagten existiert ein Mitarbeiterbeteiligungsprogramm, das ihren Arbeitnehmern den Erwerb von Aktien ihres Unternehmens ermöglicht. Zu diesem Zweck ermächtigte die Hauptversammlung den Vorstand der Beklagten, Kapitalerhöhungen durchzuführen, wobei die Ausgabe der neuen Aktien jeweils unter Ausschluss des gesetzlichen Bezugsrechts der Aktionäre erfolgte und allein dem Zweck der Mitarbeiterbeteiligung und dem Partnerprogramm diente. Bezüglich der Statuten zum Mitarbeiterbeteiligungsprogramm wird auf Bl. 7 und 8 der Akte Bezug genommen. Herr Dr. V erwarb auf diese Weise vinkulierte Vorzugsnamenaktien der Beklagten, die er zum Teil aus der Prämie des Vorjahrs und zum Teil mit Hilfe eines dazu gewährten Arbeitgeberdarlehens finanzierte.

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Januar 2016 und dem Tod von Herrn Dr. V verlangt die Beklagte von der Klägerin die Rückübertragung der Aktien.

Im Hinblick darauf begehrt die Klägerin Feststellung, dass sie nicht zur Rückgabe der Aktien verpflichtet ist, sowie hilfsweise die Feststellung, dass ihr neben dem Wert der Aktien auch die Dividende für das Jahr 2017 zusteht.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet sei, da der Erwerb, die Weitergabe bzw. der Verkauf der Aktien in den Statuten zu dem Mitarbeiterbeteiligungsprogramm geregelt seien. Damit habe sich die Beklagte dem allgemeinen Aktienrecht entzogen.

Die Beklagte hat die Zulässigkeit des Rechtswegs gerügt und die Auffassung vertreten, dass der Anspruch auf Rückübertragung der Aktien aus gesellschaftsrechtlichen Regelungen resultiere. Die Statuten orientieren sich an den gesetzlichen Rahmenbedingungen aus dem Aktiengesetz und den Regelungen in ihrer Satzung.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 18.01.2019 den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für zulässig erklärt und dies damit begründet, dass der von der Beklagten geltend gemachte Anspruch im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a ArbGG in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis zwischen Herrn Dr. V und der Beklagten gestanden habe. Dieser Zusammenhang ergebe sich aus den Statuten zu Mitarbeiterbeteiligungsprogramm. Es sei ein Ziel des Programms gewesen, die Betriebstreue der Arbeitnehmer zu honorieren und einen Anreiz für die weitere Zusammenarbeit zu schaffen.

Der Beschluss ist der Beklagten am 24.01.2019 zugestellt worden. Ihre dagegen gerichtete Beschwerde, die sie mit Rechtsausführungen begründet, ist am 07.02.2019 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses, die im Beschwerdeverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist unbegründet. Zutreffend hat das Arbeitsgericht den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen bejaht. Die zwischen den Parteien streitigen Ansprüche stehen in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang zu dem Arbeitsverhältnis zwischen der Beklagten und dem verstorbenen Vater der Klägerin, so dass sich die Zulässigkeit des Rechtswegs aus § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a ArbGG ergibt. Denn nach dieser Bestimmung sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Hinterbliebenen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern über Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis in rechtlichem oder unmittelbar wirtschaftlichem Zusammenhang stehen.

1.) Die Klägerin ist als Tochter des Herrn Dr. V und als durch Erbschein ausgewiesene Alleinerbin Hinterbliebene iSd. § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a ArbGG.

2.) Allerdings stehen die streitgegenständlichen Ansprüche nicht in einem rechtlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis zwischen ihrem verstorbenen Vater und der Beklagten.

a) Ein rechtlicher Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis besteht, wenn der Anspruch auf dem Arbeitsverhältnis beruht oder durch dieses bedingt ist (GMP/Schlewing, 9. Aufl. 2017, § 2 ArbGG Rn. 85; BAG, Beschluss vom 16. April 2014 - 10 AZB 12/14 -, Rn. 11, juris; BAG, Beschluss vom 31. März 2009 - 5 AZB 98/08 -, Rn. 5, juris). Maßgeblich ist die Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 10. April 1986 - GmS-OGB 1/85 -, BGHZ 97, 312-317, BVerwGE 74, 368-373, Rn. 10).

b) Die streitgegenständlichen Ansprüche lassen sich nicht aus dem Arbeitsverhältnis zwischen Herrn Dr. V und der Beklagten ableiten. Sie sind gesellschaftsrechtlicher Natur.

aa) Ein Einziehungsrecht, wie es die Beklagte geltend macht, hat seine Grundlage in der Satzung einer Aktiengesellschaft, wenn die Satzung dies für den Fall vorsieht, dass vinkulierte Namensaktien, deren Übertragung gemäß § 68 Abs. 2 Satz 1 AktG an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden ist, aus dem Kreis der Berechtigten fallen. Vinkulierungsklauseln, mit Hilfe derer Einfluss auf den Kreis der Aktionäre genommen wird, können zwar höchst unterschiedlich motiviert sein (dazu MüKoAktG/Bayer, 4. Aufl. 2016, § 68 AktG, Rn. 36, 37); dies ändert jedoch nicht daran, dass ihre Einziehung ein Instrument des Aktienrechts zur Vernichtung von Mitgliedschaftsrechten und zum Ausschluss von Gesellschaftern darstellt (MüKoAktG/Oechsler, 4. Aufl. 2016, § 237 AktG Rn. 2).

bb) Der Anspruch auf eine Dividende für 2017 ist ebenfalls gesellschaftsrechtlicher Natur, da er sich gemäß § 174 Abs. 2 Nr. 2 AktG aus dem Beschluss der Hauptversammlung über die Höhe des an die Aktionäre auszuschüttenden Betrags ergibt.

3.) Es besteht jedoch ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen dem Rückforderungsanspruch der Beklagten und dem Dividendenanspruch der Klägerin mit dem Arbeitsverhältnis des Vaters.

a) Ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang besteht, wenn der Anspruch auf demselben wirtschaftlichen Verhältnis beruht oder wirtschaftliche Folge desselben Tatbestands ist, aber nicht im Synallagma der Rechte und Pflichten der §§?61, 611a BGB steht und auch keine unmittelbare Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis gemäß §?242 BGB darstellt (Natter/Gross, Arbeitsgerichtsgesetz, § 2 ArbGG, Rn. 36, beckonline). Der Zusammenhang zum Arbeitsverhältnis muss derart sein, dass das Rechtsverhältnis, aus dem die Streitigkeit folgt, ohne das Arbeitsverhältnis nicht zustande gekommen wäre (Schwab/Weth, 5. Aufl. 2018, § 2 ArbGG, Rn. 150). Dabei kommt der Zusammenhang zum Arbeitsverhältnis besonders deutlich dann zum Ausdruck, wenn die Leistung auch eine Bindung des Arbeitnehmers an den Betrieb bezweckt (GMP/Schlewing, 9. Aufl. 2017, § 2 ArbGG Rn. 85; BAG, Beschluss vom 16. April 2014 - 10 AZB 12/14 -, Rn. 11, juris).

b) Ohne das Arbeitsverhältnis zwischen Herrn Dr. V und der Beklagten hätte er die Aktien, deren Einziehung die Beklagte betreibt und die Grundlage des hilfsweise seitens der Klägerin geltend gemachten Dividendenanspruchs sind, nicht zeichnen können. Denn die Ausgabe der Aktien erfolgte unter Ausschluss des gesetzlichen Bezugsrechts der Aktionäre und diente dem Zweck der Mitarbeiterbeteiligung und der Bindung der Arbeitnehmer. Herr Dr. V hat die Aktien im Rahmen des dazu aufgelegten Mitarbeiterbeteiligungsprogramms der Beklagten erworben. Die Übertragung der Aktien hatte zwar keinen Vergütungscharakter. Anders als der Gewährung von Aktienoptionen an Arbeitnehmer, die als Arbeitsentgelt anzusehen sind (LG Stuttgart, Urteil vom 30. Oktober 1997 - 5 KfH O 96/97 -, juris; Lembke, BB 2001, 1469, 1471) und bei denen es anerkannt ist, dass Streitigkeiten aus einem Aktienoptionsplan oder dem Optionsvertrag gemäß §?2 Abs.?1 Nr.?4 Buchst.?a ArbGG vor den Arbeitsgerichten auszutragen sind (Grobys/Panzer-Heemeier, StichwortKommentar Arbeitsrecht, Aktienoptionen Rn. 23, beckonline; Küttner/Röller, Personalbuch, Aktienoptionen Rn. 18, beckonline), hatte Herr Dr. V die Namensaktien aus eigenen Mitteln erworben, auch wenn diese ihm erst auf Grund einer von der Beklagten für das Vorjahr gewährten Prämie bzw. auf Grund eines Arbeitgeberdarlehens zur Verfügung standen. Die Ausgabe solcher Vorzugsaktien erfolgt gleichwohl regelmäßig im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis. Denn bei Belegschaftsaktien der vorliegenden Art geht es dem Arbeitgeber um zweierlei. Zum einen soll die Bindung der Arbeitnehmer an das Unternehmen erhöht werden. Zum anderen soll den Arbeitnehmern ein Leistungsanreiz gegeben werden, indem sie über den Kurswert der Aktie vom Erfolg des Unternehmens profitieren (Baeck/Diller, DB 1998, 1405 zitiert nach juris).

c) So liegt der Fall auch hier. In dem von der Klägerin als Anlage K 8 vorgelegten Merkblatt ist ausdrücklich ausgeführt, dass mit der Ausgabe der Aktien die Betriebstreue der Arbeitnehmer belohnt wird und sich bei erfolgreicher Entwicklung des Aktienkurses "mit jedem Jahr der Betriebszugehörigkeit das Aktivvermögen des Mitarbeiters" steigt. Auch die Statuten zum Mitarbeiterbeteiligungsprogramm belegen den unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen den aktienrechtlichen Rechten und Pflichten mit den Arbeitsverhältnissen der jeweiligen Arbeitnehmer. So sind befristet beschäftigte Arbeitnehmer sowie Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis gekündigt ist oder die einen Aufhebungsvertrag abgeschlossen haben, gemäß Nr. 2.3 der Statuten bereits von vorneherein von dem Mitarbeiterbeteiligungsprogramm ausgeschlossen. Ferner soll die Beklagte gemäß Nr. 5 der Statuten bei Kündigung durch die Gesellschaft, bei einem geschäftsschädigenden Verhalten des Arbeitnehmers, bei einer fristlosen Kündigung, bei einer Kündigung durch den Arbeitnehmer sowie bei Tod des Arbeitnehmers zur Einziehung der Aktien berechtigt sein. Alle Einziehungsgründe sind damit an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder an seine Belastung durch ein Verhalten des Arbeitnehmers geknüpft und Folge des Umstands, dass die Zwecke, die ein Unternehmen zur Ausgabe von Belegschaftsaktien veranlassen, nämlich die Bindung an das Unternehmen und das Setzen eines Leistungsanreizes, nicht mehr erreicht werden können oder sollen. Die Ausnahmebestimmung unter Nr. 6 der Statuten, wonach Arbeitnehmer, die auf Grund Altersruhestands bei der Beklagten ausscheiden, die Aktien in ihrem Besitz halten und weiterhin hieraus eine Dividende beziehen dürfen, steht dazu nicht in Widerspruch. Denn auch diese Bestimmung verfolgt mit der Aussicht auf einen finanziell aufgebesserten Ruhestand den Zweck, den Arbeitnehmer von einer Abkehr abzuhalten, und stärkt so die Bindung an das Unternehmen. Der Dividendenanspruch und das Einziehungsrecht sind damit die unmittelbare Folge des Arbeitsverhältnisses zwischen Herrn Dr. V und der Beklagten.

d) Der unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhang zwischen der von der Beklagten verfolgten Einziehung und dem Arbeitsverhältnis zwischen Herrn Dr. V und der Beklagten wurde nicht dadurch aufgehoben, dass die Beklagte, wie sie vorträgt, nicht schon die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Anlass genommen hatte, die Aktien einzuziehen, sondern erst den Tod ihres ehemaligen Arbeitnehmers. Denn entscheidend ist nicht, dass die Beklagte von der Ausübung eines vermeintlichen Rechts abgesehen hatte, sondern dass die Statuten des Mitarbeiterbeteiligungsprogramms ein Einziehungsrecht vorsehen.

4.) Der Bejahung eines unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen den streitgegenständlichen Ansprüchen und dem Arbeitsverhältnis zwischen Herrn Dr. V und der Beklagten widerspricht nicht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der über die Rückabtretung eines im Rahmen eines Mitarbeiterbeteiligungsprogramms übertragenen Geschäftsanteils entschieden hat, ohne die Frage des Rechtswegs überhaupt zu thematisieren (BGH, Urteil vom 19. September 2005 - II ZR 342/03 -, BGHZ 164, 107-116). Denn gemäß § 17a Abs. 5 GVG war die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs durch den Bundesgerichtshof nicht mehr zu prüfen.

5.) Der vorliegende Fall unterscheidet sich auch maßgeblich von der seitens der Beklagten angeführten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, bei der es um die Zahlung einer Abfindung für Gesellschaftsanteile nach Austritt aus einer Kommanditgesellschaft sowie restliche Einlagen für den Kommanditanteil ging und in dem es den unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen einem Gesellschaftsvertrag und einem Arbeitsverhältnis verneint hat (BAG, Beschluss vom 16. April 2014 - 10 AZB 12/14 -, Rn 14, juris). Denn in diesem Fall war der Gesellschaftsvertrag lediglich durch den Arbeitsvertrag vermittelt worden. Im Gesellschaftsvertrag war das Arbeitsverhältnis nicht erwähnt worden. Zwar war der Gesellschaftsvertrag auch in dem vom Bundesarbeitsgericht zu beurteilenden Fall Ausdruck des seinerzeitigen Bestrebens der Parteien gewesen, ihre Zusammenarbeit langfristig anzulegen. Es fehlte jedoch eine unmittelbare Verknüpfung zwischen dem Gesellschaftsanteil und dem Arbeitsverhältnis, wie sie im vorliegenden Fall auf Grund des Mitarbeiterbeteiligungsprogramms besteht.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO.