LAG Köln, Beschluss vom 18.01.2019 - 7 Ta 200/17
Fundstelle
openJur 2019, 27283
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 9 Ca 8851/16

Der Fortbildungsvertrag einer Rehabilitandin im Sinne von §§ 33 ff. SGB IX mit einer gemeinnützigen Einrichtung der beruflichen Rehabilitation, der "eine verbesserte Vermittlungsfähigkeit in Arbeit bzw. die Entscheidung für eine weiterführende Qualifizierungsmaßnahme" zum Ziel hat und dies dadurch zu erreichen versucht, dass "die vorhandenen beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten und die individuelle Situation des/der Teilnehmers/-er erfasst und erweitert" wird, begründet weder ein Berufsausbildungsverhältnis noch ein Umschulungsverhältnis. Für Streitigkeiten aus dem Vertrag ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben.

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Verweisungsbeschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 07.06.2017 nebst Nicht-Abhilfe-Beschluss vom 30.08.2017 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Gründe

I. Die Klägerin begehrt in der Hauptsache die Feststellung, dass "das Fortbildungsverhältnis zwischen den Parteien" nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 22.11.2016 aufgelöst wurde. Im vorliegenden Beschwerdeverfahren streiten die Parteien darüber, ob der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten zulässig ist.

Die am 1963 geborene Klägerin ist ein schwerbehinderter Mensch mit einem GdB von 70. Sie leidet unter multipler Sklerose. Bei der Beklagten handelt es sich um eine gemeinnützige GmbH, die im Bereich der beruflichen Rehabilitation tätig ist.

Für die Zeit vom 01.08.2016 bis 31.01.2017 schlossen die Parteien einen sogenannten Fortbildungsvertrag, auf dessen vollständigen Inhalt (Bl. 5 f. d. A.) Bezug genommen wird. Unter Ziffer 1 "Zweck der Fortbildungsmaßnahme" heißt es:

"Mit der Fortbildungsmaßnahme werden die vorhandenen beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten und die individuelle Ausgangssituation des/der Teilnehmers/in erfasst und erweitert. Zielsetzung ist die verbesserte Vermittlungsfähigkeit in Arbeit bzw. die Entscheidung für eine weiterführende Qualifizierungsmaßnahme."

Die Beklagte erhob für die Teilnahme der Klägerin eine sogenannte Maßnahmegebühr in Höhe von 1.490,31 € monatlich. Als Kostenträger trat die Deutsche Rentenversicherung Bund für die Klägerin auf, die ihr auch ein Übergangsgeld im Sinne von § 45 SGB IX für die Dauer der Maßnahme bewilligte. Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 22.11.2016 den Fortbildungsvertrag fristlos gekündigt hatte, widerrief auch die Deutsche Rentenversicherung Bund mit Bescheid vom 28.11.2016 (Bl. 7 f. d. A.) die von ihre bewilligten Zahlungen.

Gegen die fristlose Kündigung des Fortbildungsvertrages erhob die Klägerin gegen die Beklagte am 13.12.2016 vor dem Arbeitsgericht Köln Klage. Die Beklagte rügte die Rechtswegzuständigkeit des Arbeitsgerichts. Mit Beschluss vom 07.06.2017 erklärte das Arbeitsgericht Köln den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig und verwies den Rechtsstreit an das Amtsgericht Köln.

Gegen den am 23.06.2017 zugestellten Verweisungsbeschluss legte die Klägerin am 27.06.2017 sofortige Beschwerde ein, welcher das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 30.08.2017 die Abhilfe versagte.

Die Klägerin ist der Meinung, das Arbeitsgericht sei für den Rechtsstreit gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 b) ArbGG zuständig. Sie, die Klägerin, gelte gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 ArbGG als Arbeitnehmerin, weil sie eine "zu ihrer Berufsbildung Beschäftigte" sei. Die Klägerin beruft sich für ihre Rechtsauffassung auf Beschlüsse des LAG Hessen vom 03.12.2010, 8 Ta 217/10 und des LAG Bremen vom 09.08.1996, 2 Ta 15/96 sowie die Kommentierung von § 5 ArbGG bei Henssler/Willemsen/Kalb.

Hilfsweise hat die Klägerin die Verweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht Köln beantragt.

II. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Verweisungsbeschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 07.06.2017 ist zulässig, aber unbegründet. Eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für den vorliegenden Rechtsstreit besteht nicht. Insbesondere folgt diese Zuständigkeit nicht aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 b) ArbGG; denn die Parteien streiten im vorliegenden Rechtsstreit nicht über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses, sondern über die Kündigung eines sogenannten Fortbildungsvertrages, welcher kein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien begründet hat.

Dass es sich bei der Klägerin in ihrer Eigenschaft als Vertragspartnerin des Fortbildungsvertrages mit der Beklagten nicht um eine Arbeitnehmerin im Sinne von § 611 a Abs. 1 BGB handelt, ist zwischen den Parteien ausdrücklich unstreitig geworden, so dass sich hierzu weitere Erläuterungen erübrigen.

Bei der Klägerin handelt es sich aber auch nicht etwa um eine "zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte" im Sinne von § 5 Abs. 1 S. 1 ArbGG bzw. um eine arbeitnehmerähnliche Person im Sinne von § 5 Abs. 1 S. 2 ArbGG.

Unter Berufsausbildung versteht man nach § 1 Abs. 3 BBiG ein Vertragsverhältnis, welches die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit in einer sich wandelnden Arbeitswelt notwendigen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten (berufliche Handlungsfähigkeit) in einem geordneten Ausbildungsgang vermittelt und dem Auszubildenden dabei ermöglicht, auch erforderliche Berufserfahrungen zu erwerben. Der Fortbildungsvertrag der Klägerin mit der Beklagten begründet kein Berufsausbildungsverhältnis in diesem Sinne. Es ging in der sechsmonatigen Fortbildungsmaßnahme nicht darum, der Klägerin einen qualifizierenden Berufsabschluss in einem "geordneten Ausbildungsgang" zu vermitteln. Dies wird schon sinnfällig dadurch verdeutlicht, dass als Ziel der Fortbildungsmaßnahme kein berufsqualifizierendes Zertifikat zu erwerben war, sondern lediglich eine Teilnahmebescheinigung.

Bei der Klägerin handelte es sich aber auch nicht um eine "Umschülerin" im Sinne von § 1 Abs. 5 BBiG. Auch eine Umschulung im Sinne dieser Norm dient dem Erwerb der Befähigung für eine bestimmte berufliche Tätigkeit und kann daher im weiteren Sinne als Unterfall der Berufsausbildung im Sinne von § 1 Abs. 3 BBiG angesehen werden. Auch eine Umschulung im Sinne des Erwerbs einer beruflichen Qualifikation in einem anderen Berufsbild als dem, in welchem die Klägerin früher tätig gewesen war, war nicht Sinn und Ziel des Fortbildungsvertrages der Parteien.

Schon aus diesem Grund kann sich die Klägerin im Rahmen ihrer Rechtswegbeschwerde auch nicht auf die Entscheidungen des Hessischen LAG vom 03.12.2010 in Sachen 8 Ta 217/10 und auf die Entscheidung des LAG Bremen vom 09.08.1996, 2 Ta 15/96 berufen.

In beiden Fällen ging es nämlich um Umschulungsverhältnisse. Die von der Klägerin zitierte Entscheidung des LAG Bremen wurde nachfolgend durch die Entscheidung des BAG vom 21.05.1997 in Sachen 5 AZB 30/96 bestätigt. In dieser Entscheidung hat das BAG zwar ausgeführt, dass der Arbeitnehmerbegriff nach § 5 Abs. 1 ArbGG weiter auszulegen ist als der betriebsverfassungsrechtliche Arbeitnehmerbegriff. Es hat aber maßgeblich darauf abgestellt, dass die Situation des dortigen Klägers der von Auszubildenden und Umschülern in Betrieben der Wirtschaft und vergleichbaren Einrichtungen ähnelte. Die Entscheidung ist daher auf den Fortbildungsvertrag der Parteien im vorliegenden Fall nicht übertragbar. Bei der Klägerin handelte es sich weder um eine Auszubildende im Sinne eines Berufsausbildungsverhältnisses noch um eine Umschülerin, der die Qualifikation für ein neues Berufsbild vermittelt werden sollte. Im Vordergrund der Fortbildungsmaßnahme stand vielmehr zunächst, die vorhandenen beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten, aber auch die individuelle Ausgangssituation der Klägerin zu erfassen, wobei die individuelle Ausgangssituation, die in § 1 Abs. 1 des Fortbildungsvertrages angesprochen wird, gerade auch durch die persönlichen Verhältnisse einer schwerbehinderten Rehabilitandin im Sinne von §§ 33 ff. SGB IX geprägt sind. Ferner ging es um die Verbesserung der Vermittlungsfähigkeit, was z. B. dazu geführt hat, dass Gegenstand der Betätigung der Klägerin im Rahmen der Fortbildung bei der Beklagten auch das Abfassen von Bewerbungsschreiben war. Die Klägerin war gegenüber der Beklagten aufgrund des Fortbildungsvertrages nicht verpflichtet, "Dienste" zu leisten oder Arbeitsleistungen zu erbringen. Erst recht war sie in keinen "Betrieb" eingegliedert.

Auch die Entscheidung des Hessischen LAG vom 03.12.2010, auf die sich die Klägerin beruft, ist für den vorliegenden Fall nicht einschlägig. Dies gilt schon deshalb, weil es sich bei der dortigen Klägerin um eine Strafgefangene handelte und es auch dort um eine Umschulung ging. Unabhängig davon kann die Entscheidung des Hessischen LAG vom 03.12.2010 auch nicht mehr als aktuell angesehen werden (vgl. KG vom 29.06.2015, NZA-RR 2015, 602; Erfurter Kommentar/Koch, § 5 ArbGG, Rn. 3).

Der im vorliegenden Verfahren betroffene Fortbildungsvertrag einer Rehabilitandin im Sinne von §§ 33 SGB IX begründete somit weder ein Berufsausbildungsverhältnis noch ein Umschulungsverhältnis und war in seiner schwerpunktmäßigen Zweckbestimmung so weit von einem herkömmlichen Arbeitsverhältnis in seiner Definition nach § 611 a BGB entfernt, dass die Klägerin auch nicht als arbeitnehmerähnliche Person angesehen werden kann. Für Rechtsstreitigkeiten zwischen der Rehabilitandin und dem Fortbildungsträger aus dem Fortbildungsvertrag ist somit die ordentliche Gerichtsbarkeit zuständig (vgl. jetzt auch Bayrisches LSG vom 22.02.2017, L 6 R 560/15, juris Rn. 22).

Die im Beschwerdeverfahren unterlegene Klägerin hat die entsprechenden Kosten der Rechtsmittelinstanz zu tragen. Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht ersichtlich.