OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 07.10.2010 - 1 L 2/10
Fundstelle
openJur 2019, 39470
  • Rkr:

1. Mit dem über mehrere Jahre beständig nicht ausgeglichenen Beitragskonto bei der Sozialkasse der Bauwirtschaft (SOKA) hat der Gewerbetreibende die Erfüllung einer ihm als Arbeitgeber obliegenden gesetzlichen Zahlungspflicht verhindert, Leistungsansprüche seiner Arbeitnehmer beeinträchtigt, die Funktionsfähigkeit des Sozialkassenverfahrens gefährdet und sich einen rechtswidrigen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen ihre Beitragspflichten erfüllenden Arbeitgeber des Baugewerbes verschafft.

2. Für die Beurteilung des klägerischen Verhaltens im Rahmen der anzustellenden Prognose über die gewerberechtliche (Un)Zuverlässigkeit kommt es nicht entscheidend auf die (privatrechtliche) Begründung des bei der der IKK bestehenden Forderungsrückstandes, sondern auf die der Forderung zugrunde liegenden bzw. sie begründenden Umstände - hier auf die Nichterfüllung sozialversicherungsrechtlicher Beitragpflichten an.

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich gegen die durch den Rechtsvorgänger des Beklagten ausgesprochene Gewerbeuntersagung.

Der am (...) geborene Kläger meldete am 1. September 1988 beim früheren Rat des Kreises A-Stadt das Gewerbe "Maurer und Fliesenleger" an (Beiakte E, Bl. 103). Seit dem 1. Januar 1996 übte er zusätzlich das Gewerbe "Vermietung und Verpachtung" aus (Beiakte E, Bl. 104). Am 1. Januar 1997 erweiterte er sein Gewerbe auf die Tätigkeit "Fliesen-, Platten- und Mosaikleger, Maurer" (Beiakte E, Bl. 106). Die Betriebsstätte war insoweit jeweils in B-Stadt. Am 26. Oktober 1998 meldete der Kläger eine weitere Betriebsstätte in D-Stadt für die ab 1. Juli 1998 aufgenommene Tätigkeit "Fliesen-, Platten- und Mosaikleger, Maurer und Büro: Auftragsannahme und Lager" bei der Gemeinde D-Stadt an (Beiakte B, Bl. 1).

Mit Schreiben vom 19. April 2000 teilte die F-Krankenkasse dem seinerzeitigen Landkreis A-Stadt-Q mit, dass der Kläger wegen Beschäftigung sozialversicherungspflichtiger Arbeitnehmer Beitragsrückstände aus der Gesamtsozialversicherung einschließlich Säumniszuschlägen und Gebühren aus der Zeit vom 1. September 1991 bis 30. September 1991, vom 1. Mai 1992 bis 31. Mai 1992, vom 1. August 1992 bis 31. August 1992 und vom 1. Oktober 1992 bis 31. Mai 1993 in Höhe von 14.638,99 DM habe; in diesem Betrag seien ca. 50 vom Hundert einbehaltene, aber nicht abgeführte Arbeitnehmeranteile enthalten. Mit Beschluss vom 16. August 1994 habe das Amtsgericht Halle-Saalkreis ein von ihr beantragtes Insolvenzverfahren gegen den Kläger mangels Masse abgelehnt (Az.: 27 N 323/93). Es werde deshalb die Einleitung eines Gewerbeuntersagungsverfahrens gegen den Kläger beantragt (Beiakte B, Bl. 2). Ein weiteres von der F-KRANKENKASSE beantragtes Insolvenzverfahren hatte das Amtsgericht Halle-Saalkreis mit Beschluss vom 22. Februar 2000 als unbegründet zurückgewiesen (Az.: 59 IN 30/00) (Beiakte B, Bl. 22).

Auf Nachfrage des Landkreises A-Stadt-Q teilte die I-Berufsgenossenschaft G-Stadt mit Schreiben vom 11. Mai 2000 mit, dass der Kläger rückständige Beiträge, Beitragsvorschüsse und Säumniszuschläge in Höhe von 24.914,31 DM schulde und seit Jahren seinen Zahlungsverpflichtungen nur zögernd nachkomme (Beiakte B, Bl. 8). Die H-Krankenkasse teilte unter dem 16. Mai 2000 mit, dass bei ihr Beitragsrückstände in Höhe von 11.171,50 DM beständen (Beiakte B, Bl. 11).

Daraufhin informierte der Landkreis A-Stadt-Q den Kläger mit Schreiben vom 18. Mai 2000 unter Bezugnahme auf die ihm zur Kenntnis gebrachten Abgaberückstände darüber, dass beabsichtigt sei, ihm gegenüber eine Gewerbeuntersagung auf der Grundlage von § 35 Abs. 1 Satz 1 und 2 GewO zu verfügen und ihm hiermit Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werde (Beiakte B, Bl. 12 ff.).

Mit Schreiben vom 5. Juli 2000 teilte die H-Krankenkasse mit, dass sich der Beitragsrückstand des Klägers auf 5.065,64 DM reduziert habe (Beiakte B, Bl. 34). Nachdem sich Zweifel an der Identität des Beitragsschuldners ergeben hatten, bezifferte die F-Krankenkasse NL C-Stadt anlässlich eines Telefonats mit dem Landkreis A-Stadt-Q vom 19. Juli 2000 die Rückstände des Klägers auf ca. 11.000,00 DM (Beiakte B, Bl. 37). Das Finanzamt A-Stadt teilte dem Landkreis A-Stadt-Q mit Schreiben vom 21. Juli 2000 mit, dass der Kläger Abgabenrückstände einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von 44.181,32 DM (41.139,32 DM + 2.742,00 DM) habe (Beiakte B, Bl. 39 ff.). Mit Schreiben vom 14. August 2000 äußerte sich die Handwerkskammer C-Stadt ablehnend zu der beabsichtigten Gewerbeuntersagung, wies aber zugleich darauf hin, dass der Kläger seine Beiträge in Höhe von 2.077,82 DM (incl. 80,00 DM Mahngebühren von 1995, 2000) nicht beglichen habe (Beiakte B, Bl. 42). Auch die IHK C-Stadt-D sprach sich mit Schreiben vom 14. Juni 2000 gegen eine Gewerbeuntersagung aus und gab an, der Kläger habe seinen Mitgliedsbeitrag für das Jahr 1998 noch nicht entrichtet (Beiakte B, Bl. 27).

Mit Schreiben vom 30. August 2000 teilte die F-Krankenkasse mit, dass der Kläger zurzeit keine vollstreckbaren Rückstände habe (Beiakte B, Bl. 43). Die Rückstände bei der I-Berufsgenossenschaft erhöhten sich bis zum 10. November 2000 demgegenüber auf 31.662,72 DM (Beiakte B, Bl. 46). Die beim Finanzamt A-Stadt bestehenden Rückstände reduzierte der Kläger zum 28. Dezember 2000 auf 5.783,10 DM (5.623,10 DM zuzüglich Säumniszuschlag 160,00 DM; Beiakte B, Bl. 51 ff.). Der Rückstand bei der H-Krankenkasse stieg zum Jahresende 2000 auf 9.098,93 DM an (Beiakte B, Bl. 54).

Mit Schreiben vom 23. Februar 2001 wies die Zusatzversorgungskasse des J-Gewerbes (nachfolgend: J-Gewerbe) darauf hin, dass sie ausweislich des für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im J-Gewerbe (VTV) berechtigt sei, von den j-gewerblichen Arbeitgebern für alle vom Tarifvertrag erfassten Arbeitnehmer den Sozialkassenbeitrag zu verlangen. Der Kläger komme seiner sich hieraus ergebenden tarifvertraglichen Verpflichtung allerdings nicht nach, so dass im Dezember 2000 ein Rückstand von 48.719,38 DM bestanden habe. Vollstreckungsmaßnahmen seien insoweit erfolglos geblieben. Aufgrund ihrer Einzugstätigkeit für die Bundesanstalt für Arbeit sei hier zudem bekannt, dass auch die Wintergeldumlage nicht abgeführt werde (Beiakte B, Bl. 56 ff.).

Mit Schreiben vom 4. April 2001 teilte die I-Berufsgenossenschaft mit, dass der Rückstand von Zahlungsverpflichtungen gegenüber der gesetzlichen Unfallversicherung nunmehr 31.769,12 DM betrage, wobei ein Betrag von 6.156,67 DM auf Säumniszuschläge und Kosten entfalle (Beiakte B, Bl. 61). Laut Schreiben des Finanzamtes A-Stadt vom 8. Juni 2001 bestanden Abgaberückstände des Klägers einschließlich Säumniszuschläge in Höhe von 15.280,64 DM (Beiakte B, Bl. 65 ff.). Bei der H-Krankenkasse war ihrem Schreiben vom 21. Juni 2006 zufolge lediglich der Beitrag für Mai 2001, fällig am 15. Juni 2001, in Höhe von 1.316,35 DM offen (Beiakte B, Bl. 69). Bei der I-Berufsgenossenschaft betrug der Rückstand ausweislich ihres Schreibens vom 16. Juli 2001 insgesamt 26.016,16 DM (Beiakte B, Bl. 79). Der Rückstand bei der J-Gewerbe belief sich per Dezember 2000 auf 50.830,57 DM (Schreiben vom 19.07.2001, Beiakte B, Bl. 80: Abweichung z. Schreiben v. 23.02.2001 beruhte auf Berücksichtigung v. Verzugszinsen v. 01.01.-30.06.2001). Die Handwerkskammer C-Stadt teilte mit Schreiben vom 30. August 2001 mit, dass der Handwerkskammerbeitrag für das Jahr 2001 in Höhe von 350,00 DM noch nicht bezahlt worden sei und die Gewerbeuntersagung nunmehr befürwortet werde (Beiakte B, Bl. 81).

Mit Beschluss vom 24. September 2001 lehnte das Amtsgericht Halle-Saalkreis die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels Masse ab (Az.: 59 IN 536/01). Zur Begründung führte es aus, der Kläger sei zahlungsunfähig, weil er Verbindlichkeiten in Höhe von 464.356,21 DM habe, die aus liquiden Mitteln (Kasse, Kontobestände, Schecks), freien Kreditlinien, erwarteten Zahlungseingängen und Veräußerung von Umlaufvermögen nicht gedeckt werden könnten (Beiakte B, Bl. 86).

Mit Bescheid vom 6. Dezember 2001 untersagte der Landkreis A-Stadt-Q dem Kläger die Ausübung seines Gewerbes "Fliesen-, Platten- und Mosaikleger, Maurer, Vermietung und Verpachtung" in B-Stadt und D-Stadt sowie jede andere selbständige Betätigung im Bereich des stehenden Gewerbes mit Wirkung zum 31. Dezember 2001. Zur Begründung führte er aus, der Kläger habe Rückstände an Steuern und Beiträgen in Höhe von 93.443,72 DM (= 47.777,02 Euro), die nur durch ein konkretes und sinnvolles Sanierungskonzept getilgt werden könnten. Durch das Nichtabführen von gesetzlichen Beiträgen an die Berufsgenossenschaft und Zusatzversorgungskasse werde der Versichertengemeinschaft ein nicht unerheblicher Vermögensschaden zugefügt. Auch die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung stelle ein Indiz für die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit dar. Aufgrund des Verhaltens des Klägers müsse angenommen werden, dass dieser auch künftig sein Gewerbe nicht ordnungsgemäß im Zusammenhang mit seiner Beitragspflicht ausführen werde (Beiakte B, Bl. 88 ff.).

Mit Schreiben vom 20. Dezember 2001 erhob der Kläger Widerspruch, zu dessen Begründung er u. a. auf eine mit der I-Berufsgenossenschaft getroffene Ratenzahlungsvereinbarung vom November 2001 verwiesen hat (Beiakte B, Bl. 94 ff.).

Mit Schreiben vom 14. Mai 2002 teilte das Finanzamt A-Stadt mit, dass Abgabenrückstände in Höhe von 7.730,71 Euro beständen (Beiakte B, Bl. 118 ff.). Die I-Berufsgenossenschaft verwies im Schreiben vom 13. Mai 2002 auf die geschlossene Ratenzahlungsvereinbarung, wodurch sich die Rückstände auf 12.025,77 Euro reduziert hätten (Beiakte B, Bl. 122). Auch die H-Krankenkasse wies mit Schreiben vom 21. Mai 2002 auf die getroffene Zahlungsabsprache hinsichtlich der bestehenden Beitragsrückstände von 1.199,86 Euro hin (Beiakte B, Bl. 123). Demgegenüber belief sich der Rückstand bei der J-Gewerbe ausweislich des Schreibens vom 23. Mai 2002 auf 23.529,32 Euro (Beiakte B, Bl. 125). Hier kam es zu keiner einvernehmlichen Lösung. Die J-Gewerbe verwies insoweit darauf, dass ausweislich des Tarifvertrages eine Ratenzahlungsvereinbarung nicht vorgesehen sei.

Erstmals mit Schreiben vom 10. Juli 2002 wies die H-Krankenkasse darauf hin, dass der Kläger für die B. GmbH ein notariell beglaubigtes Schuldanerkenntnis in Höhe von 12.271,00 Euro abgegeben habe, für das ein Vollstreckungsaufschub gewährt worden sei. Hinsichtlich der laufenden Beiträge lägen keine Rückstände vor (Beiakte B, Bl. 127).

Mit Schreiben vom 4. Juni 2007 teilte die I-Berufsgenossenschaft mit, dass der Kläger mit Zahlung vom 21. April 2007 zwar sein Konto zum damaligen Zeitpunkt ausgeglichen habe, seit 15. Mai 2007 aber ein Betrag in Höhe von 5.721,40 Euro erneut fällig geworden sei, der sich aus dem Restbeitrag 2006, den Säumniszuschlägen 2006 und einem Vorschussteilbetrag für 2007 zusammensetze und für den weder eine Zahlung erfolgt noch eine Ratenzahlung beantragt worden sei (Beiakte E, Bl. 88). In Bezug auf die F-Krankenkasse wurden für den Zeitraum 2000 bis November 2006 keine weiteren Rückstände bekannt. Mit Schreiben vom 26. März 2007 teilte die F-Krankenkasse mit, dass der Kläger aus der Zeit vom 1. Dezember 2006 bis 28. Februar 2007 Rückstände einschließlich Säumniszuschläge und Gebühren in Höhe von 3.473,35 Euro habe (Beiakte E, Bl. 55). Ein wegen Nichteinhaltung einer mündlichen Ratenzahlungsvereinbarung von der F-Krankenkasse am 14. März 2007 gestellter Insolvenzantrag wurde nach Zahlung des Gesamtbetrages durch den Kläger am 29. März 2007 für erledigt erklärt (Beiakte E, Bl. 53, 54, 91). Die beim Finanzamt A-Stadt aufgelaufenen Rückstände baute der Kläger nach Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung komplett ab, so dass das Finanzamt A-Stadt mit Schreiben vom 5. Mai 2004 bestätigte, dass gegen den Kläger keine vollstreckbaren Forderungen mehr beständen (Beiakte D, Bl. 118). In der Folgezeit entstehende Rückstände wurden laut Schreiben des Finanzamtes A-Stadt vom 2. Februar 2005 nach Mahnungen und Vollstreckungsankündigungen abgebaut (Beiakte D, Bl. 130). Mit der H-Krankenkasse schloss der Kläger eine Zahlungsvereinbarung über den nach dem Schuldanerkenntnis geschuldeten Betrag, den er in der Folgezeit kontinuierlich reduzierte. Seit 17. Oktober 2005 wurden auf die Restforderung in Höhe von 5.271,00 Euro zuzüglich Zinsen ab 1. Mai 1999 indes keine weiteren Zahlungen mehr geleistet. In Bezug auf das eigene Beitragskonto entstanden jeweils Beitragsrückstände von 3 und 2 Monaten (vgl. Schrb. der H-Krankenkasse v. 08.03.2007 und 12.06.2007, Beiakte E, Bl. 3, 92). Bei der J-Gewerbe blieben die Rückstände weitgehend konstant und beliefen sich auch im März 2007 auf 22.430,56 Euro zuzüglich des fällig gewordenen, aber nur noch nicht gemeldeten und bezahlten Beitrags für Januar 2007 (vgl. Schrb. der J-Gewerbe v. 27.03.2007, Beiakte E, Bl. 60). Am 18. Juni 2007 hatte der Kläger den Jahresbeitrag bei der Handwerkskammer in Höhe von 175,00 Euro noch nicht gezahlt (Beiakte E, Bl. 93 ff.). Mit Schreiben vom 12. Juni 2007 bezifferte die H-Krankenkasse den Rückstand aus dem Schuldanerkenntnis zzgl. Zinsen auf insgesamt 5.419,79 Euro sowie auf dem eigenen Beitragskonto des Klägers auf 3.318,55 Euro (fälliger Beitrag für April bis Mai 2007, zzgl. Säumniszuschläge und Mahngebühren, Beiakte E, Bl. 92). Ebenso hatte der Kläger ausweislich der Mitteilung der F-Krankenkasse vom 5. Juni 2007 deren Beiträge vom 1. April bis zum 31. Mai 2007 noch nicht gezahlt, so dass eine offene Forderung in Höhe von 2.982,63 Euro bestand (Beiakte E, Bl. 91). Das Finanzamt A-Stadt teilte am 5. Juni 2007 mit, dass zu Lasten des Klägers Steuerrückstände in Höhe von 2.128,74 Euro (Fälligkeit 10. Mai 2007) beständen (Beiakte E, Bl. 89 ff.). Bei der I-Berufsgenossenschaft bestand am 4. Juni 2007 ein Rückstand in Höhe von 5.721,40 Euro, fällig am 15. Mai 2007 (Beiakte E, Bl. 88). Bei der J-Gewerbe belief sich der Rückstand per Mai 2007 auf 24.460,47 Euro (vgl. Schrb. v. 20.06.2007, Beiakte E, Bl. 96).

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Juli 2007 wies das Landesverwaltungsamt den Widerspruch des Klägers zurück (Beiakte E, Bl. 107 ff.). Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, die Rückstände des Klägers würden sich einschließlich Säumniszuschlägen und Gebühren auf 44.216,58 Euro belaufen (Beiakte E, Bl. 121). Die Beitragsschulden der Krankenversicherung würden regelmäßig anwachsen, da der Kläger die Beiträge nicht fristgerecht abführe. Die damit verbundene Zurückhaltung der treuhänderisch anvertrauten Arbeitnehmeranteile zeige einen Mangel an sozialem Verantwortungsbewusstsein hinsichtlich der Pflichten eines Arbeitgebers. Aufgrund der fehlenden Mitwirkung des Klägers beim Abbau der Schulden nach Einleitung des Verfahrens könne nicht angenommen werden, dass er sein bisheriges Verhalten geändert habe und ernsthaft an einer Schuldenregulierung arbeite. Auch die beharrliche Weigerung, Zahlungen an die J-Gewerbe zu leisten, lasse ein ernstliches Interesse an einem Schuldenabbau nicht erkennen. Auch seinen Beitragsverpflichtungen an die I-Berufsgenossenschaft komme er nicht pünktlich und regelmäßig nach, so dass auch dort immer wieder Rückstände entstünden. Die Nichtabführung von gewerbebezogenen Steuern stelle ein gravierendes Fehlverhalten dar. Die Rückstände beim Finanzamt beliefen sich am 5. Juni 2007 auf 2.128,74 Euro. Es handele sich um eine nicht unerhebliche Summe. Gerade für die Verhältnisse des Betriebes des Klägers sei der Rückstand beträchtlich. Auch den Beitrag zur Handwerkskammer habe er nicht pünktlich gezahlt. Die Unzuverlässigkeit liege auch im Zeitpunkt der Entscheidung noch vor. Der Kläger habe keine Entschuldungsvereinbarung mit der I-Berufsgenossenschaft, dem Finanzamt A-Stadt, der F-Krankenkasse, der H-Krankenkasse, HWK sowie der J-Gewerbe abgeschlossen und vorgelegt, noch seien regelmäßige Zahlungen auf die Rückstände erfolgt. Er habe lediglich sporadisch und nur wenn Sanktionen drohten, gezahlt. Dementsprechend habe der Kläger die Rückstände von einem Stand Anfang 2001 in Höhe von insgesamt 49.770,14 Euro auf einen Stand im Juni 2007 in Höhe von 44.003,29 Euro auch nur geringfügig reduziert. Werde - wie hier - die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden festgestellt, sei die Behörde verpflichtet, die Gewerbeausübung zu untersagen. Die Ausdehnung der Untersagung auf jede anderweitige selbständige Betätigung im Bereich des stehenden Gewerbes sei gerechtfertigt, weil die die Unzuverlässigkeit begründenden Unregelmäßigkeiten bei der Abführung von Steuern und bei der Erfüllung von Beitragspflichten gegenüber Sozialversicherungsträgern, Berufsgenossenschaften und Zusatzversorgungskassen auch in anderen Gewerbearten bzw. Tätigkeiten relevant seien.

Am 17. August 2007 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Halle Klage erhoben, zu deren Begründung er im Wesentlichen vorgetragen hat:

Er habe während des Widerspruchsverfahrens seine Zahlungsverpflichtungen laufend erfüllt. Im Widerspruchsbescheid seien Forderungen berücksichtigt worden, ohne zu hinterfragen, ob diese überhaupt fällig gewesen seien. Zu Unrecht sei von Rückständen ausgegangen worden. Vielmehr sei er seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber der I-Berufsgenossenschaft vollständig nachgekommen. Allerdings sei es durch die Neueinstellung von zwei Arbeitnehmern zu weiteren Zahlungspflichten gekommen, die kurzzeitig zu einem Rückstand geführt hätten. Auch beim Finanzamt seien keinerlei Steuerrückstände vorhanden. Vielmehr habe er im Jahr 2007 Steuererstattungen erhalten. Bei der F-Krankenkasse und der H-Krankenkasse bestünden keine Rückstände aus laufenden Zahlungsverpflichtungen. Die H-Krankenkasse habe lediglich eine Forderung, die aus einem Schuldanerkenntnis resultiere. Auch der Jahresbeitrag der Handwerkskammer sei längst entrichtet. Der Forderungsbetrag der J-Gewerbe sei deutlich reduziert worden. Er habe die laufenden Verpflichtungen auch fortlaufend erfüllt. Es seien seit nunmehr sieben Jahren keine neuen Schulden hinzugekommen, da gegenüber allen Sozialleistungsträgern und dem Finanzamt die laufenden Zahlungen im Wesentlichen pünktlich und vollständig erbracht worden seien. Aber auch bei den Altschulden sei eine schrittweise Reduzierung erfolgt. Er arbeite nach einem Sanierungskonzept und habe damit auch die privaten Verbindlichkeiten deutlich reduziert.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des (Rechtsvorgängers des) Beklagten vom 6. Dezember 2001 und den Widerspruchsbescheid des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt vom 19. Juli 2007 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die angefochtenen Bescheide verteidigt und ergänzend ausgeführt, bereits die Rückstände bei der J-Gewerbe belegten die Unzuverlässigkeit des Klägers. Zudem seien dem Kläger auch die Rückstände seiner ehemaligen GmbH und die Insolvenz dieses Unternehmens zuzurechnen.

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 14. August 2009 den Bescheid (des Rechtsvorgängers) des Beklagten vom 4. Dezember 2001 und den Widerspruchsbescheid des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt vom 19. Juli 2007 aufgehoben. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, im maßgeblichen Zeitpunkt (Erlass des Widerspruchsbescheides am 19. Juli 2007) sei der Kläger als zuverlässig anzusehen gewesen. Im Verlaufe des Widerspruchsverfahrens seien bestehende Rückstände in Höhe von 47.777,02 Euro bei gesetzlichen Versicherungen, dem Finanzamt und der Zusatzversorgungskasse auf einen Betrag von 14.199,47 Euro ohne Säumniszuschläge und Gebühren, die nicht zu berücksichtigen seien, zurückgeführt worden. Der Kläger habe ein sinnvolles und erfolgversprechendes Sanierungskonzept nachgewiesen, durch das in überschaubarer Zeit seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit habe wieder hergestellt werden können. Die "Altschulden" aus dem Schuldanerkenntnis gegenüber der H-Krankenkasse seien nicht als Rückstände aus der gesetzlichen Versicherung, sondern lediglich als privatrechtliche Forderung anzusehen; auch diese Schulden habe der Kläger nach Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung kontinuierlich reduziert. Auch die Rückstände bei der J-Gewerbe beruhten nicht auf öffentlicher, sondern privatrechtlicher, d. h. tarifvertraglicher Zahlungspflicht und könnten deshalb Verbindlichkeiten gegenüber gesetzlichen Kranken- bzw. Unfallversicherungen nicht gleichgestellt werden. Die Rückstände bei der J-Gewerbe wie auch das zugunsten der H-Krankenkasse abgegebene Schuldanerkenntnis seien nur berücksichtigungsfähig, soweit die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Gewerbetreibenden in Frage stehe, was vorliegend indes nicht (mehr) der Fall sei. Soweit der Kläger bei Erlass des Widerspruchsbescheides geringfügige Rückstände bei einzelnen Versicherungsträgern aus aktuell neu entstandenen Beitragsforderungen gehabt habe, würden derartige "Zufallsfunde" und der Umstand, dass der Kläger neu entstehende Beiträge und Steuern zwar nicht immer bei Fälligkeit, aber doch zeitnah beglichen habe, die Annahme der Unzuverlässigkeit nicht rechtfertigen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die mit Beschluss des Senates vom 28. Januar 2010 zugelassene Berufung des Beklagten.

Er trägt zur Begründung seiner Berufung im Wesentlichen vor: Das Verwaltungsgericht habe beim Vergleich der Rückstände im Zeitpunkt des Ausgangsbescheides und des Widerspruchsbescheides zu Unrecht die Rückstände bei der J-Gewerbe sowie Säumniszuschläge und Gebühren und die Rückstände aus dem notariellen Schuldanerkenntnis der vormaligen B. GmbH nicht berücksichtigt. Säumniszuschläge und Gebühren seien Bestandteil der Abgaben- und Beitragsrückstände. Das Schuldanerkenntnis betreffe Sozialversicherungsbeiträge für die Arbeitnehmer der GmbH, für deren Abführung der Kläger als Geschäftsführer und Alleingesellschafter der GmbH - auch strafrechtlich gem. § 266 a StGB - verantwortlich gewesen sei. Es handele sich um eine gewerbebezogene Pflichtverletzung, so dass das Verhalten des Gewerbetreibenden zur Beurteilung der (Un)Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden herangezogen werden könne. In den Blick zu nehmen sei das Verhalten des Gewerbetreibenden bezüglich der Beitragsrückstände der früheren GmbH und nicht nur die Frage, ob diese Verbindlichkeit die finanzielle Leistungsunfähigkeit des Gewerbetreibenden (mit) begründe. Hinsichtlich der Rückstände bei der J-Gewerbe verkenne das Verwaltungsgericht, dass durch die Allgemeinverbindlichkeitserklärung der dem Privatrecht zugehörige Tarifvertrag durch das Öffentliche Recht überwölbt und im öffentlichen Interesse eine verpflichtende Solidargemeinschaft der Unternehmen geschaffen werde. Mit der Leistungspflicht der Arbeitgeber, der (Erstattungs-)Ansprüche u. a. der Betriebe gegenüber ständen, würden im Interesse der Arbeitnehmer soziale Ausgleichsansprüche gesichert. Dieser mit der Allgemeinverbindlichkeitserklärung für alle Gewerbetreibenden verbindlichen Leistungspflicht werde der Boden entzogen, wenn einzelne Arbeitgeber ihren Beitrag schuldig blieben; der Gewerbetreibende, der seinen Beitrag der Solidargemeinschaft vorenthalte, verschaffe sich einen Wettbewerbsvorteil zulasten der rechtstreu handelnden Unternehmer. Diesen Vorteil habe der Kläger über Jahre hinweg genutzt. Mit der Nichtabführung der Urlaubskassenbeiträge sei dem Kläger objektiv eine Ordnungswidrigkeit nach § 5 AEntG a. F./§ 23 AEntG n. F. anzulasten. Es sei auch von einer fehlenden allgemeinen Leistungsfähigkeit des Klägers im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides auszugehen. So seien die laut Auskunft des Amtsgerichtes Merseburg vom 14. März 2007 (Beiakte E, Bl. 14) bestehenden Eintragungen des Klägers im Vollstreckungsregister II über nicht abgeschlossene Vollstreckungsersuchen von Gläubigern ebenso zu berücksichtigen wie die Tatsache, dass das Amtsgericht Halle-Saalkreis mit Beschluss vom 24. September 2001 (Az.: 59 IN 536/01) den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt habe. Am 24. Juli 2000 habe der Kläger vor dem Gerichtsvollzieher S. die eidesstattliche Versicherung nach § 807 ZPO abgegeben (Az.: DR II 757/00). Laut Mitteilung des Amtsgerichtes Merseburg vom 3. Mai 2000 seien gegen den Kläger zuvor 22 Haftbefehle zur Erzwingung der eidesstattlichen Versicherung ergangen. Im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides bestehende Rückstände beim Finanzamt und bei Trägern der Sozialversicherung könnten auch nicht als "Zufallsbefund" bewertet werden. Die Rückstände des Klägers hätten im Verlauf des Verwaltungsverfahrens nicht kontinuierlich abgenommen. Selbst unter dem Druck des Untersagungsverfahrens habe der Kläger sein schleppendes Zahlungsverhalten beibehalten. Im Übrigen sei zulasten des Klägers auch die Entwicklung der Rückstände nach Erlass des Widerspruchsbescheides zu berücksichtigen, die sich im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gegenüber dem Stand des Ausgangsbescheides merklich erhöht hätten.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Halle - 1. Kammer - vom 14. August 2009 die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung führt der Kläger aus: Soweit das Finanzamt A-Stadt mit Kontostand vom 14. April 2010 Abgabenrückstände in Höhe von 21.739,63 Euro ausweise, stände dem eine Umsatzsteuererstattung im I. Quartal 2010 über 17.238,81 Euro gegenüber, die Restforderung werde kurzfristig ausgeglichen. Die F-Krankenkasse habe mit Schreiben vom 4. Mai 2009 bestätigt, dass die Altschulden einschließlich Zinsen komplett beglichen worden seien. Soweit nach der Winterpause Rückstände gegenüber der F-Krankenkasse entstanden seien, würden diese aufgrund von Stundungsanträgen toleriert und zeitnah ausgeglichen. Hinsichtlich des Schuldanerkenntnisses über 12.271,00 Euro gegenüber der H-Krankenkasse habe er bis November 2009 6.481,27 Euro an Zinsen getilgt, so dass die vereinbarte ratenweise Tilgung von insgesamt 8.200,00 Euro per November 2009 zwar zu einer Reduzierung, aber nicht zu einem vollständigen Forderungsabbau geführt habe. Alle Bemühungen seines Prozessbevollmächtigten, mit der J-Gewerbe eine Tilgungsvereinbarung zu schließen, seien gescheitert. Diese weigere sich auch, Erstattungsleistungen mit den Rückständen zu verrechnen und halte deren Auszahlung zurück. Die Verwaltungsbehörde habe aufgrund der Dauer des Widerspruchsverfahrens über sieben Jahre einen Vertrauenstatbestand geschaffen und das Recht zur Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit verwirkt. Bei der Ermessensausübung sei nicht berücksichtigt worden, dass er nicht nur Obermeister der K-Innung bei der Handwerkskammer C-Stadt sei, sondern sich ehrenamtlich im J-Gewerbeverband des Landes Sachsen-Anhalt engagiere und einen nicht unerheblichen Teil seiner Energie und Zeit in die Ausübung dieser Tätigkeiten setze, trotz Baukrise sein Einzelunternehmen erfolgreich seit Jahren seriös und mit höchsten Qualitätsstandards am Markt halte und lediglich ständig von den Zinsen, Vollstreckungskosten und Säumniszuschlägen der Vergangenheit immer wieder eingeholt werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten, insbesondere die gewechselten Schriftsätze der Parteien, sowie die Verwaltungsvorgänge der Behörden (Beiakten A - H) und die beigezogene Gerichtsakte des Verwaltungsgerichts Halle in dem Verfahren 1 B 95/01 HAL verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über die Berufung des Beklagten ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig im tenorierten Umfang für begründet, im Übrigen für unbegründet und - wie sich aus den nachfolgenden Gründen ergibt - die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht für erforderlich hält (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 17.03.1997 - 9 S 2553/95 - juris; Kopp/Schenk, VwGO, 15. Aufl., § 130a Rdnr. 1). Die Beteiligten sind hierzu gehört worden (§§ 130a Satz 2, 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes Halle - 1. Kammer - vom 14. August 2009 ist zulässig und teilweise begründet. Das Verwaltungsgericht hat die angefochtenen Bescheide zu unrecht aufgehoben, soweit dies die Teiluntersagung des vom Kläger betriebenen Gewerbes und der erweiterten Gewerbeuntersagung in Form eines Beschäftigungsverbotes für sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer betrifft. Das angefochtene Urteil ist daher zu ändern und die Klage nur teilweise abzuweisen. Die zulässige Klage ist teilweise unbegründet, weil der Bescheid des Rechtsvorgängers des Beklagten vom 6. Dezember 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt vom 19. Juli 2007 insoweit rechtmäßig ist und den Kläger daher insoweit nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), als ihm das Betreiben seines Gewerbes unter Beschäftigung sozialversicherungspflichtiger Arbeitsnehmer untersagt wird.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtes liegen im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt in der Person des Klägers die Voraussetzungen für eine Teiluntersagung der Gewerbeausübung wegen Unzuverlässigkeit gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO vor; die nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO ausgesprochene erweiterte Gewerbeuntersagung ist ermessensfehlerfrei erfolgt, soweit hiervon stehende Gewerbe unter Beschäftigung sozialversicherungspflichtiger Arbeitnehmer betroffen sind.

Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO in der Fassung des Gesetzes vom 19. Dezember 2006 (BGBl. I 2006, 3232) ist die Ausübung eines Gewerbes von der zuständigen Behörde ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung des Gewerbebetriebs beauftragten Person in Bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutz der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigen erforderlich ist.

Nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO kann die Untersagung auch auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person sowie auf einzelne andere oder auf alle Gewerbe erstreckt werden, soweit die festgestellten Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Gewerbetreibende auch für diese Tätigkeiten oder Gewerbe unzuverlässig ist.

Gewerberechtlich unzuverlässig ist, wer keine Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe in Zukunft ordnungsgemäß ausüben wird. Bei der Unzuverlässigkeit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, weshalb die Entscheidung, ob Unzuverlässigkeit vorliegt oder nicht, eine Rechts- und keine Ermessensentscheidung ist, die vom Gericht in vollem Umfang überprüft wird; dies gilt auch hinsichtlich der Frage, ob die festgestellte Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden eine Voll- oder Teiluntersagung rechtfertigt. Die im Ermessen stehende erweiterte Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO hat insoweit dieselben Voraussetzungen wie die Untersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO (vgl. Landmann/Rohmer, GewO, Stand 55. EL 2009, § 35 Rdnr. 78, 85). Für die verwaltungsgerichtliche Beurteilung einer Gewerbeuntersagungsverfügung ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, also hier dem Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides abzustellen. Nachträgliche Veränderungen zu Gunsten des Gewerbetreibenden können nur in einem Wiedergestattungsverfahren gemäß § 35 Abs. 6 GewO Berücksichtigung finden.

Ausgehend von diesen Maßstäben erweist sich der Kläger aufgrund seiner Rückstände bei der J-Gewerbe, welche sich im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 2007 aufgrund der letzten Mitteilung der J-Gewerbe vom 20. Juni 2007 (Beiakte E, Bl. 96) per Mai 2007 auf einen Betrag in Höhe von 24.460,47 € beliefen, wie auch aufgrund seiner Rückstände bei der H-Krankenkasse per 12. Juni 2007 in Höhe von 8.738,34 € (5.419,79 € zzgl. 3.318,55 €; Beiakte E, Bl. 92) sowie bei der F-Krankenkasse Sachsen-Anhalt per 5. Juni 2007 in Höhe von 2.982,63 € (Beiakte E, Bl. 91) als gewerberechtlich unzuverlässig im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO.

Hierbei ist zunächst festzustellen, dass sich der bei Erlass des Ausgangsbescheides vom 6. Dezember 2001 aufgrund des Schreibens der J-Gewerbe vom 19. Juli 2001 (Beiakte B, Bl. 80) zugrunde gelegte Forderungsbetrag von 25.989,26 € (= 50.830,57 DM per Dezember 2000 einschließlich Verzugszinsen für den Zeitraum 01.01.-30.06.2001) während der Dauer des Widerspruchsverfahrens über 5 ½ Jahre nur marginal auf den oben genannten Betrag von 24.460,47 € reduziert hat. Auch hat der Kläger im Verlauf des Widerspruchsverfahrens immer wieder - neben den bereits bestehenden Rückständen - laufende Beiträge nicht entrichtet (vgl. Schreiben der J-Gewerbe vom 19. Juli 2001, Beiakte B, Bl. 80, über ausstehende Beiträge Januar bis Juni 2001; vom 28. Mai 2003, Beiakte D, Bl. 74, über ausstehende Beiträge für März/April 2003; Schreiben vom 7. März 2007 und 27. März 2007, Beiakte E, Bl. 6, 60, Beitrag Januar 2007). Die letzte freiwillige Zahlung durch den Kläger erfolgte am 29. März 2004 (Schreiben der J-Gewerbe vom 2. März 2005, Beiakte D, Bl. 141), er duldete im Wesentlichen Vollstreckungsmaßnahmen der J-Gewerbe, ohne indes ein eigenes tragfähiges Sanierungskonzept zu entwickeln, aus dem sich erkennbar Anzeichen für eine Verbesserung und Rückführung der Verbindlichkeiten ergeben hätten. Es kann den Kläger dabei nicht entlasten, dass die Gläubigerin nicht bereit war, mit ihm eine Ratenzahlungsvereinbarung zu schließen. Fehlende Zahlungsabsprachen mit einem Gläubiger schließen andere Sanierungsmöglichkeiten, z. B. im Wege einer Umschuldung, nicht aus. Hierbei hätte sich der Kläger auch mögliche Ansprüche auf Erstattungsleistungen gegen die J-Gewerbe nutzbar machen können; das BAG hat mit Urteil vom 21. November 2007 (- 10 AZR 481/06 - juris) festgestellt, dass ein Arbeitgeber solange keine Erstattungsansprüche für Lohnausgleich und ausgezahlte Urlaubsvergütung hat, bis er die tariflich vorgesehenen und von ihm geschuldeten Beiträge entrichtet hat. Nach der tariflichen Regelung seien Erstattungsforderungen des Arbeitgebers mit der Maßgabe zweckgebunden, dass der Arbeitgeber über sie nur dann verfügen könne, wenn das bei der Einzugsstelle bestehende Beitragskonto keinen Debetsaldo ausweise und der Arbeitgeber seiner Meldepflicht entsprochen habe (BAG, a. a. O.). Aufgrund dieses zwar nicht die Entstehung des Erstattungsanspruches, wohl aber seine Auszahlung hindernden Umstandes (so BAG, Urt. v. 01.04.2009 - 10 AZR 134/08 - juris) hätte der Kläger über diese Erstattungsansprüche verfügen und bestehende Auszahlungshindernisse beseitigen können, wenn er z. B. mittels Umschuldung sein Beitragskonto bei der J-Gewerbe ausgeglichen und vollständig seiner Meldepflicht nachgekommen wäre.

Infolge des Fehlens eines erfolgversprechenden Sanierungskonzeptes ergab sich bei Erlass des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 2007 auch kein Hinweis darauf, dass der Kläger seine Rückstände bei der J-Gewerbe in absehbarer Zeit würde zurückführen können und sich eine Besserung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse abzeichnen würde. Das Verhalten des Klägers rechtfertigte vielmehr die Annahme, dass er im maßgeblichen Zeitpunkt entweder nicht willens oder nicht in der Lage war, an der Zurückführung seines Beitragsrückstandes bei der J-Gewerbe mitzuwirken. Dies wiederum stützt den Untersagungsgrund, dass es dem Kläger aller Voraussicht nach in Folge des Fehlens von Geldmitteln an der für eine ordnungsgemäße Betriebsführung erforderlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit mangelte. Darüber hinaus hat der Kläger mit dem über mehrere Jahre beständig nicht ausgeglichenen Beitragskonto bei der Sozialkasse die Erfüllung einer ihm als Arbeitgeber obliegenden gesetzlichen Zahlungspflicht verhindert, Leistungsansprüche seiner Arbeitnehmer beeinträchtigt, die Funktionsfähigkeit des Sozialkassenverfahrens gefährdet und sich einen rechtswidrigen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen, ihre Beitragspflichten erfüllenden Arbeitgebern des J-Gewerbes verschafft. Auch dies rechtfertigt die Annahme der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit des Klägers.

Im Einzelnen:

Die J-Gewerbe (Sozialkassen der ...wirtschaft) ist die gemeinsame Dachmarke der Zusatzversorgungskasse des J-Gewerbes AG (ZVK) und der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der ...wirtschaft (ULAK), welche gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien der Bauwirtschaft sind (vgl.: de.wikipedia.org/w/index.php?title=SOKA-Bau&printable=yes; VGH München, Urt. v. 14.08.2009 - 22 BV 07.1725 - juris). Diese sog. Sozialkassen (Urlaubskasse, Zusatzversorgungskasse, Lohnausgleichskasse) wurden gegründet, weil im J-Gewerbe Arbeitnehmer verhältnismäßig häufig ihren Arbeitsplatz wechseln und infolge dessen die Anspruchsvoraussetzungen einzelner Leistungen bei einem Arbeitgeber nicht erfüllen können. Die Mittel der Sozialkassen werden durch Beiträge der Arbeitgeber nach einem vom Hundertsatz der jeweils an die Arbeitnehmer gezahlten Bruttolohnsumme aufgebracht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.07.1980 - 1 BvR 24/74, 1 BvR 439/79 - BVerfGE 55,7).

Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im J-Gewerbe (VTV) vom 20. Dezember 1999 in der Fassung vom 1. Dezember 2000, 15. Mai 2001, 14. Dezember 2001, 27. Februar 2002, 04. Juli 2002, 10. Dezember 2002, 17. Dezember 2003, 14. Dezember 2004, 15. Dezember 2005 (in der vom 01.01.2006 bis 30.09.2007 gültigen Fassung, vgl. juris) erbringt die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse Leistungen in Urlaubs- und Berufbildungsverfahren und hat Anspruch auf die zur Finanzierung dieser Verfahren festgesetzten Beiträge; letztmalig für den am 1. Januar 2006 endenden Ausgleichszeitraum erbringt sie auch Leistungen im Lohnausgleichsverfahren. Soweit die Zusatzversorgungskasse zusätzlich Leistungen zu den gesetzlichen Renten gewährt, richten sich ihre Finanzierungsansprüche ausschließlich gegen Betriebe der "alten Bundesländer" (vgl. § 3 Abs. 2 VTV). Die Zusatzversorgungskasse ist jedoch zugleich für Beiträge der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse Einzugsstelle für den sog. "Sozialkassenbeitrag" gemäß § 18 VTV (vgl. § 3 Abs. 3 VTV). Die Beitragspflicht des Klägers betraf als im Beitrittsgebiet belegener Betrieb mithin nur die Leistungen für das Urlaubs- und Lohnausgleichskassenverfahren.

Gemäß § 18 Abs. 1 VTV in der vom 1. Januar 2006 bis 31. Januar 2007 gültigen Fassung vom 17. Dezember 2003 (juris) hatte der Arbeitgeber zur Aufbringung der Mittel für die tarifvertraglich festgelegten Leistungen im Urlaubs-, Lohnausgleichs- und Berufsbildungsverfahren als Sozialkassenbeitrag einen Gesamtbetrag von 17,20 v. Hundert der Summe der Bruttolöhne aller von diesem Tarifvertrag gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 erfassten Arbeitnehmer des Betriebes (Bruttolohnsumme) an die Kasse abzuführen. Der in dem Gesamtbetrag enthaltene Prozentsatz für das Urlaubsverfahren betrug 14,70 v. Hundert. In früheren Fassungen des Tarifvertrages (z. B. für die Jahre 2004/2005) waren die Prozentsätze höher (vgl. juris).

Für das Lohnausgleichs- und Berufsbildungsverfahren sahen die maßgeblichen Tarifverträge als Sozialkassenleistungen im Wesentlichen Erstattungsansprüche des Arbeitgebers vor (vgl. § 16 VTV; Abschn. II bis IV, §§ 19-30 des Tarifvertrages über die Berufsbildung im J-Gewerbe [BBTV] vom 29.01.1987 in der vom 01.01.2006 bis 30.09.2009 gültigen Fassung, juris), die indes die Erfüllung entsprechender Nachweis- bzw. Meldepflichten und, wie im Falle des § 16 Abs. 2 Satz 2 VTV, die Erfüllung der Beitragspflicht voraussetzten.

Im Urlaubskassenverfahren gilt für Erstattungsansprüche der Arbeitgeber gemäß § 13 VTV zwar Entsprechendes, jedoch bestehen hier wesentliche Sozialkassenleistungen auch hinsichtlich Ansprüchen der Arbeitnehmer auf Zahlung der Urlaubsabgeltung (§ 14 VTV) sowie auf Entschädigung (§ 15 VTV). Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung ist von der Sozialkasse indes nur zu erfüllen, soweit Beiträge des jeweiligen Urlaubsjahres bereits geleistet worden sind oder bis zum Ablauf des Kalenderjahres nachentrichtet werden und nicht für die Erstattung von Urlaubsvergütungen verwendet worden oder zum Ausgleich für geleistete Erstattungen zu verwenden sind. Auch der nach Verfall der Urlaubsansprüche oder Urlaubsabgeltungsansprüche entstandene Anspruch des Arbeitnehmers auf Entschädigung gegenüber der Kasse in Höhe der Urlaubsvergütung besteht nur bei Erfüllung der Beitragspflicht (vgl. § 8 Nr. 6.2, 8 des Bundesrahmentarifvertrages für das J-Gewerbe [BRTV] vom 04.07.2002 in der vom 01.06.2006 bis 30.09.2007 gültigen Fassung).

Mit der Nichterfüllung von Beitragspflichten beeinträchtigt - wenn nicht sogar verhindert - ein Arbeitgeber mithin Leistungsansprüche seiner Arbeitnehmer aus dem Urlaubskassenverfahren. Auch würde die Funktionsfähigkeit des Sozialkassenverfahrens in Frage gestellt, wenn ein nicht unerheblicher Teil von Arbeitgebern seiner Beitragspflicht nicht nachkäme, zumal die Sozialkassen über sonstige Einkünfte nicht verfügen (vgl. BAG, Urt. v. 21.11.2007 - 10 AZR 481/06 - juris). Angesichts der am Bruttolohn der Arbeitnehmer orientierten, nicht geringfügigen Prozentsätze für die Bildung des Sozialkassenbeitrages stellt die Nichterfüllung der Beitragspflicht für den betreffenden Arbeitgeber auch eine beachtliche Ersparnis im Bereich der Lohnnebenkosten dar und verschafft ihm wegen der damit einhergehenden Preisgestaltungsmöglichkeiten einen erheblichen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen, ihre Beitragspflicht erfüllenden Arbeitgebern des J-Gewerbes.

Der tarifvertraglich begründete Beitragsanspruch der Urlaubskasse (§ 3 Abs. 1 Satz 1 VTV) gilt für tarifgebundene und nach Maßgabe seiner jeweiligen Allgemeinverbindlichkeitserklärung (vgl. Allgemeinverbindlichkeitserklärung VTV vom 17.12.2003 in der vom 01.01.2005 bis 30.09.2007 gültigen Fassung, juris) auch für nicht tarifgebundene Arbeitgeber. Die Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen ist im Verhältnis zu den ohne sie nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ein Rechtsetzungsakt eigener Art zwischen autonomer Regelung und staatlicher Rechtsetzung; der Tarifvertrag enthält in seinem normativen Teil Rechtsregeln, d. h. generell-abstrakte, nach Maßgabe des § 4 Abs. 3 TVG zwingende Bestimmungen für den Inhalt der von ihm erfassten Arbeitsverhältnisse. Bei der Normsetzung durch die Tarifparteien handelt es sich um Gesetzgebung im materiellen Sinne, die Normen im rechtstechnischen Sinne erzeugt. Die Allgemeinverbindlichkeitserklärung dehnt die Verbindlichkeit dieser Rechtsregeln auf Personen aus, die bisher vom Tarifvertrag nicht erfasst wurden, und ist deshalb - jedenfalls soweit das Verhältnis zu den Außenseitern (nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern) in Rede steht - ebenfalls Normsetzung (so BVerfG, Beschl. v. 24.05.1977 - 2 BvL 11/74 - BVerfGE, 44, 322).

Unbeschadet der Frage, ob eine gesetzliche Zahlungspflicht des Arbeitgebers bereits aus der zuvor beschriebenen Rechtsnatur von tarifvertraglichen Normen und/oder der Allgemeinverbindlichkeitserklärung hergeleitet werden kann, bestand eine solche jedenfalls aufgrund der (im Zeitraum vom 01.01.1999 bis 27.12.2007 gültigen) Regelung in § 1 Abs. 3 Satz 3 des Arbeitnehmerentsendegesetzes (- AEntG - i. d. F. v. Art. 10 Nr. 1 c G. v. 19.12.1998, BGBl. I, S. 3843). Sind nach § 1 Abs. 3 Satz 1 AEntG im Zusammenhang mit der Gewährung von Urlaubsansprüchen nach Abs. 1 (Urlaubsentgelt oder ein zusätzliches Urlaubsgeld) die Einziehung von Beiträgen und die Gewährung von Leistungen durch allgemeinverbindliche Tarifverträge einer gemeinsamen Einrichtung der Tarifvertragsparteien übertragen, so finden die Rechtsnormen solcher Tarifverträge unter bestimmten Maßgaben auch auf einen ausländischen Arbeitgeber und seinen im räumlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages beschäftigten Arbeitnehmer zwingend Anwendung. Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 AEntG ist ein Arbeitgeber im Sinne des Abs. 1 Satz 1 verpflichtet, einer gemeinsamen Einrichtung der Tarifvertragsparteien die ihr nach Satz 1 zustehenden Beiträge zu leisten. Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 3 AEntG gilt dies auch für einen unter den Geltungsbereich eines Tarifvertrages nach Satz 1 fallenden Arbeitgeber mit Sitz im Inland unabhängig davon, ob der Tarifvertrag kraft Tarifbindung nach § 3 des Tarifvertragsgesetzes oder aufgrund der Allgemeinverbindlichkeitserklärung Anwendung findet.

Hieran gemessen besteht für tarifgebundene Arbeitgeber bzw. durch Allgemeinverbindlichkeitserklärung gebundene Außenseiter-Arbeitgeber eine gesetzliche Pflicht zur Abführung der Beiträge an die Urlaubskasse. Dieser Arbeitgeberpflicht ist der Kläger nicht nachgekommen, wobei der Senat keine Veranlassung sieht, die Beitragspflicht des Klägers nach Grund und Höhe in Zweifel zu ziehen, da der Kläger insoweit keine Einwände erhebt.

Im Rahmen der Bewertung des Gesamteindrucks des Verhaltens des Klägers kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass Verbindlichkeiten des Klägers gegenüber der H-Krankenkasse in Bezug auf das Einzelunternehmen in nicht unbeachtlicher Höhe immer wieder neu entstehen und die aufgrund eines Schuldanerkenntnis übernommenen Verbindlichkeiten für die B. Bauunternehmen GmbH seit Oktober 2005 keinerlei Rückzahlungsbemühungen erkennen lassen.

So hat die H-Krankenkasse mit Schreiben vom 12. Juni 2007 (Beiakte E, Bl. 92) dem Landesverwaltungsamt mitgeteilt, dass der Kläger aufgrund einer Zahlung vom 10. April 2007 in Höhe von 2.609,16 € bis dahin bestehende Rückstände zwar vollständig ausgeglichen habe, für die Zeit vom 1. April 2007 bis 31. Mai 2007 aber ein erneuter Rückstand in Höhe von insgesamt 3.318,55 € (3.256,20 € Gesamtsozialversicherungsbeiträge, 45,50 € Säumniszuschläge berechnet bis 11.06.2207 und 16,85 € Mahngebühren) zu verzeichnen sei. Im Hinblick auf drei als versicherungspflichtig gemeldete Arbeitnehmer führt der Kläger damit wiederholt (vgl. Schreiben der H-Krankenkasse vom 08.03.2007 über Beitragsrückstände einschließlich Säumniszuschläge und Mahngebühr in Höhe von 2.678,93 € für den Zeitraum 12/06 bis 28.02.2007 [Beiakte E, Bl. 3]; vom 16.02.2006 über Beitragsrückstände einschließlich Säumniszuschläge in Höhe von 3.898,92 € für den Zeitraum 11/05 bis 31.12.2005 und Rückstände für 1/06 in Höhe von ca. 1.100,00 € [Beiakte D, Bl. 164]; vom 29.08.2005 über Beitragsrückstände einschließlich Säumniszuschläge in Höhe 4.391,09 € für den Zeitraum 5/05 bis 7/05 [Beiakte D, Bl. 145]) treuhänderisch einbehaltene Arbeitnehmeranteile wie auch seine Arbeitgeberanteile an Sozialversicherungsbeiträgen nicht laufend und fristgerecht ab, wodurch der Versicherungsanspruch der Arbeitnehmer beeinträchtigt und das Vermögen des Trägers der Versicherung geschädigt wird (vgl. Landmann/Rohmer, a. a. O., 54. EL 2009, § 35 Rdnr. 55).

Auch wenn es dem Kläger gelungen ist, während des Widerspruchsverfahrens beitragsrückstandsfreie Zeiträume zu erreichen (vgl. Schreiben der H-KRANKENKASSE vom 14.05.2003, Beiakte D, Bl. 65; vom 10.07.2002, Beiakte B, Bl. 127) war er nicht in der Lage, seiner Arbeitgeberpflicht zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen dauerhaft und kontinuierlich nachzukommen; das über mehrere Jahre hinweg - selbst unter dem Druck des laufenden Untersagungsverfahrens - immer wieder auftretende säumige Zahlungsverhalten des Klägers lässt das für eine Zuverlässigkeit als Gewerbetreibender erforderliche Verantwortungsbewusstsein im Umgang mit der Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen vermissen.

Ein ähnliches Verhalten des Klägers lässt sich auch in Bezug auf die bei der F-Krankenkasse bestehende Beitragspflicht feststellen. War es dem Kläger noch gelungen, im Jahr 2000 aufgelaufene Gesamtsozialversicherungsbeitragsrückstände in Höhe von 7.484,80 € bis Anfang 2001 zu tilgen und bis April 2006 keine neuen Rückstände aufkommen zu lassen, wurde ein Gesamtsozialversicherungsbeitragsrückstand für den Zeitraum 1. Dezember 2006 bis 28. Februar 2007 in Höhe von insgesamt 3.473,35 € erst nach Stellung eines Insolvenzantrages seitens der F-KRANKENKASSE im März 2007 beglichen (vgl. Schreiben der F-Krankenkasse vom 26.03.2007 und 05.06.2007, Beiakte E, Bl. 55 und 91), allerdings unter umgehender Schaffung eines neuen Rückstandes für den Zeitraum 1. April 2007 bis 31. Mai 2007 in Höhe von 2.982,63 € (Schreiben der F-Krankenkasse vom 05.06.2007, Beiakte E, Bl. 91).

Der nachlässige Umgang mit Sozialversicherungsbeiträgen liegt auch dem notariellen Schuldanerkenntnis des Klägers gegenüber der H-Krankenkasse vom 27. Januar 2000 (Beiakte B, Bl. 141) zu Grunde; in einem als Zahlungsvereinbarung und Schuldanerkenntnis überschriebenen Vertrag vom 24. Februar 2003 (Beiakte D, Bl. 59) erklärt der Kläger, dass er als Geschäftsführer der B. Bauunternehmen GmbH verantwortlich für die Abführung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge und der darin enthaltenen Arbeitnehmeranteile gewesen sei und aufgrund der Nichtabführung dieser Beiträge der H-Krankenkasse gemäß notariellem Schuldanerkenntnis vom 27. Januar 2000 Arbeitnehmeranteile in Höhe von 12.271,00 € zuzüglich 4 % p. a. Zinsen hieraus seit 1. Mai 1999 schulde. Die vom Kläger im Wege eines Schuldanerkenntnisses übernommene Schuld ist danach nicht nur gewerbebezogen, sondern zugleich Vorläufer des gleichen pflichtwidrigen "Arbeitgeber-Verhaltens", das auch für das weitere Einzelunternehmen des Klägers kennzeichnend ist. Es ist nicht ersichtlich, dass sich der Kläger in Bezug auf die GmbH in der Position eines (weisungs)abhängigen Angestellten befunden haben könnte und den Betrieb nicht wie ein Unternehmen geleitet hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.08.1965 - 1 C 69.62 - BVerwGE 22, 16). Für die Beurteilung des klägerischen Verhaltens im Rahmen der anzustellenden Prognose über die gewerberechtliche (Un)Zuverlässigkeit kommt es daher nicht entscheidend auf die (privatrechtliche) Begründung des bei der H-Krankenkasse bestehenden Forderungsrückstandes über zuletzt 5.419,79 € (vgl. Schreiben der H-Krankenkasse vom 12.06.2007, Beiakte E, Bl. 92), sondern auf die der Forderung zu Grunde liegenden bzw. sie begründenden Umstände - hier auf die Nichterfüllung sozialversicherungsrechtlicher Beitragspflichten - an. Da der Kläger in der Zeit von Oktober 2005 bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides auch keine weiteren Zahlungen auf die per Schuldanerkenntnis begründete Forderung der H-Krankenkasse mehr geleistet und das Aufkommen aktueller Beitragsrückstände bei H-Krankenkasse und F-Krankenkasse nicht verhindert hat, weist dies im Übrigen, wie auch die nicht bedienten Rückstände bei der J-Gewerbe, auf eine anhaltende wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit des Klägers hin, die infolge des Fehlens von ausreichenden Geldmitteln eine ordnungsgemäße Betriebsführung, insbesondere eine verlässliche Erfüllung von Arbeitgeberpflichten verhindert und für die sich keine Anzeichen auf eine dauerhafte Besserung ergeben haben.

Soweit der Beklagte dem Kläger auch die Nichterfüllung von Steuerforderungen anlastet, ist allerdings festzustellen, dass sich der beachtliche Rückstand von 22.589,55 € (44.181,32 DM per 21.07.2000, Beiakte B, Bl. 39 ff.) auf eine Forderung in Höhe von 2.128,74 € per 5. Juni 2007 reduziert hat, die zudem erst seit 10. Mai 2007 fällig war und sich auch noch nicht in Vollstreckung befand (Beiakte E, Bl. 89). Vergleichbar kurzfristige und ähnlich hohe bzw. niedrigere Rückstände ergeben sich aufgrund der Mitteilungen des Finanzamtes A-Stadt vom 2. Februar 2005 (Beiakte D, Bl. 130 ff.), vom 8. September 2005 (Beiakte D, Bl. 147 ff.) und vom 22. März 2007 (Beiakte E, Bl. 49 ff.). Dass sich angesichts dieser Entwicklung eine Negativprognose in Bezug auf den Kläger hinsichtlich der Erfüllung seiner Steuerpflicht im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 2007 noch rechtfertigte, vermag der Senat nicht festzustellen. Auch hinsichtlich des sich aufgrund des Schreibens des Finanzamtes A-Stadt vom 13. September 2007 ergebenden erheblichen Abgaberückstandes in Höhe von 11.764,33 € ist eine kurzfristige Fälligkeit (ab 10.08. bzw. 10.09.2007) zu konstatieren. Der Senat sieht keine Veranlassung, im Interesse des Beklagten von dem die maßgebliche Sach- und Rechtslage kennzeichnenden Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides abzuweichen und nachträgliche Entwicklungen im Zahlungsverhalten des Klägers mit einzubeziehen.

Ein ähnliches Bild wie bei den Steuern zeichnet sich bezüglich der Forderungen der I-Berufsgenossenschaft ab. Mit Schreiben vom 4. Juni 2007 (Beiakte E, Bl. 88) teilte die I-Berufsgenossenschaft mit, dass der zur Zeit bestehende Rückstand in Höhe von 5.721,40 € erst seit 15. Mai 2007 fällig sei und sich aus einem Restbeitrag 2006, Säumniszuschlägen 2006 und einem Vorschussteilbetrag für 2007 zusammensetze. Die letzte Zahlung habe der Kläger am 21. April 2007 geleistet und zum damaligen Zeitpunkt das Konto ausgeglichen. Der Pflicht zur Einreichung des Jahreslohnnachweises 2006 sei er ordnungsgemäß nachgekommen. Einen in den Jahren 2000 bis Mitte 2002 bestehenden beachtlichen Rückstand von 12.000,00 bis 13.000,00 € (vgl. Schreiben der I-Berufsgenossenschaft vom 11.05.2000, Beiakte B, Bl. 8; vom 16.07.2001, Beiakte B, Bl. 79; vom 13.05.2002, Beiakte B, Bl. 122) hat der Kläger im Laufe des Widerspruchsverfahrens zurückgeführt. Lediglich ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die I-Berufsgenossenschaft mit Schreiben vom 12. September 2007 (Beiakte A, Bl. 17) mitgeteilt hat, dass der Kläger keinen Beitragsrückstand auf seinem Beitragskonto mehr habe und die nächste Zahlung in Höhe von 1.286,00 € erst am 17. September 2007 fällig werde. Auch bezüglich der Forderungen der I-Berufsgenossenschaft rechtfertigt sich danach im entscheidungserheblichen Zeitpunkt keine Negativprognose in Bezug auf den Kläger.

Der zuletzt der HWK C-Stadt geschuldete Beitrag in Höhe von 185,00 € für das Jahr 2007 (vgl. Schreiben vom 18.06.2007, Beiakte E, Bl. 93), ist der Höhe nach und angesichts des Umstandes, dass der im Jahre 2000 bestehende Rückstand in Höhe von 1.062,37 € (vgl. Schreiben der HWK vom 14.08.2000, Beiakte B, Bl. 42) sich bereits im Folgejahr auf den Jahresbetrag für 2001 in Höhe von 178,95 € (350,00 DM) reduziert hatte (vgl. Schreiben der HWK vom 30.01.2001, Beiakte B, Bl. 81) und in den Folgejahren bis zum Jahre 2007 keine weiteren Beitragsrückstände bekannt wurden, nicht geeignet, die Prognoseentscheidung bezüglich des klägerischen Verhaltens in entscheidungserheblicher Weise zu beeinflussen.

Hinsichtlich der die Unzuverlässigkeit des Klägers begründenden Tatsachen verbleibt es nach alledem bei den Rückständen gegenüber der J-Gewerbe sowie gegenüber der H-Krankenkasse und F-Krankenkasse wegen Verletzung der gesetzlichen Arbeitgeberpflichten in Bezug auf die Abführung von Beiträgen für das Sozialkassenverfahren sowie von Sozialversicherungsbeiträgen. Die hierzu getroffenen Feststellungen rechtfertigen die Annahme, dass der Kläger als Gewerbetreibender unzuverlässig im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO ist, weil er nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreibt, soweit er sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer beschäftigt. Eine Untersagung des tatsächlich betriebenen Gewerbes war zum Schutz der Allgemeinheit wie auch der im Betrieb Beschäftigten erforderlich, weil der Kläger sowohl seine Arbeitnehmer wie auch die Träger der Sozialversicherung und der Sozialkassen dadurch gefährdet, dass er die einbehaltenen Beitragsteile für eigene Zwecke verwendet, und weil er sich einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil gegenüber konkurrierenden Gewerbeunternehmen verschafft und damit auch deren Umsatz, wenn nicht sogar Existenz gefährdet.

Allerdings hat der Kläger nur bestimmte, seine Arbeitgebereigenschaft betreffende Pflichten vernachlässigt, sodass eine Volluntersagung - wie vom Beklagten vorgenommen - nicht gerechtfertigt erscheint. Erforderlich, aber ausreichend ist es, ihm die Beschäftigung von Arbeitnehmern zu untersagen; dann fallen (die verletzten) Beitragspflichten im Rahmen der Sozialversicherung wie im Sozialkassenverfahren nicht an. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger seinen Beruf - wenn auch in deutlich geringerem Umfang und vielleicht auf Teilbereiche beschränkt - nicht auch ohne fremde Arbeitskräfte bzw. ohne selbst Arbeitgeberpflichten zu übernehmen ausüben kann. Ebenso sieht der Senat keinen Anhalt für die Annahme, dass sich der Kläger an ein solches Beschäftigungsverbot nicht halten wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.02.1966 - 1 C 37.65 - BVerwGE 23, 280; Landmann/Rohmer, GewO, 55. EL 2009, § 35 Rdnr. 84). Da es sich bei der Frage, ob die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden eine Teil- oder Volluntersagung erfordert, um eine Rechtsentscheidung, nicht um eine Ermessensentscheidung handelt, ist der Senat nicht gehindert, die streitgegenständliche Untersagungsverfügung auf ihren rechtmäßigen Umfang zurückzuführen.

Entsprechendes gilt auch für die erweiterte Gewerbeuntersagung gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO. Auch diese erweist sich insoweit als rechtmäßig, als dem Kläger über die Ausübung des tatsächlich betriebenen Gewerbes hinaus, die Ausübung jedes anderen stehenden Gewerbes untersagt worden ist, allerdings wiederum beschränkt auf eine Teiluntersagung in Form eines Beschäftigungsverbots für Arbeitnehmer.

Nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO kann die Untersagung auch für einzelne andere oder für alle Gewerbe ausgesprochen werden, soweit die festgestellten Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Gewerbetreibende auch für diese Gewerbe unzuverlässig ist. Diese erweiterte Gewerbeuntersagung unterliegt denselben inhaltlichen Anforderungen wie die Untersagung eines tatsächlich betriebenen Gewerbes nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO. Im vorliegenden Fall ist somit Voraussetzung, dass jede selbständige Betätigung im Bereich des stehenden Gewerbes im hypothetischen Fall seiner Ausübung durch den Kläger nach Maßgabe des § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO verboten werden müsste. Die Tatsachen, die im Hinblick auf das vom Kläger tatsächlich betriebene Gewerbe festgestellt worden sind, gestatten den sicheren Schluss, dass der Kläger auch in Bezug auf jedes andere Gewerbe unzuverlässig ist, soweit dies mit der Beschäftigung von Arbeitnehmern einhergeht. Zwar handelt es sich bei der Verletzung der Beitragspflicht gegenüber der J-Gewerbe um die Vernachlässigung einer gewerbespezifischen Pflicht, die auf dem Gebiet des J-Gewerbes auch gewerbeübergreifend sein kann, aber andererseits nicht jedes selbständig betriebene stehende Gewerbe betrifft; maßgeblich ist insoweit aber nicht der rechtliche Ansatz für das Entstehen der Beitragspflicht, sondern, wie schon im Zusammenhang mit dem Schuldanerkenntnis gegenüber der H-Krankenkasse ausgeführt, das arbeitnehmerschädigende Verhalten des Klägers als Arbeitgeber. Der Kläger hat durch sein Verhalten gegenüber seinen Arbeitnehmern, den Trägern der Sozialversicherung und den Sozialkassen seine Unfähigkeit offenbart, ein mit Arbeitgeberpflichten verbundenes Gewerbe jeder Art ordnungsgemäß zu betreiben. Insoweit sind die Tatsachen, die die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers belegen, gewerbeübergreifender Natur.

Auch die erweiterte Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO ist nur zulässig, wenn sie zum Schutze der Allgemeinheit oder der in dem hypothetisch angenommenen Betriebe Beschäftigten erforderlich ist. Dies folgt schon zwingend aus dem Wortlaut der Regelung. Die Voraussetzungen für die Untersagung eines Gewerbes hat der Gesetzgeber in Satz 1 statuiert. Satz 2 schafft lediglich die Möglichkeit, die Ausübung auch solcher Gewerbe zu untersagen, die der Gewerbetreibende nicht ausübt. Zu den Untersagungsvoraussetzungen äußert sich Satz 2 nicht, sie ergeben sich ausschließlich aus Satz 1 und umfassen auch den Inhalt des "sofern"-Satzes (so BVerwG, Urt. v. 16.03.1982 - 1 C 124.80 - juris).

Hieran gemessen besteht die Untersagungserforderlichkeit hinsichtlich der nicht betriebenen Gewerbearten ebenfalls nur in einer Teiluntersagung in Form eines Beschäftigungsverbotes für Arbeitnehmer. Soweit die Untersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO im Ermessen des Beklagten steht, besteht die Möglichkeit, nach Grundsätzen der Opportunität zu handeln, allerdings erst dann, wenn feststeht, dass der Gewerbetreibende in Bezug auf das andere Gewerbe unzuverlässig ist und die Untersagung auch erforderlich ist (so BVerwG, Urt. v. 16.03.1982 a. a. O.). Der Senat ist danach auch hinsichtlich der erweiterten Gewerbeuntersagung nicht gehindert, diese im tenorierten Umfang einzuschränken.

Im Übrigen ist die Ermessensentscheidung des Beklagten rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere ist den angefochtenen Bescheiden die maßgebliche Erwägung zu entnehmen, dass eine anderweitige Gewerbeausübung so wahrscheinlich ist, dass sich die Untersagung auch darauf erstrecken soll.

Der Beklagte hat sein Recht zur Gewerbeuntersagung auch nicht - wie der Kläger meint - aufgrund der Dauer des Verwaltungsverfahrens verwirkt. Dabei kann dahinstehen, ob einem behördlichen Eingreifen überhaupt das Rechtsinstitut der Verwirkung entgegenstehen kann, wenn die Behörde - wie im Fall der Untersagung des tatsächlich betriebenen Gewerbes gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO - kraft gesetzlicher Anordnung zwingend tätig werden muss (offen lassend: BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 24.06 - juris; verneinend im Rahmen der Gefahrenabwehr: Hess. VGH, Beschl. v. 12.07.1985 - 4 TH 530/85 juris). Jedenfalls fehlt es (auch hinsichtlich der erweiterten Gewerbeuntersagung) an allen Voraussetzungen für eine Verwirkung. Weder haben die Behörden ein Verhalten gezeigt, das dem Kläger Anlass geben konnte für die Annahme, das Untersagungsverfahren werde nicht mehr weiterbetrieben bzw. der Widerspruch des Klägers werde positiv beschieden, noch ist ersichtlich, dass beim Kläger ein entsprechendes Vertrauen berechtigterweise entstanden ist. So hat auf Anregung des Prozessbevollmächtigten des Klägers zunächst der Landkreis A-Stadt-Q (vgl. Schreiben des Landkreise A-Stadt-Q vom 09.12.002, Beiakte D, Bl. 1) das Widerspruchsverfahren ausgesetzt, um dem Kläger die Möglichkeit zu geben, seine Rückstände abzubauen. Die Widerspruchsbehörde reagierte in gleicher Weise und hat im Interesse des Klägers und in der gemeinsamen Erwartung einer Besserung der finanziellen Verhältnisse des Klägers über einen sehr langen Zeitraum dem Kläger die Möglichkeit zum Schuldenabbau eingeräumt. Der Kläger war sich dieser Intention, die hinter der Nichtbescheidung seines Widerspruches stand, auch voll bewusst und hat - wie er selbst einräumt - kontinuierlich über den Werdegang seiner Bemühungen um Schuldentilgung berichtet. Die Widerspruchsbehörde hat ihrerseits über die Jahre hinweg gegenüber dem Prozessbevollmächtigten des Klägers immer wieder deutlich gemacht, dass eine förmliche Bescheidung des Widerspruches in der Hoffnung auf eine erfolgreiche Schuldentilgung hinausgeschoben wird (vgl. Schreiben des Regierungspräsidiums C-Stadt vom 26.05.2003, Beiakte D, Bl. 73; Schreiben des Landesverwaltungsamtes vom 21.03.2006, Beiakte D, Bl. 166; Schreiben des Landesverwaltungsamtes vom 22.03.2007 und 11.04.2007, Beiakte E, Bl. 62, 65). Was sich letztlich nicht erfüllt hat, war vielmehr die allein in seiner Hand liegende Erfüllung der Erwartung des Klägers, dass diese Bemühungen auch seitens der Behörde als ausreichend angesehen werden und eine gegenüber dem Ausgangsbescheid positive Prognose in Bezug auf seine gewerberechtliche (Un)Zuverlässigkeit rechtfertigen würden. Bei dieser Sachlage kann von Verwirkung keine Rede sein, und es stände im Widerspruch zu dem Grundsatz von Treu und Glauben, als dessen Anwendungsfall die Verwirkung anzusehen ist, den Behörden ein Verhalten anzulasten, dass allein im Interesse und zum Vorteil des Klägers eine zeitnahe Bescheidung verhindert hat.

Sonstige rechtliche Bedenken gegen die angefochtenen Bescheide sind vom Kläger nicht geltend gemacht worden und für den Senat auch nicht ersichtlich. Hinsichtlich der Androhung unmittelbaren Zwanges bestehen keine rechtlichen Bedenken bezüglich hinreichender Bestimmtheit der Androhung und des Vorliegens der inhaltlichen Voraussetzungen für die Androhung unmittelbaren Zwanges (vgl. Bay. VGH, Beschl. v. 06.03.2009 - 22 ZB 08.2104, juris; OVG NRW, Beschl. v. 23.07.1992 - 4 B 898/92 - juris).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO und berücksichtigt das unterschiedliche Maß des Obsiegens und Unterliegens der Beteiligten.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 132 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Die Entscheidung über die Festsetzung der Höhe des Streitwertes für das Berufungsverfahren folgt aus §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.