BGH, Urteil vom 27.03.2019 - 2 StR 465/18
Fundstelle
openJur 2019, 27034
  • Rkr:
Tenor

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 27. März 2018 im Fall II.2 der Urteilsgründe und im Gesamtstrafenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit es die Angeklagten A. S. und G. betrifft.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere - allgemeine - Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Bestimmen eines Minderjährigen zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (Fall II.1 der Urteilsgründe) sowie wegen versuchter Nötigung (Fall II.2 der Urteilsgründe) zu Gesamtfreiheitsstrafen von jeweils zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Zudem hat es eine Einziehungsentscheidung getroffen. Hiergegen richtet sich die zu Ungunsten der Angeklagten eingelegte, auf die Verurteilung zu Fall II.2 der Urteilsgründe und auf den Gesamtstrafenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

1. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts verfügten die beiden Angeklagten Ende des Jahres 2015 über eine aus einem Erwerbsvorgang stammende Rauschgiftmenge von ca. 1,5 kg Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 15 % Tetrahydrocannabinol. Im Zeitraum Januar bis April 2016 veräußerten sie das Rauschgift in Chargen von 20-50 Gramm gewinnbringend an Zwischenhändler. So belieferten sie unter anderem den 16-jährigen B. im Zeitraum vom 1. bis zum 21. April 2016 bei vier Gelegenheiten mit jeweils 50 Gramm Marihuana zum Grammpreis von jeweils 7 Euro auf Kommission. Das Landgericht hat beide Angeklagte insoweit wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Bestimmen eines Minderjährigen zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu der Einsatzstrafe von einem Jahr und elf Monaten verurteilt und hat Einziehungsentscheidungen getroffen (Fall II.1 der Urteilsgründe).

2. Nachdem B. die ersten drei Lieferungen von jeweils 50 Gramm gewinnbringend abverkauft und jeweils 350 Euro an die Angeklagten abgeführt hatte, wurde er am 21. April 2016 durch zwei unbekannt gebliebene Männer gezwungen, diesen seinen Rauschgiftvorrat und seine Rauschgifterlöse zu überlassen. Unmittelbar nach diesem Vorfall informierte B. tele- fonisch die Angeklagten, die ihn mit ihrem Pkw abholten und sich gemeinsam auf die Suche nach den Tätern machten. Weil sich die Nachforschungen erfolglos gestalteten, bezweifelten die Angeklagten einen Überfall auf B. und glaubten, dieser versuche sie über den wahren Verbleib des Rauschgifts bzw. des Erlöses dafür zu täuschen. Bei einem Zwischenhalt schlug einer der beiden Angeklagten dem Geschädigten B. ins Gesicht, um ihn entweder zur Begleichung der noch offenen Forderung von 350 Euro oder zu wahrheitsgemäßen Angaben zum Verbleib des Rauschgifts zu bewegen. Durch den Schlag erlitt der Geschädigte eine Schwellung im Gesicht und eine Platzwunde. Nicht festzustellen vermochte die Strafkammer, welcher der beiden Angeklagten geschlagen hat, dass der andere Angeklagte den Schlag wahrgenommen hat oder dass die Gewalt gegen den Geschädigten auf einem gemeinsamen Tatentschluss beruhte. Beide nutzten jedoch nach Beibringung der blutenden Platzwunde "die von der Verletzungshandlung ausgehende und fortwirkende Bedrohungswirkung - die Drohung mit weiteren Schlägen - in konkludentem Zusammenwirken mit dem anderen Angeklagten" dazu aus "den Zeugen B. dazu zu motivieren, sich Geldmittel zu beschaffen, um sie ihnen als Ausgleich für das zuvor überlassene Rauschgift zu übergeben".

In dem Bemühen, sich Geld zu beschaffen, ließ sich der Geschädigte B. von den Angeklagten zur Gaststätte einer Bekannten fahren. Während die Angeklagten in ihrem Pkw vor der Gaststätte warteten, begab sich B. in das Lokal, um sich Geld zu leihen. Nach kurzer Zeit trafen zwischen- zeitlich alarmierte Polizeibeamte ein, nahmen die Personalien der beiden nach wie vor im Pkw vor der Gaststätte wartenden Angeklagten auf und erteilten ihnen einen Platzverweis.

Das Landgericht hat die Angeklagten insoweit wegen versuchter Nötigung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 5 Euro verurteilt (Fall II.2 der Urteilsgründe).

II.

Der Schuldspruch wegen versuchter Nötigung im Fall II.2 der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil es das Landgericht versäumt hat, sich mit dem - angeklagten - Tatbestand der versuchten räuberischen Erpressung auseinanderzusetzen.

1. Die räuberische Erpressung erfordert ebenso wie der Raub einen finalen Zusammenhang zwischen dem Nötigungsmittel und der von dem Opfer vorzunehmenden vermögensschädigenden Handlung. Eine konkludente Drohung genügt; sie kann sich grundsätzlich auch daraus ergeben, dass der Täter dem Opfer durch sein Verhalten zu verstehen gibt, er werde zuvor zu anderen Zwecken angewendete Gewalt nunmehr zur Erzwingung der jetzt erstrebten vermögensschädigenden Handlung des Opfers fortsetzen oder wiederholen. Das bloße Ausnutzen der Angst des Opfers vor erneuter Gewaltanwendung enthält dagegen für sich genommen noch keine Drohung. Erforderlich hierfür ist vielmehr, dass der Täter die Gefahr für Leib oder Leben deutlich in Aussicht stellt, sie also durch ein bestimmtes Verhalten genügend erkennbar macht, mithin die Nötigungslage durch ein im Urteil gesondert festzustellendes Verhalten aktualisiert aufrecht erhält (BGH, Beschlüsse vom 20. September 2016 - 3 StR 174/16, NStZ 2017, 92, 93 und vom 25. Februar 2014 - 4 StR 544/13, NStZ 2014, 269, 270 mit Anm. Krehl).

2. Nach diesen Maßstäben war hier eine versuchte räuberische Erpressung zu erörtern.

a) Derjenige Angeklagte, der dem Geschädigten B. ins Gesicht schlug, um ihn entweder zur Zahlung von 350 Euro oder zur Herausgabe des Rauschgifts zu bewegen, hat neben dem Tatbestand der Körperverletzung auch den Tatbestand der versuchten räuberischen Erpressung verwirklicht. Allerdings vermochte das Landgericht insoweit nicht festzustellen, welcher der beiden Angeklagten - unbemerkt und ohne vorherige Absprache mit seinem Mittäter - die Verletzungshandlung vorgenommen hat.

Beide Angeklagte haben jedoch - so das Landgericht im Rahmen seiner rechtlichen Bewertung - im Anschluss an die Körperverletzung des erkennbar gezeichneten B. die hierdurch konkludent bewirkte Bedrohung des Geschädigten in gewolltem Zusammenwirken aufrechterhalten und ausgenutzt, um diesen zur Beschaffung von Geld für das überlassene Marihuana zu motivieren. Damit läge für beide Angeklagte - was das Landgericht offenbar verkennt - eine versuchte räuberische Erpressung vor.

b) Der Senat sieht davon ab, in der Sache selbst zu entscheiden und - wie vom Generalbundesanwalt beantragt - den Schuldspruch zu berichtigen. Das Landgericht - das den Tatbestand der versuchten räuberischen Erpressung augenscheinlich nicht im Blick hatte - hat es nämlich versäumt, in den Urteilsgründen darzulegen, durch welches konkrete Verhalten beide Angeklagte die Gefahr erneuter Gewaltanwendung deutlich in Aussicht gestellt und erkennbar gemacht und damit die Nötigungslage aktualisiert aufrechterhalten haben. Entsprechende Ausführungen und Feststellungen zur Aktualisierung der Nötigungslage sind ungeachtet des engen inhaltlichen und zeitlichen Zusammenhangs zwischen vorangegangener - allerdings nur einem Täter zuzurechnender - Gewaltanwendung und - beiden Tätern zuzurechnender - Geldforderung hier auch nicht ausnahmsweise entbehrlich.

Die Sache bedarf deshalb insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung durch eine allgemeine Strafkammer, da sich das Verfahren im Umfang der Aufhebung nur noch gegen erwachsene Angeklagte richtet.

Der Senat hebt auch die zugehörigen Feststellungen auf, um dem neuen Tatrichter Gelegenheit zu geben, den Sachverhalt unter dem Gesichtspunkt einer versuchten räuberischen Erpressung umfassend aufzuklären.

Was eine aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht in Betracht kommende Strafbarkeit wegen erpresserischen Menschenraubs anbelangt - das Landgericht hatte einen entsprechenden rechtlichen Hinweis auf § 239a StGB erteilt - verweist der Senat auf die Zuschrift des Generalbundesanwalts.

Franke Appl Zeng Grube Schmidt

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