LAG Hamm, Urteil vom 22.11.2018 - 18 Sa 995/18
Fundstelle
openJur 2019, 27026
  • Rkr:
Verfahrensgang

1. § 2 Abs. 3 S. 4 der 2. PflegeArbbV vom 27.11.2014, die vom 01.01.2015 bis zum 31.10.2017 galt, lässt es zu, dass geleistete Bereitschaftsdienstzeiten nur teilweise als vergütungspflichtige Arbeitszeit bewertet werden. Das verstößt für den Zeitraum bis zum 31.12.2016 nicht gegen § 1 MiLoG. Rechtsverordnungen, die auf Grundlage von § 11 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes erlassen worden sind, gehen gem. § 24 Abs. 1 MiLoG (in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung) bis zum 31.12.2016 dem MiLoG auch dann vor, wenn der gesetzliche Mindestlohn unterschritten wird. Bei der 2. PflegeArbbV handelt es sich um eine solche Rechtsverordnung.

2. Ab dem 01.01.2017 gehen die Regelungen einer Rechtsverordnung, die auf der Grundlage von § 11 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes erlassen wurde, nur dann den Bestimmungen des MiLoG vor, wenn die Regelungen der Rechtsverordnung ein Entgelt in Höhe von mindestens 8,50 Euro brutto je Zeitstunde vorsehen (§ 24 Abs. 1 S.1, 2. Halbs. MiLoG in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung). Diese Voraussetzung erfüllt die 2. PflegeArbbV nicht, soweit die nur eingeschränkte Berücksichtigung von Bereitschaftsdienstzeiten dazu führt, dass der Mindestlohn von 8,50 Euro brutto unterschritten wird.

3. Zeitstunden leistet ein Arbeitnehmer im Rahmen von Bereitschaftsdienstzeiten auch dann, wenn er keine tatsächliche Arbeitsleistung erbringt (im Anschluss an BAG, Urteil vom 29.06.2016 - 5 AZR 716/15).Im Hinblick auf den Schutzzweck des Mindestlohngesetzes kann es keine Rolle spielen, ob eine Unterschreitung des gesetzlich vorgesehenen Mindestlohnstandards dadurch erfolgt, dass der Stundenlohn niedriger ist als gesetzlich vorgeschrieben, oder dadurch, dass die Gesamtzahl der geleisteten Stunden nicht in vollem Umfang bei der Entgeltfindung berücksichtigt wird.

4. Soweit der Mindestlohn von 8,50 Euro brutto je Zeitstunde durch die Anwendung des § 2 Abs. 3 S. 4 der 2. PflegeArbbV im Zeitraum ab dem 01.01.2017 unterschritten wird, ist ein Mindestlohn in Höhe von 8,84 Euro brutto zu zahlen. Wird die Mindestanforderung, die § 24 Abs. 1 S. 1, 2. Halbsatz MiLoG aufstellt, nicht erfüllt, so bleibt es dabei, dass eine Vergütung, die den Mindestlohn gemäß § 1 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 MiLoG unterschreitet, nicht wirksam vereinbart werden kann. Das folgt aus § 3 S. 1 MiLoG.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 09.08.2018 - 1 Ca 487/18 - abgeändert und wie folgt gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 854,83 € brutto nebst Zinsen i. H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 02.01.2018 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 85 % und der Beklagte zu 15 %.

Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche, die die Klägerin auf das Mindestlohngesetz stützen will.

Die Klägerin ist für den Beklagten als Altenpflegehelferin in einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft tätig. Die Parteien schlossen unter dem 01.10.2015 einen Dienstvertrag. Dort heißt es unter anderem:

§ 1

Die Mitarbeiterin wird ab 01.10.2016 als Alltagsbegleiterin in der Nachtwache eingestellt. (...)

§ 2

Die "Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse" ist Bestandteil dieses Vertrages. Für das Dienstverhältnis gelten die "Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes" (AVR) in ihrer jeweils geltenden Fassung. (...)

§ 4

a) Frau F ist teilzeitbeschäftigt mit bis zu 7 Nachtwachen (20.00 - 7.00 Uhr) im Monat. Die Nachtwachen sind nach Vorgabe der Einsatzleitung zu erbringen und werden aus Bereitschaftszeit und Arbeitszeit bewertet.

b) Sie ist in Anwendung des Abschnitts I der Anlage 1 zu den AVR in Vergütungsgruppe 11 eingruppiert. Die auszuübende Tätigkeit entspricht derzeit dem Tätigkeitsmerkmal der Ziffer 1 der obigen Vergütungsgruppe. Die Zusammensetzung der Vergütung und deren Fälligkeit ergeben sich aus Anlage 22 der AVR.

In den Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) ist im allgemeinen Teil unter anderem folgendes geregelt:

§ 9a Arbeitszeit

Die Arbeitszeit aller Mitarbeiter bestimmt sich nach den Arbeitszeitreglungen der Anlagen 5, 30, 31, 32, 33 zu den AVR. (...)

§ 23 Ausschlussfrist

(1) Ansprüche aus dem Dienstverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von 6 Monaten nach Fälligkeit vom Mitarbeiter oder vom Dienstgeber in Textform geltend gemacht werden, soweit die AVR nichts anderes bestimmen. Die Frist nach Satz 1 gilt nicht für unabdingbare Ansprüche nach dem Mindestlohngesetz oder nach zwingenden Rechtsverordnungen auf Grundlage des Arbeitnehmerentsendegesetzes.

In der Anlage 5 zu den AVR heißt es unter anderem:

§ 1 Arbeitszeit, Ruhepausen, Ruhezeiten

(1) Die regelmäßige Arbeitszeit der Mitarbeiter beträgt durchschnittlich 39 Stunden in der Woche. (...)

§ 1 b Arbeitszeitverkürzung durch freie Tage

(1) Der Mitarbeiter wird in jedem Kalenderjahr an einem Arbeitstag (...) von der Arbeit freigestellt. Für die Zeit der Freistellung erhält der Mitarbeiter die Dienstbezüge (...) und die in Monatsbeträgen festgelegten Zulagen fortgezahlt. (...)

§ 7 Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft

(1) Auf Anordnung des Dienstgebers haben voll- und teilzeitbeschäftigte Mitarbeiter außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit Dienstleistungen in Form des Bereitschaftsdienstes oder der Rufbereitschaft zu erbringen. (...)

(2) Bei Bereitschaftsdiensten ist der Mitarbeiter verpflichtet, sich außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Dienstgeber bestimmten Stelle aufzuhalten, um im Bedarfsfalle die Arbeit aufzunehmen. (...)

§ 8 Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft in Krankenhäusern und Heimen

(1) Abweichend von § 7 gilt diese Bestimmung für Mitarbeiter in (...)

d) Einrichtungen und Heimen, die der Förderung der Gesundheit, der Erziehung, Fürsorge oder Betreuung von Kindern und Jugendlichen, der Fürsorge oder Betreuung von Obdachlosen, Alten, Gebrechlichen, Erwerbsbeschränkten oder sonstigen hilfsbedürftigen Personen dienen, auch wenn diese Einrichtungen nicht der ärztlichen Behandlung der betreuten Personen dienen.

(2) Bereitschaftsdienst leisten Mitarbeiter, die sich auf Anordnung des Dienstgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Dienstgeber bestimmten Stelle aufhalten, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen. (...)

§ 9 Bereitschaftsdienst- und Rufbereitschaftsentgelt in Krankenhäusern und Heimen

(2) Zum Zwecke der Vergütungsberechnung der unter § 8 Abs. 1 Buchstabe (d) fallenden Mitarbeiter wird die Zeit des Bereitschaftsdienstes einschließlich der geleisteten Arbeit mit 25 v. H. als Arbeitszeit bewertet. Leistet der Mitarbeiter in einem Kalendermonat mehr als 8 Bereitschaftsdienste, wird die Zeit eines jeden über 8 Bereitschaftsdienste hinausgehenden Bereitschaftsdienstes zusätzlich mit 15 v. H. als Arbeitszeit gewertet.

(2 a) Zusätzlich zu Abs. 1 und Abs. 2 wird die Zeit des Bereitschaftsdienstes einschließlich der geleisteten Arbeit in der Zeit von 20.00 - 6.00 Uhr mit einem Zuschlag in Höhe von 15 v. H. der Stundenvergütung nach § 2 der Anlage 6 a zu den AVR vergütet.

(3) Für die nach Absatz 1 und Absatz 2 errechnete Arbeitszeit wird die Überstundenvergütung nach § 1 Abs. 3 Unterabsatz 2 der Anlage 6 a zu den AVR bezahlt.

Für die Zeit des Bereitschaftsdienstes einschließlich der geleisteten Arbeit und für die Zeit der Rufbereitschaft werden Zeitzuschläge nicht gezahlt.

Die Klägerin wird seit dem Antritt ihres Dienstes im Oktober 2015 nur im Rahmen von Nachtdiensten in der Wohngemeinschaft "D" eingesetzt. Darüber hinaus wird sie gelegentlich zu internen Fortbildungen und Dienstbesprechungen herangezogen.

Die Aufgabe der Mitarbeiter in der Nachtwache besteht darin, auf eine etwaige Hilfeanforderung zu reagieren, die unerwartet nachts auftreten könnte. Hierbei kann es sich z. B. um eine Begleitung zu einem Toilettenbesuch oder gegebenenfalls das Beruhigen eines Patienten, der schlecht schläft, handeln. In den Wohngemeinschaften wird die Grund- und Behandlungspflege durch einen gesondert mit Pflegefachkräften vorgehaltenen Bereitschaftsdienst gewährleistet. Derartige Tätigkeiten erbringt die Klägerin nicht.

Der Beklagte richtete 2015 folgendes Schreiben an die Mitarbeiter in ambulant betreuten Wohngemeinschaften:

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Bei der Umstellung der Nachtdienste in der WG Qstraße auf das allgemein übliche Verfahren in ambulant betreuten Wohngemeinschaften ist aufgefallen, dass die alte, langjährige Regelung nicht mehr AVR konform ist.

Daher gilt folgende neue Regelung:

Ausschließlich Einsatz von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die nach Anlage 22 AVR eingruppiert sind!!!

Berechnung der Stunden:

20.00 - 21.00 Uhr Arbeitszeit 1,0 Stunde

21.01 - 5.45 Uhr Bereitschaftsdienst 8,750 Stunden x 25 %

= 2,188 Stunden

5.45 - 7.00 Uhr Arbeitszeit 1,25 Stunden

SUMME pro Nacht 4,438 Stunden

4,438 Std. AVR Anlage 22

1,650 Std. AVR Anlage 22 (Zuschlag 15 % lt. Anlage

5 AVR

Abzüglich pausch. Lohnsteuer; keine Nachtzuschläge.

Vergütung pro Nacht: 63,07 €

Die neue Regelung gilt ab 01.10.2015.

Der Beklagte erstellte für die Klägerin "Einzelabrechnungen", aus denen sich ihre monatlichen Einsatzzeiten ergeben. Ausweislich der "Einzelabrechnungen", die die Klägerin mit der Klageschrift zu den Gerichtsakten gereicht hat, wurden die Nachtdienste in der Zeit von 20.00 bis 7.00 Uhr des Folgetages im Zeitraum ab Januar 2016 mit dem Faktor 5,75 und im Zeitraum ab Januar 2017 mit dem Faktor 6,3 berücksichtigt.

In der zweiten Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche vom 27.11.2014 (2. PflegeArbbV) ist unter anderem folgendes bestimmt:

§ 1 Geltungsbereich

(1) Diese Verordnung gilt für Pflegebetriebe. Dies sind Betriebe und selbstständige Betriebsabteilungen, die überwiegend

ambulante, teilstationäre oder stationäre Pflegeleistungen oder ambulante Krankenpflegeleistungen für Pflegebedürftige

erbringen. (...)

(2) Diese Verordnung gilt für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. (...)

§ 2 Mindestentgelt

(1) Das Mindestentgelt beträgt im Gebiet der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein

- ab dem 1. Januar 2015: 9,40 Euro je Stunde,

- ab dem 1. Januar 2016: 9,75 Euro je Stunde,

- ab dem 1. Januar 2017: 10,20 Euro je Stunde. (...)

(3) Das nach Absatz 1 maßgebliche Mindestentgelt ist für Zeiten des Bereitschaftsdienstes gemäß nachstehender Grundsätze zu zahlen. Bereitschaftsdienste im Sinne dieser Verordnung leisten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufhalten, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen, wenn zu erwarten ist, dass zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber die Zeit ohne Arbeitsleistung mindestens 75 Prozent beträgt. Sie sind im Dienstplan zu hinterlegen. Zum Zwecke der Entgeltberechnung kann die Zeit des Bereitschaftsdienstes einschließlich der geleisteten Arbeit auf der Grundlage einer kollektivrechtlichen oder einer schriftlichen einzelvertraglichen Regelung mit mindestens 25 Prozent als Arbeitszeit bewertet werden. Leistet die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer in einem Kalendermonat mehr als acht Bereitschaftsdienste, so ist die Zeit eines jeden über acht Bereitschaftsdienste hinausgehenden Bereitschaftsdienstes zusätzlich mit mindestens 15 Prozent als Arbeitszeit zu bewerten. Umfasst die Arbeitsleistung innerhalb des Bereitschaftsdienstes mehr als 25 Prozent, ist die darüber hinausgehende Arbeitsleistung zusätzlich mit dem Mindestentgelt nach Absatz 1 zu vergüten.

(4) Von dieser Verordnung nicht erfasst werden Zeiten der Rufbereitschaft. Rufbereitschaft im Sinne dieser Verordnung leisten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer dem Arbeitgeber anzuzeigenden Stelle aufhalten, um auf Abruf die Arbeit aufzunehmen. (...)

§ 4 Ausschlussfrist

Die Ansprüche auf das Mindestentgelt verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwölf Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.

§ 5 Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Diese Verordnung tritt am 1. Januar 2015 in Kraft und am 31. Oktober 2017 außer Kraft.

Mit ihrer Klage, die am 05.04.2018 bei dem Arbeitsgericht eingegangen ist, hat die Klägerin für den Zeitraum von Oktober 2015 bis Dezember 2017 zusätzliche Vergütungszahlung eingefordert. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, die gesamte Zeit des Nachtdienstes mit dem Mindestlohn zu vergüten. Ausgehend von dieser Rechtsauffassung hat die Klägerin ihre Ansprüche folgendermaßen berechnet:

Für den Zeitraum von Oktober bis Dezember 2015 seien insgesamt 240 Stunden zu vergüten. Dabei hat die Klägerin sowohl die Nachtdienste (17 x 11 Stunden) als auch 12 Urlaubstage (49,44 Stunden), einen halben Tag Freizeitausgleich (2,06 Stunden) sowie Fortbildung (1,5 Stunden) berücksichtigt. Auf die sich ergebende Gesamtforderung in Höhe von 2.040,-- Euro (240 Stunden x 8,50 Euro Mindestlohn) will sich die Klägerin erhaltene Entgeltzahlungen in Höhe von 1.013,32 Euro anrechnen lassen. Sie fordert eine Nachzahlung in Höhe von 1.026,68 Euro.

Für den Zeitraum von Januar bis Dezember 2016 sind nach Auffassung der Klägerin insgesamt 913,31 Stunden zu vergüten. Dabei hat die Klägerin die geleisteten Nachtdienste (67 x 11 Stunden), Urlaub (36 Tage x 4,12 Stunden = 148,32 Stunden), allgemeinen Freizeitausgleich (4,12 Stunden) sowie "sonstige Stunden", insbesondere Dienstbesprechungen und Fortbildungen (19,75 Stunden) berücksichtigt. Auf die Vergütungsansprüche in Höhe von 7.763,14 Euro (913,31 Stunden x 8,50 Euro) will sich die Klägerin erhaltene Entgeltzahlungen in Höhe von 3.722,-- Euro anrechnen lassen. Sie fordert eine Nachzahlung in Höhe von 4.041,14 Euro.

Für den Zeitraum von Januar bis Dezember 2017 hat die Klägerin Vergütung für insgesamt 1.133,26 Stunden gefordert. Dabei hat sie geleistete Nachtdienste (24 x 11 Stunden = 924 Stunden), Urlaub (36 Tage x 4,12 Stunden = 148,32 Stunden), allgemeinen Freizeitausgleich (4,12 Stunden), Arbeitsunfähigkeit (41,2 Stunden) sowie "sonstige Stunden", insbesondere Dienstbesprechungen und Fortbildungen (11,5 Stunden) berücksichtigt. Auf die Gesamtforderung in Höhe von 10.018,02 Euro (1.133,26 Stunden x 8,84 Euro) will sich die Klägerin geleistete Zahlungen in Höhe von 8.661,43 Euro anrechnen lassen. Sie fordert eine Nachzahlung in Höhe von 1.356,89 Euro.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der allgemeine Freizeitausgleich müsse nicht wie Urlaub tatsächlich genommen werden, da er vom Beklagten als zusätzlich entlohnter Tag gebucht werde. Die Fortbildungszeiten seien jedenfalls dann zu vergüten, wenn sie, wie die in der Klageforderung enthaltenen Fortbildungen, in die Einzelabrechnungen des Beklagten aufgenommen worden seien.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 6.433,71 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1.035,68 Euro seit dem 01.01.2016, aus 4.041,14 Euro seit dem 01.01.2017 und aus 1.356,89 Euro seit dem 01.01.2018 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Klägerin stünden keine weiteren Ansprüche auf Vergütungszahlung zu. Die Nachtdienste, die die Klägerin geleistet habe, seien nicht in vollem Umfang als vergütungspflichtige Arbeitszeiten zu bewerten.

Im Hinblick auf die Nachtdienste sei die Beklagte wie folgt verfahren: Die Zeit von 20.00 bis 21.00 Uhr und die Zeit von 5.45 bis 7.00 Uhr am Folgetag sei als reguläre Arbeitszeit berücksichtigt und vergütet worden (2,25 Stunden). Die Zeit von 21.00 - 0.45 Uhr des Folgetages sei als Bereitschaftsdienst bewertet worden, da die Klägerin sich während des Nachtdienstes in der Einrichtung habe aufhalten müssen (was zwischen den Parteien unstreitig ist), jedoch nur im Bedarfsfall eine Arbeitsleistung zu erbringen gewesen sei. Der Beklagte habe richtigerweise die Zeit des Bereitschaftsdienstes mit 4,05 vergütungspflichtigen Stunden bewertet. Dies entspreche den Vorgaben aus § 9 der Anlage 5 zu den AVR-Caritas. Die Bereitschaftsdienstzeit von 8,75 Stunden sei zu 25 % (2,51 Stunden) als Arbeitszeit zu bewerten, darüber hinaus sei der Nachtzuschlag in Höhe von 15 % (1,31 Stunden) sowie ein Überstundenzuschlag von 25 % aus 2,19 Stunden (0,55 Stunden) in Ansatz zu bringen. Der Klägerin stehe mithin für jeden geleisteten Nachtdienst ein Anspruch auf Vergütung für 6,3 Stunden zu. Dieser Vergütungsanspruch sei unter Zugrundelegung eines Stundenentgelts in Höhe von 10,86 Euro erfüllt worden. Die Vorgaben der 2. Pflegearbeitsbedingungen-Verordnung seien damit überschritten worden. Nach dieser Verordnung stünden der Klägerin für jeden Nachtdienst lediglich 45,26 Euro zu, nämlich Vergütung für die regulär geleistete Arbeit in Höhe von 22,95 Euro (2,25 Stunden x 10,20 Euro) und in Höhe von 22,31 Euro für die Zeiten des Bereitschaftsdienstes (8,75 Stunden x 25 % x 10,20 Euro). Tatsächlich habe die Klägerin aber für jeden Nachtdienst 68,42 Euro erhalten.

Aus dem Mindestlohngesetz könne die Klägerin keine weiteren Ansprüche herleiten, da die Regelungen des Arbeitnehmerentsendegesetzes und der auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen den Regelungen des Mindestlohngesetzes vorgehen. Das folge aus § 1 Abs. 3 MiLoG.

Der Beklagte hat behauptet, die Klägerin habe für das Jahr 2016 eine Vergütung in Höhe von insgesamt 4.989,89 Euro und für das Jahr 2017 in Höhe von 8.661,63 Euro erhalten. Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Klägerin könne für 2015 keine Urlaubstage für die Berechnung der Klageforderung und auch keinen AZV-Tag in Ansatz bringen. Ihre Ansprüche seien verfallen, weil sie (dies ist zwischen den Parteien unstreitig) weder Urlaub noch Arbeitszeitverkürzung in Anspruch genommen habe. Im Jahr 2016 seien nur 9,5 Stunden für Fortbildung zu berücksichtigen. Insoweit handele es sich um Pflichtfortbildung, während die übrigen von der Klägerin in Ansatz gebrachten Fortbildungsstunden auf nicht angeordneten Fortbildungsmaßnahmen beruhten. Im Jahr 2017 habe die Klägerin ihren vollen Urlaub genommen, insoweit seien jedoch nur 61,2 Stunden zu berücksichtigen. Die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit im Jahr 2017 (7 Tage) seien lediglich mit 11,9 Stunden zu berücksichtigen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Zeiten der Bereitschaftsdienste seien lediglich zu 25 % als vergütungspflichtige Arbeitszeit zu bewerten. Das ergebe sich aus § 9 der Anlage 5 zu den AVR und sei zumindest im Rahmen der 2. Pflegearbeitsbedingungsverordnung zulässig. Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 MiLoG seien die Bestimmungen der 2. Pflegearbeitsbedingungsverordnung vorrangig gegenüber § 1 MiLoG.

Das erstinstanzliche Urteil ist der Klägerin am 06.09.2018 zugestellt worden. Die Klägerin hat mit einem Schriftsatz, der am 19.09.2018 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen ist, Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung mit einem am 28.09.2018 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Klägerin meint, gemäß § 1 Abs. 3 MiLoG dürfe der Branchenmindestlohn nach nur bis zur Untergrenze des gesetzlichen Mindestlohns reduziert werden. Der Bereitschaftsdienst sei als volle Arbeitszeit zu bewerten und nach § 1 MiLoG zu vergüten. Soweit das Arbeitsgericht die Auffassung vertrete, § 2 Abs. 3 2. PflegeArbbV erlaube es, Bereitschaftsdienstzeiten nicht als volle Arbeitszeit zu bewerten und zu vergüten, werde verkannt, dass die Klägerin gar keine Arbeitsdienste "außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit", sondern Arbeiten während der regelmäßigen Arbeitszeit verrichtet habe. Das ergebe sich aus § 1 der Anlage 5 der AVR, wonach die Arbeitszeit auf den Zeitraum von Montag 0.00 Uhr bis Sonntag 24.00 Uhr zu verteilen sei. Zudem habe der Beklagte Vorgaben aus § 2 2. PflegeArbbV nicht erfüllt. Er habe Arbeiten "außerhalb der regelmäßigen Dienstzeit" nicht im Dienstplan kenntlich gemacht. Er habe die über acht Bereitschaftsdienste hinausgehenden Bereitschaftsdienste, die die Klägerin in den Monaten August und Oktober 2016 sowie im Januar und Juni 2017 geleistet habe, nicht zusätzlich mit mindestens 15 % als Arbeitszeit vergütet. Die Beklagte habe auch nichts zur Verfügung gestellt, um die Arbeitsleistung während der als Bereitschaftsdienst bezeichneten Schichten festzuhalten, obgleich § 2 Abs. 3 S. 6 2. PflegeArbbV anordne, dass, sofern die Arbeitsleistung innerhalb des Bereitschaftsdienstes mehr als 25 % betrage, die darüber hinausgehende Arbeitsleistung zusätzlich mit dem Mindestentgelt nach Absatz 1 zu vergüten sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 09.08.2018 - 1 Ca 487/18 - abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 6.433,71 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1.035,68 Euro seit dem 01.01.2016, aus 4.041,14 Euro seit dem 01.01.2017 und aus 1.356,89 Euro seit dem 01.01.2018 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hält die Berufung für unzulässig, da die Klägerin das Rechtsmittel nicht ordnungsgemäß begründet habe. Der Beklagte verteidigt zudem das erstinstanzliche Urteil als zutreffend. Das Arbeitsgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass die Vergütung, die der Beklagte der Klägerin für geleistete Bereitschaftsdienste gezahlt habe, den Vorgaben aus § 2 Abs. 3 2. PflegeArbbV entspreche. Die Klägerin habe die Bereitschaftszeiten während des Nachtdienstes "außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit" geleistet. Das ergebe sich aus § 7 Abs. 2 der Anlage 5 zu den AVR. Die Zeiten seien im Dienstplan hinterlegt gewesen, aufgrund dessen die Einzelabrechnungen erstellt worden seien, auf die die Klägerin ihre Klageforderung stütze. Eine zusätzliche Vergütung für Monate, in denen sie mehr als acht Bereitschaftsdienste geleistet habe, könne die Klägerin nicht gemäß § 9 Abs. 2 S. 2 der Anlage 5 zu den AVR verlangen. Ihre Ansprüche seien insoweit verfallen. Die Klägerin könne sich auch nicht darauf berufen, sie habe während der Bereitschaftsdienste Arbeitsleistungen von mehr als 25 % erbracht. Insoweit fehle es an weiteren Darlegungen. Der Beklagte behauptet, eine stichprobenartige Erhebung, die auf Veranlassung der Mitarbeitervertretung im Juli 2017 durchgeführt worden sei, habe ergeben, dass die Mitarbeiter bezogen auf einen 8,75 Stunden dauernden Gesamteinsatz im Bereitschaftsdienst durchschnittlich 55 Minuten Arbeitsleistungen erbrachten.

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung der Klägerin ist zulässig.

Die Klägerin hat die Berufung form- und fristgerecht gemäß § 66 Abs. 1 ArbGG eingelegt und begründet. Entgegen der Auffassung des Beklagten genügt die Berufungsbegründung den Anforderungen, die § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO stellt. Die Klägerin zeigt in der Berufungsbegründung die Umstände auf, aus denen sich eine Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Das Arbeitsgericht hat die Entscheidung darauf gestützt, dass die Bestimmungen der 2. PflegeArbbV dem Mindestlohngesetz vorgingen. Das stellt die Klägerin in der Berufungsbegründung grundsätzlich in Abrede. Sie vertritt zudem die Auffassung, die Voraussetzungen für eine nur anteilige Berücksichtigung der Bereitschaftszeiten nach § 2 Abs. 3 2. PflegeArbbV seien nicht erfüllt. Träfe dies zu, wäre das arbeitsgerichtliche Urteil abzuändern.

II

Die Berufung der Klägerin hat in der Sache teilweise Erfolg.

1. Der Klägerin stehen keine Ansprüche auf weitere Vergütungszahlungen für die Jahre 2015 und 2016 zu.

a) Zahlungsansprüche der Klägerin ergeben sich nicht aus § 1 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 MiLoG.

aa) Die Ansprüche der Klägerin richten sich für diesen Zeitraum nicht nach dem Mindestlohngesetz, sondern nach den Bestimmungen der 2. Pflegearbeitsbedingungenverordnung.

Das folgt aus § 24 Abs. 1 S. 2 MiLoG (in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung). Diese Vorschrift bestimmt, dass Rechtsverordnungen, die auf Grundlage von § 11 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes erlassen worden sind, bis zum 31.12.2017 dem Mindestlohn vorgehen. Bei der 2. Pflegearbeitsbedingungenverordnung handelt es sich um eine solche Rechtsverordnung. Sie ist vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales aufgrund von § 11 AEntG erlassen worden und galt vom 01.01.2015 bis zum 31.10.2017.

Der Anwendungsvorrang der 2. Pflegearbeitsbedingungenverordnung gegenüber § 1 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 MiLoG gilt bis zum 31.12.2016 unabhängig davon, ob der gesetzliche Mindestlohn unterschritten wird. Das folgt aus § 24 Abs. 1 S. 1 MiLoG (in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung): Die Vorschrift sieht erst ab dem 01.01.2017 eine Einschränkung des Geltungsvorrangs vor. Ab dem 01.01.2017 sind Rechtsverordnungen auf der Grundlage von § 11 AEntG nur noch dann vorrangig, wenn sie ein Entgelt in Höhe von mindestens 8,50 Euro brutto je Zeitstunde vorsehen. Die Vorschrift des § 24 Abs. 1 MiLoG stellt insoweit eine Spezialregelung gegenüber § 1 Abs. 3 MiLoG dar. Das ergibt sich aus dem Wortlaut, der systematischen Stellung und dem Sinn von § 24 Abs. 1 MiLoG. Bei § 24 Abs. 1 MiLoG handelt es sich um eine Übergangsregelung (Lembke, NZA 2016, 1, 3), die es ermöglichen soll, dass die bisherigen Branchenmindestlöhne schrittweise an den gesetzlichen Mindestlohn herangeführt werden können (Franzen, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15. Aufl. 2015, § 24 MiLoG Rdnr. 1; Vogelsang, in: Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 17. Aufl. 2017, § 66 Rdnr. 11).

bb) Nach den Bestimmungen der 2. Pflegearbeitsbedingungenverordnung ist es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte die geleisteten Bereitschaftsdienstzeiten nicht in vollem Umfang, sondern nur anteilig vergütete.

(1) Die Bestimmungen der 2. Pflegearbeitsbedingungenverordnung finden auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.

(a) Die Einrichtung des Beklagten ist vom betrieblichen Geltungsbereich (§ 1 Abs. 1 2. PflegeArbbV) erfasst.

Bei der Einrichtung, in der die Klägerin tätig ist, handelt es sich um einen Pflegebetrieb. Der Beklagte erbringt ambulante Pflegeleistungen. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Bewohner der Wohngruppe Leistungen der Grund- und Behandlungspflege erhalten.

(b) Auch der persönliche Anwendungsbereich der 2. Pflegearbeitsbedingungenverordnung ist eröffnet.

Gemäß § 1 Abs. 2 S. 1 2. PflegeArbbV gilt die Verordnung für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Dabei spielt es keine Rolle, dass die Klägerin keine Leistungen der Grund- und Behandlungspflege für die Bewohner der Wohngruppe erbringt. Nach dem Arbeitsvertrag, den die Parteien unter dem 01.10.2015 abschlossen, ist die Klägerin als Alltagsbegleiterin eingestellt worden. Auf Alltagsbegleiterinnen und -begleiter ist die 2. Pflegearbeitsbedingungenverordnung aber aufgrund ausdrücklicher Anordnung in § 1 Abs. 4 Nr. 1 2. PflegeArbbV anwendbar, soweit sie in nicht unerheblichem Umfang gemeinsam mit Bewohnerinnen und Bewohnern Tage strukturierend, aktivierend, betreuend oder pflegend tätig werden. Eine in dem Sinne betreuende Tätigkeit, die dem Berufsbild entspricht, übt die Klägerin während der Nachtdienste aus.

(2) Nach § 2 Abs. 3 S. 3 2. PflegeArbbV war der Beklagte befugt, die Zeiten des Bereitschaftsdienstes, den die Klägerin leistete, nur anteilig als vergütungspflichtige Arbeitszeit zu bewerten.

(a) Die Klägerin leistete Bereitschaftsdienst im Sinne des § 2 Abs. 3 S. 2 2. PflegeArbbV.

(aa) Die Klägerin hatte sich auf Anordnung des Arbeitgebers an einer von ihm bestimmten Stelle aufzuhalten, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen.

Die Klägerin musste sich auf Weisung des Beklagten in der Einrichtung aufhalten, in der sie die Nachtdienste versah. Im Bedarfsfall hatte sie die Arbeit aufzunehmen, um auf eine etwaige Hilfeanforderung zu reagieren. Weil die Klägerin ihren Aufenthaltsort während der Nachtdienste dem Beklagten nicht nur anzuzeigen hatte, sondern der Beklagte ihren Aufenthaltsort bestimmte, liegt keine Rufbereitschaft i. S. d. § 2 Abs. 4 2. PflegeArbbV vor.

(bb) Es war zu erwarten, dass während der Nachtdienste, die die Klägerin versah, zwar Arbeit anfiel, dass aber die Zeit ohne Arbeitsleistung mindestens 75 % beträgt.

Die Klägerin hatte während der Nachtdienste nur auf Hilfeanforderungen zu reagieren. Sonstige Tätigkeiten im nennenswerten Umfang waren nicht zu verrichten. Dem Vorbringen der Parteien ist nicht zu entnehmen, dass die Klägerin während der Bereitschaftsdienste mit anderen regelmäßig wiederkehrenden Tätigkeiten betraut war.

Es war davon auszugehen, dass die Bereitschaftsdienstzeiten der Klägerin zu mindestens 75 % aus Zeiten ohne Arbeitsleistung bestehen. Das muss gemäß § 138 Abs. 2, Abs. 3 ZPO im Ergebnis als zwischen den Parteien unstreitig gelten. Der Beklagte hat vorgetragen, dass die Besonderheit der ambulant betreuten Wohngemeinschaft, in der die Klägerin die Bereitschaftsdienste versah, darin bestehe, dass die Bewohner ihr Leben selbstbestimmt führen und nur bei Bedarf unterstützt werden. Die Tätigkeit der Mitarbeiter der Beklagten richte sich darauf, die Bewohner zur Eigenständigkeit zu motivieren, und zwar unter Berücksichtigung der vorhandenen Ressourcen. Aus diesem Vorbringen, dem die Klägerin nicht entgegengetreten ist, ergibt sich, dass die Bewohner der Wohngemeinschaft keine schwer pflegebedürftigen und hilflosen Personen sind. Vor diesem Hintergrund ist von vornherein nicht mit einer großen Zahl nächtlicher Hilferufe zu rechnen. Der Beklagte hat überdies vorgetragen, dass im Juli 2017 eine Erhebung durchgeführt und festgestellt worden sei, dass der Arbeitsanteil - bezogen auf einen Bereitschaftsdienst von 8,75 Stunden - lediglich 55 Minuten im Durchschnitt betragen habe. Das unterschreitet die Grenze von 25 % zu erbringender Arbeitsleistung aus § 2 Abs. 3 S. 2 2. PflegeArbbV deutlich. Die Klägerin hat dies zwar bestritten, sie hat jedoch ihrerseits nicht dargelegt, dass von einem höheren Anteil tatsächlich zu erbringender Arbeitsleistungen während der Bereitschaftsdienste auszugehen war. Insbesondere hat die Klägerin nicht, obwohl ihr dies ohne weiteres aus eigener Anschauung möglich gewesen wäre, Näheres dazu vorgetragen, welche tatsächlichen Arbeitsleistungen sie in der Vergangenheit während der Bereitschaftsdienste zu erbringen hatte. Sie hat lediglich vorgebracht, dass "die tatsächlichen Arbeitszeiten wesentlich höher lagen und liegen". Die Klägerin trägt aber noch nicht einmal vor, in welchem Verhältnis die tatsächlich von ihr erbrachte Arbeitsleistung zu den Ergebnissen der Erhebung steht. Selbst wenn ihre Arbeitsleistung doppelt so hoch gewesen sein sollte, wäre die Grenze aus § 2 Abs. 2 S. 2 2. PflegeArbbV nicht überschritten. Soweit die Klägerin in der Berufungsinstanz vorgebracht hat, sie sei "für einheitlich in der Zeit zwischen 20.00 Uhr und 7.00 Uhr im Bereitschaftsdienst wahrzunehmende Nachtwachen eingestellt worden" und es habe keine Unterteilung oder Strukturierung der Dienstzeit in dem Sinne gegeben, dass besondere Vollarbeitszeiten zu bestimmten Zeiten hätten ausgeübt werden müssen, ist dies unbehelflich. Die Klägerin erhielt unstreitig eine Vergütung in Höhe des vertraglich geschuldeten Stundenentgelts für die Zeiten von 20.00 Uhr bis 21.00 Uhr und von 5.45 Uhr bis 7.00 Uhr des Folgetages. Diese Zeiten wurden als reguläre Arbeitszeiten berücksichtigt und vergütet. Die Frage, ob der Beklagte befugt war, bestimmte Arbeitszeiten als Bereitschaftsdienstzeiten nicht voll umfänglich, sondern nur anteilig zu vergüten, stellt sich nur im Hinblick auf den Zeitraum zwischen 21.00 Uhr und 5.45 Uhr des Folgetages. Dieser Zeitraum umfasst 8,75 Stunden und ist für die Beurteilung nach § 2 Abs. 3 S. 2 und 3 2. PflegeArbbV maßgeblich, weil nur insoweit eine geringere Bewertung der geleisteten Arbeitszeit durch den Beklagten erfolgte.

(cc) Bei den Bereitschaftsdienstzeiten der Klägerin handelt es sich um Zeiten "außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit" im Sinne des § 2 Abs. 3 S. 2 2. PflegeArbbV.

Mit der Formulierung "außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit" wird kein bestimmter Aspekt zur zeitlichen Lage des Bereitschaftsdienstes angesprochen; vielmehr mit dem Wort "außerhalb" lediglich zum Ausdruck gebracht, dass während des Bereitschaftsdienstes nicht die volle Arbeitsleistung - wie in der regelmäßigen Arbeitszeit - erbracht werden muss (LAG Hamm, Urteil vom 22.11.2017 - 3 Sa 1094/17). Das Bundesarbeitsgericht hat insbesondere zu Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes bereits ausgeführt, die Formulierung "außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit" gehe auf das frühere Verständnis des Bereitschaftsdienstes als Ruhezeit zurück; mit dieser Formulierung sei verdeutlicht worden, dass Bereitschaftsdienst nicht als regelmäßige Arbeitszeit betrachtet worden sei (BAG, Urteil vom 20.01.2016 - 6 AZR 742/14). Das entspricht dem Begriffsverständnis der AVR, die gemäß § 2 des Arbeitsvertrages vom 01.10.2015 auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden. In § 7 Abs. 2 der Anlage 5 zu den AVR-Caritas ist bestimmt, dass Bereitschaftsdienste (stets) außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit zu verrichten sind.

Eine andere Betrachtungsweise wäre mit Sinn und Zweck des § 2 Abs. 3 S. 2 2. PflegeArbbV nicht vereinbar. Für die Interpretation dieser Vorschrift ist der Regelungszusammenhang mit § 2 Abs. 3 S. 3 2. PflegeArbbV zu berücksichtigen. Im Hinblick auf Bereitschaftsdienstzeiten gestattet die Verordnung dem Arbeitgeber, Arbeitszeiten nicht in vollem Umfang zu vergüten. Dieses Privileg knüpft die Verordnung daran, dass der Arbeitnehmer während der Bereitschaftszeit auch überwiegend (mindestens 75 %) keine Arbeitsleistung erbringen muss. Damit soll den Besonderheiten in Betreuungseinrichtungen Rechnung getragen werden. Insoweit kann es aber keine Rolle spielen, ob der Arbeitnehmer zusätzlich zu regulärer Arbeit Bereitschaftsdienste verrichtet oder ob er - wie die Klägerin - allein im Rahmen von Bereitschaftsdiensten eingesetzt wird. Das Begriffsverständnis der Klägerin, wonach Bereitschaftsdienste außerhalb der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit durchzuführen wären, führte demgegenüber zu absurden Konsequenzen. Nach § 1 Abs. 8 S. 1 und 2 der Anlage 5 zu den AVR ist die wöchentliche Arbeitszeit im Zeitraum von Montag 0.00 Uhr bis Sonntag 24.00 Uhr zu verteilen. Wären Bereitschaftszeiten nur außerhalb dieses Zeitraums möglich, könnte überhaupt kein Bereitschaftsdienst mehr stattfinden, der gemäß § 2 Abs. 3 S. 4 2. PflegeArbbV nur eingeschränkt als Arbeitszeit zu bewerten ist.

(b) Nach § 2 Abs. 3 S. 4 2. PflegeArbbV ist es für eine nur teilweise Bewertung geleisteter Bereitschaftsdienstzeiten als vergütungspflichtige Arbeitszeit erforderlich, dass diese Bewertung aufgrund einer kollektivrechtlichen oder schriftlichen einzelvertraglichen Regelung erfolgt und dass mindestens 25 % der Bereitschaftsdienstzeit als Arbeitszeit bewertet werden.

Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Die Parteien haben eine entsprechende einzelvertragliche Abrede getroffen. § 2 des Arbeitsvertrages vom 01.10.2015 nimmt Bezug auf die AVR. § 7 Abs. 5 der Anlage 5 zu den AVR bestimmt, dass zum Zwecke der Vergütungsberechnung die Zeit des Bereitschaftsdienstes mit 25 v. H. als Arbeitszeit vergütet wird.

(c) Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die Vorschriften des § 2 Abs. 3 S. 3, S. 5 und S. 6 2. PflegeArbbV nicht Voraussetzung für eine nur eingeschränkte Bewertung des Bereitschaftsdienstes als vergütungspflichtige Arbeitszeit gemäß § 2 Abs. 3 S. 4 2. PflegeArbbV.

Das ergibt sich aus der Regelungssystematik des § 2 Abs. 3 2. PflegeArbbV. Grundlage für eine nur eingeschränkte Bewertung des Bereitschaftsdienstes als vergütungspflichtige Arbeitszeit ist allein § 2 Abs. 3 S. 4 2. PflegeArbbV. Diese Vorschrift ist in sich abgeschlossen.

In § 2 Abs. 3 S. 5 und S. 6 2. PflegeArbbV sind zusätzliche Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers geregelt, falls er mehr als 8 Bereitschaftsdienste monatlich leistet oder die Arbeitsleistung innerhalb des Bereitschaftsdienstes mehr als 25 % beträgt. Die Nichterfüllung dieser Ansprüche bewirkt nicht, dass die gesamte Bereitschaftszeit entgegen § 2 Abs. 3 S. 4 2. PflegeArbbV voll umfänglich zu vergüten ist.

Auch § 2 Abs. 3 S. 3 2. PflegeArbbV, wonach Bereitschaftsdienstzeiten im Dienstplan zu hinterlegen sind, enthält keine zusätzliche Voraussetzungen für die nur eingeschränkte Berücksichtigung des Bereitschaftsdienstes als vergütungspflichtige Arbeitszeit. Es handelt sich um eine formale Folgeregelung für Bereitschaftsdienste im Sinne des § 2 Abs. 3 S. 2 2. PflegeArbbV. Im Übrigen ist davon auszugehen, dass die Vorgaben des § 2 Abs. 3 S. 3 2. PflegeArbbV beachtet worden sind. Der Beklagte hat vorgetragen, die Einzelabrechnungen, die die Klägerin mit der Klageschrift zu den Gerichtsakten gereicht hat, und auf deren Grundlage sie ihre Klageforderung berechnet, seien aufgrund von Kopien der Dienstpläne erstellt worden. Dem ist die Klägerin nicht entgegengetreten. Sie hat nicht vorgebracht, dass Dienstpläne gar nicht existierten oder dass die von ihr zu verrichtenden Nachtdienste in den Dienstplänen nicht bezeichnet waren.

(3) Der Beklagte hat die Ansprüche der Klägerin auf Zahlung des Mindestentgelts nach § 2 Abs. 1, Abs. 3 S. 3 2. PflegeArbbV erfüllt.

Die Klägerin erhielt ein höheres Stundenentgelt als das in § 2 Abs. 1 2. PflegeArbbV vorgesehene Mindestentgelt. Die Bereitschaftsdienstzeiten der Klägerin sind nicht nur, wie es § 2 Abs. 3 S. 4 2. PflegeArbbV erfordert, mit 25 % als vergütungspflichtige Arbeitszeit bewertet worden, sondern mit etwa 46 % (8,75 Stunden Bereitschaftsdienstzeit sind als 4,05 Stunden vergütungspflichtige Arbeitszeit bewertet worden). Der Beklagte hat bereits erstinstanzlich im klageerwidernden Schriftsatz vom 28.05.2018 im Rahmen einer Vergleichsrechnung dargelegt, dass die Klägerin in den Jahren 2015 und 2016 höhere Entgeltzahlungen erhielt als ihr nach § 2 2. PflegeArbbV zustünden. Dem ist die Klägerin nicht entgegengetreten.

b) Sonstige Zahlungsansprüche können der Klägerin für den Zeitraum von Oktober 2015 bis Dezember 2016 nicht zugesprochen werden.

Die Klägerin hat ihre Klage allein darauf gestützt, dass der Beklagte aufgrund der nur eingeschränkten Berücksichtigung des Bereitschaftsdienstes als vergütungspflichtige Arbeitszeit den Anspruch auf Zahlung des Mindestlohns gemäß § 1 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 MiLoG nicht erfüllt hat. Weitere Ansprüche, etwa auf Zahlung von Zulagen nach Maßgabe der AVR oder nach Maßgabe von § 2 Abs. 3 S. 5 und 6 2. PflegeArbbV hat die Klägerin nicht geltend gemacht. Sie hat zu den tatsächlichen Voraussetzungen dieser Ansprüchen nichts Substantiiertes vorgetragen.

2. Für den Zeitraum von Januar bis Dezember 2017 steht der Klägerin ein Anspruch auf Zahlung von 887,13 Euro brutto nebst Zinsen gegen den Beklagten zu.

a) Der Anspruch folgt aus § 1 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 MiLoG.

aa) Die Vorschriften des Mindestlohngesetzes werden für das Kalenderjahr 2017 nicht von der 2. PflegeArbbV verdrängt.

Das ergibt sich aus § 24 Abs. 1 S. 2 i.V.m. Abs. 1 S. 1, 2. Halbsatz MiLoG (in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung). Regelungen einer Rechtsverordnung, die auf der Grundlage von § 11 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes erlassen wurde, gehen danach ab dem 01.01.2017 nur dann den Bestimmungen des Mindestlohngesetzes vor, wenn die Regelungen der Rechtsverordnung ein Entgelt in Höhe von mindestens 8,50 Euro brutto je Zeitstunde vorsehen. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Das Mindestentgelt, das der Klägerin gemäß § 2 2. PflegeArbbV zusteht, ist geringer als 8,50 Euro je Zeitstunde.

(1) Insoweit ist nicht allein darauf abzustellen, dass das je Arbeitsstunde zu zahlende Mindestentgelt nach § 2 Abs. 1 S. 1 2. PflegeArbbV höher ist als 8,50 Euro brutto je Stunde.

Für die Höhe des Arbeitsentgelts kommt es nicht nur auf die Höhe des Stundenentgelts als Geldfaktor an. Vielmehr ist auch der Zeitfaktor zu berücksichtigen. Denn nach § 24 Abs. 1 S. 1 2. Halbsatz MiLoG ist ein Entgelt in Höhe von mindestens 8,50 Euro brutto "je Zeitstunde" zu zahlen. Zeitstunden leistet ein Arbeitnehmer jedoch auch im Rahmen von Bereitschaftsdienstzeiten, wenn er keine tatsächliche Arbeitsleistung erbringt. § 2 Abs. 3 S. 4 2. PflegeArbbV erlaubt insoweit, dass Zeiten des Bereitschaftsdienstes nicht voll umfänglich in Höhe der geleisteten Zeitstunden, sondern nur anteilig als vergütungspflichtige Arbeitszeit bewertet werden. Dadurch wird der Zeitfaktor reduziert und das zu zahlende Entgelt folglich verringert. Im Hinblick auf den Schutzzweck des Mindestlohngesetzes kann es keine Rolle spielen, ob eine Unterschreitung des gesetzlich vorgesehenen Mindestlohnstandards dadurch erfolgt, dass der Stundenlohn niedriger ist als gesetzlich vorgeschrieben, oder dadurch, dass die Gesamtzahl der geleisteten Stunden nicht in vollem Umfang bei der Entgeltfindung berücksichtigt wird (so auch Boemke, jurisPR-ArbR 7/2015 Anm. 2, der allerdings davon ausgeht, dass bis zum 31.12.2017 die Bewertung der Bereitschaftsdienstzeiten auf Grundlage der 2. PflegeArbbV erfolgen könne).

(2) Berücksichtigt man sowohl den Geld- als auch den Zeitfaktor, so ist festzustellen, dass die Vergütung, die der Klägerin als Mindestentgelt gemäß § 2 2. PflegeArbbV zusteht, geringer ist als eine Vergütung in Höhe von 8,50 Euro brutto je Zeitstunde.

Nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien leistete die Klägerin 2017 im Rahmen der Nachtdienste 924 Zeitstunden. Gemäß § 2 2. PflegeArbbV steht der Klägerin ein Anspruch in Höhe von 3.802,05 Euro zu (Vollarbeit: 189 Stunden x 10,20 Euro, Bereitschaftszeit: 735 Stunden x 25 % x 10,20 Euro). Legt man hingegen ein Stundenentgelt in Höhe von 8,50 Euro zugrunde, so ergibt sich ein Anspruch in Höhe von 7.854,-- Euro. Dabei spielt es keine Rolle, dass die Klägerin Bereitschaftsdienstzeiten leistete, in denen sie keine tatsächlichen Arbeitsleistungen erbringen musste. Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 29.06.2016 - 5 AZR 716/15) hat insoweit Folgendes klargestellt: Bereitschaftszeit ist nicht nur arbeitsschutzrechtlich Arbeitszeit, sondern vergütungspflichtige Arbeit. Vergütungspflichtig ist auch die vom Arbeitgeber veranlasste Untätigkeit, während derer der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz oder einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle anwesend sein muss und nicht mehr frei über die Nutzung des Zeitraums bestimmen kann. Diese Voraussetzung ist bei der Bereitschaftszeit, wenn der Arbeitnehmer sich an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort bereithalten muss, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen, erfüllt. Die gesetzliche Vergütungspflicht des Mindestlohngesetzes gilt auch für solche Bereitschaftszeiten. Denn das Mindestlohngesetz differenziert nicht nach dem Grad der tatsächlichen Inanspruchnahme. Leistet der Arbeitnehmer vergütungspflichtige Arbeit, gibt das Gesetz einen ungeschmälerten Anspruch auf den Mindestlohn. Das Mindestlohngesetz enthält keine abweichende Regelung. Insbesondere ist auch auf eine Regelung verzichtet worden, wie sie in § 2 Abs. 3 S. 4 2. PflegeArbbV enthalten ist. Das Berufungsgericht schließt sich dem an. Diese Auslegung entspricht dem Willen des Gesetzgebers, der in § 1 Abs. 2 S. 1 MiLoG auf die "Zeitstunde" und nicht auf die "Arbeitsstunde" abstellt (Dombrowsky, BB 2015, 510, 512).

Nichts anderes ergibt sich, wenn man auf die vergütungspflichtigen Stunden in ihrer Gesamtheit abstellt. Unter Berücksichtigung von Urlaub, Krankheit und Fortbildungszeiten ergeben sich insgesamt (nach der Berechnung, die der Beklagte im klageerwidernden Schriftsatz vom 28.05.2018, dort Seite 11, aufgestellt hat) insgesamt 1.008,6 Stunden. Multipliziert mit einem Stundenentgelt in Höhe von 8,50 Euro folgt daraus ein Anspruch in Höhe von 8.573,10 Euro. Nach § 2 2. PflegeArbbV steht der Klägerin jedoch nur ein Anspruch in Höhe von 4.664,97 Euro zu (Vollarbeit: 273 Stunden (einschließlich Urlaub, Arbeitsunfähigkeit und Fortbildung) x 10,20 Euro, Bereitschaftsdienst: 735 Stunden x 25 % x 10,20 Euro).

bb) Gemäß § 1 Abs. 1, Abs. 2 S. 2 MiLoG ist der Beklagte verpflichtet, an die Klägerin über das im Jahr 2017 gezahlte Entgelt hinaus weitere 854,83 Euro brutto zu zahlen.

(1) Für die Ansprüche der Klägerin aus dem Mindestlohngesetz ist ein Geldfaktor von 8,84 Euro brutto je Zeitstunde zugrunde zu legen.

Das entspricht der Höhe des Mindestlohns gemäß der Mindestlohnanpassungsverordnung vom 15.11.2016 (BGBL I S. 2530) ab dem 01.01.2017. Aus § 24 Abs. 1 S. 1, 2. Halbs. MiLoG folgt nicht, dass der Klägerin lediglich ein Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro brutto je Zeitstunde zu zahlen ist. Diese Vorschrift enthält lediglich eine Bestimmung darüber, ob § 1 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 MiLoG für die Höhe des Mindestentgelts maßgeblich ist oder ob insoweit eine andere Bestimmung vorrangig anzuwenden ist. Die vorrangige Anwendung einer anderen Bestimmung - wie der 2. Pflegearbeitsbedingungenverordnung - knüpft § 24 Abs. 1 S. 1, 2. Halbsatz MiLoG daran, dass diese andere Bestimmung ab dem 01.01.2017 ein Entgelt je Zeitstunde in Höhe von mindestens 8,50 Euro brutto vorsieht. Ist das nicht der Fall, so bleibt es bei der Anwendung des Mindestlohngesetzes. Eine Modifizierung der Vorgaben des Mindestlohngesetzes dahingehend, dass nur ein Entgelt in Höhe von 8,50 Euro je Zeitstunde geschuldet wird, ist gerade nicht vorgesehen. Wird die Mindestanforderung, die § 24 Abs. 1 S. 1, 2. Halbsatz MiLoG aufstellt, nicht erfüllt, so bleibt es dabei, dass eine Vergütung, die den Mindestlohn gemäß § 1 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 MiLoG unterschreitet, nicht wirksam vereinbart werden kann. Das folgt aus § 3 S. 1 MiLoG.

(2) Die Klägerin leistete im Jahr 2017 insgesamt 1.076,5 Zeitstunden.

(a) Die Nachtdienste, die die Klägerin leistete, sind mit 924 Stunden in Ansatz zu bringen.

Dies gilt unabhängig davon, ob die Klägerin innerhalb der Nachtdienste tatsächliche Arbeit verrichtete oder ob sie Bereitschaftsdienst leistete. Auch Zeiten des Bereitschaftsdienstes sind vergütungspflichtige Zeitstunden nach § 1 Abs. 2 S. 1 MiLoG (siehe oben unter II 2 a aa (2) der Entscheidungsgründe). Die Zahl der Stunden, die die Klägerin im Rahmen der Nachtdienste ableistete, ist zwischen den Parteien unstreitig.

(b) Im Hinblick auf den Urlaub, den die Klägerin im Jahr 2017 nahm, sind weitere 108 Zeitstunden zu berücksichtigen.

Der Mindestlohn ist nach § 1 Abs. 2 S. 1 MiLoG als Geldfaktor für die Berechnung des Urlaubsentgelts zugrunde zu legen (BAG, Urteil vom 06.12.2017 - 5 AZR 699/16). Denn § 1 BUrlG erhält für die Dauer des gesetzlichen Mindesturlaubs den Anspruch auf Vergütung der Arbeitszeit aufrecht, die infolge des Urlaubs ausgefallen ist. Der Mindestlohn, der zeitstundenweise für die ausgefallene Arbeitszeit zu zahlen ist, muss auch für die Dauer des gesetzlichen Mindesturlaubs gezahlt werden. § 2 der Anlage 14 zu den AVR enthält im Hinblick auf den übergesetzlich gewährten Urlaub keine abweichende Regelung.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Klägerin den ihr zustehenden Urlaub im Jahr 2017 tatsächlich genommen hat. Im Hinblick auf den Zeitfaktor, der je Urlaubstag in Ansatz zu bringen ist, ordnet § 2 Abs. 1 S. 1 der Anlage 14 zu den AVR an, dass dem Mitarbeiter während des Urlaubs die Dienstbezüge zu zahlen sind, die er erhalten würde, wenn er sich nicht im Urlaub befände. Nach § 4 des Arbeitsvertrages vom 01.10.2015 ist die Klägerin teilzeitbeschäftigt "mit bis zu 7 Nachtwachen (20.00 bis 0.00 Uhr) im Monat". Die Klägerin wurde, wie sich aus den Einzelabrechnungen ergibt, die der Beklagte erstellte, in der zweiten Jahreshälfte 2016 und im Jahr 2017 überwiegend mit 7 Nachtwachen monatlich betraut, die jeweils einen zeitlichen Umfang von 11 Stunden hatten. Sie arbeitete auch samstags. Mithin sind für jeden Urlaubstag 3 Stunden in Ansatz zu bringen (3 Monate x 7 Nachtwachen x 11 Stunden : 78 Arbeitstage). Da die Klägerin (das ist zwischen den Parteien unstreitig und ergibt sich auch aus den Einzelabrechnungen) im Jahr 2017 insgesamt 36 Urlaubstage nahm, sind insoweit 108 Zeitstunden im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 MiLoG in Ansatz zu bringen.

(c) Zu berücksichtigen sind weitere 30 Zeitstunden für den Zeitraum vom 21.12. bis 30.12.2017.

Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist mindestens in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns zu erbringen (BAG, Urteil vom 20.06.2018 - 5 AZR 377/17, Urteil vom 06.12.2017 - 5 AZR 699/16). Eine von § 4 Abs. 1 EFzG abweichende Regelung trifft das Mindestlohngesetz nicht. Der gesetzliche Mindestlohn prägt damit mittelbar den Entgeltfortzahlungsanspruch. Weil der Arbeitnehmer so zu stellen ist, als hätte er gearbeitet, muss er auch den Mindestlohn als untere Grenze des fortzuzahlenden Entgelts erhalten.

Im Zeitraum vom 21.12. bis 30.12.2017 war die Klägerin, wie zwischen den Parteien unstreitig ist, arbeitsunfähig erkrankt. Ausweislich der Einzelabrechnung wäre sie in diesem Zeitraum zur Nachtwache eingeteilt worden. Insoweit kann die Klägerin die Zahlung von Krankenbezügen gemäß Abschnitt XII Abs. a, Abs. b der Anlage 1 zu den AVR vom Beklagten verlangen. Die Krankenbezüge schuldet der Beklagte in Höhe der Urlaubsvergütung. Da der Zeitfaktor je Urlaubstag drei Stunden beträgt (siehe oben unter II 2 a bb (2) (b) der Entscheidungsgründe), sind für den Zeitraum vom 21.12. bis 30.12.2017, in dem die Klägerin arbeitsunfähig war (10 Tage) 30 Stunden in Ansatz zu bringen.

(d) Zu berücksichtigen sind ferner 11,5 "sonstige Stunden".

Bei diesen Stunden handelt es sich insbesondere um Fortbildungen und Dienstbesprechungen, an denen die Klägerin teilnahm. Dass diese Stunden angefallen und zu vergüten sind, steht zwischen den Parteien außer Streit. Besteht aber eine Vergütungspflicht, so ist das Entgelt in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns zu zahlen.

(e) Auch der Anspruch auf Gewährung eines Freizeitausgleichs ist mit 3 Stunden zu berücksichtigen.

Ausweislich der Einzelabrechnung für den Monat März 2017 gewährte der Beklagte der Klägerin am 06.03.2017 einen AZV-Tag. Nach § 1 b) Abs. 1 S. 2 der Anlage 5 zu den AVR erhält der Mitarbeiter für die Zeit der Freistellung die Dienstbezüge fortgezahlt. Insoweit gilt nichts anderes als für den Urlaub. Daher sind für den 06.03.2017 drei Stunden in Ansatz zu bringen.

(3) Nach § 1 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 MiLoG kann die Klägerin Zahlungen des Mindestlohns für 1.076,5 Stunden verlangen. Daraus errechnet sich ein Anspruch in Höhe von 9.516,26 Euro brutto (1.076,5 Stunden x 8,84 Euro brutto). Darauf hat der Beklagte 8.661,43 Euro brutto gezahlt. Insoweit ist die Zahlung unstreitig. Die Klägerin will sich in dieser Höhe erhaltene Leistungen auf ihre Forderung für das Jahr 2017 anrechnen lassen. Soweit der Beklagte behauptet hat, 8.661,63 Euro (also 20 Cent mehr) gezahlt zu haben, ist er für diese Behauptung beweisfällig geblieben. Die Erfüllung der Forderung ist eine für den Beklagten günstige Tatsache, die er zu beweisen hat. Der Beklagte hat aber weder im Einzelnen angegeben, wann und in welcher Höhe Zahlungen erfolgten, noch hat er für die Zahlung ein Beweisangebot unterbreitet.

b) Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 BGB.

Nach Abschnitt X Abs. a) S. 1 der Anlage 1 zu den AVR sind die Bezüge dem Mitarbeiter so rechtzeitig zu zahlen, dass er am letzten Werktag des Kalendermonats über sie verfügen kann. Der letzte Werktag des Monats Dezember 2017 war der 30.12.2017 (Samstag). Gemäß §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 193 BGB trat Verzug am 02.01.2018 ein.

c) Darüber hinausgehende Zahlungsansprüche können der Klägerin für das Jahr 2017 nicht zugesprochen werden.

Insoweit wird auf die Ausführungen zu dem Zeitraum von Oktober 2015 bis Dezember 2016 Bezug genommen (siehe oben unter II 1 b der Entscheidungsgründe). Auch im Hinblick auf das Kalenderjahr 2017 hat die Klägerin ihre Zahlungsansprüche lediglich auf das Mindestlohngesetz gestützt.

III

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 S. 1, 2. Variante ZPO. Da beide Parteien teils obsiegten, teils unterlagen, sind die Kosten verhältnismäßig zu teilen.

Die Revision wird gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen. Der Rechtsstreit wirft eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf, nämlich die Frage, in welchem Verhältnis die Bestimmungen der 2. Pflegearbeitsbedingungenverordnung zur Vorschrift des § 1 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 MiLoG stehen. Diese Rechtsfrage ist nicht nur maßgeblich für die streitgegenständlichen Ansprüche der Klägerin, sondern auch, wie die Parteien im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht erklärt haben, für die Ansprüche einer Vielzahl von weiteren Mitarbeitern des Beklagten, die im Zeitraum von 2015 bis 2017 Bereitschaftsdienste absolvierten.