LG Wiesbaden, vom 30.11.2016 - 5 O 201/15
Fundstelle
openJur 2019, 33012
  • Rkr:

Zu den Pflichten des Lehrpersonals im Rahmen des Schulsportes

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger macht gegen das beklagte Land (im Folgenden: die Beklagte) Ansprüche auf Schadensersatz wegen einer behaupteten Amtspflichtverletzung geltend.

Der am 30.04.1994 geborene Kläger war Schüler der Schule,

Am 16.01.2013 unterrichtete die Studienrätin in der 9. und 10. Schulstunde einen Grundkurs im Fach Sport der Jahrgangsstufe 13. Schüler dieses Kurses war der Kläger. Das Aufwärmtraining startete mit einem Warmlaufen. Nach ca. 5 Minuten hörte der Kläger auf zu laufen und stellte sich an die rechte Seite des Garagentors der Sporthalle und sagte, er habe Kopfschmerzen. Er fasste sich an den Kopf, sein Gesicht wurde blass. Er rutschte dann an der Wand entlang in eine Sitzposition. Die Sportlehrerin hockte auf der linken Seite des Garagentors.

Die Zeugin verständigte den Notruf, bei dem der Anruf um 15.27 Uhr einging. Von dort wurde die Zeugin gefragt, ob der Kläger noch atmet, und es erfolgte die Anweisung, den Kläger in die stabile Seitenlage zu verbringen. Der Rettungswagen traf um 15.32 Uhr, der Notarzt um 15.35 Uhr in der Sporthalle ein (Anlage K 2). Die Sanitäter begannen sofort mit Wiederbelebungsmaßnahmen, die ca. 45 Minuten dauerten. Der Notarzt verbrachte den Kläger in die Klinik. In dem Aufnahmebericht vom 21.03.2013 wurde vermerkt: "beim Eintreffen des Notarztes bereits eine 8-minütige Bewusstlosigkeit ohne jegliche Laienreanimation" (vgl. Anlage K 3). Der Kläger wurde bis zum 21.03.2013 in der Klinik behandelt. Wegen der Einzelheiten der Behandlung wird auf den ärztlichen Bericht vom 21.03.2013 (Anlage K 4) Bezug genommen.

Vom 23.05.2013 bis 25.04.2014 hielt der Kläger sich in der neurologischen Frührehabilitation in der Rehabilitationsklinik auf. Wegen des Befundes bei Aufnahme wird auf den Abschlussbericht der GmbH vom 25.04.2014 (Anlage K 5) Bezug genommen.

Seit dem 24.10.2013 ist der Kläger zu 100 % als Schwerbehinderter anerkannt (Anlage K 15).

Mit Bescheid vom 23.06.2014 (Anlage K 6) lehnte die Unfallkasse die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab, da es sich bei dem Ereignis vom 16.10.2012 nicht um einen Versicherungsfall nach § 8 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 8b SGB VII gehandelt habe. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Unfallkasse mit Bescheid vom 10.02.2015 (Anlage K 6a) zurück.

Der Kläger macht geltend, die Lehrkräfte hätten pflichtwidrig die gebotenen Maßnahmen, insbesondere Wiederbelebungsmaßnahmen unterlassen, und behauptet hierzu, die Zeuginnen und seien auf ihn aufmerksam geworden, als er seine Augen verdreht und sich sein ganzer Körper verkrampft habe. Die Zeugin habe daraufhin seinen Nacken gestützt. Kurz darauf sei der Kläger in sich zusammen gesackt. Die Zeugin habe ihn gehalten, bis ein anderer Schüler gekommen sei und ihr geholfen habe, den Kläger hinzulegen. In der Zwischenzeit habe die Zeugin eine Wasserflasche und eine Unterlage für seinen Kopf geholt. Die Zeuginnen hätten dem Kläger auf die Wangen geklatscht, seinen Namen gerufen und versucht, ihn anzusprechen. Sie hätten nach einem Puls und Atmung gesucht, aber nicht sicher feststellen können. Die Zeuginnen hätten diskutiert, ob der Kläger wiederbelebt werden müsse, seien sich aber unsicher gewesen. Die Zeugin habe verlangt, dass der Notarzt gerufen werde. Die Zeugin habe unbeholfen gewirkt und nicht reagiert. Die Zeugin Adler habe daraufhin das Mobiltelefon der Zeugin geholt, woraufhin die Zeugin von ihrem Handy die Notrufzentrale angerufen habe. Die Zeuginnen und hätten nicht sicher eine Atmung des Klägers feststellen können und entsprechend auf die unstreitige Frage der Zeugin, ob der Kläger noch atme, geantwortet. Die Zeugin hätte zudem die Atmung des Klägers selbst überprüfen müssen. Kurz darauf sei der Kläger blau angelaufen. Die Zeuginnen hätten daraus geschlossen, dass der Kläger nicht mehr atme. In diesem Moment habe die Zeugin den hinzugeeilten Lehrer neben sich realisiert, der den Puls des Klägers geprüft habe. Sie habe den Zeugen darauf hingewiesen, dass der Kläger wiederbelebt werden müsse. Eine Reaktion sei zunächst nicht erfolgt. Im weiteren Verlauf habe die Zeugin mitbekommen, dass der Zeuge von einem "Atemgerät" gesprochen habe, das er holen wolle. Unklar sei aber, ob er losgegangen sei oder nicht. Jedenfalls habe ein solches Gerät den Kläger nicht vor dem Eintreffen des Notarztes erreicht. Auch der Zeuge habe nicht selbst die Atmung des Klägers überprüft.

Sein gesundheitlicher Zustand sei eine unmittelbare Folge des erlittenen hypoxischen Hirnschaden bei mangelnder Sauerstoffversorgung seines Gehirns in der Folge des Zusammenbruchs am 16.01.2013 und der über einen Zeitraum von mindestens 8 Minuten unterlassenen Reanimation des Klägers durch die anwesenden Lehrkräfte bis zum Eintreffen des Noarztes. Hätte unmittelbar eine fachgerechte Erste-Hilfe und Reanimation durch Herz-Lungenmassage und Atemspende stattgefunden, wäre es nicht zu dem irreversiblen Hirnschaden gekommen.

Da bestandskräftig und gemäß § 108 SGB II mit Bindungswirkung auch für die Zivilgerichte feststehe, dass ein versicherter Unfall im Sinne von § 8 SGB VII nicht vorliege, könne eine Haftungsbeschränkung nach §§ 104 SGB VII der Beklagten nicht zugutekommen.

Der Kläger macht geltend, die Beklagte habe die ihr obliegenden Pflichten verletzt, da nach dem Ereignis am 16.01.2013 nicht die erforderliche Hilfe rechtzeitig und in ordnungsgemäßer Weise geleistet worden sei. Darüber hinaus hätten die Zeugen und nicht innerhalb des vorgegebenen Zeitintervalls an einem Aus- und Fortbildungskurs in Erster Hilfe teilgenommen. Sie hätten zudem eingeräumt, die Überwachung der Vitalfunktionen Schülern übertragen zu haben. Nicht pflichtgemäß durchgeführte Auffrischungskurse können nicht durch ein gültiges Rettungsschwimmabzeichen in Bronze oder eine gültige Trainer-C-Lizenz ersetzt werden.

Der Kläger hält ein Schmerzensgeld in Höhe von 500.000,-- € für angemessen. Er sei bis zum 16.01.2013 ein kerngesunder junger Mann ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen gewesen. Wegen der weiter geltend gemachten Ansprüche wird Bezug genommen auf die Ausführungen in der Klageschrift vom 01.09.2015, dort Seite 12 ff. (Bl. 12 ff. der Akte).

Der Kläger beantragt,

1.

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird und den Betrag von 500.000,-- € nicht unterschreiten sollte,

2.

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 102.999,68 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

3.

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine vierteljährlich im Voraus zu zahlende monatliche Mehrbedarfsrente von 3.078,-- € zu zahlen,

4.

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger auch sämtlichen zukünftigen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihm aus dem Schadensereignis vom 16.01.2013 noch entsteht, soweit der Anspruch nicht auf Dritte, insbesondere Sozialversicherungsträger übergegangen ist oder übergeht.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, die Zeugin sei sofort zu dem Kläger hingelaufen, nachdem dieser an der Wand zu Boden gerutscht sei. Sie habe sofort nach ihrem in der Tasche befindlichen Handy gegriffen und erklärt, einen Notruf absetzen zu wollen. Diese Tasche habe sich etwa 3 Meter vom Kläger entfernt befunden. Die so erreichte Rettungsleitstelle habe sie danach gefragt, ob der Kläger noch atme, was sie nach Rückfrage bei den unmittelbar neben dem Kläger sitzenden Schülern bejaht habe. Die die Atmung bestätigende Antwort der Schüler sei eindeutig gewesen und habe keinerlei Anlass geboten, sich zu diesem Zeitpunkt selbst von Atmung oder Puls des Klägers zu überzeugen. Auf Anweisung der Rettungsleitstelle habe die Zeugin - insofern unstreitig - daraufhin veranlasst, dass der Kläger in die stabile Seitenlage bewegt werde. Weitere Erste-Hilfe-Maßnahmen hätten zu diesem Zeitpunkt nicht notwendig erschienen, weil der Kläger stabil gelegen und noch geatmet habe. Die Zeugin habe sodann den Zeugen herbeigeholt, der den Kläger in der stabilen Seitenlage vorgefunden habe. Er habe sich berichten lassen, was passiert sei. Anzeichen dafür, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt nicht geatmet habe, hätten sich für ihn nicht ergeben. Er habe sodann seine Schüler nach Hause entlassen und sich wieder zu dem Kläger begeben. Währenddessen habe die Zeugin den Puls des Klägers gefühlt und dabei noch Lebenszeichen festgestellt. Auch die Zeugin habe ihre Schüler nach Hause geschickt. Zeitgleich habe der Zeuge neben dem Kläger niedergekniet, um dessen Zustand zu überprüfen. Am Hals des Klägers sei zu diesem Zeitpunkt ein Pulsschlag zu spüren gewesen. Niemand habe zu diesem Zeitpunkt festgestellt, dass der Kläger nicht mehr geatmet habe, auch nicht die Zeugen und . Der Zeuge habe entschieden, als Vorbereitungsmaßnahme für eine etwa notwendige Wiederbelebung eine Taschen-Atemmaske zu holen. Er habe die Maske jedoch nicht finden können und sei zurückgekehrt. Dies habe weniger als eine Minute gedauert. Nach Rückkehr habe er keinen Puls mehr fühlen können und entschieden, nun unmittelbar mit Wiederbelebungsmaßnahmen anfangen zu müssen. Zu diesem Zeitpunkt seien jedoch bereits die Rettungssanitäter erschienen. Den Zeugen und sei danach kein Fehlverhalten vorzuwerfen. Sie hätten als medizinische Laien davon ausgehen dürfen, dass eine Pulskontrolle ausreichend sei und beim Erfühlen eines Pulses noch keine Wiederbelebungsmaßnahmen erforderliche seien.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger stehen die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche aus § 839 BGB nicht zu.

Zwar ist die Tätigkeit des Lehrpersonals in allgemeinbildenden Schulen hoheitlicher Art, die in diesem Zusammenhang obliegenden Pflichten sind Amtspflichten, die im Hinblick auf die Schüler drittgerichtet sind. Dies gilt sowohl für die Pflicht, die Schüler im Schulsport nicht in einer die Gesundheit gefährdenden Art und Weise zu belasten, als auch für die Pflicht, etwa erforderliche Hilfe rechtzeitig und ordnungsgemäß zu leisten.

Das Gericht konnte die Verletzung einer solchen Pflicht jedoch nicht mit der nach § 286 ZPO erforderlichen Gewissheit feststellen. Zwar hat der Kläger behauptet, die Zeugen und hätten versäumt, Wiederbelebungsmaßnahmen einzuleiten, nachdem er aufgehört habe zu atmen. Dem steht jedoch der Vortrag der Beklagten entgegen, wonach die Atmung des Klägers erst in dem Moment ausgesetzt habe, als die Rettungskräfte erschienen seien.

Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme vermochte das Gericht insgesamt nicht festzustellen, dass die Atmung des Klägers bereits vor dem Erscheinen der Rettungskräfte ausgesetzt hatte, so dass für die Zeugin und Anlass zu Wiederbelebungsmaßnahmen bestanden hätte, bzw. ob und wann die Atmung vor Eintreffen der Rettungskräfte ausgesetzt hatte.

Anhand der Aussage der Zeugin ist weder festzustellen, dass der Kläger nicht geatmet hat, noch, falls dies nicht der Fall gewesen sein sollte, wie lange der Kläger nicht geatmet hat. Die Zeugin gab lediglich an, zwischen dem Weggehen des Zeugen und dem Eintritt des Notarztes hätten vielleicht drei bis vier Minuten gelegen. Allerdings räumte die Zeugin auch ein, sie könne die "gefühlte Ewigkeit" nur raten. Darüber hinaus war die Zeugin nicht die ganze Zeit anwesend, nachdem der Kläger zu Boden gesunken war. Denn sie schilderte, dass sie in dem Rucksack der Zeugin nach einer Wasserflasche gesucht habe. Jedenfalls in diesem Zeitraum kann sie aus eigener Wahrnehmung keine Angaben zu Puls und Atmung des Klägers machen. Zwar gab sie an, sie habe die Atmung des Klägers kontrolliert, während die Zeugin mit der Leitstelle telefoniert habe. Dieser Zeitpunkt lässt sich aufgrund der Auskunft der Feuerwehr der Stadt Wiesbaden feststellen, wonach der Anruf um 15.27 Uhr erfolgt. Ob der Kläger zu diesem Zeitpunkt bereits nicht geatmet hat, steht aufgrund der Aussage der Zeugin allerdings nicht fest. Denn sie gab im Rahmen ihrer zusammenhängenden Aussage immer wieder an, sie seien sich nicht sicher gewesen, ob der Kläger noch über Puls verfügt habe. Sie und die Zeugin hätten versucht, den Puls des Klägers zu fühlen, seien sich aber nicht sicher gewesen, ob sie das richtig gemacht hätten. Die Zeugin hätte sie während des Telefonats mit der Leitstelle gefragt, ob der Puls vorhanden sei. Sie hätten gesagt, das wüssten sie nicht, weil sie nicht gewusst hätten, ob sie das Pulsfühlen richtig gemacht hätten. Auf jeden Fall hätten sie keinen Puls gefühlt. Auch auf eindringliches Nachfragen des Gerichts gab sie an, sie sei sich sicher, dass die Zeugin sie und die Zeugin während des Telefonats mit der Leitstelle gefragt habe, ob noch Puls zu spüren sei. Sie hätten gesagt, sie seien sich nicht sicher. Dann sei die Anweisung gekommen, dass der Kläger in die stabile Seitenlage habe verbracht werden sollen. Erst auf ausdrücklichen Vorhalt des Gerichts gab die Zeugin dann an, die Atmung sei auch Thema gewesen, und zwar während des Telefonats mit dem Notarzt. Sie habe zumindest mit der Hand über den Mund des Klägers gefahren, um zu spüren, ob er noch atme. Sie sei sich aber unsicher gewesen. Die Zeugin habe gefragt, ob der Kläger noch atme, worauf sie und die Zeugin geantwortet hätten, sie wüssten es nicht. Die Zeugin habe die Information, sie, die Zeuginnen seien nichts sicher, ob der Kläger noch atme, durch das Telefon weitergegeben. Das Gericht hält es für ausgeschlossen, dass die Zeugin die Antwort der Zeuginnen und auf die Frage, ob der Kläger noch atme, missverstanden und fehlerhaft an die Leitstelle weitergegeben haben könnte. Denn in diesem Fall wäre Widerspruch aus der Reihe der anwesenden Schüler und auch von den Zeuginnen selbst zu erwarten gewesen, von dem jedoch keiner der Zeugen etwas berichtet hat. Dass - wie die Zeuginnen und Angaben - die Zeugin an die Leitstelle weitergegeben habe, man sei sich wegen der Atmung nicht sicher, erscheint vor deren Anweisung, den Kläger in die stabile Seitenlage zu verbringen, fernliegend, wie falsch.

Die Schilderungen des Geschehen, die die Zeugin im Rahmen ihrer Vernehmung abgegeben hat, sind in einem entscheidenden Punkt widersprüchlich, nämlich der Frage, ob nach Atmung oder Puls des Klägers gefragt worden sei. Diesen Widerspruch vermochte die Zeugin auch nicht aufzulösen. Insbesondere war, als die Zeugin von Puls sprach, mehrfach nachgefragt worden, so dass ein bloßes Versehen ausscheidet und hinterließ die Zeugin durchaus den Eindruck, sich insoweit sicher zu sein. Erst nach ausdrücklicher Erwähnung der Atmung durch das Gericht schilderte sie dann ebenso sicher das Geschehen um das Telefonat, nur dass nunmehr nicht nach dem Puls, sondern nach der Atmung gefragt worden sei.

Auch aufgrund der Aussage der Zeugin lässt sich weder mit der erforderlichen Gewissheit feststellen, dass der Kläger nicht geatmet hat, noch, seit wann der Kläger nicht geatmet hat. Auch sie schilderte, dass sie versucht habe, Atmung und Puls zu kontrollieren, indem sie und die Zeugin geschaut hätten, ob sich der Brustkorb hebe und senke, und einen Finger befeuchtet und vor Nase und Mund des Klägers gehalten hätten. Sie, die Zeugin , sei sich nicht sicher gewesen sei, dass diese vorhanden gewesen seien. Eine zeitliche Einordnung enthält ihre Aussage nur insoweit, als dass der Zeuge nach Absetzen des Notrufes hinzugekommen sei. Zwischen dem Hinzukommen des Zeugen und dem Eintreffen des Notarztes seien fünf bis acht Minuten vergangen, es könne aber auch kürzer gewesen sei. Für sie habe sich das angefühlt wie eine Ewigkeit. Angesichts dessen sind die Bekundungen der Zeugin nicht hinreichend sicher, um daraus einen zeitlichen Ablauf ableiten zu können, insbesondere hinsichtlich der Frage, wann der Kläger aufgehört hat zu atmen. Die Schilderung der Zeugin der Kläger habe zu irgendeinem Zeitpunkt die Augen aufgerissen und einen tiefen Atemzug getätigt, wurde von keinem der anderen Zeugen bestätigt, auch nicht von der Zeugin. Zudem hatte die Zeugin hiervon auch nichts in ihrer E-Mail vom 09.10.2014 berichtet.

Unabhängig von Glaubwürdigkeit und Glaubhaftigkeit lassen sich den Bekundungen der Zeuginnen und keine belastbaren Angaben dazu entnehmen, ob und ab wann keine Atmung mehr festzustellen gewesen sei. Beide Zeuginnen betonten mehrfach, sie seien sich bei der Kontrolle von Puls und Atmung nicht sicher gewesen, ob sie es richtig machten, so dass nicht auszuschließen ist, dass der Kläger bis unmittelbar vor dem Eintreffen der Rettungskräfte geamtet hat, die Zeuginnen dieses aber aufgrund fehlerhafter Vorgehensweise nicht festgestellt habe. Es bleibt daher offen, ob der Kläger nicht geatmet hat und seit wann.

Darüber hinaus stehen diesen Angaben die Bekundungen der Zeugen und gegenüber.

Die Zeugin gab an, sie habe während des Telefonats mit der Leitstelle gefragt, ob der Kläger noch atme. Sie habe die Antwort bekommen, das sei der Fall. Die Leitstelle habe daraufhin die Anweisung erteilt, den Kläger in die stabile Seitenlage zu bringen. Sie selbst habe die Hand an den Hals des Klägers gelegt, um den Puls zu fühlen. Sie habe auch Puls gespürt. Sie selbst habe die Atmung nicht überprüft, weil sie auf ihre Frage, ob Atmung festzustellen sei, sehr schnell die Antwort bekommen habe, dass der Kläger noch atme.

Zwar könnte gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugin sprechen, dass sie die letztlich verantwortliche Lehrerin des Klägers gewesen ist. Die Zeugin machte jedoch keinerlei Versuch, ihr Handeln in der konkreten Situation zu beschönigen. Vielmehr gab sie unumwunden zu, dass sie sich, nachdem der Zeuge anwesend gewesen sei, auf diesen verlassen habe. Gleiches gilt, als sich die Zeugin auf die Angabe der Zeuginnen und verlassen hat, dass der Kläger noch atmet. Die Zeugin gab auch an, sie sei froh gewesen, als der Zeuge hinzugekommen sei. Sie habe das Gefühl gehabt, dass er ihr die Verantwortung abnehme.

Der Zeuge gab an, er sei von der Zeugin hinzugerufen worden. Sie habe ihm geschildert, was bis zu diesem Zeitpunkt geschehen ist. Er selbst habe geprüft, ob der Kläger noch Puls habe, was der Fall gewesen sei. Dann hätten sie auf den Notarzt gewartet. Auch der Zeuge versuchte nicht, das Geschehen zu beschönigen, sondern räumte ohne weiteres ein, dass er sich nicht erinnern könne, die Atmung habe er gar nicht gedacht. Er habe den Puls kontrolliert. Er hätte mit der Wiederbelebung begonnen, wenn der Pulsschlag aufgehört hätte. Für ihn sei der Pulsschlag das entscheidende Merkmal gewesen. Das letzte Mal, dass er den Puls geführt habe, sei relativ unmittelbar vor dem Eintreffen der Rettungssanitäter gewesen.

In den Aussagen der Zeuginnen und einerseits und derjenigen der Zeugen und finden sich nicht auflösbare Widersprüche. So sprachen die Zeuginnen und davon, dass der Kläger blau angelaufen sei, als sie ihn in die stabile Seitenlage gebracht hätten. Sowohl die Zeugin als auch der Zeuge gaben demgegenüber auf ausdrücklichen Vorhalt der Aussagen der Zeuginnen und übereinstimmend an, dass sie nicht gesehen hätten bzw. sich nicht erinnern könnten, dass der Kläger blau angelaufen sei. Der Zeuge gab hierzu lediglich an, dass der Kläger blass gewesen sei und eine Gänsehaut gehabt habe. Weiter unterscheiden sich die Angaben der Zeuginnen und einerseits und der Zeugin andererseits, soweit es den Inhalt des Telefonats und die Frage nach Atmung bzw. Puls angeht.

Angesichts der aufgezeigten Unsicherheiten und Unstimmigkeiten in den einzelnen Aussagen der Zeugen vermag das Gericht letztlich nicht zu entscheiden, welcher der Aussagen größere Überzeugungskraft zukommt. Aber auch bei Zugrundelegung der Aussagen der Zeuginnen und lässt sich der Zeitpunkt, zu dem der Kläger aufgehört hat zu atmen, nicht sicher festlegen, insbesondere auch nicht feststellen, dass - wie von dem Kläger behauptet - es sich um einen Zeitraum von sechs bzw. acht Minuten gehandelt hat, bevor Wiederbelebungsmaßnahmen eingeleitet worden sind. . Es kann daher auch nicht abschließend beurteilt werden, ob und ab wann Wiederbelebungsmaßnahmen geboten gewesen wäre, deren Unterlassen für die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers kausal geworden sein könnten.

Eine Einvernahme des als Zeugen von dem Kläger angebotenen Notarztes war nicht geboten. Soweit dieser für zum Nachweis der Behauptung benannt worden ist, dass der Zustand des Klägers und die Dauer der Wiederbelebungsmaßnahmen von 45 Minuten bewiesen, dass der Kläger seit mindestens sechs Minuten keinen Sauerstoff mehr bekommen habe, handelt es sich nicht um eine dem Zeugenbeweis zugängliche Tatsachenbehauptung, sondern um eine Schlussfolgerung, die zu ziehen Aufgabe eines Sachverständigen ist. Für die Einholung eines Sachverständigen fehlt es jedoch an Anknüpfungstatsachen, da - wie oben ausgeführt - nicht mit hinreichender Gewissheit festgestellt werden kann, ob und gegebenenfalls wie lange der Kläger nicht geatmet hat.

Da der Kläger unterlegen ist, hat er gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

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