LG Köln, Urteil vom 21.06.2018 - 15 O 364/17
Fundstelle
openJur 2019, 26916
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits je zur Hälfte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags.

Tatbestand

Die Kläger nehmen die beklagte Sparkasse im Wege der Teilklage auf Rückabwicklung von fünf widerrufenen Darlehensverträgen in Anspruch.

Die Kläger schlossen mit der Beklagten im August 2004 zur Finanzierung des Erwerbs einer Immobilie zwei Darlehensverträge (Nr. -xxx und -xxx) über insgesamt 86.000,00 EUR, für deren Einzelheiten, insbesondere die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung auf die Anlagen K 1 und 2 zur Klageschrift Bezug genommen wird. Zur Sicherung der beiden Darlehen wurde eine Grundschuld auf dem zu finanzierenden Objekt in Höhe von 155.000,00 EUR bestellt.

Die Kläger schlossen am 11.08.2010 eine Aufhebungsvereinbarung zu dem Darlehen -xxx und führten es gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung von 5.409,44 EUR zum 31.08.2010 zurück.

Im Juli 2011 schlossen die Kläger mit der Beklagten zur Finanzierung des Erwerbs einer Immobilie drei weitere Darlehensverträge über insgesamt 282.000,00 EUR, für deren Einzelheiten, insbesondere die von der Beklagten bei den Darlehen -xxx und -xxx verwendete Widerrufsinformation auf die Anlagen K 3 bis 5 zur Klageschrift Bezug genommen wird. Zur Sicherung der Darlehen -xxx und -xxx wurde eine Grundschuld auf dem zu finanzierenden Objekt in Höhe von 255.000,00 EUR bestellt. Als Sicherheit für das Darlehen -xxx diente eine bereits bestehende Grundschuld. Dieses Darlehen war variabel verzinst und sollte aus dem Verkaufserlös der im Jahr 2004 erworbenen Immobilie zurückgezahlt werden. Bei dem Darlehen -xxx handelte es sich um einen Förderkredit aus Mitteln des kfW-Wohnungseigentumsprogramms mit einem anfänglichen effektiven Jahreszins von 4,16 % und einem Tilgungsbeginn ab dem 30.09.2016. Bereitstellungszinsen waren erst ab November 2011 geschuldet.

Im Jahr 2011 veräußerten die Kläger die im Jahr 2004 finanzierte Immobilie. Die Parteien schlossen am 30.11.2011 eine Aufhebungsvereinbarung zu dem Darlehen -xxx und führten es gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung von 1.500,00 EUR zum 15.12.2011 zurück. Aus dem Verkaufserlös führten sie ebenso das Darlehen -xxx zum 20.12.2011 zurück.

Die Kläger erklärten mit Schreiben vom 11.05.2016 den Widerruf ihrer auf Abschluss der Darlehensverträge aus dem Jahr 2004 gerichteten Willenserklärungen. Die Beklagte wies den Widerruf mit Schreiben vom 07.06.2016 zurück. Die Kläger wiederholten ihre Forderungen anwaltlich vertreten. Mit Schreiben vom 19.12.2016 erklärten sie den Widerruf ihrer auf Abschluss der Darlehensverträge aus 2011 gerichteten Willenserklärungen.

Die Kläger berechnen die gegenseitigen Ansprüche aus den Rückgewährschuldverhältnissen und erklären die Aufrechnung. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 06.03.2018, Bl. 197 ff. d.A. Bezug genommen.

Die Kläger sind der Ansicht, die Widerrufsbelehrungen seien fehlerhaft gewesen und könnten keinen Vertrauensschutz beanspruchen, so dass die Widerrufsfrist bei Ausübung des Widerrufsrechts noch nicht abgelaufen sei. Die für die Voraussetzungen der Verwirkung darlegungsbelastete Beklagte habe deren tatsächliche Voraussetzungen nicht vorgetragen.

Die Kläger beantragen,

1. a) festzustellen, das aus den Darlehensverträgen vom 19.08.2004 über 40.000,00 EUR (Konto Nr. ...#/...) und über 46.000,00 EUR (Konto Nr. ...#/...) sowie vom 11.07.2011 über 100.000,00 EUR (Konto Nr. ...#/...), über 82.000,00 EUR (Konto Nr. ...#/...) und über weitere 100.000,00 EUR (Konto Nr. ...#/...) durch den Widerruf vom 11.05.2016 und den Widerruf vom 19.12.2016 Rückgewährschuldverhältnisse entstanden sind und die Kläger zur Erfüllung sämtlicher Zahlungsansprüche der Beklagten aus diesen Rückgewährschuldverhältnissen sowie zur Erfüllung etwaiger Zahlungsansprüche der Beklagten aus ungerechtfertigter Bereicherung (einschließlich etwaiger Nutzungswertersatzansprüche) wegen der Zahlungsansprüche der Beklagten aus den vorgenannten Rückgewährschuldverhältnissen hinsichtlich des Zeitraums bis zum 30.12.2017 (d.h. Stand 30.12.2017) vorbehaltlich der nach diesem Tag auf die Darlehenskonten geflossenen Geldbeträge eine Zahlung in Höhe von 124.670,64 EUR schulden;

b) hilfsweise hinsichtlich des Antrags zu 1.a)

aa) festzustellen, dass die primären Leistungspflichten der Kläger aus den mit der Beklagten geschlossenen Darlehensverträgen vom 11.07.2011 über 100.000,00 EUR (Konto Nr. ...#/...) und über 82.000,00 EUR (Konto Nr. ...#/...) zur Zahlung von Zinsen und zur Erbringung von Tilgungsleistungen aufgrund des erklärten Widerrufs vom 19.12.2016 erloschen sind; und

bb) die Beklagte zu verurteilen, an sie 35.596,10 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf diesen Betrag seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an sie sämtliche Geldbeträge nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten hilfsweise 3,5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem jeweiligen Eingang auf dem Darlehenskonto zurück zu gewähren, die zwischen dem 01.01.2018 und der Rechtskraft dieses Urteils hilfsweise zwischen dem Tag nach der mündlichen Verhandlung und dem Zeitpunkt der Rechtskraft dieses Urteils auf die unter 1 b aa genannten Darlehenskonten geflossen sind.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Ausübung des Widerrufsrechts nach vollständiger Vertragserfüllung verstoße jedenfalls gegen Treu und Glauben, das Widerrufsrecht sei verwirkt.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, ergänzend Bezug genommen.

Gründe

I. Die Klage ist nicht begründet.

Die Widerrufe haben die Darlehensverträge nicht in Rückgewährschuldverhältnisse umgewandelt.

1. a) Zwar ist die Widerrufsfrist der im Jahr 2004 abgeschlossenen Darlehensverträge nicht angelaufen, denn die hier verwendete Belehrung entsprach im Anschluss an die zu einer inhaltlich gleichlautenden Widerrufsbelehrung ergangene Entscheidung BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15, nicht den maßgeblichen, bei Vertragsschluss geltenden gesetzlichen Anforderungen und konnten auch keinen Vertrauensschutz beanspruchen.

b) Die Kläger hatten ihr Widerrufsrecht bei Ausübung im Mai 2016 jedoch verwirkt.

Das "ewige" Widerrufsrecht kann verwirkt werden (BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 501/15, Rn. 39 m.w.N; BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15, Rn. 34 m.w.N. für das unverzichtbare Widerrufsrecht gemäß § 506 S. 1 BGB in der zwischen dem 01.07.2005 und dem 10.06.2010 geltenden Fassung). Einen gesetzlichen Ausschluss des Instituts der Verwirkung hat der Gesetzgeber auch mit dem Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften nicht eingeführt und damit zugleich zu erkennen gegeben, diesem Institut grundsätzlich schon immer Relevanz im Bereich der Verbraucherwiderrufsrechte zuzuerkennen (vgl. BT-Drucks. 18/7584, S. 147).

Die Verwirkung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen der illoyal verspäteten Geltendmachung von Rechten setzt neben einem Zeitmoment, für das die maßgebliche Frist mit dem Zustandekommen des Verbrauchervertrags zu laufen beginnt, ein Umstandsmoment voraus (BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 501/15, Rn. 40; BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15, Rn. 37). Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Zu dem Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen. Ob eine Verwirkung vorliegt, richtet sich letztlich nach den vom Tatrichter festzustellenden und zu würdigenden Umständen des Einzelfalles.

Allein aufgrund eines laufend vertragstreuen Verhaltens des Verbrauchers kann der Unternehmer ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, der Verbraucher werde seine auf Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrags gerichtete Willenserklärung nicht widerrufen, nicht bilden (BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15, Rn. 39). Es kommt für das Umstandsmoment auch nicht darauf an, wie gewichtig der Fehler ist, der zur Wirkungslosigkeit der Widerrufsbelehrung führt. Der Verbraucher ist entweder ordnungsgemäß belehrt oder nicht (BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15, Rn. 40 m.w.N.). Das Risiko, dass ein Fehler der Widerrufsbelehrung erst nachträglich aufgedeckt wird, trägt nicht der Verbraucher, sondern die Bank. Im Gegenteil wird es dem Verbraucher aus der maßgeblichen Sicht der Bank schwerer fallen, das Fortbestehen des Widerrufsrechts zu erkennen, wenn die Widerrufsbelehrung den Anschein der Richtigkeit und Vollständigkeit erweckt. Daher spielt es für die Bildung schutzwürdigen Vertrauens der Bank keine Rolle, dass sie den Verbraucher überhaupt belehrt hat. Die Bank wird dadurch nicht unbillig belastet. Es ist ihr während der Schwebezeit bei laufenden Vertragsbeziehungen jederzeit möglich und zumutbar, durch eine Nachbelehrung des Verbrauchers - hier: gemäß § 355 Abs. 2 S. 2 BGB a.F. in Verbindung mit Art. 229 § 9 Abs. 2 EGBGB - die Widerrufsfrist in Gang zu setzen (BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15, Rn. 41). Die unvermindert gültige Entscheidung des Gesetzgebers, gegen das unbefristete Widerrufsrecht die Nachbelehrung zu setzen, ist auch bei der Prüfung der Voraussetzungen der Verwirkung eines vor Beendigung des Verbraucherdarlehensvertrags ausgeübten Widerrufsrechts beachtlich.

Die Ausübung eines Verbraucherwiderrufsrechts kann im Einzelfall eine unzulässige Rechtsausübung aus sonstigen Gründen darstellen und in Widerspruch zu § 242 BGB stehen, obwohl die Voraussetzungen einer Verwirkung nicht vorliegen. Das in § 242 BGB verankerte Prinzip von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten immanente Inhaltsbegrenzung. Welche Anforderungen sich daraus im Einzelfall ergeben, ob insbesondere die Berufung auf eine Rechtsposition rechtsmissbräuchlich erscheint, kann regelmäßig nur mit Hilfe einer umfassenden Bewertung der gesamten Fallumstände entschieden werden, wobei die Interessen aller an einem bestimmten Rechtsverhältnis Beteiligten zu berücksichtigen sind (BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15, Rn. 43).

Ohne Bedeutung ist, ob die Ausübung des Widerrufsrechts durch den Schutzzweck des Verbraucherwiderrufsrechts motiviert ist (BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15, Rn. 45 f.). Schon zu § 1b AbzG war anerkannt, dass das Wirksamwerden der Willenserklärung des Käufers mangels fristgemäßen Widerrufs von seinem freien Willen abhängen sollte, also der Widerruf nach dieser Vorschrift einer Rechtfertigung nicht bedurfte. Auch der Gesetzgeber des Verbraucherkreditgesetzes stellte sich auf diesen Standpunkt. Zwar sollte das Verbraucherkreditgesetz den Verbraucher in erster Linie "vor unüberlegten Vertragsentschließungen" bewahren (BT-Drucks. 11/5462, S. 12). Weder § 7 VerbrKrG noch später § 495 BGB a.F. ließ sich indessen entnehmen, andere Gesichtspunkte dürften bei der Entscheidung für oder gegen die Ausübung des Widerrufsrechts keine Berücksichtigung finden. Vielmehr legte der Gesetzgeber des Verbraucherkreditgesetzes fest, "[d]er Verbraucher [...] [könne] sein Gestaltungsrecht nach freiem Belieben und ohne Angabe von Gründen ausüben", sofern nicht das Gesetz selbst einschränkende Regelungen enthalte (BT-Drucks. 11/5462, S. 22). An diesen Grundsätzen sollte sich durch die Einführung des § 361a BGB und später des § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB nichts ändern. Im Gegenteil bestätigte der Gesetzgeber, indem er den Verzicht auf ein Begründungserfordernis in das Bürgerliche Gesetzbuch übernahm, die bis dahin gültigen Grundsätze. Aus der Entscheidung des Gesetzgebers, den Widerruf von jedem Begründungserfordernis freizuhalten, folgt zugleich, dass ein Verstoß gegen § 242 BGB nicht daraus hergeleitet werden kann, der vom Gesetzgeber mit der Einräumung des Widerrufsrechts intendierte Schutzzweck sei für die Ausübung des Widerrufsrechts nicht leitend gewesen. Überlässt das Gesetz - wie das Fehlen einer Begründungspflicht zeigt - dem freien Willen des Verbrauchers, ob und aus welchen Gründen er seine Vertragserklärung widerruft, kann aus dem Schutzzweck der das Widerrufsrecht gewährenden gesetzlichen Regelung grundsätzlich nicht auf eine Einschränkung des Widerrufsrechts nach § 242 BGB geschlossen werden. Gerade weil das Ziel, "sich von langfristigen Verträgen mit aus gegenwärtiger Sicht hohen Zinsen zu lösen", der Ausübung des Widerrufsrechts für sich nicht entgegensteht, sah sich der Gesetzgeber zur Schaffung des Art. 229 § 38 Abs. 3 EGBGB veranlasst (vgl. BT-Drucks. 18/7584, S. 146). Dass der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer nach Maßgabe der § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum 12.06.2014 geltenden Fassung (künftig: a.F.), § 346 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB zur Herausgabe von Nutzungsersatz verpflichtet sein kann, ist, soweit sich nach Maßgabe des Art. 229 § 32 EGBGB die Rechtsfolgen des Widerrufs noch nach den §§ 346 ff. BGB bestimmen, regelmäßige gesetzliche Konsequenz des Widerrufs. Dass der Widerruf diese Rechtsfolgen zeitigt, macht ihn nicht rechtsmissbräuchlich. Gleiches gilt für die gesamtwirtschaftlichen Folgen der vermehrten Ausübung von Verbraucherwiderrufsrechten. Dass sich die Kreditwirtschaft aufgrund der gegenwärtigen Niedrigzinsphase oder des gehäuften wirtschaftlichen Scheiterns darlehensfinanzierter Beteiligungskonzepte - immerhin aufgrund eigener Belehrungsfehler - der massenhaften Ausübung von Widerrufsrechten gegenüber sieht, ist - unbeschadet der Frage, ob dies die Rechtsposition der Kläger im konkreten Fall überhaupt beeinflussen könnte - generell kein Kriterium, das bei der Anwendung des § 242 BGB auf das Widerrufsrecht von Verbrauchern Berücksichtigung finden kann.

Danach kann bei beendeten Verbraucherdarlehensverträgen das Vertrauen des Unternehmers auf ein Unterbleiben des Widerrufs nach diesen Maßgaben schutzwürdig sein, auch wenn die von ihm erteilte Widerrufsbelehrung ursprünglich den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprach und er es in der Folgezeit versäumt hat, den Verbraucher gemäß § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB in der zwischen dem 01.08.2002 und dem 10.06.2010 geltenden Fassung in Verbindung mit Art. 229 § 9 Abs. 2 EGBGB nachzubelehren (BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 501/15, Rn. 41; BGH, Urt. v. 11.10.2016 - XI ZR 482/15, Rn. 30). Denn zwar besteht die Möglichkeit der Nachbelehrung auch nach Beendigung des Verbraucherdarlehensvertrags von Gesetzes wegen fort. Eine Nachbelehrung ist indessen nach Vertragsbeendigung sinnvoll nicht mehr möglich, weil die Willenserklärung des Verbrauchers, deren fortbestehende Widerruflichkeit in das Bewusstsein des Verbrauchers zu rücken Ziel der Nachbelehrung ist, für den Verbraucher keine in die Zukunft gerichteten wiederkehrenden belasteten Rechtsfolgen mehr zeitigt. Eine Nachbelehrung kann von dem Darlehensgeber nach Beendigung der Verträge nicht mehr erwartet werden (BGH, Urt. v. 11.10.2016 - XI ZR 482/15, Rn. 31). Bei der Bewertung der Umstände des Einzelfalls muss insbesondere bedacht werden, wenn die Parteien die Darlehensverträge einverständlich beendet haben (BGH, Urt. v. 11.10.2016 - XI ZR 482/15, Rn. 31) oder auch die Beendigung des Darlehensvertrags auf einen Wunsch des Verbrauchers zurückgeht (BGH, Urt. v. 11.10.2016 - XI ZR 482/15, Rn. 30).

Für den vorliegenden Fall ergibt sich danach, dass das für die Verwirkung erforderliche Zeitmoment mit fast 12 Jahren, die seit Vertragsschluss August 2004 bis zum Widerruf im Mai 2016 verstrichen sind, erfüllt ist.

Das Umstandsmoment ergibt sich aus der vollständigen beiderseitigen Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen aus den Verträgen. Die Beklagte musste nach der im August 2010 bzw. Dezember 2011 erfolgten vollständigen Rückzahlung der Darlehensvaluten mehr als vier bzw. fünf Jahre später mit einem Widerruf der auf den Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen der Kläger nicht mehr rechnen, sondern durfte auf den Bestand der beiderseitigen Vertragserfüllung vertrauen. Dabei bedarf es zur Begründung des Vertrauens auf Seiten der Beklagten angesichts der Länge der seit der vollständigen Vertragserfüllung verstrichenen Zeit keines über die bloße Untätigkeit hinausgehenden Verhaltens, weil schon in diesem Untätigbleiben ein für die Bildung des schutzwürdigen Vertrauens auf Seiten der Beklagten ausreichender Umstand liegt. Im Übrigen ist zu bedenken, dass es im Falle einer Bank, deren Geschäftsgegenstand darin besteht, mit den Geldern ihrer Kunden in der Weise zu arbeiten, dass einerseits Gelder verwahrt, andererseits Darlehen gegeben werden, offensichtlich ist, dass zurückgezahlte Gelder neu verwendet werden und die Rückabwicklung eines Darlehens nach dessen vollständiger beiderseitiger Erfüllung deshalb für die Bank einen unzumutbaren Nachteil darstellt. Besonderen Vortrags der Beklagten hierzu bedarf es nicht. Soweit in der Rechtsprechung besonderer Vortrag dazu verlangt worden ist, dass entsprechend dem Vertrauen auch disponiert worden ist (vgl. OLG Nürnberg Beschl. vom 08.02.2016 - 14 U 895/15, juris Rdn. 51, OLG Frankfurt, Urt. v. 27.01.2016 - 17 U 16/15, juris Rdn. 33; OLG Hamm, Beschl. v. 06.01.2017 - I-19 U 121/16), vermag dies für die hier vorliegende Konstellation nicht zu überzeugen. Für diese Bewertung spricht auch, dass durch die Entscheidung BGH, Beschl. v. 17.01.2017 - XI ZR 82/16, die Nichtzulassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung des OLG Schleswig zurückgewiesen hat, die unter anderem mit der Erwägung begründet war, die Bank habe die gezahlten Beträge "nach der Lebenserfahrung längst dazu verwandt, neue Darlehen auszureichen" (OLG Schleswig, Urt. v. 16.01.2016, 5 U 111/15). Der Bundesgerichtshof hat die Erfolgsaussichten der Revision gegen dieses Urteil mit der Begründung verneint, die Ausführungen des OLG Schleswig zur Verwirkung des Widerrufsrechts hielten einer revisionsrechtlichen Überprüfung anhand der Grundsätze der Entscheidungen BGH, Urtt. v. 12.07.2016 - Xl ZR 501/15 und XI ZR 564/15, stand (vgl. etwa OLG Köln, Beschl. v. 31.05.2017 - 13 U 229/15; OLG Köln, Beschl. v. 10.07.2017 - 13 U 25/17, n.v.). Ebenso ist durch BGH, Beschl. v. 30.05.2017 - XI ZR 203/16, n.v., die Nichtzulassungsbeschwerde gegen die wie vorstehend begründete Entscheidung OLG Köln, Beschl. v. 25.04.2016 - 13 U 90/15, n.v., zurückgewiesen worden. Dass sich eine schematische Anwendung der Verwirkungsgrundsätze, etwa das Umstandsmoment bei Fehlen eines bestimmten Zeitraums zwischen vollständiger Darlehenserfüllung und Widerruf verbietet, ist durch die Entscheidungen BGH, Urtt. v. 25.04.2017 - XI ZR 212/16 und XI ZR 314/16, erneut bestätigt worden.

2. Der Widerruf vom 19.12.2016 hat nicht zur Umwandlung des Darlehensvertrages Nr. ...#/... in ein Rückgewährschuldverhältnis geführt. Den Klägern stand kein Widerrufsrecht gem. § 495 BGB zu, weil die Bereichsausnahme des § 491 Abs. 2 Nr. 5 BGB einschlägig ist.

Gem. § 491 Abs. 2 Nr. 5 BGB sind keine Verbraucherdarlehensverträge Verträge, die nur mit einem begrenzten Personenkreis auf Grund von Rechtsvorschriften in öffentlichem Interesse abgeschlossen werden, wenn im Vertrag für den Darlehensnehmer günstigere als marktübliche Bedingungen und höchstens der marktübliche Sollzinssatz vereinbart sind. Dies ist hier der Fall.

a) Es handelt sich um einen Vertrag, der nur mit einem begrenzten Personenkreis abgeschlossen wird, weil die Darlehen aus dem KfW-Wohnungseigentumsprogramm nur natürlichen Personen, die selbst genutztes Wohneigentum erwerben oder Genossenschaftsanteile zeichnen, um Mitglied einer Wohnungsgenossenschaft zu werden, zur Verfügung stehen.

b) Das Darlehen wurde auch auf Grund von Rechtsvorschriften in öffentlichem Interesse abgeschlossen. Rechtsvorschriften im öffentlichen Interesse sind alle Normen einschließlich Förderrichtlinien, die der Förderung eines gesamtgesellschaftlichen Anliegens dienen (MüKo-BGB/Schürnbrand, 7. Aufl. 2016, § 491 Rn. 71; vgl. Begr. RegE, BT-Drs. 16/11643 S. 77). Das KfW-Wohnungseigentumsprogramm stellt eine solche Förderrichtlinie dar. Denn mit der Zurverfügungstellung dieser Mittel handelt die Kreditanstalt für Wiederaufbau in Erfüllung ihres gesetzlichen Förderauftrags aus § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 c KredAnstWiAG, wonach sie die Aufgabe hat, im staatlichen Auftrag Fördermaßnahmen, insbesondere Finanzierungen in dem Bereich der Wohnungswirtschaft durchzuführen. Diese Aufgabe hat sie gem. § 2 Abs. 1 S. 2 KredAnstWiAG in Regelwerken zu konkretisieren, was mit dem hier streitgegenständlichen Programm, geschehen ist.

c) Es wurden auch günstigere als marktübliche Bedingungen und höchstens der marktübliche Sollzinssatz vereinbart.

Dass die Einräumung von vier Tilgungsfreijahren, der späte Anfall von Bereitstellungszinsen in Nicht-Förderdarlehen nur mit einem erhöhten Zins zu erkaufen ist, ist der Kammer als einer geschäftsplanmäßig mit Banksachen betrauten Spezialkammer aus einer Vielzahl vergleichbarer Verfahren bekannt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist von der Marktüblichkeit der vereinbarten Zinsen auszugehen, wenn sie innerhalb der Streubreite der in den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank ausgewiesenen Zinssätze oder nur geringfügig bis zu 1 Prozentpunkt darüber liegen (vgl. BGH, Urt. v. 19.01.2016 - XI ZR 103/15; Urt. v. 18.12.2007 - XI ZR 324/06, Rn. 29 mwN). Dies ist hier der Fall. In dem hier maßgeblichen Monat Juli 2011 betrug der durchschnittliche effektive Jahreszins für festverzinsliche Hypothekarkredite auf Wohngrundstücke mit einer mit einer Laufzeit von über 10 Jahren 4,18 % und mit einer Laufzeit von 5-10 Jahren 4,08 % (MFI-Zinsstatistik für das Neugeschäft der deutschen Banken - Wohnungsbaukredite an private Haushalte; siehe unter www.bundesbank.de). Der im Darlehensvertrag vereinbarte effektive Jahreszins von 4,16% liegt nur geringfügig über dem Durchschnitt für Laufzeiten bis 10 Jahren.

3. Der Widerruf der Darlehen Nr. -xxx und -xxx war verfristet.

a) Die von der Beklagten verwendete Widerrufsinformation nach dem Muster Deutscher Sparkassenverlag (Fassung November 2010) ist nicht zu beanstanden.

aa) Die Widerrufsbelehrung verstößt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht gegen das Deutlichkeitsgebot des Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB a.F. (BGH, Urt. v. 23.02.2016 - XI ZR 549/14 und XI ZR 101/15).

bb) Die Widerrufsinformation ist auch hinsichtlich des Anlaufens der Frist hinreichend deutlich und zutreffend. Dass die Kläger mit der von der Beklagten erteilten Widerrufsinformation zutreffend über den Fristbeginn seines Widerrufsrechts informiert worden sind, steht nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, welche eine bis auf die einzelnen Klammerangaben wortgleiche Formulierung betraf, fest (vgl. BGH, Urt. v. 22.11.2016 - X1 ZR 434/15, Rn. 16 f.). Der Wirksamkeit der erteilten Widerrufsinformation steht dabei insbesondere nicht entgegen, dass diese hinsichtlich des Fristbeginns auf § 492 Abs. 2 BGB a.F. verweist und dabei die nach § 492 Abs. 2 BGB a.F. erforderlichen Pflichtangaben nur beispielhaft aufführt (BGH, a.a.O., Rn. 18; OLG Köln, Beschl. v. 27.03.2017, 13 U 289/16, n.v.). Dass das nicht die Konzeption des Gesetzgebers ist, ergibt sich schon daraus, dass nach dem ab dem 30.07.2010 das - anders als das Muster nach dem früheren § 14 der BGB-InfoVO - im Gesetzesrang stehende Muster für die Widerrufsinformation keineswegs eine vollständige Übernahme der Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 EGBGB vorsieht, sondern ausdrücklich eine nur beispielhafte Aufzählung. Dass infolgedessen der Darlehensnehmer nicht allein durch die Lektüre der Widerrufsinformation, sondern erst durch ergänzendes Studium des Vertragstextes Klarheit über die Frage gewinnen kann, ob die für den Beginn des Fristablaufs erforderlichen Pflichtangaben im Vertrag in vollständiger Weise enthalten sind, ist Konsequenz der gesetzlichen Konzeption und führt nicht zu einer nicht ausreichenden und damit unwirksamen Widerrufsinformation (BGH, Urtt. v. 04.07.2017 - XI ZR 741/16 und v. 22.11.2016 - XI ZR 434/15 Rn. 21 f.; Beschl. v. 25.10.2016 - XI ZR 6/16; OLG Köln, Beschl. v. 12.12.2016 - 13 U 279/16 n.v.).

b) Die erforderlichen Pflichtangaben sind im Vertragstext enthalten. Nach der am 11.07.2011 geltenden Fassung der Art. 247 EGBGB §§ 6-13 EGBGB waren bei Immobiliardarlehensverträgen gemäß § 503 BGB von den §§ 3 bis 8, 12 und 13 nur die Angaben gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1-7, 10 und 13, § 3 Abs. 4 und § 8 verpflichtend. Diese sind erteilt: Der Name und die Anschrift des Darlehensgebers (§ 3 Abs. 1 Nr. 1) finden sich auf dem Kopf des Darlehensvertrages, die Art des Darlehens (§ 3 Abs. 1 Nr. 2) unter Ziffer 1 des Vertrages (Tilgungsdarlehen bzw. endfälliges Darlehen), der effektive Jahreszins (§ 3 Abs. 1 Nr. 3) unter Ziffer 2.3, der Nettodarlehensbetrag (§ 3 Abs. 1 Nr. 4) unter Ziffer 2.2, der Sollzinssatz sowie die Bedingungen und Zeitraum für seine Anwendung (§ 3 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4) unter Ziffer 2.1, die Vertragslaufzeit sowie Betrag, Zahl und Fälligkeit der einzelnen Teilzahlungen (§ 3 Abs. 1 Nr. 6 u. 7) unter Ziffer 2.7, die sonstigen Kosten (§ 3 Abs. 1 Nr. 10) unter Ziffer 2.4, das Widerrufsrecht (§ 3 Abs. 1 Nr. 13) unter Ziffer 14. Der Hinweis auf die Abtretbarkeit unter Ziffer. 12. Da es sich nicht um einen Vertrag mit Zusatzleistungen im Sinne des § 8 handelt, waren diese Angaben entbehrlich. Schließlich sind die Tageszinsen nicht fehlerhaft angegeben. Diese sind offensichtlich nach der "Deutschen Kaufmännischen Zinsmethode" berechnet, bei der jeder Monat 30 Tage hat, also sich der Tageszins durch die Formel Valuta ÷ 100 x Nominalzins ÷ 360 errechnet (hier: 94.090,78 EUR ÷ 100 x 2,75 ÷ 360 = 7,18749). Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 2 EGBGB macht für die Umrechnung von Jahreszinsen keine Vorgaben. Die Beklagte durfte daher diese in der Bundesrepublik Deutschland für Bankkredite übliche (vgl. Nagel in Derleder/Knops/Bamberger, Deutsches und europäisches Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., § 14 Rn. 20) Methode anwenden (BGH, Urt. v. 04.07.2017 - XI ZR 741/16).

c) Überdies wäre der Widerruf des Darlehens Nr. -xxx nach Maßgabe der oben unter 1b) dargestellten Grundsätze verwirkt. Für den vorliegenden Fall ergibt sich danach, dass das für die Verwirkung erforderliche Zeitmoment von über fünf Jahren, die seit Vertragsschluss im Juli 2011 bis zum Widerruf im Dezember 2016 verstrichen sind, erfüllt ist. Das Umstandsmoment ergibt sich aus der vollständigen beiderseitigen Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen aus dem Vertrag. Die Beklagte musste nach der im Dezember 2011 erfolgten vollständigen Rückzahlung der Darlehensvaluta mehr als vier Jahre später mit einem Widerruf der auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen der Kläger nicht mehr rechnen, sondern durfte auf den Bestand der beiderseitigen Vertragserfüllung vertrauen.

II. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1 S. 1, 100 Abs. 1, 709 S. 2 ZPO.

Streitwert:

258.557,09 EUR