VG Arnsberg, Urteil vom 10.04.2019 - 10 K 6052/16
Fundstelle
openJur 2019, 26869
  • Rkr:
Tenor

1. Der Bescheid des Beklagten vom 14. und 16. November 2016 wird aufgehoben, soweit der darin festgesetzte und geforderte Betrag 5.961,95 € überschreitet. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 11/12, der Beklagte zu 1/12.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Beide Beteiligten können die Vollstreckung durch den jeweils anderen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der vollstreckende Teil zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen einen Leistungsbescheid des Beklagten, mit dem ihr aufgegeben wird, die Kosten ihrer Abschiebung zu tragen.

Die am 14. Februar 1990 in T1. geborene Klägerin ist russische Staatsangehörige. Sie reiste im Jahr 2013 ins Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag. Diesen lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) mit Bescheid vom 16. September 2013 als unzulässig ab, da die Klägerin zu diesem Zeitpunkt bereits ein Asylverfahren in Belgien betrieb. In der Folge hielt die Klägerin sich nicht in der ihr zugewiesenen Unterkunft in N. auf und wurde am 30. November 2013 durch das Einwohnermeldeamt N. als unbekannt verzogen abgemeldet.

Das Bundesamt entschied im Januar 2014, dass nunmehr eine Entscheidung im nationalen Verfahren ergehen sollte. Es lehnte den Asylantrag der Klägerin mit Bescheid vom 11. Juni 2015 als offensichtlich unbegründet ab und drohte ihr die Abschiebung in die Russische Föderation oder einen anderen zur Aufnahme verpflichteten Staat an, sollte sie nicht innerhalb von einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung freiwillig aus dem Bundesgebiet ausreisen.

Da der Aufenthaltsort der Klägerin weiterhin unbekannt war, wurde sie zur Festnahme ausgeschrieben. Am 5. Oktober 2016 sprach sie mit einer Bekannten unter Verwendung des Namens B1. N1. bei der Ausländerbehörde der Stadt E. vor. Bei einer Überprüfung stellte sich heraus, dass ein auf diesen Namen ausgestellter gefälschter slowakischer Personalausweis in die Polizeifahndung eingestellt war. Die Polizei nahm sie daraufhin wegen des Verdachtes des unerlaubten Aufenthaltes in Gewahrsam. Nachdem im Polizeigewahrsam die tatsächliche Identität der Klägerin geklärt worden war, stellte der Beklagte am 6. Oktober 2015 einen Haftantrag, dem das Amtsgericht E. am selben Tag stattgab und die Abschiebungshaft anordnete.

Die Klägerin, die zum Zeitpunkt ihrer Festnahme 500,00 € Bargeld mit sich führte, leistete eine "Sicherheitsleistung zur Deckung der Abschiebungskosten" in Höhe von 275,00 €.

Aufgrund des Haftbeschlusses befand sich die Klägerin vom 6. Oktober 2015 bis zum 21. Oktober 2015 in Abschiebungshaft in der Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige (UfA) C1. . Am 21. Oktober 2015 wurde sie nach Russland abgeschoben.

Der Beklagte verfasste unter dem 1. Oktober 2016 ein Anhörungsschreiben hinsichtlich des Erlasses eines Leistungsbescheides über die entstandenen Abschiebungskosten. Dieses leitete ein Beamter der Polizei L1. auf Bitte des Beklagten per E-Mail an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin weiter. Die Klägerin hatte diesen bevollmächtigt, sie in einem strafprozessualen Verfahren betreffend die Herausgabe beschlagnahmten Bargeldes zu vertreten und die Polizei hatte dem Beklagten die Bevollmächtigung mitgeteilt.

Mit Schreiben vom 13. Oktober 2016 bat der Prozessbevollmächtigte den Beklagten mit dem Hinweis, "wie Sie bereits wissen, vertrete ich Frau L2. auch in diesem Verfahren" um Verlängerung der Stellungnahmefrist und gab kurz darauf auch eine inhaltliche Stellungnahme ab. Im Rahmen des Anhörungsverfahrens erhielt der Prozessbevollmächtigte einen auf den 12. Juli 2016 datierten Forderungsnachweis des Beklagten und Kopien der zugrundeliegenden einzelnen Rechnungen.

Aus dem Forderungsnachweis ergaben sich folgende Kostenpunkte:

Überstellung in die UfA C1.

durch die Zentrale Ausländerbehörde (ZAB) L1.: 220,35 €

Abschiebungskosten der ZAB E1. 6.200,44 €

Flugbuchung durch die Bezirksregierung E. 368,59 €

6.789,38 €

abzüglich Sicherheitsleistung von 275,00 € 6.514,38 €

Die Abschiebungskosten der ZAB E1. setzten sich dabei ausweislich der mitübersandten Rechnung vom

3. November 2015 wie folgt zusammen:

km-Geld (PKW/Bulli) 8.10.2015 16,38 €

km-Geld (PKW/Bulli) 21.10.2015 71,78 €

Personalkosten 8.10.2015 54,60 €

Personalkosten 21.10.2015 464,72 €

Kosten Hafthaus (C1. ): 16 x 349,56 € 5.592,96 €

6.200,44 €

Unter dem 14. November 2016 erließ der Beklagte einen Leistungsbescheid, in dem er der Klägerin Abschiebungskosten in Höhe von 6.514,38 € auferlegte und sie zur Zahlung der ausstehenden Kosten in Höhe von 692,25 € aufforderte. Zur Begründung verweis er auf die §§ 66, 67 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) und berief sich hinsichtlich der einzelnen Kostenpunkte auf den Forderungsnachweis vom 12. Juli 2016, ohne diesen - oder die zugrundeliegenden einzelnen Rechnungen - dem Bescheid beizufügen. Im Hinblick auf die Kosten für die Abschiebungshaft berief sich der Beklagte auf den Runderlass des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 2. Oktober 2015 (121-20.26.01-2-11/171), in welchem der Tageskostensatz für die Abschiebungshaft festgelegt worden sei.

Mit Schreiben vom 16. November 2016 erklärte der Beklagte gegenüber dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin, auf Seite 1 in Ziffer 2 des Bescheides sei ihm ein Formfehler unterlaufen und die nunmehr überarbeitete Seite solle anstelle der ursprünglich übersandten Seite 1 gelten. Die neue Seite 1 war unverändert bis auf das Datum und den Umstand, dass die Klägerin nunmehr zur Zahlung der vollen 6.514,38 € statt lediglich 692,25 € aufgefordert wurde.

Am 7. Dezember 2016 hat die Klägerin die vorliegende Klage gegen den Leistungsbescheid erhoben.

Zu deren Begründung trägt sie vor: Sie sei vor Erlass des Bescheides nicht angehört worden, denn zu dem Zeitpunkt, als ihren Prozessbevollmächtigten die E-Mail mit dem Anhörungsschreiben erreicht habe, habe dieser sie im Verwaltungsverfahren noch nicht vertreten. Der Bescheid selbst sei lediglich per Fax übersandt worden. Somit sei sowohl bei der Anhörung als auch bei der Kostenfestsetzung die Schriftform nicht eingehalten worden. Der Bescheid sei zudem zu unbestimmt und damit nichtig, weil am 14. November 2016 zunächst ein anderer Betrag gefordert worden sei und in der neuen Fassung des Bescheides vom 16. November 2016 jegliche Begründung gefehlt habe. Darüber hinaus sei die der Kostenfestsetzung zugrundeliegende Inhaftierung rechtswidrig gewesen, denn die Klägerin könne sich nicht erinnern, über ihre Rechte nach dem Wiener Übereinkommen vom 24. April 1963 über konsularische Beziehungen (WÜK) belehrt worden zu sein. Es habe zudem keine Veranlassung für ihre Inhaftierung bestanden. Auch sei die Abschiebung selbst rechtswidrig gewesen, da ihr kein bestandskräftiger Asylbescheid zugrunde gelegen habe, da der Aufenthaltsort der Klägerin zum Zeitpunkt des Asylbescheiderlasses im Jahr 2015 behördlich unbekannt gewesen sei. Zudem sei der Leistungsbescheid hinsichtlich der Kostenhöhe rechtswidrig. Die Aufstellung der einzelnen Kosten fehle in dem Bescheid. Es handle sich dabei auch nicht um die tatsächlich entstandenen Kosten. Denn die Höhe des Tagessatzes in der UfA C1. sei mit 349,56 € erheblich höher als die dem Prozessbevollmächtigten bekannten üblichen Tagessätze in der Abschiebungshaft von 70 bis 90 €. Letztlich habe auch kein Erfordernis für den Erlass des Bescheides gegen die sich im Ausland befindende Klägerin bestanden, da gemäß § 70 Abs. 2 AufenthG Ansprüche wegen der Abschiebung ohnehin nicht verjährten, solange sich der Kostenschuldner nicht (erkennbar) im Bundesgebiet aufhalte.

Sie beantragt sinngemäß,

den Leistungsbescheid des Beklagten vom 14. und 16. November 2016 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid und trägt ergänzend vor: Eine Anhörung habe stattgefunden. Er habe bereits vor Bescheiderlass von der Polizei L1. eine Kopie der Vollmacht des Prozessbevollmächtigten erhalten, wonach dieser zur Entgegennahme von Zustellungen aller Art berechtigt sei. Zudem habe sich der Prozessbevollmächtigte auf das Anhörungsschreiben hin auch schriftlich geäußert. Ferner hat der Beklagte dem Gericht den Ministerialerlass vom 2. Oktober 2015 übersandt, in welchem die Ausländerbehörden aufgefordert werden, ab dem 15. Mai 2015 bei Leistungsbescheiden einen Tagessatz von 349,46 € für die Abschiebungshaft in der UfA C1. anzusetzen. Der Erlass enthält eine Anlage, in der die Berechnung des Tagessatzes erläutert ist.

Die Klägerin trägt nunmehr ergänzend vor, dass der Ministerialerlass lediglich einen Pauschalbetrag benenne und deshalb keine taugliche Grundlage für die Bestimmung der tatsächlich angefallenen Kosten darstelle.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und des Bundesamtes Bezug genommen.

Gründe

Die Kammer kann ohne mündliche Verhandlung gemäß § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) entscheiden, da die Beteiligten ihr Einverständnis hierzu mit Schriftsätzen vom 14. November 2018 erklärt haben.

Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet. Sie ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache hat sie jedoch nur teilweise Erfolg, da der angefochtene Bescheid des Beklagten rechtmäßig ist, soweit der darin festgesetzte und geforderte Betrag 5.961,95 € nicht übersteigt und er die Klägerin insofern nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Ermächtigungsgrundlage für den Leistungsbescheid ist § 66 Abs. 1 in Verbindung mit § 67 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 AufenthG. Nach § 66 Abs. 1 AufenthG hat der Ausländer Kosten, die durch die Durchsetzung einer räumlichen Beschränkung, der Zurückweisung, Zurückschiebung oder der Abschiebung entstehen, selbst zu tragen. Gemäß § 67 Abs. 3 AufenthG werden die Abschiebungskosten von der nach § 71 zuständigen Behörde, also der Ausländerbehörde, durch Leistungsbescheid erhoben. Die Ausländerbehörde ist zur Erhebung der gesamten Abschiebungskosten einschließlich der Kosten hinzugezogener Behörden gegenüber dem Ausländer befugt.

Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 14. März 2006 - 1 C 5.05 -, juris.

Der beklagte I. ist die zuständige Ausländerbehörde, da die Klägerin während ihres Asylverfahrens ihren Wohnsitz in N. zu nehmen hatte und von dort aus untergetaucht war.

Der Bescheid ist auch nach § 37 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) hinreichend bestimmt. Der Einwand der Klägerin, der hinreichenden Bestimmtheit stehe entgegen, dass der Beklagte nachträglich die erste Seite des Bescheids geändert und nur diese erneut an ihren Prozessbevollmächtigten übersandt habe, verfängt nicht. Denn auf dieser Seite 1 des Bescheides befindet sich lediglich der Bescheidtenor und es ist einfach erkennbar, dass dieser in der zweiten Version abgesehen von dem Erlassdatum ausschließlich insofern verändert wurde, als ein Schreibfehler in der ersten Version - die Kostenhöhe war einmal mit 6.514,38 € und einmal mit 692,25 € beziffert worden - nunmehr korrigiert worden und einheitlich von 6.514,38 € die Rede war. Zudem hat der Beklagte den Prozessbevollmächtigten der Klägerin in einem begleitenden Schreiben ausdrücklich darauf hingewiesen, dass lediglich die hinsichtlich eines Formfehlers unter Ziffer 2 veränderte erste Bescheidseite neu übersandt werde und der Bescheid im Übrigen unverändert fortgelte. Unter diesen Voraussetzungen ist - insbesondere für einen anwaltlich Vertretenen - hinreichend erkennbar, welche behördliche Entscheidung weiterhin gegen ihn gelten soll.

Der hinreichenden Bestimmtheit steht auch nicht entgegen, dass der Bescheid selber keine einzelnen Kostenpunkte benennt, aus denen sich der geforderte Gesamtbetrag von 6.514,38 € ergibt. Zwar muss der Leistungsbescheid Angaben dazu enthalten, wofür genau die Leistung verlangt wird.

Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, (OVG NRW), Urteil vom 27. März 1995 - 1 A 2113/90 -, juris.

Die Herleitung der einzelnen Kostenpositionen muss sich dabei durch den Bescheid selbst, ggf. durch Anlagen zum Bescheid für den Ausländer im Zusammenhang mit seiner Kenntnis des zugrunde liegenden Sachverhalts oder sonst für ihn erkennbaren Umständen klar ermitteln lassen. Nach diesen Maßstäben ist der angefochtene Bescheid - noch - hinreichend bestimmt. Denn in der Begründung des Bescheids wird auf die Kostenaufstellung vom 12. Juli 2016 Bezug genommen sowie auf den Erlass des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 2. Oktober 2015. Dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin waren im Rahmen des Anhörungsverfahrens diese Kostenaufstellung vom 12. Juli 2016 sowie sämtliche zugrundeliegenden Einzelrechnungen übersandt worden. Der Inhalt des Ministerialerlasses vom 2. Oktober 2015 ist der Klägerin spätestens bekannt geworden, als sie ihn im September 2017 im Rahmen des Klageverfahrens über das Gericht vom Beklagten erhalten hat.

Der Beklagte hat die Klägerin vor Erlass des Bescheides ordnungsgemäß gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG NRW angehört. Dem steht - anders als die Klägerin meint - weder entgegen, dass das Anhörungsschreiben lediglich per E-Mail versandt wurde, noch, dass es an ihren Prozessbevollmächtigten gerichtet war, den die Klägerin zu diesem Zeitpunkt lediglich zur Vertretung in strafprozessualen Angelegenheiten beauftragt hatte.

Das Versenden des Anhörungsschreibens per E-Mail ist unschädlich, da § 28 VwVfG NRW keine besondere Form für die Anhörung vorschreibt.

Vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwGO, 19. Aufl. 2018, § 28 Rn. 39.

Der formellen Rechtmäßigkeit steht auch nicht entgegen, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin diese zum damaligen Zeitpunkt lediglich in strafprozessualen Angelegenheiten vertrat. Denn mit Schreiben vom 13. Oktober 2016 an den Beklagten erklärte er in Reaktion auf das Anhörungsschreiben, "wie Sie bereits wissen, vertrete ich Frau L2. auch in diesem Verfahren." Hierin ist eine zumindest konkludente Erklärung zu sehen, wonach der Prozessbevollmächtigte die Klägerin auch im Verwaltungsverfahren vertreten wollte. Zudem gab er am 11. November 2016 im Rahmen der Anhörungsfrist eine ausführliche inhaltliche Stellungnahme für die Klägerin ab. Hiermit ist ein möglicherweise zunächst bestehender Anhörungsmangel jedenfalls geheilt im Sinne des § 45 Abs. 2 VwVfG NRW. Denn dem Sinn des § 28 VwVfG NRW, dem betroffenen Bürger vor Erlass einer belastenden Entscheidung der Behörde die Möglichkeit zu gewähren, seinen Ansichten Gehör zu verschaffen, war damit erkennbar Genüge getan.

Der Leistungsbescheid ist weiterhin nicht deshalb formell rechtswidrig, weil der Beklagte ihn lediglich per Fax an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin übersandt hat. Eine solche Bekanntgabe ist unschädlich, wenn der Anwalt selbst der Behörde seine Faxnummer mitgeteilt und damit diesen Kommunikationsweg eröffnet hat.

Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Oktober 2008 - OVG 5 NC 73.08 -, juris.

Dies ist vorliegend der Fall. Denn der Briefkopf der vom Prozessbevollmächtigten im Rahmen der Anhörung an den Beklagten verschickten Schreiben enthielt seine Faxnummer. Der Prozessbevollmächtigte wies den Beklagten in dem Schreiben vom 13. Oktober 2016 zudem ausdrücklich darauf hin, dass eine Übersendung der Forderungsaufstellung gerne auch per Fax oder E-Mail erfolgen könne.

In materieller Hinsicht ist der Verwaltungsakt rechtswidrig, soweit darin ein 5.961,95 € übersteigender Betrag festgesetzt und gefordert wird. Im Übrigen begegnet er keinen rechtlichen Bedenken, da insofern die Voraussetzungen der Rechtsgrundlage erfüllt sind.

Nach § 66 Abs. 1 AufenthG hat der Ausländer die Kosten der Abschiebung zu tragen. Die Kostentragungspflicht besteht allerdings nur dann, wenn die zur Durchsetzung der Abschiebung ergriffenen Amtshandlungen und Maßnahmen den Ausländer nicht in seinen Rechten verletzen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 2012 - 10 C 6.12 -, juris.

Die Abschiebungshaft der Klägerin vom 6. bis 21. Oktober 2015 war rechtmäßig.

Sie ist nicht wegen einer fehlenden Belehrung der Klägerin über ihre Rechte aus Art. 36 WÜK rechtswidrig. Nach Art. 36 Abs. 1 lit. b WÜK haben die zuständigen Behörden des Empfangsstaats die konsularische Vertretung des Entsendestaats auf Verlangen des Betroffenen unverzüglich zu unterrichten, wenn in deren Konsularbezirk ein Angehöriger dieses Staates festgenommen, in Straf- oder Untersuchungshaft genommen oder ihm anderweitig die Freiheit entzogen ist. Jede von dem Betroffenen an die konsularische Vertretung gerichtete Mitteilung haben die genannten Behörden ebenfalls unverzüglich weiterzuleiten. Die Behörden haben den Betroffenen unverzüglich über seine Rechte auf Grund dieser Bestimmung zu unterrichten.

Die Bundesrepublik Deutschland und die Russische Föderation sind Vertragsstaaten der WÜK, sodass der Klägerin diese Rechte zustanden. Unterbleibt die Belehrung nach Art. 36 WÜK, so ist die Abschiebungshaft rechtswidrig und stellt keine taugliche Grundlage für eine Kostenhaftung nach §§ 66, 67 AufenthG dar.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Oktober 2012 - 10 C 6.12 -, juris, Rn. 25 ff.

Vorliegend wurde die Klägerin jedoch ausweislich der Verwaltungsvorgänge des Beklagten ordnungsgemäß belehrt. In der von der Klägerin unterschriebenen, in russische Sprache abgefassten formularmäßigen Erklärung im Rahmen ihrer Beschuldigtenvernehmung durch die Polizei E. unmittelbar nach ihrer Festnahme am 5. Oktober 2015 heißt es - in der entsprechenden deutschen Übersetzung - ausdrücklich "Ich wurde darüber belehrt, dass auf mein Verlangen meine konsularische Vertretung in der Bundesrepublik Deutschland über meine Festnahme und meinen jetzigen Aufenthalt unterrichtet wird."

Auch die materiellrechtlichen Voraussetzungen einer rechtmäßigen Abschiebungshaft lagen vor. Die Abschiebungshaft fand ihre rechtliche Grundlage in § 62 AufenthG. Nach Absatz 1 Satz 1 dieser Vorschrift ist die Abschiebungshaft unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes, ebenfalls ausreichendes anderes Mittel erreicht werden kann. Nach Absatz 3 Satz 1 ist ein Ausländer zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist (1.), eine Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann (1a.), die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort gewechselt hat, ohne der Ausländerbehörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist (2.), er aus von ihm zu vertretenden Gründen zu einem für die Abschiebung angekündigten Termin nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde (3.), er sich in sonstiger Weise der Abschiebung entzogen hat (4.) oder im Einzelfall Gründe vorliegen, die auf den in § 2 Absatz 14 festgelegten Anhaltspunkten beruhen und deshalb der begründete Verdacht besteht, dass er sich der Abschiebung durch Flucht entziehen will (Fluchtgefahr) (5.).

Die Voraussetzungen des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AufenthG lagen - entgegen der Ansicht der Klägerin, wonach ihr Verhalten keinen Anlass für die Anordnung der Abschiebungshaft gegeben habe - vor. Denn die Klägerin hatte die im Bescheid des Bundesamtes vom 11. Juni 2015 gesetzte Wochenfrist zur freiwilligen Ausreise verstreichen lassen und nach ihrer Abmeldung nach unbekannt im Jahr 2013 weder dem Bundesamt noch der Ausländerbehörde ihre neue Anschrift mitgeteilt. Der Bescheid vom 11. Juni 2015 ist - anders als die Klägerin meint - auch wirksam geworden, obwohl ihr Aufenthaltsort zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses unbekannt war. Denn der Bescheid galt aufgrund der Zustellungsfiktion des § 10 des Asylgesetzes (AsylG) am 15. Juni 2015 als zugestellt, als das Bundesamt ihn adressiert an die im Jahr 2013 von der Stadt B2. mitgeteilte Anschrift der Klägerin in N. zur Post gab. Denn nach § 10 Abs. 2 Satz 1 AsylG muss der Ausländer Zustellungen und formlose Mitteilungen unter der letzten Anschrift, die der jeweiligen Stelle auf Grund seines Asylantrags oder seiner Mitteilung bekannt ist, gegen sich gelten lassen, wenn er für das Verfahren weder einen Bevollmächtigten bestellt noch einen Empfangsberechtigten benannt hat oder an diesen nicht zugestellt werden kann. Das Gleiche gilt nach Satz 2 der Vorschrift, wenn die letzte bekannte Anschrift, unter der der Ausländer wohnt oder zu wohnen verpflichtet ist, durch eine öffentliche Stelle mitgeteilt worden ist. Satz 4 bestimmt, dass, wenn die Sendung dem Ausländer nicht zugestellt werden kann, die Zustellung mit der Aufgabe zur Post als bewirkt gilt, selbst wenn die Sendung als unzustellbar zurückkommt. Über diese Fiktionswirkung war die Klägerin bereits am 17. April 2013 schriftlich belehrt worden. Nachdem sie im Herbst 2013 untergetaucht war, hatte sie dem Bundesamt keine neue Adresse mitgeteilt, sodass sie die im Jahr 2015 an ihre alte Adresse erfolgte Zustellung trotz des Umstandes, dass die Postsendung als unzustellbar zum Bundesamt zurückkehrte, gegen sich gelten lassen muss.

Es war auch kein milderes Mittel als die Anordnung der Abschiebungshaft ersichtlich, § 62 Abs. 1 AufenthG. Denn die Klägerin war über einen Zeitraum von ca. eineinhalb Jahren untergetaucht und benutzte - wie auch am Tag ihrer Festnahme - eine falsche Identität im Rechtsverkehr. Damit war auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsmaßstabs die Anordnung der Abschiebungshaft angemessen.

Auch die übrigen im Rahmen des Abschiebevorgangs ergriffenen Maßnahmen - d.h. die Überführung in die UfA C1. , die Fahrt von dort zum Flughafen, sowie der Abschiebeflug als solcher - begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Die Klägerin hat gegen die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahmen auch keine Einwände erhoben.

Im Hinblick auf die Höhe der festgesetzten Kosten hat die Klage jedoch teilweise Erfolg. Die Erstattungsfähigkeit der Abschiebungskosten richtet sich nach § 67 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 AufenthG. Hiernach umfassen die Kosten der Abschiebung auch die Beförderungs- und Reisekosten für den Ausländer innerhalb des Bundesgebiets, die bei der Vorbereitung und Durchführung der Maßnahme entstehenden Verwaltungskosten einschließlich der Kosten für die Abschiebungshaft und die Übersetzungs- und Dolmetscherkosten und die Ausgaben für die Unterbringung, Verpflegung und sonstige Versorgung des Ausländers sowie sämtliche durch die erforderliche Begleitung des Ausländers entstehenden Kosten einschließlich der Personalkosten.

Nur die tatsächlich im Zusammenhang mit der Abschiebung des Kostenschuldners entstandenen Kosten dürfen diesem auferlegt werden.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Juni 2005 - 1 C 15.04 -, juris, Rn. 28 ff.; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27. Juli 2006 - 7 A 11671/05 -, juris, Rn. 31.

Nach diesen Vorgaben können der Klägerin insgesamt nur 5.961,95 € (statt 6.514,38 €) in Rechnung gestellt werden und zwar die Überstellungskosten in die UfA C1. in Höhe von 220,35 €, sowie die Flugkosten in Höhe von 368,59 € und die Fahrt- und Personalkosten vom 21. Oktober 2015 in Höhe von 536,50 €, allerdings nicht die Fahrt- und Personalkosten vom 8. Oktober 2015 von 70,98 €. Für die 16-tägige Abschiebungshaft kann lediglich ein Tagessatz in Höhe von 319,46 € (statt 349,46 €) veranschlagt werden. Von den Kostenpositionen ist - wie auch im angefochtenen Bescheid - die Sicherheitsleistung der Klägerin von 275,00 € in Abzug zu bringen:

Überstellung in die UfA C1. durch die ZAB L1.: 220,35 €

Flugbuchung durch die Bezirksregierung E.: 368,59 €

Abschiebungskosten der ZAB E1.: 5.648,01 €

(bestehend aus:

km-Geld (PKW/Bulli) 21.10.2015: 71,78 €

Personalkosten 21.10.2015: 464,72 €

Kosten UfA C1. (16 x 319,46 €): 5.111,51 €)

Gesamt: 6.236,95 €

abzüglich Sicherheitsleistung von 275,00 €: 5.961,95 €

Dies ergibt sich anhand folgender rechtlicher Überlegungen:

Die von der ZAB L1. in Rechnung gestellten 220,35 € für die Verlegung der Klägerin in die UfA C1. begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Sie setzen sich ausweislich der Rechnung vom 21. Oktober 2015 aus Transport- und Personalkosten für die Überführung der Klägerin am 6. Oktober 2015 in die Abschiebungshaft zusammen. Insgesamt wurden hierbei ausweislich der Rechnung drei Personen auf derselben Strecke transportiert und die angefallenen Kosten wurden daher zu recht gleichsam auf die drei aufgeteilt. Die Kosten sind der Höhe nach nicht zu beanstanden und im Rahmen des § 67 AufenthG erstattungsfähig. Auch die Klägerin hat insoweit keine Bedenken geäußert.

Auch an der Erstattungsfähigkeit der von der Bezirksregierung E. in Rechnung gestellten Flugkosten in Höhe von 368,59 € bestehen weder dem Grunde noch der Höhe nach rechtliche Zweifel. Auch die Klägerin hat insofern keine Bedenken angemeldet.

Nicht in vollem Maße erstattungsfähig sind hingegen die von der ZAB E1. in Rechnung gestellten Abschiebungskosten in Höhe von insgesamt 6.200,44 €. Eine Kostentragungspflicht der Klägerin besteht insoweit nur in Höhe von 5.648,01 €.

Zunächst sind hierbei nicht von der Klägerin zu tragen die in der Rechnung aufgeführten Positionen "km-Geld (PKW/Bulli) 8.10.2015" und "Personalkosten 8.10.2015". Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese Kosten durch die Abschiebung der Klägerin entstanden sind. Denn diese war bereits am 6. Oktober 2015 durch die ZAB L1. in die UfA C1. verbracht worden, sodass nicht erkennbar ist, weshalb im Zusammenhang mit ihrer Abschiebung zwei Tage später der ZAB E1. erneut Personal- und Fahrtkosten entstanden sein sollen. Auch der Beklagte hat die Entstehung dieser Kosten auf Nachfrage des Gerichts nicht weiter aufklären können. Keine Bedenken bestehen hingegen bezüglich der Erstattungsfähigkeit der Fahrt- und Personalkosten für den 21. Oktober 2015 in Höhe von insgesamt 536,50 €, welche erkennbar im Rahmen der Verbringung der Klägerin zu ihrem Abschiebeflug entstanden sind.

Die Kosten der Abschiebungshaft vom 6. bis 21. Oktober 2015 sind nur in Höhe von 5.111,51 € statt der in der Rechnung geforderten 5.591,36 € von der Klägerin zu erstatten. Die vom Beklagten angesetzten Kosten bestehen aus dem 16-fachen Tagessatz für die Abschiebungshaft von 349,46 €, wie er sich aus dem Erlass des Landesministeriums für Inneres und Kommunales vom 2. Oktober 2015 ergibt (wobei die ZAB E1. und in der Folge auch der Beklagte in ihrer Rechnung fälschlicherweise 349,56 € und nicht 349,46 € zugrundegelegt haben). Zunächst bestehen grundsätzlich - entgegen der Ansicht der Klägerin - keine Bedenken gegen die Festsetzung eines Hafttagessatzes in der im Runderlass vom 2. Oktober 2015 allgemein festgelegten Höhe. In diesem Erlass sind unter Betrachtung des Zeitraums Juni bis Juli 2015 (61 Tage) auf Grundlage der maximalen Kapazität der Einrichtung (100 Untergebrachte), der im Betrachtungszeitraum tatsächlich bestehenden maximalen Kapazität (50 Untergebrachte) und der durch die Untergebrachten in dieser Zeit tatsächlich angefallen Hafttage (1.905) anteilige Haftkostentagessätze festgelegt worden für verschiedene Positionen, etwa Miete, Personalkosten für Bewachungspersonal und Verpflegung. Aus Gründen der Effektivität und der Machbarkeit muss den Verwaltungsbehörden zugestanden werden, Sachverhalte zu pauschalisieren und im Hinblick auf die Berechnung von im Einzelfall tatsächlich angefallenen Kosten bei Kostenpositionen, die ständig in einer bestimmbaren Höhe anfallen, auf die auf Erfahrungswerten beruhenden pauschalierten Kostenansätze zurückzugreifen. Denn es kann davon ausgegangen werden, dass diese regelmäßig anfallenden Kosten tatsächlich auch während des Aufenthalts gerade der Klägerin in der Haftanstalt angefallen sind.

Dies gilt jedenfalls für die in dem Ministerialerlass aufgeführten belegungsunabhängigen Kosten (Fixkosten), die etwa die Gebäudemiete mit Nebenkosten, Sachkosten wie Büromaterial und Wartungen und Personalkosten für den technischen Dienst und Ärzte umfassen. Dass diese Kosten auch während des Aufenthalts der Klägerin tatsächlich entstanden sind, bezweifelt die Kammer nicht. Die Klägerin muss auch nicht mehr als den tatsächlich maximal auf sie entfallenden Anteil tragen. Denn in dem Ministerialerlass sind die Gesamtkosten auf die maximale Belegungszahl, für die die Einrichtung ausgelegt ist - 100 Personen - aufgeteilt worden, da eine Nicht-Auslastung nicht den tatsächlich Untergebrachten in Rechnung gestellt werden sollte (Gesamtkosten von 589.829,88 € / 100 Personen / 61 Tage = 96,69 € Fixkosten pro Person pro Tag).

Eine Ausnahme bilden dabei jedoch die im Rahmen der belegungsunabhängigen Kosten aufgeführten Personalkosten für einen Imam (560,00 € im Betrachtungszeitraum), sowie katholische (6.968,27 €) und evangelische (5.827,20 €) Seelsorger, weshalb unter Abzug dieser Positionen für die Fixkosten nur ein Tagessatz von 94,50 € - statt der im Erlass benannten 96,69 € - erhoben werden kann (576.474,41 € / 100 / 61 = 94,50 €).

Zwar besteht auch insoweit kein Zweifel, dass diese Kosten tatsächlich angefallen sind, jedoch können sie nicht pauschal auf alle Ausreisepflichtigen verteilt werden. Denn die in Art. 4 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) festgeschriebene Glaubens- und Religionsfreiheit beinhaltet auch die Freiheit, kultischen Handlungen eines nicht geteilten Glaubens fernzubleiben (sog. negative Religionsfreiheit).

Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 27. Januar 2015 - 1 BvR 471/10 -, juris, Rn. 104.

Dieser Grundsatz lässt nicht zu, dass Kosten für religiöse Seelsorge pauschal von allen Untergebrachten zu tragen sein sollen, auch wenn sie keiner oder einer anderen Religion angehören.

Im Hinblick auf die "sprungfixen" Kosten, d.h. die von der aktuellen tatsächlichen Kapazität abhängigen Kosten wie Personalkosten für den Allgemeinen Vollzugsdienst und zusätzliche private Wachleute sowie Dienstbekleidung, kann nicht der anteilige Haftkostensatz von 228,31 € pro ausreisepflichtiger Person verlangt werden, sondern lediglich ein Betrag von 213,49 €. Denn die Kosten wurden ausweislich des Ministerialerlasses anhand der im Zeitraum Juni und Juli 2015 tatsächlich bestehenden Maximalkapazität von 50 Untergebrachten berechnet (Gesamtkosten von 696.334,62 € / 50 Personen / 61 Tage = 228,31 € "sprungfixe" Kosten pro Person pro Tag). Grundsätzlich bestehen keine Zweifel an der Zulässigkeit der Verteilung dieser Kosten anhand der in einem bestimmten Betrachtungszeitraum tatsächlich bestehenden maximalen Belegkapazität. Denn durch die Wahl der Maximalkapazität ist gewährleistet, dass eine zeitweise geringere Belegung nicht zu Lasten der Untergebrachten angerechnet wird. Vorliegend besteht jedoch der Sonderfall, dass die UfA C1. erst Mitte Mai 2015 den Betrieb aufgenommen hatte und als Betrachtungszeitraum lediglich Juni und Juli 2015 - d.h. ein sehr kurzer Zeitraum - herangezogen wurden. Grundsätzlich war die UfA C1. jedoch, wie auf Seite 2 des Erlasses vom 2. Oktober 2015 zu erkennen ist, für 100 Personen ausgelegt und hatte lediglich aufgrund der Betriebsaufnahme erst im Mai 2015 noch nicht die volle Maximalkapazität erreicht. Im Oktober 2015 hatte sie hingegen, wie der Beklagte auf Nachfrage des Gerichts mitgeteilt hat, bereits eine tatsächliche Kapazität von 60 Personen erreicht - bei Gesamtkosten in diesem Bereich (d.h. Personalkosten für den Allgemeinen Vollzugsdienst und die private Sicherheitsfirma) von 397.101,90 € im Monat Oktober (31 Tage). Auf dieser Grundlage liegt der anteilige Tagessatz eines Untergebrachten bei lediglich 213,49 € (397.101,90 € / 60 / 31 = 213,49 €). Ein höherer anteiliger Tagessatz, wie er sich auf Grundlage einer Maximalkapazität von nur 50 Personen ergibt, ist durch die Abschiebung der Klägerin nicht verursacht worden und darf von ihr nicht verlangt werden.

Im Hinblick auf die Kosten, die in Abhängigkeit zu den im Betrachtungszeitraum anzusetzenden 1.905 Unterbringungstagen stehen (sog. variable Kosten), können lediglich die Kosten für Verpflegung der Klägerin anteilig in Höhe von 11,47 € auferlegt werden (Verpflegungskosten 21.869,28 € / 1.905 Hafttage = 11,47 € pro Person pro Tag). Denn die weiteren in diesem Bereich aufgeführten Kostenpositionen (medizinische Versorgung für 9.904,64 €, Bekleidung für 6.830,58 €, Rechtsberatung für 4.188,56 €, Fahrtkosten für 1.385,84 €, Dolmetscher für 2.414,39 €) entstehen nicht - jedenfalls nicht in gleichem Umfang - bei jedem Ausreisepflichtigen, sondern sind vielmehr aufgrund von Einzelfällen entstanden, etwa durch die behandlungsbedürftige Erkrankung eines Einzelnen. Es handelt sich nämlich im Unterschied zu den Fixkosten nicht um Kosten, die durch die grundsätzliche Bereithaltung von Dolmetschern, Ärzten, Fahrern etc. für alle Untergebrachten entstehen, sondern um Kosten, die auf der individuellen und konkreten Inanspruchnahme dieser Dienste beruhen. Insofern ist es möglich, die Kosten einzelnen Untergebrachten zuzuordnen und nur diesen aufzuerlegen.

Vgl. dazu auch (dies aber im Ergebnis offen lassend) OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27. Juli 2006 - 7 A 11671/05 -, juris, Rn. 35.

Dass alle Untergebrachten für diese durch Einzelne verursachten Kosten einstehen sollen, ist nicht gerechtfertigt, insbesondere da es möglich erscheint, sie dem jeweiligen Kostenverursacher unmittelbar zuzuordnen. Anderes gilt lediglich für die Verpflegung der Untergebrachten, da diese jeder erhält.

Anhand dieser rechtlichen Einschränkungen ergibt sich der vorgenannte Gesamttagessatz von 319,46 €:

Fixkosten: 94,50 € (statt zuvor: 96,69 €

Sprungfixe Kosten: 213,49 € 228,31 €

Variable Kosten: 11,47 € 24,46 €

319,46 € 349,46 €)

Dass auch dieser - im Vergleich zu dem im Ministerialerlass genannten Betrag geringfügig verringerte - Tagessatz die dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin bekannten Tagessätze aus der Straf- und Abschiebungshaft von ca. 70 bis 90 € erheblich übersteigt, begründet keine Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit. Denn die UfA C1. hatte nach ihrer Inbetriebnahme im Mai 2015 als zunächst vergleichsweise kleine Unterbringungsanstalt höhere Personalkosten. Zudem musste für die Überlassung der Gebäude Miete gezahlt werden. Darüber hinaus ergibt ein Vergleich mit den Tagessätzen aus den Abschiebungshaftanstalten anderer Bundesländer, dass diese teilweise ebenfalls Tagessätze in der Abschiebungshaft von mehreren hundert Euro veranschlagen.

Vgl. Bundestagsdrucksache 19/5817, 16. November 2018, juris, Seite 107 f.

Entgegen der Ansicht der Klägerin bestand für den Beklagten trotz ihrer derzeitigen Abwesenheit aus dem Bundesgebiet Anlass, bereits im Jahr 2016 nach Eingang der Rechnungen der Vollzugshilfe leistenden Behörden den Leistungsbescheid zu erlassen, um eine Verjährung der Forderung zu verhindern. Zwar bestimmt § 70 Abs. 2 AufenthG, dass die Verjährung von Ansprüchen nach den §§ 66 und 69 AufenthG unterbrochen wird, solange sich der Schuldner nicht im Bundesgebiet aufhält oder sein Aufenthalt im Bundesgebiet deshalb nicht festgestellt werden kann, weil er einer gesetzlichen Meldepflicht oder Anzeigepflicht nicht nachgekommen ist. § 70 Abs. 1 AufenthG betrifft jedoch nur die Zahlungsverjährung, also die Frage, wie lange aus einer durch den Leistungsbescheid titulierten Forderung noch Zahlung verlangt werden kann.

Vgl. Verwaltungsgericht (VG) E. , Gerichtsbescheid vom 7. Oktober 2011 - 24 K 3330/11 -, juris, Rn. 51.

Die Festsetzungsverjährung hingegen, also die Regelung, bis zu welchem Zeitpunkt eine Forderung durch Verwaltungsakt festgesetzt werden darf, bestimmt sich nach § 20 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz des Verwaltungskostengesetzes (VwKostG) und wäre danach bereits wesentlich früher möglich.

Vgl. VG E. , Gerichtsbescheid vom 7. Oktober 2011 - 24 K 3330/11 -, juris, Rn. 45.

Denn nach § 20 Abs. 1 VwKostG verjährt der Anspruch auf Zahlung von Kosten bereits nach drei Jahren, spätestens mit dem Ablauf des vierten Jahres nach der Entstehung. Nach § 11 Abs. 1 VwKostG entsteht eine Gebührenschuld mit der Beendigung der Amtshandlung.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die jeweiligen Kostenquoten entsprechen dem Umfang des jeweiligen Obsiegens im Verhältnis zur Gesamtforderung aus dem angefochtenen Leistungsbescheid.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 der Zivilprozessordnung.