OLG München, Beschluss vom 17.09.2018 - 18 W 1383/18
Fundstelle
openJur 2019, 40322
  • Rkr:
Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 24.08.2018, Az. 40 O 11923/18, wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Wert der Beschwerde beträgt 15.000 €.

Gründe

Gründe: i.

Der Antragsteller begehrt den Erlass einer einstweiligen Verfügung, durch welche der Antragsgegnerin untersagt werden soll, ihn wegen der Verlinkung des auf den Seiten 2 bis 4 der Antragsschrift wiedergegebenen Internetartikels "Merkel-Regime will Grundstücke von Bürgern enteignen, um Häuser für Illegale zu bauen" auf www.facebook.com zu sperren (insbesondere ihm die Nutzung der Funktionen von www.facebook.com wie Posten von Beiträgen, Kommentieren fremder Beiträge und Nutzung des Nachrichtensystems vorzuenthalten) oder den Beitrag zu löschen.

Das Landgericht München I hat mit Beschluss vom 24.8.2018 den Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung vom 21.8.2018 zurückgewiesen. Es ist der Ansicht, dass der Antragsteller keinen Verfügungsanspruch habe, sondern die Antragsgegnerin nach ihren Nutzungsbedingungen berechtigt gewesen sei, die Verlinkung zu entfernen und den Antragsteller zu sperren. Wegen der näheren Begründung wird auf die Ausführungen in den Gründen des vorgenannten Beschlusses (Bl: 40/51 d.A.) Bezug genommen.

Gegen den ihm am 29.8.2018 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 31.8.2018, beim Landgericht München I eingegangen am selben Tag, sofortige Beschwerde eingelegt. Hinsichtlich der Begründung des Rechtsmittels wird auf den vorgenannten Schriftsatz (Bl. 53/57 d.A.) verwiesen.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 4.9.2018 (Bl. 58/60 d.A.), auf dessen Gründe Bezug genommen wird, der sofortigen.Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht München zur Entscheidung vorgelegt.

Die zuständige Einzelrichterin hat mit Beschluss vom 10.9.2018 das Beschwerdeverfahren dem Senat zur Entscheidung übertragen.

Ii.

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere innerhalb der zweiwöchigen Notfrist des § 569 ZPO eingelegt worden. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.

A.

Der Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung war zwar zulässig. Insbesondere wurde die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, die auch im Beschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. BGH, Urteil vom 28.11.2002 - III ZR 102/02, NJW 2003, 426), vom Landgericht zu Recht bejaht.

1. Maßgeblich ist die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGWO), weil die Antragsgegnerin ihren Sitz in Irland und damit in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union hat. Im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung kann letztlich dahinstehen, ob es sich bei dem geltend gemachten Verfügungsanspruch um einen vertraglichen Erfüllungsanspruch oder um einen Anspruch aus unerlaubter Handlung handelt; denn in beiden Fällen wäre das Landgericht München I örtlich und damit auch international zuständig.

2. Eine Vertragspflicht der Antragsgegnerin im Sinne von Art. 7 Nr. 1 lit. a EuGWO auf Bereitstellung von "Facebook-Diensten" wäre mangels einer abweichenden Vereinbarung der Vertragsparteien kraft Natur der Sache am Wohnsitz des Antragstellers zu erfüllen.

3. Falls die Sperrung des Antragstellers bzw. die Löschung eines von ihm geposteten Beitrages ein "schädigendes Ereignis" im Sinne von Art. 7 Nr. 2 EuGWO darstellen sollte, träte dieses primär am Wohnsitz des Antragstellers ein. Denn dort käme es zur Kollision der widerstreitenden Interessen der Parteien, des Antragstellers auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) und der Antragsgegnerin auf Wahrung ihrer "Gemeinschaftsstandards". Mit dem streitgegenständlichen Beitrag will sich der Antragsteller nach eigenen Angaben an der in Deutschland derzeit geführten Debatte über die Ausländerpolitik beteiligen.

B.

Der Verfügungsantrag ist jedoch unbegründet, da dem Antragsteller die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung der Sperrung seines Facebook-Kontos oder der Löschung seines Beitrages auf Facebook nicht zustehen.

1. Die vom Antragsteller geltend gemachten Ansprüche sind gemäß Art. Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB nach deutschem Recht zu beurteilen.

a) Soweit es sich um vertragliche Ansprüche handelt, ergibt sich dies aus der nach Art. 6 Abs. 2, Art. 3 Abs. 1 Rom-I-Verordnung vorgenommenen Rechtswahl, da diese in Teil 4. Absatz 4. der Nutzungsbestimmungen der Antragsgegnerin enthalten ist und der Antragsteller als Verbraucher seinen Wohnsitz in Deutschland hat.

b) Der für etwaige deiiktische Ansprüche nach Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB maßgebliche Erfolgsort liegt, wie oben ausgeführt, in Deutschland. Sein Bestimmungsrecht zugunsten deutschen Rechts gemäß Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB hat der Antragsteller in der Antragsschrift (dort S. 15) ausdrücklich ausgeübt.

c) Die genannten Vorschriften werden nicht durch § 3 Abs. 2 TMG verdrängt. Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 TMG wird der freie Dienstleistungsverkehr von Telemedien, die in der Bundesrepublik Deutschland von Diensteanbietern geschäftsmäßig angeboten oder erbracht werden, die - wie hier die Antragsgegnerin - in einem anderen Staat innerhalb des Geltungsbereichs der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 (e-commerce-Richtlinie) niedergelassen sind, nicht eingeschränkt. Bei dieser Bestimmung handelt es sich nicht um eine Kollisionsnorm, sondern um ein Korrektiv auf materiell-rechtlicher Ebene, durch das das sachlich-rechtliche Ergebnis des nach den nationalen Kollisionsnormen für anwendbar erklärten Rechts inhaltlich modifiziert und auf die Anforderungen des Herkunftslandes reduziert wird. Art. 3 der e-commerce-Richtlinie verlangt von den Mitgliedstaaten, vorbehaltlich der nach Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie gestatteten Ausnahmen sicherzustellen, dass der Anbieter eines Dienstes des elektronischen Geschäftsverkehrs keinen strengeren Anforderungen unterliegt, als sie das im Sitzmitgliedstaat dieses Anbieters geltende Sachrecht vorsieht (BGH, Urteil vom 8.5.2012 - VI ZR 217/08, NJW 2012, 2197; EuGH, Urteil vom 25.10.2011 - C-509/09, NJW 2012,137). Im vorliegenden Fall kommt es auf den Inhalt des einschlägigen irischen Rechts nicht an, da die geltend gemachten Ansprüche bereits nach deutschem Recht nicht bestehen.

2. Ein Anspruch auf Unterlassung der vorübergehenden Sperrung des Antragstellers ergibt sich nicht aus dem zwischen den Parteien bestehenden Vertrag in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB.

a) Dass der Antragsteller sich bei der Antragsgegnerin angemeldet und dort das private Nutzerkonto www.facebook.com/jmjp angelegt hatte, ergibt sich zwar aus seiner eidesstattlichen Versicherung (Anlage K19) nur indirekt, erscheint aber durch diese in Zusammenschau mit derauf Seite 12 der Antragsschrift eingefügten Mitteilung der Antragsgegnerin ausreichend glaubhaft gemacht. Mit der Anmeldung ist zwischen den Parteien ein Vertragsverhältnis mit dem Inhalt der "Nutzungsbedingungen" der Antragsgegnerin (Anlage K1) zustande gekommen. Danach hat sich die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller die Nutzung der von ihr bereitgestellten "Facebook-Dienste" zu ermöglichen, insbesondere aufwww.facebook.com innerhalb seines eigenen Profils Beiträge zu posten und die Beiträge anderer Nutzer zu kommentieren, mit verschiedenen Symbolen zu bewerten oder durch Verlinkung zu teilen; der Antragsteller hat der Antragsgegnerin das Recht eingeräumt, die von ihm eingestellten Daten in gewissem Umfang kostenlos zu nutzen (vgl. Anlage K1, 3. Kapitel, Abs. 3). Eine Vergütung im Sinne von § 611 BGB für die von ihr angebotenen Dienste beansprucht die Antragsgegnerin nicht. Deshalb kann der Nutzungsvertrag nicht als Dienstvertrag eingeordnet werden; es dürfte sich vielmehr um einen Vertrag sui generis mit miet-, werk- und dienstvertraglichen Elementen handeln.

b) Der Antragsteller hat durch seine eidesstattliche Versicherung und durch, die eingescannte Nachricht der Antragsgegnerin ausreichend glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin ihn wegen der Verlinkung des im Antrag wiedergegebenen Textbeitrages 30 Tage lang für das Posten gesperrt, d.h. ihm die ungehinderte Nutzung der Funktion des Postens von Beiträgen auf www.facebook.com vorenthalten, und ihm für den Fall weiterer Verstöße "gegen unsere Standards" eine weitere Sperre von 30 Tagen angedroht.hat.

c) Mit der verhängten Sperre hat die Antragsgegnerin ihre vertraglichen Pflichten gegenüber dem Antragsteller jedoch nicht verletzt, sondern lediglich in zulässiger Weise auf einen Verstoß des Antragstellers gegen das Gebot der Rücksichtnahme reagiert.

aa) Der Vertrag zwischen Nutzer und Plattformbetreiber verpflichtet gemäß § 241 Abs. 2 BGB seinem Inhalt nach beide Vertragsparteien zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils (ebenso LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 14.5.2018-2-03 O 182/18, S. 4). Dass der Betreiber eines sozialen Netzwerks grundsätzlich die von den Nutzern geschuldeten Pflichten durch das Aufstellen von Verhaltensregeln konkretisieren und deren Verletzung auch durch Sperrung eines Nutzeraccounts durchsetzen kann, ist weitgehend anerkannt (vgl. LG Frankfurt am Main a.a.O. S. 3 m.w.N.) und wird von der Beschwerde auch nicht angezweifelt.

Für den Inhalt und die Reichweite der Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme ist von Bedeutung, dass die von der Antragsgegnerin bereitgestellte Social-Media-Plättform dem Zweck dient, den Nutzern einen "öffentlichen Marktplatz" für Informationen und Meinungsaustausch zu verschaffen (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 10.8.2017-16 U 255/16, Rn. 28, juris). Im Hinblick auf die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte, insbesondere des Grundrechts des Nutzers auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG), muss deshalb gewährleistet sein, dass eine zulässige Meinungsäußerung nicht von der Plattform entfernt werden darf (ebenso LG Frankfurt am Main a.a.O. S. 4 f. m.w.N.).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kommt den Grundrechten insoweit eine mittelbare Drittwirkung zu, als das Grundgesetz in seinem Grundrechtsabschnitt zugleich Elemente objektiver Ordnung aufgerichtet hat, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts Geltung haben, mithin auch das Privatrecht beeinflussen (BVerfG, Beschluss vom 23.4.1986 - 2 BvR 487/80, Rn. 25, BVerfGE 73, 261; Urteil vom 15.1.1958 - 1 BvR 400/51, Rn. 26, BVerfGE 7, 198; Jarass in Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 13. Aufl., Art. 1 Rn. 54 m.w.N.). In dieser Funktion zielen die Grundrechte nicht auf eine möglichst konsequente Minimierung von freiheitsbeschränkenden Eingriffen, sondern sind im Ausgleich gleichberechtigter Freiheit zu entfalten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.04.2018-1 BvR 3080/09, Rn. 32 m.w.N., NJW 2018, 1667).

Der Rechtsgehalt der Grundrechte als objektive Normen entfaltet sich im Privatrecht durch das Medium der dieses Rechtsgebiet unmittelbar beherrschenden Vorschriften, insbesondere der Generalklauseln und sonstigen auslegungsfähigen und -bedürftigen Begriffe, die im Sinne dieses Rechtsgehalts ausgelegt werden müssen (BVerfG, Beschluss vom 23.04.1986 - 2 BvR 487/80, Rn. 25, BVerfGE 73, 261). Im vorliegenden Fall bildet die Vorschrift des § 241 Abs. 2 BGB die konkretisierungsbedürftige Generalklausel, bei deren Auslegung dem vom Antragsteller geltend gemachten Grundrecht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) Rechnung zu tragen ist. Damit ist die Sanktionierung des Beitrags eines Nutzers nur dann vereinbar, wenn dieser die Grenzen zulässiger Meinungsäußerung überschreitet.

bb) Hier bezieht sich die Antragstellerin in der genannten Mitteilung auf die Verletzung ihrer "Gemeinschaftsstandards" (Anlage K3), die durch die Verweisung in Kapitel 5 der "Nutzungsbedingungen" Vertragsinhalt geworden sind.

(1) Die hier maßgebliche Klausel "12. Hassrede" lautet auszugsweise wie folgt:

"Wir lassen Hassrede auf Facebook grundsätzlich nicht zu. ... Wir definieren Hassrede als direkten Angriff auf Personen aufgrund geschützter Eigenschaften: ethnische Zugehörigkeit, nationale Herkunft, religiöse Zugehörigkeit Auch Einwanderungsstatus ist in gewissem Umfang eine geschützte Eigenschaft. Wir definieren Angriff als gewalttätige oder entmenschlichende Sprache, Aussagen über Minderwertigkeit oder Aufrufe, Personen auszuschließen oder zu isolieren."

Manchmal teilen Menschen Inhalte, die Hassrede einer anderen Person enthalten, um für ein bestimmtes Thema zu sensibilisieren oder Aufklärung zu leisten. ... Dann lassen wir die Inhalte zu, erwarten jedoch, dass die Person, die solche Inhalte teilt, ihre Absicht deutlich macht, so dass wir den Hintergrund besser verstehen können.

Angriffe mit Schweregrad 2 sind Angriffe, die auf eine Person oder Personengruppe abzielen, auf die eine der oben aufgeführten Eigenschaften zutrifft. Ein Angriff wird hier wie folgt definiert:

Aussagen oder Begriffe der Minderwertigkeit, die implizieren, dass eine Person oder eine Gruppe körperliche, geistige oder moralische Defizite aufweist... Ausdrücke der Verachtung ... Ausdrücke der Abscheu, wie u.a. ... Beschimpfung von Personen und Personengruppen, die geschützte Eigenschaften aufweisen Angriffe mit Schweregrad 3 sind Angriffe, die zum Ausschluss oder der Isolation einer Person oder Personengruppe aufgrund der oben aufgeführten Eigenschaften aufrufen. Wir lassen Kritik an Einwanderungsgesetzen und Diskussionen über die Einschränkung dieser Gesetze zu. ...."

Damit übereinstimmend enthält Kapitel 3. Abs. 2. Unterabsatz 1. der Nutzungsbedingungen das Verbot, die Facebook-Produkte zu nutzen, um "etwas zu tun oder zu teilen", das gegen die Nutzungsbedingungen, die Gemeinschaftsstandards und "sonstige Bedingungen und Richtlinien, die für deine Nutzung von Facebook gelten" verstößt oder "rechtswidrig, irreführend, diskriminierend oder betrügerisch" ist.

(2) Bei den "Gemeinschaftsstandards" handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Jedenfalls die oben wiedergegebene Klausel unterliegt jedoch nach § 307 Abs. 3 BGB nicht der Inhaltskontrolle, da sie, ohne hinsichtlich der Einordnung eines Inhalts als "Hassrede" auf die subjektiven Vorstellungen der Antragsgegnerin bzw. der für diese handelnden Personen abzustellen, im Wesentlichen Äußerungen verbietet, die durch § 130 Abs. 2 StGB unter Strafe gestellt sind und damit auch einen rechtswidrigen Inhalt im Sinne von § 1 Abs. 3 NetzDG darstellen. Nach § 130 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1.a), Abs. 1 Nr. 1 StGB wird u.a. bestraft, wer mittels Telemedien einen Inhalt der Öffentlichkeit zugänglich macht, der zum Hass gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer solchen Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstachelt oder die Menschenwürde der genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden.

cc) Ausweislich der Abbildung auf S. 12 der Antragsschrift hat der Antragsteller auf Facebook unter seinem Namen und Profilbild ein Link zu einer Seite -von-buergern-enteignen-um-haeuser-fuer-illegale-zu-bauen/" eingestellt und dadurch den Beitrag auf der verlinkten Seite der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die auf dieser Seite veröffentlichten Äußerungen in dem genannten Beitrag sind ihm daher jedenfalls als Verbreiter im Sinn der Gemeinschaftsstandards der Antragsgegnerin zuzurechnen, denn er hat den Beitrag "geteilt", ohne seine Absicht deutlich zu machen, damit lediglich für ein bestimmtes Thema zu sensibilisieren oder Aufklärung zu leisten.

Bei der direkten Verlinkung handelt es sich ferner regelmäßig um ein täterschaftliches Zugänglichmachen der verlinkten Inhalte im Sinn von § 130 Abs. 2 Nr. 1 a) StGB (so OLG Stuttgart, Urteil vom 24. April 2006 - 1 Ss 449/05 -, juris) oder jedenfalls um Beihilfe dazu (so Krauß in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl. § 130 Rn. 90).

Der vom Antragsteller verlinkte Textbeitrag stellt eine "Hassrede" im Sinne der Klauseldefinition dar und sein Inhalt erfüllt zugleich den Tatbestand der Volksverhetzung.

(1) Die Interpretation einer Äußerung setzt die Ermittlung ihres objektiven Sinns aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums voraus. Bei der Erfassung des Aussagegehalts muss die beanstandete Äußerung ausgehend von dem Verständnis eines unbefangenen Durchschnittslesers und dem allgemeinen Sprachgebrauch in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst und einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (BGH, Urteil vom 12.4.2016 - VI ZR 505/14, MDR 2016, 648 m.w.N.). Fem liegende Deutungen sind auszuscheiden. Ist der Sinn einer Äußerung unter Zugrundelegung des vorstehend erörterten Maßstabs eindeutig, ist er der weiteren Prüfung zugrunde zu legen. Zeigt sich dagegen, dass ein unvoreingenommenes und verständiges Publikum die Äußerung als mehrdeutig wahrnimmt, oder verstehen erhebliche Teile des Publikums den Inhalt jeweils unterschiedlich, ist von einem mehrdeutigen Inhalt auszugehen (BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 - 1 BvR 1696/98, Rn. 31, BVerfGE 114, 339-356).

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist der streitgegenständliche Textbeitrag wie folgt zu interpretieren:

Dass der Inhalt des verlinkten Artikels dem im Verfügungsantrag wiedergegebenen Text entspricht, hat der Antragsteller durch seine eidesstattliche Versicherung vom 22.8.2018 (Anlage K19) glaubhaft gemacht.

Der Artikel stellt, anknüpfend an eine - angebliche - Forderung des Wirtschaftsministeriums in Baden-Württemberg, Privatgrundstücke im Innenbereich der Städte zwecks "gezielter Aktivierung innerörtlicher Brachflächen und Baulücken" zu erwerben, ggf. auch zu enteignen, die Behauptung auf, in Wahrheit seien längst Pläne erarbeitet, auf den enteigneten Flächen "Häuser für Illegale" zu errichten, und zwar auf Kosten der deutschen Steuerzahler. Dadurch, dass die in dem Beitrag mehrfach erwähnten "Illegalen" den,,deutsche[n) Obdachlose[n]" und "deutschejn) Familiejn]" gegenübergestellt werden, dass sie als "Merkels Goldstücke" bezeichnet werden Und die Vermutung geäußert wird, dass sie nicht gern in einer Gemeinschaftsunterkunft wohnen, wird für den Leser klar, dass "Illegale" als Synonym für Flüchtlinge und Asylbewerber verwendet wird; im vorletzten Satz werden die betreffenden Personen auch direkt als "illegale Asylforderer" bezeichnet. Was von den Begünstigten der behaupteten Regierungspläne im Übrigen zu halten ist, wird durch ihre Bezeichnung als "Sex- und Gewalttouristen" (5. Absatz, vorletzter Satz) und als "afrikanische Drogendealer oder Vergewaltiger" (8. Absatz, drittletzter Satz) klargestellt. Überdies wird darauf hingewiesen, dass die Begünstigten nicht nur als Kriminelle die individuelle Begehung schwerwiegender Straftaten erwarten lassen, sondern dass sie auch in ihrer Gesamtheit für das deutsche Volk existenzbedrohend sind (1. Absatz: "Während die Deutschen ohnehin schon den Hals voll haben ... von der Tatsache, dass sie mit ihrem hart erarbeiteten Geld den eigenen Völkermord auch noch bezahlen dürfen" und 9. Absatz: wenn es um Geld aus der Asylindustrie und um die Abschaffung des eigenen Volkes geht") und dass "kein normaler Mensch illegale Asylforderer als unmittelbare Nachbarn" wolle.

So wird dem maßgeblichen Leser zunächst suggeriert, die Regierungspolitik führe dazu, dass den deutschen Bürgern ihre Häuser und Grundstücke weggenommen und den Migranten zur Verfügung gestellt würden, für die zudem in größem Umfang Steuergelder ausgegeben würden. Durch die wiederholte Bezeichnung als "Illegale" und weitere, drastischere Formulierungen wird die Meinung geäußert, dass die Flüchtlinge und Asylbewerber ("Asylforderer") sich durchwegs illegal in Deutschland aufhielten und hier Drogen-, Sexualoder Gewaltdelikte begingen. Dadurch werde es zum "Völkermord" bzw. zur "Abschaffung des eigenen Volkes" kommen.

(2) Mit diesem Aussagegehalt ist der Beitrag als Aufstachelung zum Hass gegen einen Teil der Bevölkerung, der sich durch seine ethnische Zugehörigkeit und nationale Herkunft von der Mehrheitsgesellschaft unterscheidet, zu werten.

(a) Als Teile der Bevölkerung im Sinn des § 130 StGB können nach der Rechtsprechung auch Asylbewerber oder allgemein in Deutschland lebende Ausländer angesehen werden (BGH, Urteil vom 20.9.2011 -4 StR 129/11;

KG Berlin, Urteil vom 26.11.1997 - (5) 1 Ss 145/94 (30/94)-OLG Frankfurt, Urteil vom 15.8.2000 - 2 Ss 147/00; alle zitiert nach juris; Krauß a.a.O. Rn. 31 m.w.N.).

(b) Aufstacheln zum Hass ist ein Verhalten, das auf die Gefühle oder den Intellekt eines anderen einwirkt und objektiv geeignet sowie subjektiv bestimmt ist, eine emotional gesteigerte, über bloße Verachtung und Ablehnung hinausgehende feindselige Haltung gegen die betreffenden Bevölkerungsteile zu erzeugen oder zu verstärken und damit die gleichwertige soziale Subjektqualität der Betroffenen in Frage stellt. Die Einwirkung des Täters muss auf die Erzeugung oder Steigerung von Hassgefühlen anderer angelegt sein, die als emotionale Grundlage für Aktionen gegen die betroffene Bevölkerungsgruppe in Betracht kommen. Ein Erfolg dahingehend, dass tatsächlich bei Dritten Hass erzeugt wird, ist nicht erforderlich, es reicht vielmehr aus, dass der Tat die entsprechende Eigenschaft innewohnt (Krauß a.a.O. Rn. 40).

Der Antragsteller verweist zwar zu Recht darauf, dass die Aussagen in dem streitgegenständlichen Internetbeitrag in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG fallen. Meinungsäußerungen genießen den Schutz der Meinungsfreiheit, ohne dass es dabei auf deren Begründetheit, Werthaltigkeit oder Richtigkeit ankäme. Sie verlieren diesen Schutz auch dann nicht, wenn sie scharf und überzogen geäußert werden (vgl. BVerfGE 61, 1 85, 1; 90, 241). Geschützt sind damit - in den Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG - auch rechtsextremistische Meinungen, denn die Bürge, sind rechtlich nicht gehalten, die Wertsetzungen der Verfassung ci^sönlich zu teilen, sondern grundsätzlich auch frei, grundlegende Wertungen der Verfassung in Frage zu stellen oder die Änderung tragender Prinzipien zu fordern. Die plurale Demokratie des Grundgesetzes vertraut auf die Fähigkeit der Gesamtheit der Bürger, sich mit Kritik an der Verfassung auseinander zu setzen und sie dadurch abzuwehren (vgl. BVerfGE 7, 221 8, 159; BVerfG, Beschluss vom 4.2.2010 - 1 BvR 369/04 -, NJW 2010, 2193; BVerfG, Beschluss vom 7.11.2008 - 1 BvQ 43/08, juris). Diese Erwägungen können der Beschwerde jedoch nicht zum Erfolg verhelfen, denn das Grundrecht der Meinungsfreiheit ist nicht vorbehaltlos gewährleistet, sondern findet nach Art. 5 Abs. 2 GG seine Schranken unter anderem in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, zu denen auch § 130 Abs. 2 StGB gehört. Bei der Auslegung dieser Vorschrift ist zwar wie derum dem dadurch eingeschränkten Grundrecht der Meinungsfreiheit Rechnung zu tragen, wobei in öffentlichen Angelegenheiten die Vermutung zugunsten der freien Rede gilt (vgl. BVerfGE 7, 198 st.Rspr.). Daher ist bei der Auslegung einer Äußerung als zum Hass gegen einen Teil der Bevölkerung aufstachelnd Zurückhaltung geboten.

Auch an diesen Grundsätzen gemessen erscheint die Deutung des Antragstellers, der von ihm verbreitete Beitrag sei als zulässige Kritik an einer bestimmten tatsächlich oder mutmaßlich praktizierten Kommunal- und Einwanderungspolitik zu verstehen und könne nicht als Herabsetzung der mit den Begriffen "Gewalt- und Sextouristen" und "Mörder und Vergewaltiger" (sie! Im streitgegenständlichen Artikel heißt es tatsächlich: "Sex- und Gewalttouristen" und "Drogendealer und Vergewaltiger".) bezeichneten Personen gedeutet werden, nicht nachvollziehbar. Nach dem Wortlaut und dem sprachlichen Kontext der Äußerungen kommt eine nicht dem Tatbestand des § 130 StGB unterfallende Auslegung nicht in Betracht.

Ob es sich bei dem Beitrag insgesamt um eine auf ausreichender Tatsachengrundlage beruhende Auseinandersetzung mit der Einwanderungspolitik der Bundesregierung und dem Vorgehen der baden-württembergischen Landesregierung handelt, insbesondere ob es zutrifft, dass es Pläne zur Unterbringung von Asylbewerbern oder sonstigen Ausländern auf den von den Kommunen zu erwerbenden Grundstücken gibt, und ob sich die Werturteile über das Verhalten der angesprochenen Politiker oder Beamten ihm Rahmen des zulässigen halten, kann dabei offenbleiben. Der in der Verlinkung des Beitrags liegende Pflichtverstoß des Antragstellers beruht nicht darauf, dass der Beitrag unwahre Tatsachenbehauptungen oder herabsetzende Werturteile gegen Regierungsmitglieder oder-mitarbeiter enthält, sondern in der undifferenzierten Herabsetzung der von der kritisierten Regierungs- oder Kommunalpolitik nur mittelbar betroffenen Migranten. Dieser fehlt ein ausreichender sachlicher Bezug zu den kritisierten politischen Entscheidungen. Die Darstellung von Asylbewerbern nicht nur als betrügerische Schmarotzer, die auf Kosten der schwer arbeitenden deutschen Bevölkerung mit "Luxusunterkünften" versorgt werden, sondern unterschiedslos auch als bedrohliche Straftäter, ist geeignet, Hass gegen sie zu schüren, zumal ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass "kein normaler Mensch illegale Asylforderer als unmittelbar Nachbarn" haben wolle, es also völlig normal sei, sich gegen ihre Anwesenheit zur Wehr zu setzen.

3. Die Verletzung eines absoluten Rechts des Antragstellers oder eines durch § 823 Abs. 2, §§ 824 - 826 BGB geschützten Rechtsguts, auf die der Antragsteller einen Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog stützen könnte, ist nicht ersichtlich.

4. Ein Anspruch des Antragstellers auf Unterlassung, "den Beitrag" zu löschen, besteht nach Sachlage ebenfalls nicht.

Der Antragsteller hat bereits nicht glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin "den Beitrag", mit dem nach der Formulierung des Verfügungsantrags der "darin wiedergegebene(n) Internetartikel(s)" gemeint ist, gelöscht oder eine Löschung angedroht hat. Dergleichen ergibt sich weder aus seiner eidesstattlichen Versicherung (Anlage K19) noch aus der auf S. 12 des Verfügungsantrags eingescannten Nachricht der Antragsgegnerin und wird nicht einmal mit der vom Antragsteller vorgelegten E-Mail seines anwaltlichen Vertreters an die Rechtsabteilung der Antragsgegnerin vom 8.8.2018 beanstandet.

Im Übrigen hätte die Antragsgegnerin aus den oben ausgeführten Gründen auch mit einer solchen Löschung ihre Vertragspflichten gegenüber dem Antragsteller nicht verletzt.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

2. Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, § 3 ZPO.

Der Senat bewertet das Interesse des Antragstellers an der Unterlassung der Sperrung auf www.facebook.com wegen des Verlinkens des streitgegenständlichen Textbeitrages mit 10:000 €. Maßgeblich hierfür ist neben dem hohen Rang des Grundrechts auf Meinungsfreiheit das Vorbringen des Antragstellers, dasswww.facebook.com mit 31 Mio. Nutzern aliein in Deutschland unter den sozialen Netzwerken "klar marktbeherrschend" sei und derjenige, der sich in Deutschland politisch oder anderweitig äußern und andere Menschen erreichen wolle, zwingend auf "Facebook" angewiesen sei (Antragsschrift, S. 7/8). Das vom Antragsteller mit 7.500 € bezifferte Gesamtinteresse am Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung erscheint daher deutlich zu niedrig bemessen. Für das Begehren des Antragstellers, der Antragsgegnerin die Löschung des streitgegenständlichen Textbei träges zu untersagen, hält der Senat angesichts der obengenannten Umstände einen Streitwert von 5.000 € für angemessen.

3. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde kommt gemäß § 574 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht in Betracht.