FG Hamburg, Urteil vom 05.12.2018 - 1 K 326/16
Fundstelle
openJur 2019, 38395
  • Rkr:

1. § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG begründet nicht nur eine Mitteilungspflicht, sondern stellt auch eine spezialgesetzliche Änderungsnorm im Sinne des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe d AO dar.

2. Die Zuständigkeit für die Berechnung und Überprüfung der Zulage sowie für die Überprüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des Sonderausgabenabzugs nach § 10a EStG liegt bei der zentralen Stelle (§ 81 EStG).

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2010 bis 2012 nach § 91 Abs. 1 Satz 4 Einkommensteuergesetz (EStG) ändern durfte.

Die Kläger wurden in den Streitjahren 2010 bis 2012 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte als landwirtschaftlicher Unternehmer Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Er ist seit dem 1. Januar 2003 in der landwirtschaftlichen Alterskasse versichert.

Seit mehreren Jahren zahlt der Kläger in eine private Rentenversicherung nach dem Altersvermögensgesetz (AVmG) bei der A Versicherung ein (sogenannte Riester-Rente). Unter dem 29. Dezember 2005 unterzeichnete der Kläger einen Antrag auf Rentenversicherung mit der Angabe "Zulageberechtigung: ...über Ehegatten förderberechtigt". In den Jahren 2010 bis 2013 zahlte der Kläger jeweils Beiträge in Höhe von 1.946,04 € und erhielt eine Zulage in Höhe von 154 €. Auch die Klägerin unterhält beim selben Anbieter einen Rentenversicherungsvertrag, der unter das AVmG fällt.

Die Kläger machten in ihren Steuererklärungen der Streitjahre jeweils einen zusätzlichen Sonderausgabenabzug nach § 10a EStG für die Beiträge ihrer Riester-Rentenversicherungen geltend. In der den Steuererklärungen jeweils beigefügten "Anlage AV" gaben sie an, jeweils unmittelbar begünstigt zu sein. Der Beklagte veranlagte die Kläger in den Streitjahren durch Einkommensteuerbescheide vom 13. Januar 2012 (2010), vom 8. Februar 2013 (2011) und vom 12. Februar 2014 (2012) antragsgemäß und gewährte dem Kläger im Hinblick auf den Altersvorsorgevertrag einen Sonderausgabenabzug in Höhe von 2.100 €. Der Klägerin wurde ebenfalls für die in ihren Altersvorsorgevertrag eingezahlten Beiträge ein Sonderausgabenabzug gewährt. Auch für das Jahr 2013 wurden die Kläger antragsgemäß unter Gewährung des geltend gemachten Sonderausgabenabzugs veranlagt. Als Steuerermäßigung wegen berücksichtigter Altersvorsorgebeiträge wurde im Jahr 2010 für den Kläger ein Betrag von 375,92 € und für die Klägerin ein Betrag von 139,08 € nach § 10a Abs. 4 EStG gesondert und einheitlich festgestellt (2011: 288,32 € für den Kläger und 106,68 € für die Klägerin; 2012: 451,83 € für den Kläger und 167,17 € für die Klägerin).

Der Beklagte änderte die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre durch Bescheide vom 8. Februar 2013 (2010), vom 12. Februar 2014 (2011) und vom 26. Januar 2015 (2012). Die durch diese Bescheide vorgenommenen Änderungen stehen zwischen den Beteiligten nicht im Streit.

Am 26. Januar 2015 machte die Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen (zentrale Stelle) dem Beklagten folgende Mitteilung über eine abweichende Berechnungsgrundlage:"Von der Zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA) wurden die folgenden abweichenden Berechnungsgrundlagen nach § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG mitgeteilt:                Werte lt. FAWerte lt. ZfAKz XXXBerechtigungmittelbar (2)unmittelbar (1)"Daraufhin erließ der Beklagte am 31. März 2015 Änderungsbescheide, in denen der Kläger lediglich als mittelbar zulagenberechtigt berücksichtigt wurde. Zugleich stellte der Beklagte als Steuerermäßigung wegen berücksichtigter Altersvorsorgebeiträge für das Jahr 2012 einen Betrag in Höhe von 19,13 € für den Kläger und in Höhe von 23,87 € für die Klägerin gesondert und einheitlich fest. Für die Jahre 2010 und 2011 änderte er die gesonderte und einheitliche Feststellung nach § 10a Abs. 4 EStG insoweit als sich die Steuerermäßigung nunmehr auf 0 € belief.

Am 7. April 2015 legten die Kläger Einspruch gegen die "Einkommensteuerbescheide 2010 bis 2013" ein. Der Einspruch richte sich gegen die Änderung aufgrund einer Mitteilung der zentralen Stelle. Entgegen der Auskunft der zentralen Stelle habe er, der Kläger, einen unmittelbaren Zulagenanspruch. Er sei in der Alterssicherung der Landwirte versichert und somit nach § 10a Abs. 1 Satz 3 EStG den in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversicherten Personen gleichgestellt. Als unmittelbar Zulagenberechtigter habe er nach § 10a Abs. 1 Satz 1 EStG einen Anspruch auf Sonderausgabenabzug in Höhe des Höchstbetrags von 2.100 €. In der Anlage reichten die Kläger unter anderem Bescheinigungen nach § 92 EStG der A Versicherung für den Kläger betreffend die Jahre 2010 bis 2013 ein, aus denen sich ergibt, dass der Kläger jeweils einen Anspruch auf die Grundzulage in Höhe von 154 € hatte.

Am 20. Juli 2015 stellte der Kläger über seinen Anbieter bei der zentralen Stelle einen Antrag auf Festsetzung der Altersversorgungszulage für die Jahre 2011 bis 2013. Daraufhin setzte die zentrale Stelle durch Bescheid vom 24. August 2016 die Zulage für das Beitragsjahr 2013 fest auf 154 €. Aus der Berechnung ergibt sich, dass es sich dabei um eine Grundzulage für einen unmittelbar Zulagenberechtigten handelt.

Für die Jahre 2011 und 2012 lehnte die zentrale Stelle durch Bescheide vom selben Tag die Festsetzung der Altersvorsorgezulage ab unter Hinweis darauf, dass der Antrag nicht fristgemäß eingegangen sei. Die Jahresfrist des § 90 Abs. 4 Satz 2 EStG sei bei Antragseingang am 20. Juli 2015 bereits verstrichen gewesen. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 Abgabenordnung (AO) seien nicht ersichtlich. Für das Jahr 2011 sei zudem die Jahresfrist des § 110 Abs. 3 AO zur Beantragung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelaufen. Die gegen diese beiden Bescheide eingelegten Einsprüche nahm der Kläger später zurück.

Dem Beklagten übersandten die Kläger mit Schreiben vom 21. September 2016 eine Bescheinigung der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegekasse vom 26. Mai 2015, der zufolge der Kläger dort versichert ist und seit dem 1. Januar 2003 als landwirtschaftlicher Unternehmer geführt wird. Ihrem Schreiben fügten sie auch die Bescheide der zentralen Stelle vom 24. August 2016 bei.

Der Beklagte half dem klägerischen Einspruch für das Jahr 2013 ab. Die Einsprüche gegen die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2010 bis 2012 hingegen wies der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 5. Oktober 2016 zurück. Zur Begründung führte er aus, die Voraussetzungen für eine Änderung der Bescheide der Streitjahre nach § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG seien gegeben. Da der durch die zentrale Stelle durchgeführte automatisierte Datenabgleich eine Abweichung von dem in der Steuerfestsetzung berücksichtigten Sonderausgabenabzug beziehungsweise der gesonderten Feststellung nach § 10a Abs. 4 EStG ergeben habe, seien die Steuerbescheide entsprechend zu ändern gewesen. Ein Ermessen stehe ihm dabei nicht zu. Es komme nach der Vorschrift des § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG auch nicht darauf an, aus welchen Gründen die Abweichung erfolge. Die Änderung sei auch nicht nach Treu und Glauben beziehungsweise aufgrund eines Vertrauenstatbestandes ausgeschlossen. § 91 EStG sei nach der Gesetzesbegründung eine spezialgesetzliche Änderungsnorm im Sinne des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe d AO. Die Überprüfung nach § 91 EStG finde im Rahmen der Altersvorsorgebeiträge in jedem Fall statt, so dass sich der Steuerpflichtige darauf einstellen müsse und ein Vertrauenstatbestand von vorneherein nicht entstehen könne. Die Änderung im Rahmen des § 91 EStG erfolge nach dem Wortlaut des Gesetzes unabhängig von etwaigen Mitwirkungs- und Ermittlungspflichtverletzungen auf Seiten des Steuerpflichtigen beziehungsweise des Finanzamtes. Eine Änderung könne daher auch nicht nach Treu und Glauben ausgeschlossen sein.

Dagegen wenden die Kläger sich mit ihrer am 2. November 2016 erhobenen Klage. Zur Begründung führen sie aus, die Mitteilung der zentralen Stelle, er, der Kläger, sei nur mittelbar zulagenberechtigt, sei fehlerhaft. Die Vorschrift des § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG enthalte eine Änderungsvorschrift im Sinne des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe d AO. Anders als der Beklagte meine, sei der Vorschrift jedoch keine materielle Wirkung dergestalt beizumessen, dass der Beklagte inhaltlich an die Mitteilung der zentralen Stelle gebunden sei. Diese Mitteilung stelle keinen Grundlagenbescheid für die Steuerfestsetzung im Sinne von § 171 Abs. 10 AO dar, der eine Änderung des Steuerbescheids nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO nach sich zöge. Mitteilungen über Tatsachenwissen einer Behörde an eine andere Behörde träfen keine rechtliche Regelung und stellten deswegen keinen Verwaltungsakt im Sinne des § 118 AO dar. Eine inhaltlich fehlerhafte Mitteilung nach § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG zwinge den Beklagten daher mangels einer Bindungswirkung nicht, den dem Steuerpflichtigen zustehenden Sonderausgabenabzug zu verweigern. Dieses Verständnis werde auch durch die Gesetzesbegründung des § 175b AO gestützt. Zur Begründung dieser Vorschrift, die nach dem Vorbild des § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG durch das Steuermodernisierungsgesetz in die Abgabenordnung eingefügt worden sei, habe der Gesetzgeber ausgeführt, die an die Finanzverwaltung übermittelten Datensätze seien keine Grundlagenbescheide für die Steuerfestsetzung, daher dürfe die Änderung der Steuerfestsetzung nur erfolgen, soweit die bisherige Steuerfestsetzung materiell-rechtlich unzutreffend gewesen sei. Im Übrigen sehe das Einkommensteuergesetz für den Steuerpflichtigen keine besondere Möglichkeit vor, sich gegen die Folgen einer fehlerhaften Mitteilung der zentralen Stelle zu wehren. Der Bescheid der zentralen Stelle über die förmliche Festsetzung der Altersvorsorgezulage enthalte nur eine Festsetzung der Zulage ihrer Höhe nach. Eine Möglichkeit, darüber hinausgehend auch eine förmliche Festsetzung der Art der Zulagenberechtigung zu erhalten (mittelbar oder unmittelbar), bestehe nicht. Der Steuerpflichtige habe daher nur die Möglichkeit, gegen den auf der Mitteilung beruhenden Einkommensteuerbescheid vorzugehen. Das Finanzamt und das Finanzgericht seien deswegen im Rahmen des Rechtsbehelfs- beziehungsweise des Klageverfahrens berechtigt und verpflichtet, die Mitteilung auf ihre Richtigkeit zu prüfen.

Die Kläger beantragen,die geänderten Bescheide über Einkommensteuer für 2010, 2011 und 2012 vom 31.3.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5.10.2016 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wiederholt und vertieft er seine Ausführungen aus dem Einspruchsverfahren und führt ergänzend aus, er, der Beklagte, sei angehalten, die Angaben der zentralen Stelle ohne Prüfung in eine geänderte Veranlagung zu übernehmen. In Zweifelsfällen sei der Steuerpflichtige an seinen Rentenversicherungsträger zu verweisen, wenn er mit der Änderung nicht einverstanden sei. Dies müsse jedoch innerhalb der gesetzlichen Fristen geschehen. Eine Korrektur des Verfahrens bei der zentralen Stelle durch das nachgelagerte Besteuerungsverfahren sei durch die gesetzliche Vorschrift des § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG nicht vorgesehen. Entgegen der Auffassung der Kläger sei diesen auch nicht der Rechtsweg abgeschnitten, denn sie hätten gegen die jeweiligen Bescheinigungen der zentralen Stelle nach § 92 EStG binnen Jahresfrist einen Antrag auf Festsetzung der Zulage stellen und ihre Einwendungen geltend machen können.

Dem Gericht haben folgende Steuerakten vorgelegen: Einkommensteuerakten Bd. II ab Veranlagungszeitraum 2007, 1 Band Rechtsbehelfsakten, jeweils zur Steuernummer .../.../....

Es wird Bezug genommen auf die Protokolle des Erörterungstermins am 11. Oktober 2018 und des Verhandlungstermins am 5. Dezember 2018.

Gründe

I.

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 FGO. Der Beklagte hat die Einkommensteuerbescheide der Streitjahre und die gesonderte und einheitliche Feststellung nach § 10a Abs. 4 EStG zu Recht jeweils am 31. März 2015 nach § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG geändert.

1. Nach dieser Vorschrift ist die Steuerfestsetzung oder die gesonderte Feststellung zu ändern, soweit die Überprüfung durch die zentrale Stelle im automatisierten Datenabgleich eine Abweichung von dem in der Steuerfestsetzung berücksichtigten Sonderausgabenabzug nach § 10a EStG oder der gesonderten Feststellung nach § 10a Abs. 4 EStG ergibt. Ein Ermessen steht dem Finanzamt insoweit nicht zu (so auch FG München, Urteil vom 29.10.2014, 9 K 1277/14, juris Rn. 17).

Tatbestandsvoraussetzung für die Änderung ist damit lediglich die Mitteilung über das Vorliegen einer Abweichung in diesem Sinne. Die nach § 91 EStG von Gesetzes wegen durchzuführende Datenerhebung und der automatisierte Abgleich dieser Daten setzt die zentrale Stelle in die Lage, eine solche Abweichung feststellen zu können. Der Mitteilung nach § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG ist nach der Systematik der Vorschrift des § 91 Abs. 1 EStG die Datenerhebung und der automatisierte Datenabgleich vorangeschaltet. Für die Berechnung und Überprüfung der Zulage sowie die Überprüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des Sonderausgabenabzugs nach § 10a EStG übermitteln unter anderem die Finanzämter, die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung und die landwirtschaftliche Alterskasse auf Anforderung die bei ihnen vorhandenen Daten nach § 89 Abs. 2 EStG durch Datenfernübertragung. Für Zwecke der Überprüfung nach Satz 1 darf die zentrale Stelle die ihr übermittelten Daten mit den ihr nach § 89 Abs. 2 übermittelten Daten automatisiert abgleichen, § 91 Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG.

Danach sind die Vorrausetzungen des § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG vorliegend gegeben. Der Beklagte ging entsprechend der Angaben der Kläger in ihren Steuererklärungen bei der Veranlagung für die Streitjahre zunächst von einer unmittelbaren Zulagenberechtigung des Klägers nach § 79 Abs. 1 Satz 1 EStG aus. Im Rahmen des automatisierten Datenabgleichs ergab sich eine Abweichung von dem in der Steuerfestsetzung berücksichtigten Sonderausgabenabzug beziehungsweise der gesonderten Feststellung nach § 10a Abs. 4 EStG insoweit, als der Anbieter der zentralen Stelle nach § 89 Abs. 2 Satz 2 EStG entsprechend der Angaben des Klägers in seinem Antrag auf Rentenversicherung vom 29. Dezember 2005 mitgeteilt hatte, der Kläger sei über seine Ehefrau (mittelbar) zulagenberechtigt. Die Mitteilung, dass der Kläger nur mittelbar berechtigt sei, war - wie sich zwischenzeitlich geklärt hat - objektiv falsch, entspricht aber der Angabe im Antrag des Klägers. In der Folge erging am 26. Januar 2015 die Meldung der zentralen Stelle über die mittelbare statt der vom Beklagten angenommenen unmittelbaren Zulagenberechtigung an den Beklagten.

2. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit der Gesetzesbegründung. Die Vorschrift des § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG ist in der derzeitigen Fassung durch das Jahressteuergesetz 2008 vom 20. Dezember 2007 (BGBl. I 2007, 3150) in das Gesetz eingeführt worden und nach Art. 28 Abs. 1 des Gesetzes am Tag nach der Verkündung und damit am 29. Dezember 2007, in Kraft getreten. Sie ersetzte eine Fassung dieser Vorschrift, die lediglich bestimmte, dass die zentrale Stelle eine Mitteilung an das Finanzamt zu machen hat, wenn nach dem Ergebnis der Überprüfung der Sonderausgabenabzug nach § 10a EStG oder die gesonderte Feststellung nach § 10a Abs. 4 EStG zu ändern ist. Durch die Änderung der Formulierung sollte nach dem Willen des Gesetzgebers klarer zum Ausdruck gebracht werden, dass § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG nicht nur eine Mitteilungspflicht begründet, sondern auch eine spezialgesetzliche Änderungsnorm im Sinne des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe d AO darstellt (BT Drs.16/6739, zu Artikel 1 Nr. 43a - neu - (§ 91 Abs. 1 EStG), S. 18).

Etwas anderes lässt sich, anders als die Kläger meinen, auch aus der Gesetzesbegründung der Vorschrift des § 175b AO nicht herleiten. Zwar ist der Wortlaut der Vorschriften sehr ähnlich. Allein daraus lässt sich jedoch nicht der Schluss ziehen, dass die Erwägungen des Gesetzgebers ohne weiteres übertragbar wären. Dagegen spricht schon der unterschiedliche Hintergrund der beiden gesetzlichen Vorschriften. Während es bei der Vorschrift des § 175b AO um Fälle geht, in denen der Finanzbehörde Daten mitgeteilt werden, die sie bei der Ermittlung der festzusetzenden Steuer unterstützen sollen (so die BT Drs. 18/7457 zu Art. 1 Nr. 34, S. 88), ist das Finanzamt für die Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des Sonderausgabenabzugs nach § 10a EStG gar nicht zuständig, da die Zuständigkeit hierfür nach der Systematik des XI. Abschnitt des EStG bei der zentralen Stelle liegt (siehe unter 3.).

3. Etwas anderes ergibt sich vorliegend auch nicht deshalb, weil, wie die Kläger meinen, es für den steuerlichen Abzug der Altersvorsorgebeiträge und -zulage als Sonderausgaben keine besondere Möglichkeit gäbe, sich gegen die Folgen einer (fehlerhaften) Mitteilung der zentralen Stelle zu wehren (wie die Kläger auch FG Niedersachsen, Urteil vom 4.4.2012, 3 K 330/11, juris Rn. 24).

Da das gesetzliche Zulagenverfahren weitestgehend automatisiert ist, wird die Zulage zunächst aufgrund der - noch nicht überprüften - Angaben der Anbieter ausgezahlt. Erst aufgrund eines späteren Datenabgleichs findet die Prüfung weiterer Voraussetzungen des Zulagenanspruchs statt. Im Falle eines Antrags auf Zulage nach § 89 EStG ermittelt die zentrale Stelle auf der ersten Stufe auf Grund der von ihr erhobenen oder der ihr übermittelten Daten - ohne Prüfung der Richtigkeit dieser Daten -, ob und in welcher Höhe ein Zulagenanspruch besteht (§ 90 Abs. 1 Satz 1 EStG). Sofern ein solcher Anspruch besteht, veranlasst die zentrale Stelle die Auszahlung an den Anbieter zu Gunsten des Zulagenberechtigten; ein gesonderter Zulagenbescheid ergeht in diesen Fällen nicht (§ 90 Abs. 2 Sätze 1, 2 EStG). Erst im zweiten Schritt sieht § 91 EStG ein Verfahren der Überprüfung der Zulage und des Vorliegens der Voraussetzungen des Sonderausgabenabzugs nach § 10a EStG vor. Hierfür nimmt die zentrale Stelle einen automatisierten Datenabgleich vor (§ 91 Absatz 1 Satz 2 EStG). Auf der dritten Stufe hat der Zulagenberechtigte dann die Möglichkeit, durch einen besonderen Antrag, der schriftlich innerhalb eines Jahres vom Antragsteller an den Anbieter zu richten ist, eine förmliche Festsetzung der Zulage zu erreichen (§ 90 Abs. 4 EStG). Erst in diesem Stadium findet eine personelle Prüfung des Zulagenanspruchs statt; es kommt erstmals zu einem direkten Kontakt zwischen dem Zulagenberechtigten und der zentralen Stelle und zum Ergehen förmlicher Verwaltungsakte (vergleiche dazu ausführlich BFH, Urteil vom 22.10.2014, X R 18/14, BFHE 247, 312, BStBl. II 2015, 371).

Dieses Verfahren des Antrags auf förmliche Festsetzung nach § 90 Abs. 4 EStG hat der Kläger auch beschritten durch seine am 20. Juli 2015 für die Jahre 2011 bis 2013 gestellten Anträge. Hinsichtlich des Jahres 2013 hat der Kläger sein Ziel auf diesem Weg erreicht. Durch Bescheid vom 24. August 2016 setzte die zentrale Stelle die Zulage für das Beitragsjahr 2013 in Höhe von 154 € fest. Aus der im Bescheid vorgenommenen Berechnung der Altersvorsorgezulage ergibt sich, dass es sich dabei um eine Grundzulage für einen unmittelbar Zulagenberechtigten handelt. In Folge dieser Festsetzung der zentralen Stelle half der Beklagte dem Einspruch der Kläger für das Jahr 2013 ab und berücksichtigte die seitens des Klägers geleisteten Beiträge nebst Zulage bis zur Höhe von 2.100 € voll als Sonderausgaben, wobei dahinstehen kann, ob der Beklagte durch eine erneute Mitteilung der zentralen Stelle oder aber die Vorlage des Bescheids der zentralen Stelle vom 24. August 2016 durch die Kläger hierzu veranlasst wurde.

Die seitens der Kläger für die Jahre 2011 und 2012 gestellten Anträge wurden durch die zentrale Stelle hingegen ablehnend beschieden unter Hinweis auf den Ablauf der Jahresfrist des § 90 Abs. 4 Satz 2 EStG. Denn diese Frist war bei Antragseingang am 20. Juli 2015 bereits verstrichen. Nach der Berechnung der zentralen Stelle war die Frist für das Jahr 2011 am 28. Februar 2014 und für das Jahr 2012 am 17. Februar 2015 abgelaufen. Der bloße Fristablauf in dem von Gesetzes wegen für die Überprüfung der Zulage und damit auch des daran geknüpften Sonderausgabenabzugs vorgesehenen Verfahrens berechtigt den Kläger jedoch nicht, nunmehr die materielle Unrichtigkeit der Mitteilung der zentralen Stelle im vorliegenden Verfahren gegenüber dem Beklagten geltend zu machen. Denn nach der gesetzlichen Systematik des XI. Abschnittes des Einkommensteuergesetzes ist die zentrale Stelle die (allein)zuständige Behörde zur Berechnung und Überprüfung der Zulage sowie für die Überprüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des Sonderausgabenabzugs nach § 10a EStG. Gegen die Entscheidungen der zentralen Stelle steht den Betroffenen der Rechtsbehelf des Einspruchs offen, der Rechtsweg zu den Finanzgerichten ist gegeben, § 98 EStG. Der Einwand des Klägers, ihm sei aufgrund der insoweit unklaren, vom Anbieter versandten Bescheinigungen nach § 92 EStG nicht bewusst gewesen, dass er lediglich als mittelbar zulagenberechtigt geführt worden sei, so dass er während des Laufs der einjährigen Frist zur Beantragung der Festsetzung der Zulage keinerlei Veranlassung gesehen habe, einen entsprechenden Antrag zu stellen, führt nicht dazu, dass nunmehr der Beklagte beziehungsweise das Finanzgericht im vorliegenden Verfahren die Voraussetzungen des Sonderausgabenabzugs zu prüfen hätte. Vielmehr hätte der Kläger diese Einwände in dem von ihm bei der zentralen Stelle angestrengten Verfahren auf Festsetzung der Zulage geltend machen können und müssen. Insoweit hätte es ihm freigestanden, etwa einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu stellen. Für das Jahr 2011, für das ein derartiger Antrag schon im Hinblick auf das Verstreichen der Jahresfrist des § 110 Abs. 3 AO wenig erfolgversprechend gewesen wäre, hätte der Kläger etwa eine Klage auf Feststellung der unmittelbaren Zulagenberechtigung in Betracht ziehen können.

4. Die Änderung der Steuerbescheide war auch nicht nach Treu und Glauben ausgeschlossen. Dabei kann dahinstehen, ob die Grundsätze von Treu und Glauben im Falle einer Änderung nach § 91 EStG überhaupt Anwendung finden sollen, oder ob dem schon der Ablauf des Überprüfungsverfahrens nach § 91 EStG entgegensteht, nach dem die Überprüfung stets erst nach Auszahlung der Zulage stattfindet, so dass sich der Steuerpflichtige darauf einstellen muss und ein Vertrauenstatbestand nicht entstehen kann (sowohl FG München, Urteil vom 29.10.2014, 9 K 1277/14, juris Rn. 18).

Denn selbst wenn man die Grundsätze von Treu und Glauben für anwendbar halten wollte, liegt vorliegend kein Verstoß gegen diese Grundsätze vor. Der Kläger selbst hat durch seine Angabe gegenüber seinem Versicherungsanbieter, er sei über seine Ehefrau zulagenberechtigt, die Ursache dafür gesetzt, dass er als mittelbar zulagenberechtigt bei der zentralen Stelle geführt wurde und es infolgedessen zu der Mitteilung der zentralen Stelle an den Beklagten über das Vorliegen einer Abweichung kam.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.