LG Hannover, Urteil vom 01.12.2009 - 18 O 52/07
Fundstelle
openJur 2012, 49904
  • Rkr:

1. Wenn Gaskunden über neue, als Sonderverträge bezeichnete Tarife und deren "Merkmale" ausschließlich in einer Informationsbroschüre des Gasversorgers unterrichtet werden, stellen diese tarifspezifischen Merkmale allgemeine Geschäftsbedingungen dar. Diese sind an den für AGB geltenden gesetzlichen Regelungen zu messen.2. Die Preisanpassungsklausel "bei nachhaltiger Preisänderung im Heizölmarkt werden die Erdgas-Preise entsprechend angepasst" benachteiligt die Kunden unangemessen und ist unwirksam (unter Berücksichtigung von BGH VIII ZR 56/08, Urt. v. 15.07.2009 und BGH VIII ZR 225/07, Urt. v. 15.07.2009).3. Bei Tarifsonderkunden, d.h. Gaskunden die nicht aufgrund des allgemeinen/Grundversorgungstarifs gemäß AVBGasV bzw. GasGVV Gas beziehen, sind auf eine unwirksame Preisanpassungsklausel gestützte Preiserhöhungen unwirksam, ohne dass es eines Widerspruchs der Kunden bedarf.

Tenor

Gegenüber der Beklagten zu 1. wird festgestellt, dass die Entgelterhöhungen, die

a) die Beklagte zu 1. ...

(Es folgen die Daten der Gaspreiserhöhungen.)

vorgenommen hat unwirksam sind.

Gegenüber der Beklagten zu 2) wird festgestellt, dass die Entgelterhöhungen, die

c) die Beklagte zu 2.

(Es folgen die Daten der Gaspreiserhöhungen.)

vorgenommen hat unwirksam sind.

Dies gilt für die Belieferung folgender Abnahmestellen:

(Es folgen die betroffenen Abnahmestellen der Kläger.)

Die Kläger zu 38, 40 und 53 tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst sowie die Gerichtkosten zu je 1,5 %, die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und 2) zu je 1%.

Die Beklagte zu 1. trägt die Gerichtskosten zu 63,5 %, die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu 1. - 37., 39, 41.-52. sowie 54. - 63. zu 67% und ihre eigenen außergerichtlichen Kosten zu 97%.

Die Beklagte zu 2. trägt die Gerichtskosten zu 32, %, die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu 1. - 37., 39, 41.-52. sowie 54. - 63. zu 33% und ihre eigenen außergerichtlichen Kosten zu 97%.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Berechtigung von Gaspreiserhöhungen, die die Beklagten als Gasversorger der Kläger in den Jahren 2004 bis 2008 vorgenommen haben; insbesondere darum, ob den Beklagten aufgrund der Gasbezugverträge ein einseitiges Recht zur Preisanpassung zusteht, ob vorgenommene Erhöhungen wirtschaftlich berechtigt waren und ob die Kläger den Erhöhungen hätten widersprechen müssen.

Die Kläger zu 1 - 37, 39, 41 - 52 und 54 - 63 beziehen bzw. bezogen Gas für ihre Privathaushalte an den im Tenor angegebenen Abnahmestellen zunächst bis 1. September 2008 von der Beklagten zu 1), nach deren Übernahme durch die Beklagte zu 2) von dieser. Die Kläger zu 38, 40 und 53 haben ihre Klage zurückgenommen.

Mit einem Formschreiben teilte die Beklagte zu 1) im Jahr 2003 ihren Gaskunden mit, ab 01.10.2003 stelle sie ihr Erdgas-Programm um und biete neue Tarifangebote an (vgl. Anl. B 43). Bezüglich des Inhaltes der Angebote verwies sie auf eine dem Schreiben beigefügte Broschüre (Anl. B 9) und erklärte dazu: „Alle Angebote gelten ab dem 1. Oktober - auch dann, wenn sie bereits einen Erdgasvertrag schriftlich abgeschlossen haben.

Die Broschüre enthält unter der Überschrift „Flexibilität bei höherem Verbrauch: A. Erdgas Classic“ folgende Erläuterung:

„Sie wollen vertraglich flexibel bleiben und Ihr Verbrauch liegt über 23.571 kWh Erdgas im Jahr? Dann passt A. Erdgas Classic am besten zu Ihnen.

A. Erdgas Classic - Merkmale:

- günstig ab 23.571 kWh Jahresverbrauch

- keine Vertragsunterzeichnung notwendig

- Kündigungsfrist beträgt vier Wochen zum Monatsende

- bei nachhaltiger Preisänderung im Heizölmarkt werden die Erdgas-Preise entsprechend angepasst.

A. Erdgas Classic - Preise:

Arbeitspreis  4,22 (3,64)

(ct pro KWh)

Grundpreis  12,00 (10,34)

(EUR pro Monat)

Ab einem Verbrauch von 48.000 kWh im Jahr wird der Grundpreis verbrauchsabhängig berechnet und beträgt dann 0,30 (0,26) ct pro kWh.

Diesem Angebot liegt die „Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden“ (AVBGasV) zu Grunde.“

Nach der Beschreibung weiterer Tarife („Comfort“ und „Constant“) folgt unter der Überschrift „Und nicht zuletzt: Der rechtliche Rahmen.“ unter Ziffer 1. der nachstehende Hinweis:

„Die A. AG stellt unter der jeweils geltenden „Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden“ (AVBGasV) Erdgas zu vorstehenden Allgemeinem Tarif (A. Erdgas Tarif) zur Verfügung. Darüber hinaus wird für Kundenanlagen mit einer Wärmeleistung bis 75 Kilowatt (kW) Erdgas im Rahmen eines Sondervertrages (A. Erdgas Classic, A. Erdgas Comfort oder A. Erdgas Constant) geliefert. Für die Belieferung mit Erdgas zu Sondervertragspreisen gilt, sofern in den allgemeinen Bestimmungen der Verträge nicht anders vereinbart, die AVBGasV entsprechend.“

Ab dem 01.10.2003 wurde den Lieferverträgen der Kläger zu 1 - 17 der von den Beklagten zu 1) als „Erdgas Classic“ bezeichnete Tarif zugrunde gelegt, da der Verbrauch der Kläger den in der Broschüre genannten Mindestverbrauch überschritt. Für die übrigen Kläger berechnete die Beklagte den Tarif „Energie Duett“, der bei Bezug von Strom und Gas einen Preisvorteil vorsieht, legte dabei für die Gaspreisberechnung aber ebenfalls den Tarif „Erdgas Classic“ zugrunde.

Danach kam es zu mehreren Erhöhungen der Gaspreise nach diesem Tarif, die von den Beklagten jeweils durch öffentliche Bekanntmachungen mitgeteilt wurden (vgl. auch Tabelle Bl. 215 d.A.).

Die Kläger, die den Erhöhungen der Preise zu unterschiedlichen Zeitpunkten widersprochen haben (siehe insoweit wegen der Einzelheiten Schreiben Anl. K 2, Anl. K 28, B 42) halten diese für unwirksam, da die in der o.g. Broschüre genannten Bezugsbedingungen für Gas nach dem Tarif Classic sich an den rechtlichen Anforderungen für allgemeine Geschäftsbedingungen messen lassen müssten. Die darin enthaltene Regelung zu den Voraussetzungen von Preiserhöhungen genüge den rechtlichen Anforderungen bereits deshalb nicht, weil sie keine Verpflichtung zur Preissenkung bei gesunkenen Preisen enthalte. Daher seien die den Klägern gegenüber vorgenommenen Erhöhungen sämtlich unwirksam und zwar unabhängig davon, ob diesen widersprochen worden sei.

Mit ihrem Hauptantrag begehren die Kläger die Feststellung der Unwirksamkeit der Erhöhungen der Beklagten der Gaspreise vom 01.10.2004, 01.08.2005, 01.01.2006, 01.10.2006, 01.01.2007, 01.05.2007 und 01.01.2008 soweit sie selbst als Gaskunden der Beklagten davon betroffen waren (Die teilweise Befristung der Anträge beruht auf der Beendigung des Gasbezugs durch die betreffenden Kläger.).

Hilfsweise, für den Fall, dass die Bedingungen der o.g. Broschüre nicht als allgemeine Geschäftbedingungen angesehen werden (vgl. insoweit Protokoll vom 15.9.2009, Bl. 623 Abs. 2 d.A.) machen sie geltend, die für die Abnahmestellen der Kläger verlangten Gaspreise seien in den im Antrag genannten Zeiträumen unbillig und überhöht. Sie verlangen deshalb hilfsweise die Bestimmung des billigen Entgelts durch das Gericht, weiter hilfsweise die Feststellung einer Überhöhung der Preise um 30 % und weiter hilfsweise die Feststellung, dass die Beklagten kein die Vergleichspreise anderer regionaler Versorger übersteigendes Entgelt verlangen können.

Die Kläger beantragen,

1. festzustellen, dass die Entgelterhöhungen, die

a) die Beklagte zu 1. am ...

(Es folgen die Daten der Gaspreiserhöhungen.)

vorgenommen hat, und

c) die Beklagte zu 2. am ...

(Es folgen die Daten der Gaspreiserhöhungen.)

vorgenommen hat,

unwirksam sind, und zwar für die Belieferung folgender Abnahmestellen:

... (Es folgen die Bezeichnungen der Abnahmestellen der Kläger.)

2. hilfsweise ...

(Es folgen Hilfsanträge zu 2. - 4.)

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten sind der Auffassung, dass die Erhöhungen auf der Grundlage der durch die höchstrichterliche Rechtsprechung inhaltlich gebilligten Bedingungen der AVBGasV erfolgen konnten. Sie verweisen darauf, dass in der o.g. Broschüre auf die Verordnung ergänzend verwiesen wird, so dass die Verordnung als Grundlage der Erhöhungen herangezogen werden könne. Dies gelte aber spätestens seit der Mitteilung über die Änderung der Bezugsbedingungen nach der Einführung der GasGVV im Frühjahr 2007 (Schreiben Anl. B 81). Ab diesem Zeitpunkt beruhten die Verträge bzw. die Preisanpassungen auf der Grundlage der GasGVV und seien daher rechtlich unbedenklich.

Die in der Broschüre für den Tarif „Classic“ enthaltenen Textpassagen - auch soweit diese die Voraussetzungen künftiger Preiserhöhungen betreffen - seien nicht als allgemeine Geschäftsbedingungen gemeint gewesen und auch aus Kundensicht nicht so zu verstehen, sondern als reine Information. Auch die Kläger seien nicht von Geschäftsbedingungen des Tarifs ausgegangen, wie sich aus der ursprünglichen Fassung der Klage und Klaganträge ergäbe, die sich auf die behauptete Unbilligkeit der Tarife beziehe.

Sie meinen, die Unwirksamkeit der Tariferhöhungen könne nur von den Klägern eingewandt werden, die diesen widersprochen haben, und auch nur bezüglich der von den jeweiligen Widersprüchen betroffenen Erhöhungen. Ferner seien die Erhöhungen aufgrund von Kostensteigerungen wirtschaftlich gerechtfertigt gewesen. Dies sei zumindest im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung zu berücksichtigen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und - gemäß dem Hauptantrag zu Ziff. 1 - begründet.

I.

1. Die Beklagten waren nicht berechtigt, gegenüber den Klägern die im Tatbestand aufgeführten Erhöhungen der Gaspreise vorzunehmen.

a) Ein Erhöhungsrecht ergibt sich nicht aus der AVBGasV, dort § 4 Abs. 1, 2, bzw. § 5 Abs. 2 GasGVV. Die Verordnungen finden im vorliegenden Fall keine Anwendung. Der mit den Klägern vereinbarte Tarif „Erdgas Classic“ ist ein sog. Normsonderkundentarif i. S. der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Auf solche Sondertarife finden die für Tarifkunden bzw. Grundversorgungskunden vorgesehenen Regelungen in der AVBGasV bzw. der GasGVV keine (unmittelbare) Anwendung.

Bei der Versorgung von Gaskunden wird grundsätzlich zwischen Tarifkundenverträgen auf der Grundlage von § 10 Abs. 1 EnWG 1998, § 1 Abs. 1 AVBGasV (jetzt Grundversorgungsverträge i. S. von § 36 Abs. 1 EnWG 2005) und sog. Normsonderkundenverträgen mit Haushaltskunden auf der Grundlage des allgemeinen Vertragsrechts unterschieden. Für die Unterscheidung kommt es darauf an, ob das Versorgungsunternehmen aus der Sicht eines durchschnittlichen Abnehmers die Versorgung zu den öffentlich bekannt gemachten Bedingungen und Preisen im Rahmen der Versorgungspflicht vornimmt (dann Grundversorgungsvertrag) oder dem Kunden unabhängig davon im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit eine Versorgung zu von der Verordnung abweichenden Bedingungen anbietet (dann Normsonderkundenvertrag) (vgl. Urteil vom 15.07.2009 - VIII ZR 225/07). Welche Art von Vertrag vorliegt, muss durch Auslegung ermittelt werden.

47Die Vereinbarung über den Gasbezug mit den Klägern auf der Grundlage des Tarifs „Erdgas Classic“ ist aufgrund des Wortlauts der von der Beklagten mitgeteilten Tarifinformationen (Anlage B 9 i. V. m. dem Anschreiben Anlage B 43) als Normsonderkundentarif einzustufen. In der Tarifinformation wird ausdrücklich nur der „A. Erdgas-Tarif“ als „allgemeiner Tarif“ gemäß der AVBGasV bezeichnet, der Tarif „Erdgas Classic“ neben anderen Tarifen hingegen als Sondervertrag. Die Beklagte zu 1) hat auf den „rechtlichen Rahmen“ hingewiesen und dabei mitgeteilt, dass die Gaslieferung u. a. zu dem Tarif „Erdgas Classic“ im Rahmen eines Sondervertrages erfolgt. Ferner wird auch bei der Erläuterung des rechtlichen Rahmens ausgeführt, dass für die Sonderverträge die AVBGasV nur entsprechend gelten soll. Im „rechtlichen Rahmen“ wird auch auf den Vorrang der als „allgemeine Bestimmungen“ bezeichneten, für die Sonderverträge vereinbarten Regelungen hingewiesen. Die vorrangigen Bestimmungen der Sonderverträge ergeben sich unmittelbar aus der Broschüre. Diese werden bei - sämtlichen - Sonderverträgen als „Merkmale“ bezeichnet und im Zusammenhang mit der Erläuterung der Tarife in einem besonderen Absatz zusammengefasst. Zu den von der AVBGasV abweichenden Bestimmungen gehören bei dem Tarif „Erdgas Classic“ vor allem die Regelung des Preiserhöhungsrechts der Beklagten und die Kündigungsfrist (dazu siehe im Einzelnen unten I.1. c).

Preiserhöhungen unter unmittelbarer Anwendung der Regelungen der AVBGasV und der GasGVV sind bereits aus diesem Grund ausgeschlossen.

b) Da zwischen den Parteien mit dem Tarif „Erdgas Classic“ eine von der AVBGasV abweichende Regelung über die Voraussetzungen von Preisanpassungen mit den allgemeinen Geschäftbedingungen dieses Tarifs vereinbart worden ist (hierzu siehe I.1.c), kommt auch eine entsprechende Heranziehung des § 4 Abs. 1 AVBGasV nicht in Betracht.

c) Grundlage und Prüfungsmaßstab der Preiserhöhungen ist deshalb ausschließlich die in der Broschüre der Beklagten (Anlage B 9) für den Tarif Classic aufgeführte Klausel „bei nachhaltiger Preisänderung im Heizölmarkt werden die Erdgaspreise entsprechend angepasst“. Diese Klausel stellt, wie die anderen Sonderregelungen für den Tarif Classic auch, eine Allgemeine Geschäftsbedingung dar und ist anhand der vom Bundesgerichtshof für derartige Erhöhungsklauseln geltenden Maßstäbe zu überprüfen. Dieser Überprüfung hält die Klausel nicht stand (hierzu s. unten bb).

51aa) Der Begriff der Allgemeinen Geschäftsbedingungen setzt gem. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB eine Erklärung des Verwenders voraus, die den Vertragsinhalt regeln soll (BGHZ 99, 374, 376 zu § 1 AGBG). Sie werden gem. § 305 Abs. 2 BGB ebenso wie individuelle vertragliche Vereinbarungen Vertragsbestandteil aufgrund empfangsbedürftiger rechtsgeschäftlicher Erklärungen. Für die Unterscheidung von allgemeinen (verbindlichen) Vertragsbedingungen und (unverbindlichen) Bitten, Empfehlungen oder tatsächlichen Hinweisen ist deshalb auf den Empfängerhorizont abzustellen. Eine Vertragsbedingung i. S. von § 305 BGB liegt dann vor, wenn ein allgemeiner Hinweis nach seinem objektiven Wortlaut bei den Empfängern den Eindruck hervorruft, es solle damit der Inhalt eines vertraglichen Rechtsverhältnisses bestimmt werden (BGH NJW 1996, S. 2574 ff.). Es kommt daher darauf an, ob aus Sicht des rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden durch die Erklärung des Verwenders eine verbindliche Regelung vertraglicher Rechten und Pflichten herbeigeführt werden soll. Unter Berücksichtigung dieser Kriterien sind die in der Broschüre der Beklagten für den Vertrag „Erdgas Classic“ angeführten „Merkmale“ als Allgemeine Geschäftsbedingungen anzusehen.

52Die Beklagte zu 1) hat ausdrücklich unter der Überschrift „Der rechtliche Rahmen“ ausgeführt, dass es sich bei dem Vertrag Erdgas Classic um einen Sondervertrag handelt und für die Belieferung mit Erdgas zu Sondervertragspreisen vorrangig die dafür bestehenden allgemeinen Bestimmungen gelten.

Als solche allgemeinen Bestimmungen hat die Beklagte zu 1) in der Broschüre die im Tatbestand aufgeführten Merkmale und Preise mitgeteilt. Daraus ergibt sich zunächst, dass der Tarif nur bei einem Jahresverbrauch ab 23.571 kWh einsetzt. Danach wird die Kündigungsfrist auf 4 Wochen zum Monatsende festgesetzt, während § 32 Abs. 1 AVBGasV eine Frist von einem Monat erstmals zum Ablauf eines Jahres vorsah und (nur) für den Kunden gemäß § 32 Abs. 2 AVBGasV bei Tarifänderungen eine Kündigung innerhalb von 2 Wochen nach der öffentlichen Bekanntgabe möglich war. Es folgt die auf nachhaltige Änderungen im Heizölmarkt abstellende Preisanpassungsklausel, die bereits durch ihren - alleinigen - Anknüpfungspunkt eine von § 4 AVBGasV abweichende Regelung enthält.

54Die Regelungen konnte ein rechtlich nicht vorgebildeter Durchschnittskunde nur als für den Tarif „Erdgas Classic“ rechtlich verbindliche Regelung - und damit als allgemeine Geschäftsbedingungen - verstehen. Gerade aus dem Hinweis auf den „rechtlichen Rahmen“, ergibt sich für den Kunden, dass die genannten allgemeinen Bestimmungen das Vertragsverhältnis in rechtlicher Hinsicht verbindlich regeln sollten. Dafür spricht auch, dass im Sprachgebrauch häufig allgemeine Geschäftsbedingungen als „allgemeine Bestimmungen“ bezeichnet und in Verträge einbezogen werden.

55Die Beklagte hat darüber hinaus auch auf Nachfragen in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass es über die vorliegende Informationsschrift hinaus keine andere, insbesondere keine „konsolidierte“ Fassung der Lieferbedingungen für den Tarif „Erdgas Classic“ gibt, etwa eine Zusammenfassung der von der AVBGasV abweichenden Lieferbedingungen und Preise i. V. m. der ergänzenden Regelung der AVBGasV. Für den Kunden stand daher zur Feststellung der Lieferbedingungen ausschließlich die Informationsschrift zur Verfügung, die demnach auch die einzige Regelungsquelle für diesen Tarif überhaupt darstellt. Die Kunden sind in dieser Schrift auch nicht auf die Möglichkeit einer anderweitigen Information über den Tarif und dessen Bedingungen hingewiesen worden. Die Bezugsbedingungen ergaben sich ausschließlich aus der Informationsschrift. Bei den im rechtlichen Rahmen erwähnten „allgemeinen Bestimmungen“ konnte es sich deshalb aus Sicht der Kunden allein um die den Tarifen zugeordneten Merkmale handeln. Auch deren sprachliche Fassung („Kündigungsfrist beträgt …“ und „… werden die Erdgas Preise entsprechend angepasst“) verdeutlicht, dass deren Inhalt für den Vertrag rechtlich maßgeblich sein sollte.

Vor diesem Hintergrund bleibt es für die Kammer unverständlich, dass die Beklagten den in der Broschüre enthaltenen Bestimmungen den Regelungscharakter für die darin genannten Sondertarife absprechen, zumal eine anderweitige Regelung für die Tarife in für die Kunden zugänglicher Form gar nicht zur Verfügung steht. Die Beklagte muss sich deshalb an den Regelungen festhalten lassen, die sie den Kunden mitgeteilt und diesen gegenüber als rechtlichen Rahmen bezeichnet hat.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den teilweise gleichlautenden Tarif-Merkmalen des allgemeinen Tarifs der Beklagten zu 1). Für diesen Tarif hat nämlich die Beklagte zu 1) den rechtlichen Rahmen anders dargestellt und ausdrücklich ausgeführt, dass für diesen (nur) die AVBGasV Anwendung findet. Dass die Beklagte zu 1) in diesem Zusammenhang die Bestimmungen der AVBGasV unzutreffend wiedergegeben haben dürfte, nimmt den Bestimmungen bezüglich der Sondertarife nicht ihre Eigenschaft als allgemeine Geschäftbedingungen.

Letztlich fehlte jede rechtliche Grundlage für den Tarif Erdgas Classic, wenn die Broschüre bloß der Information der Kunden dienen und keine rechtlich verbindlichen Regelungen enthalten sollte.

59bb) Die Preisanpassungsklausel unterliegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes als Preisnebenabrede unabhängig von § 310 Abs. 2 BGB der Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 und 2 BGB (vgl. BGH VIII ZR 56/08 Tz. 17).

Die für Preisänderungen vorgesehene Klausel „bei nachhaltiger Preisänderung im Heizölmarkt werden die Erdgaspreise entsprechend angepasst“, hält einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unter Berücksichtigung der hierfür geltenden Anforderungen und Kriterien des Bundesgerichtshofs nicht stand.

61Ersichtlich enthält die Regelung keine unveränderte Übernahme der Preisanpassungsklausel aus der AVBGasV bzw. der GasGVV. § 4 AVBGasV ermöglichte die Weitergabe von gestiegenen Bezugskosten an Tarifkunden nur insoweit, als die Kostensteigerung nicht durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen ausgeglichen wird (vgl. BGHZ 172, 315 Tz. 26; 178, 362 TZ 39). Die vorliegende Klausel knüpft ausschließlich an „nachhaltige Preisänderungen im Heizölmarkt“ an und sieht die Einbeziehung etwaiger Kostensenkungen in anderen Bereichen überhaupt nicht vor. Ferner lässt die Formulierung keine Verpflichtung der Beklagten erkennen, nach gleichmäßigen Maßstäben zu bestimmten Zeitpunkten Preisanpassungen unabhängig davon vorzunehmen, in welche Richtung sich die Gasbezugskosten seit Vertragsschluss oder seit der letzten Preisanpassung entwickelt haben. Die Regelung lässt Preisanpassungen zu Zeitpunkten zu, die die Beklagten frei bestimmen und nach ihren Interessen festlegen können. Die Beschränkung auf nachhaltige Preisänderungen ist darüber hinaus völlig unbestimmt, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die als Bezugsmaßstab genommenen Preise im Heizölmarkt bekanntermaßen erheblichen Preissprüngen unterliegen. Wie und nach welchen Kriterien festgestellt werden soll, ob eine Preisänderung nachhaltig ist, bleibt völlig offen und steht nach der Klausel allein zur Disposition der Beklagten. Dadurch werden die Kunden der Beklagten in unangemessener Form benachteiligt (vgl. BGH VIII ZR 56/08, Urteil vom 15. Juli 2009, Tz. 28, 29; BGH VIII ZR 225/07, Urteil vom 15. Juli 2009, Tz. 26-28).

62Die unangemessene Benachteiligung der Kläger durch die Regelung wird auch nicht durch die Einräumung eines Rechts zur Lösung vom Vertrag ausgeglichen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt ein angemessener Ausgleich einer benachteiligenden Preisanpassungsklausel insbesondere voraus, dass der Kunde vorab über die beabsichtigte Preiserhöhung informiert wird und sich vom Vertrag lösen kann, bevor sie wirksam wird (vgl. BGH VIII ZR 225/07, Tz. 31, 32). Eine rechtzeitige Information der Kunden, die es diesen ermöglicht, vor Wirksamwerden der Preisänderung zu kündigen, ist im vorliegenden Fall weder in der Informationsbroschüre enthalten noch ergibt sich eine solche aus § 32 AVBGasV entsprechend (vgl. hierzu BGH VIII ZR 225/07, Tz. 32), zumal hier abweichend von § 32 AVBGasV die Kündigungsfrist auf 4 Wochen zum Monatsende festgelegt ist und den Kunden nicht die kürzere Frist gemäß § 32 AVBGasV eingeräumt wird.

63d) Den Beklagten ist auch nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ein Preisänderungsrecht entsprechend § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV, § 5 Gas GVV zuzubilligen. Sind Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, so bleibt der Vertrag grundsätzlich nach § 306 Abs. 1 BGB im Übrigen wirksam. Sein Inhalt richtet sich dann gem. § 306 Abs. 2 BGB nach den gesetzlichen Vorschriften, auch nach denen über die ergänzende Vertragsauslegung gem. §§ 157, 133 BGB. Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt aber nur in Betracht, wenn sich die mit dem Wegfall einer unwirksamen Klausel entstehenden Lücke nicht durch dispositives Gesetzesrecht füllen lässt und dies zu einem Ergebnis führt, das den beiderseitigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung trägt, sondern sich das Vertragsgefüge völlig einseitig zu Gunsten des Kunden verschiebt (vgl. BGH VIII ZR 225/07, Tz. 36, 37). Das ist hier aber nicht der Fall.

64Grundsätzlich wird das Entfallen einer derartigen Preisanpassungsklausel durch die Möglichkeit einer kurzfristigen Kündigung des Vertrages durch den Gaslieferanten kompensiert (vgl. BGH VIII ZR 225/07, Tz. 37 m. w. N.). Nach den Bedingungen des Tarifes Erdgas Classic konnten die Beklagten innerhalb einer Frist von 4 Wochen zum Monatsende, die mangels jedweder Einschränkung hier für beide Parteien Anwendung finden muss, die Vertragsverhältnisse kündigen. Auch bei Entstehen von Kostensteigerungen, die mangels vertraglicher Grundlage nicht auf die Kunden überwälzbar waren, hatten die Beklagten hier die Möglichkeit, kurzfristig zu reagieren und die Vertragsverhältnisse zu beenden, ggf. eine Kündigung mit dem Angebot eines Vertragsschlusses nach dem Basis-Tarif gemäß der AVBGasV bzw. der Gas GVV anzubieten. Dass in dieser außerordentlich kurzen Zeitspanne der Bindung an den alten Preis nicht mehr hinnehmbare wirtschaftliche Nachteile für die Beklagten entstehen - können - ist nicht anzunehmen. Da die Beklagten ohnehin auch nach der unwirksamen Klausel nur bei nachhaltigen Preisveränderungen die Preise erhöhen durften, wird eine Bindungsfrist in der o.g. Größenordnung in jedem Fall hinzunehmen sein.

Die Tatsache, dass in der Folgezeit mehrere auf die unwirksame Klausel gestützte Erhöhungen durchgeführt worden sind, rechtfertigt es ebenfalls nicht, eine ergänzende Vertragsauslegung vorzunehmen. Ob eine ergänzende Vertragsauslegung stattfinden kann, ist unter Berücksichtigung der vertraglichen Situation und der im Vertrag festgelegten Bedingungen zu ermitteln. Die Tatsache, dass die Beklagten von ihrem Kündigungsrecht keinen Gebrauch gemacht haben, kann in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt werden. Die ergänzende Vertragsauslegung hat den beiderseitigen Interessen bei der Vertragsgestaltung Rechnung zu tragen. Wenn eine Partei die ihr vertraglich eingeräumten Rechte nicht ausübt, kann dies nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung kompensiert werden.

Deshalb kann auch offen bleiben, auf welche Zahl von Verträgen sich möglicherweise der Wegfall der Preisanpassungsklausel auswirkt. Bei einer 4-wöchigen Kündigungsfrist ergeben sich jedenfalls keine so gravierenden wirtschaftlichen Nachteile, dass dies für die Beklagten nicht hinnehmbar wäre. Aus diesem Grund können auch die durchgeführten Preisanpassungen nicht „kumuliert“ werden, um den wirtschaftlichen Nachteil zu begründen.

Im Übrigen ist hier gemäß dem Hauptantrag nur im Streit, ob die Erhöhungen der Beklagten wirksam waren, mithin ob eine die Erhöhungen rechtfertigende Regelung vorliegt. Diese Frage ist jeweils bezogen auf die einzelnen Erhöhungen zu beantworten, bei denen jeweils das vertraglich vorgesehene Kündigungsrecht einzubeziehen ist.

g) Die Beklagten können sich ferner nicht darauf berufen, dass nach dem Inkrafttreten der auf § 115 Abs. 2 und 3 EnWG beruhenden GasGVV, die die bis dahin geltende AVBGasV ersetzt hat, für sie ein sich daraus ergebendes Preisanpassungsrecht besteht. Vertragliche Vereinbarungen kommen - wie oben dargelegt - durch empfangsbedürftige Willenserklärungen zustande, die jeweils vom Empfängerhorizont her aus auszulegen sind. Die Beklagten haben bezüglich der Neuregelung mit ihren Schreiben vom Frühjahr 2007 (Anlage B 81), denen die GasGVV beigefügt war, mitgeteilt, dass der Gesetzgeber die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Versorgung mit Erdgas geändert habe. Darüber hinaus wird in dem Schreiben Folgendes ausgeführt:

„Die geänderten rechtlichen Bedingungen gelten auch für Ihren bestehenden Liefervertrag Erdgas Classic. Beiliegend finden Sie die GasGVV sowie die ergänzenden Bestimmungen zur GasGVV. Bitte nehmen Sie diese zu Ihren Unterlagen. Wir werden die Belieferung ab sofort zu den geänderten Bedingungen fortsetzen.

Hierzu müssen Sie nichts unternehmen. Durch die neue Verordnung ergeben sich für Sie als Kunden keinerlei Nachteile. Am Vertragsverhältnis ändert sich nichts, der Preis bleibt unverändert!“

Da in der Informationsbroschüre aus dem Jahre 2003 ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, dass nur soweit nicht die vertraglichen Sonderregelungen Anwendung finden, die AVBGasV Geltung haben sollte, konnte sich auch die Gesetzänderung allenfalls darauf beziehen, dass vom Zeitpunkt der jeweiligen Mitteilungen anstatt der AVBGasV die GasGVV Anwendung finden sollte. Insbesondere aus der Formulierung, dass sich am Vertragsverhältnis nichts ändere, ergibt sich für den durchschnittlichen Empfänger, dass die bisherigen vertraglichen (Sonder-)Regelungen weiter bestehen bleiben sollten, zumal durch den Hinweis auf den unveränderten Preis auch die Sonderregelung über die Verbrauchsabhängigkeit der Preise weiter Bestand haben sollte. Da die GasGVV hierzu keine Aussagen trifft, können die Verträge und die Tarife nur unter Berücksichtigung der in der o. g. Broschüre zusammengefassten rechtlichen Rahmenbedingungen verstanden werden. Dass die ursprünglich Preisanpassungsklausel durch eine andere Regelung ersetzt werden sollte, konnte der Kunde dem Anschreiben jedenfalls nicht entnehmen. Daher kann auch nach der Kundeninformation vom Frühjahr 2007 nicht auf die Anpassungsklauseln aus der GasGVV zurückgegriffen werden.

72 2. Die einseitigen Gaspreiserhöhungen der Beklagten sind mangels einer vertraglichen Grundlage unwirksam, unabhängig davon, ob bzw. wann die Kläger den Erhöhungen im Einzelnen widersprochen haben.

a) Zwar nimmt der Bundesgerichtshof bei Vertragsverhältnissen mit Tarifkunden eine konkludente Einigung auf erhöhte Tarife an, wenn die auf öffentlich bekannt gegebenen Preiserhöhungen basierenden Tarife in den Jahresabrechnungen unbeanstandet hingenommen werden und die Kunden weiter Gas bezogen haben, ohne in angemessener Zeit eine Prüfung der Billigkeit - gem. § 315 BGB - zu verlangen (vgl. BGHZ 172, 315; BGH NJW 2009, 502). Diese Rechtsprechung des BGH bezieht sich auf Tarifkundenverträge, bei denen ein gesetzliches einseitiges Preiserhöhungsrecht des Gasversorgers besteht, welches nur der Billigkeitskontrolle unterliegt.

74Die Kläger dieses Verfahrens werden jedoch - wie ausgeführt - auf der Grundlage von Sonderverträgen , für die ein einseitiges Preisanpassungsrecht der Beklagten nicht wirksam vereinbart wurde, mit Gas beliefert. Eine Erhöhung der Gaspreise würde daher eine vertragliche Einigung der Vertragsparteien voraussetzen. Hierfür gilt wie für andere Vertragsverhältnisse der Grundsatz, dass dem Schweigen oder der widerspruchslosen Hinnahme und sogar Begleichung von Rechnungen kein darüber hinausgehender Erklärungswille zu entnehmen ist (so ausdrücklich für Gasbezugsverträge OLG Hamm, RdE 2009 S. 261,262; dagegen OLG Frankfurt/M, RdE 2009 S. 258 ff). Ein Verhalten der Kläger, dem ein Erklärungswille oder eine Akzeptanz der Erhöhungen zu entnehmen wäre, ist nicht ersichtlich. Die bloße Hinnahme von Lastschriften aufgrund einer Einzugsermächtigung können jedenfalls nicht als Zustimmung oder Erklärung gewertet werden (vgl. BGH NJW 2000, S. 2667), ebenso wenig wie die Entgegennahme von Jahresabrechnungen, die dem widerspruchslosen Empfang von Rechnungen entspricht, Erklärungswert besitzt. Darüber hinaus ist bei der Würdigung des Verhaltens der Kläger zu berücksichtigen, dass ihnen - vor Verkündung der o.g. Urteile des BGH vom 15.07.2009 - nicht bekannt gewesen ist, dass ein einseitiges Preiserhöhungsrecht der Beklagten - anders als von den Beklagten in ihren Erhöhungsschreiben suggeriert - schon dem Grunde nach nicht besteht. Da die Kläger von dem Fehlen des Preiserhöhungsrechts keine Kenntnis hatten, könnte auch ein etwaiges „Verhalten“ keinesfalls dahin verstanden werden, dass sie einseitige Preiserhöhungen der Beklagten trotz fehlender Berechtigung akzeptieren wollten.

b) Darüber hinaus verspräche nach Einschätzung der Kammer bei der vorliegenden Konstellation die Annahme einer konkludenten Zustimmung durch Schweigen dem Regelungsgehalt des § 308 Nr. 5 BGB. Nach dieser Regelung dürfen (Zustimmmungs-) Erklärungen eines Verbrauchers nicht als abgegeben gelten, sofern diesem nicht zuvor eine Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eingeräumt und er auf die Rechtsfolge etwaigen Schweigens hingewiesen worden ist.

76Zwar findet bei Sonderverträgen der Gasversorgung gem. § 310 Abs. 2 BGB eine Inhaltskontrolle nach § 308 und 309 BGB nicht statt, soweit die Versorgungsbedingungen nicht zum Nachteil der Abnehmer von der Verordnung über allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit Gas (AVBGasV) abweichen, an deren Stelle die Grundversorgungsverordnung getreten ist (vgl. BGH, Urteil vom 15.07.2009 - VIII ZR 56/08, Tz. 17). Eine Regelung, der zufolge das Schweigen eines Kunden auf vertraglich nicht vorgesehene Vertragsänderungen als Zustimmung gelten soll, findet sich in der AVBGasV bzw. der GasGVV nicht. Eine Geschäftsbedingung der Beklagten nach der Schweigen als Annahmeerklärung zu Vertragsänderungen zu werten wäre, würde vom Regelungsgehalt der Verordnung über allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden AVBGasV zum Nachteil der Verbraucher abweichen und wäre daher an § 308 Nr. 5 BGB zu messen. Zwar liegt eine entsprechende Regelung nicht vor. Der Rechtsgedanke der Vorschrift ist aber - erst recht - zu berücksichtigen, wenn an das Verhalten von Verbrauchern Rechtsfolgen geknüpft werden sollen, die selbst bei einer entsprechenden Regelung nicht zulässig wären. Daher hätte es hier einer den Anforderungen des § 308 Nr. 5 BGB genügenden Information der Kunden bedurft, wenn ihrem Schweigen Erklärungswert beigemessen werden soll.

77Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Widerspruchserfordernis bei Tarifkunden ist auf die hier vorliegende Konstellation nicht übertragbar, da bei diesen lediglich eine auf die wirtschaftlichen Voraussetzungen der Preiserhöhungen bezogene Kontrolle gemäß § 315 BGB zu erfolgen hat, während grundsätzlich die rechtlichen Voraussetzungen einseitiger Preiserhöhungen vorliegen. Daher bewegen sich die Versorger bei den Tarifkunden mit den einseitigen Erhöhungen im Rahmen der ihnen grundsätzlich eingeräumten Rechte.

Wenn aber - wie hier - einseitige Preiserhöhungen nicht möglich sind, sondern es zur Erhöhung einer beiderseitigen Vereinbarung bedarf, wäre die Annahme, dass das Schweigen auf vom Vertrag schlechthin nicht gedeckte Erklärungen als Annahme zu verstehen sind, eine über die AVBGasV und GasGVV hinausgehende Rechtsfolge, die aus den o.g. Gründen am Regelungsgehalt des § 308 Nr. 5 BGB zu messen ist. Diesem entspräche eine solche Wertung des Schweigens nicht.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 1, 2, 269 Abs. 3 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.