BGH, Beschluss vom 17.01.2019 - V ZB 121/18
Fundstelle
openJur 2019, 26774
  • Rkr:

Das für die Rechtsmittelbeschwer maßgebliche wirtschaftliche Interesse des klagenden Wohnungseigentümers, der erfolglos einen Beschluss über die Bestellung des Verwaltungsbeirats angefochten hat, ist in aller Regel auf 750 € zu schätzen.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss der Zivilkammer 55 des Landgerichts Berlin vom 28. Juni 2018 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.750 €.

Gründe

I.

Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. In der Eigentümerversammlung vom 14. Juni 2017 wurde der aus drei Mitgliedern bestehende Verwaltungsbeirat gewählt.

Das Amtsgericht hat die gegen diesen Beschluss gerichtete Anfechtungsklage der Klägerin abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das Landgericht als unzulässig verworfen. Mit der Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die beklagten übrigen Wohnungseigentümer beantragen, will die Klägerin erreichen, dass der Beschluss über die Wahl des Verwaltungsbeirates für ungültig erklärt wird.

II.

Das Berufungsgericht meint, der Wert des Beschwerdegegenstands übersteige 600 € nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei das Interesse an der künftigen vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Verwaltungsbeirat regelmäßig mit 500 € zu veranschlagen. Darauf sei nicht nur bei der Entlastung, sondern auch bei der Neubestellung eines Verwaltungsbeirates abzustellen, sofern nicht besondere Umstände die Annahme eines höheren Interesses rechtfertigten. Diese Wertfestsetzung trage dem Umstand Rechnung, dass dem Verwaltungsbeirat nach § 29 Abs. 2 WEG lediglich eine unterstützende Funktion zukomme. Auch stehe den Mitgliedern des Verwaltungsbeirates hier weder eine Vergütung noch eine Aufwandsentschädigung zu. Eine Mindestbestelldauer sehe der angefochtene Beschluss nicht vor.

III.

Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig; insbesondere ist ein Zulassungsgrund gemäß § 574 Abs. 2 ZPO gegeben.

Die Zulässigkeit des Rechtsmittels folgt aus dem Umstand, dass die Bemessung der Rechtsmittelbeschwer bei einer gegen die Bestellung des Verwaltungsbeirats gerichteten Anfechtungsklage höchstrichterlich noch nicht geklärt und die Rechtsprechung uneinheitlich ist. So weicht der angegriffene Beschluss von einer Entscheidung des Landgerichts Nürnberg-Fürth (ZMR 2012, 207 Rn. 43) ab. Daher ist eine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO gegeben.

2. Das Rechtsmittel ist auch begründet. Die nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO für die Zulässigkeit der Berufung der Klägerin erforderliche Beschwer von über 600 € ist erreicht.

a) Das Berufungsgericht weist zwar zutreffend darauf hin, dass sich das für die Rechtsmittelbeschwer maßgebliche wirtschaftliche Interesse des klagenden Wohnungseigentümers, der erfolglos einen Beschluss über die Entlastung des Verwaltungsbeirats angefochten hat, nach dem regelmäßig mit 500 € anzusetzenden Wert bemisst, den die künftige vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Verwaltungsbeirat hat, zuzüglich des klägerischen Anteils an etwaigen Ersatzansprüchen gegen den Verwaltungsbeirat, auf die die Anfechtung des Entlastungsbeschlusses gestützt wird. Den Wert von 500 € für das Interesse an der künftigen vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Verwaltungsbeirat hat der Senat angesichts der unterstützenden Funktion des Beirats (vgl. § 29 Abs. 2 WEG) und des im Vergleich zu dem Verwalter, bei dem das Interesse insoweit mit 1.000 € angesetzt wird (Senat, Beschluss vom 31. März 2011 - V ZB 236/10, NJW-RR 2011, 1026 Rn. 10 ff.), geringeren Umfangs seiner Tätigkeit als angemessen angesehen (vgl. Senat, Beschluss vom 9. März 2017 - V ZB 113/16, ZWE 2017, 332 Rn. 10 f.).

b) Das Interesse an einer weiteren vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Verwaltungsbeirat ist aber für die Rechtsmittelbeschwer des die Wahl des Verwaltungsbeirats anfechtenden Wohnungseigentümers - anders als bei dessen Entlastung - nicht der zutreffende Bezugspunkt. Mit der Entlastung des Verwaltungsbeirats ist regelmäßig die Folge eines negativen Schuldanerkenntnisses (§ 397 Abs. 2 BGB) der Wohnungseigentümer verbunden. Sie dient zudem dazu, die Grundlage für die weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Zukunft zu legen (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Juli 2003 - V ZB 11/03, BGHZ 156, 19, 25 ff.; Beschluss vom 31. März 2011 - V ZB 236/10, NJW-RR 2011, 1026 Rn. 10). Daraus rechtfertigt sich die Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte bei der Ermittlung der Rechtsmittelbeschwer.

Bestellungs- und Abberufungsbeschlüsse sind demgegenüber auf die unmittelbare Begründung bzw. Aufhebung wohnungseigentumsrechtlicher Befugnisse und Pflichten gerichtet (vgl. Senat, Beschluss vom 20. Juni 2002 - V ZB 39/01, BGHZ 151, 164, 171). Mit dem Bestellungsbeschluss der Wohnungseigentümer und der Bereitschaft des Bestellten zur Übernahme des Amtes (vgl. Senat, Urteil vom 5. Februar 2010 - V ZR 126/09, ZWE 2010, 215) wird die Rechtsstellung als Mitglied des Verwaltungsbeirats begründet. Den Bestellten treffen dann die Organpflichten und -rechte. Das für die Rechtsmittelbeschwer maßgebliche wirtschaftliche Interesse des klagenden Wohnungseigentümers, der erfolglos einen Beschluss über die Bestellung der Mitglieder des Verwaltungsbeirats angefochten hat, ist in aller Regel auf 750 € zu schätzen (§ 3 ZPO). Es übersteigt damit das Interesse an einer künftigen vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Verwaltungsbeirat um 50% und trägt mit der Anhebung des Betrages der Begründung der Organstellung des Verwaltungsbeirats Rechnung. Andererseits berücksichtigt die Schätzung die lediglich unterstützende Funktion des Beirats (vgl. § 29 Abs. 2 WEG). Dass es vorliegend an einer Mindestbestelldauer der Mitglieder des Verwaltungsbeirats fehlt, rechtfertigt es nicht, von einem geringeren Betrag auszugehen. Zwar weist das Berufungsgericht zutreffend darauf hin, dass jederzeit eine Abberufung und Neuwahl des Verwaltungsbeirats erfolgen kann. Ist aber eine bestimmte Amtszeit nicht vorgesehen, bleibt der Verwaltungsbeirat auf unbestimmte Zeit bestehen (vgl. OLG München, NJOZ 2007, 4891, 4893 f.; BeckOK WEG/Munzig [1.9.2018], § 29 Rn. 32; BeckOGK/Greiner, [1.12.2018], § 29 Rn.16; MüKoBGB/Engelhardt, 7. Aufl., § 29 WEG Rn. 4).

IV.

Der angegriffene Beschluss ist daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens entspricht nach § 49a Abs. 1 Satz 2 GKG dem fünffachen Wert des Interesses des Klägers, mithin 3.750 €.

Stresemann Brückner Weinland Kazele Hamdorf Vorinstanzen:

AG Köpenick, Entscheidung vom 13.02.2018 - 71 C 39/17 -

LG Berlin, Entscheidung vom 28.06.2018 - 55 S 29/18 WEG -