FG Köln, Urteil vom 09.05.2017 - 5 K 2303/16
Fundstelle
openJur 2019, 26757
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • nachfolgend: Az. II R 45/18
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte berechtigt war, durch Bescheid vom 20.01.2016 festzustellen, dass die Vorgänge aufgrund der Verträge vom ...2010, Urkunden Nr. 1/2010 und 2/2010 des Notars A, grunderwerbsteuerpflichtige Vorgänge sind.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die zunächst aus den Gesellschaftern B (verstorben am ...2009) und B1, sowie einer nicht am Vermögen der GbR beteiligten B & C GmbH (GmbH) bestand. Die Gesellschafter B und B1 waren zu je 50 % am Vermögen der Gesellschaft beteiligt. Die GbR ist Eigentümerin der Gebäude auf fremdem Grund und Boden in D, F, E, wofür im Grundbuch Unterabteilung II Nr. 32 eine Dienstbarkeit eingetragen ist.

Der Wert des Grundbesitzes auf den ...2010 wurde bestandskräftig durch Bescheid vom 05.07.2015 gesondert und einheitlich festgestellt (Gebäudewert 1.708.258 €, Grund und Boden 427.064 €).

Durch notariellen Vertrag vom ...2010 Urkunden Nr. (Urk. Nr.) 1/2010 verzichtete Frau B1 gegenüber den Testamentsvollstreckern des verstorbenen Herrn B auf das ihr durch Ehevertrag vom ...2002 vertraglich eingeräumte Recht, Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte aus der GbR die Zahlung von 150.000 € verlangen zu können (II. des Vertrages). Sodann veräußerte Frau B1 ihren 50%-igen Anteil an der GbR an Frau C1 (III. § 1 des Vertrages). Als Gegenleistung wurde vereinbart, dass Frau C1 sich verpflichte, Frau B1 von grundstücksbezogenen Darlehensverbindlichkeiten gegenüber der Sparkasse D in Höhe von insgesamt 1.017.499,26 € freizustellen. Frau C1 verpflichtete sich, an Frau B1 einen Betrag i.H.v. 200.000 € zu zahlen (III. § 2 des Vertrages). - Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den bei den Akten befindlichen Vertrag verwiesen.

Durch weiteren Vertrag vom ...2010 Urk. Nr. 2/2010 zwischen C und dem Testamentsvollstrecker betreffend den Nachlass von Herrn B, wurde festgestellt, dass Herr C das ihm durch Erbvertrag vom ...2008 Urk.Nr. 3/2008 eingeräumte Recht habe, die Übertragung aller Herrn B jetzt und/oder zukünftig gehörenden Beteiligungen an der GbR zu verlangen (II. des Vertrages) und dass C sein Übernahmerecht ausgeübt habe.

Der zwischen Herrn B und den Eheleuten C am ...2008 unter Urk. Nr. 3/2008 abgeschlossene Vertrag (V.) war im Hinblick darauf erfolgt, dass Frau B1 aufgrund des Ehevertrages mit Herrn B vom ...2004 möglicherweise Rechte als Gesellschafterin zustünden. Dementsprechend wurden Herrn C und Frau C1 und/oder deren Abkömmlinge das Recht eingeräumt, unter bestimmten Voraussetzungen von Herrn B bzw. seinen Erben die Übertragung dessen Rechte und Beteiligungen zu verlangen. Die Übertragung sollte jeweils gegen ein Entgelt in Höhe des Verkehrswertes, der für Beteiligungen oder Rechte an Grundbesitz zu zahlen ist, erfolgen (II. des V.). Voraussetzung für die Ausübung des Übertragungsverlangens sollte u.a. sein, dass Herr B vor Herrn C verstirbt (III. c des V.).

Des Weiteren wurde vereinbart, dass ein zwischen Herrn B und Herrn C am ...2007 abgeschlossener Erbvertrag aufgehoben werde (VII. des V.). Dafür wurden Vermächtnisse vereinbart, dass "jeder von uns" auch im Wege des Vermächtnisses, bestimmt, dass die Verpflichtungen aus den in Abschnitt III.-VI. getroffenen Vereinbarungen von den Erben zu erfüllen sind. - Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den bei den Akten befindlichen Vertrag verwiesen.

In Erfüllung der sich aus der Ausübung des Übernahmerechtes ergebenden Verpflichtungen vereinbarten Herr C und die Testamentsvollstrecker für den Nachlass des Herrn B, dass jenem alle im Vertrag Urk. Nr. 2/2010 beschriebenen Rechte, soweit sie dem verstorbenen Herrn B zugestanden haben und nunmehr Teil des Nachlasses seien, übertragen werden (III. § 1 des Vertrages). Entsprechend der zwischen Herrn B und den Eheleuten C getroffenen Vereinbarung, wonach für die Übertragung ein Entgelt in Höhe des Verkehrswertes zu zahlen sei, verpflichtete sich Herr C, als Gegenleistung für die Übertragung an die Erbin von Herrn B ein Entgelt i.H.v. 770.000 € zu zahlen, wobei es der Erbin vorbehalten bleiben sollte, durch den Gutachterausschuss der Stadt D die endgültige Höhe des Entgeltes feststellen zu lassen. Die Ablösung von auf dem Grundstück lastenden Darlehensverbindlichkeiten sollten in hälftiger Höhe auf das zu zahlende Entgelt angerechnet werden (III. § 2 des Vertrages). - Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den bei den Akten befindlichen Vertrag verwiesen.

Nach erfolgter Überprüfung u.a. dieser Sachverhalte durch das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung E (vgl. Bericht vom 16.09.2015), gelangte diese zu dem Ergebnis, dass eine gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer vorzunehmen sei. Die Zuständigkeit hierfür ergebe sich in Anbetracht des Sitzes der Geschäftsleitung in F einerseits und der Belegenheit des betroffenen Grundstücks in D andererseits aus § 17 Abs. 3 Nr. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG).

Im Anschluss an die BP erließ der Beklagte den hier streitigen Feststellungsbescheid vom 20.01.2016, gestützt auf § 1 Abs. 2a GrEStG.

Der dagegen gerichtete Einspruch, mit dem die Klägerin geltend machte, der Anteilserwerb durch Herrn C stelle einen Erwerb von Todes wegen dar und sei daher bei der Ermittlung der Grenze von 95 % außer Acht zu lassen, blieb ohne Erfolg.

In seiner den Einspruch abweisenden Entscheidung vom 28.07.2016 führte der Beklagte aus, Herr C sei durch vertragliche Regelung das Recht eingeräumt worden, den Gesellschaftsanteil der GbR zum Verkehrswert zu erwerben. Dieses Recht habe er durch Vertrag Urk. Nr. 2/2010 ausgeübt. Hierin sei ein steuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG zu sehen. Es habe sich nicht um einen Erwerb von Todes wegen gehandelt, da Herr C nur das Recht eingeräumt worden sei, zum Verkehrswert zu erwerben.

Dagegen richtet sich die Klage.

Im Streitfalle sei bereits der für eine Steuerbarkeit erforderliche Tatbestand nicht erfüllt.

Im Rahmen des § 1 Abs.2a GrEStG sei es unbeachtlich, ob der Anteilserwerb mit Erbschaftsteuer belastet sei oder nicht. Entscheidend sei nur, dass der Anteil durch Verfügung von Todes wegen erworben worden sei.

Soweit der Beklagte unter Verweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 08.10.2008 II R 15/07 die Auffassung vertrete, der Sachverhalt im Streitfalle sei mit dem dort zugrunde liegenden vergleichbar, sodass auch hier das Vermächtnis nicht automatisch zur Anteilsübertragung geführt habe, sei dem entgegen zu halten, dass nach Auffassung des BFH bei einem grundstücksbezogenen Kaufrechtsvermächtnis ebenso wie bei einem Sachvermächtnis die Verfügung von Todes wegen zivilrechtlicher und damit erbschaftsteuerlicher Rechtsgrund des Übereignungsanspruches des Bedachten sei.

Aus dem Urteil des BFH lasse sich auch entnehmen, dass diese Sichtweise unabhängig davon sei, ob die Übertragung des dort betroffenen Grundstücks voll entgeltlich sei.

Soweit der Beklagte auf das Urteil des 5. Senats des Finanzgerichts Köln 5 K 585/14 vom 28.10.2015 verweise, sei zu beachten, dass es hierin nicht um die Steuerbarkeit, sondern um die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG gegangen sei. Bevor man die Beseitigung einer eventuellen Doppelbelastung von Grunderwerbsteuer und Erbschaftsteuer ins Auge fassen könne, müsse erst ein Tatbestand bestimmt werden, welcher dem Grunde nach der Grunderwerbsteuer unterliegen könne. -

Wegen weiterer Einzelheiten im Klägervortrag wird auf den Schriftsatz vom 30.08.2016 verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

den Feststellungsbescheid vom 20.01.2016 ersatzlos aufzuheben,

hilfsweise Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf seine Einspruchsentscheidung.

Herr C habe den Gesellschaftsanteil nicht von Todes wegen erlangt.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Der Beklagte hat zu Recht den Erwerb des hälftigen Anteils an der GbR durch Herrn C durch Vertrag 2/2010 vom ...2010 als Auslöser für die Verwirklichung des Tatbestandes des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG behandelt.

Danach gilt Folgendes: Gehört zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück und ändert sich innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt, dass mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen, so gilt dies als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft. Als Grundstück im Sinne der Vorschrift gilt gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG auch ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden.

Da im Streitfalle die Anteile an der GbR, die ursprünglich Herrn B und Frau B1 zu je 50 % zustanden, zunächst mit 50% durch Vertrag vom ...2010 Urk. Nr. 1/2010 auf Frau C1 und mit weiteren 50% durch Vertrag vom ...2010 Urk. Nr. 2/2010 auf Herrn C übertragen wurden, erfolgte am selben Tage ein 100 %iger Austausch der Gesellschafter der Klägerin. Die Auswechslung der Gesellschafter zu 100% gilt als fiktiver Grunderwerb durch die Klägerin, wodurch der Tatbestand des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG erfüllt ist.

Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2a Satz 6 GrEStG nicht erfüllt.

Nach dieser Vorschrift ist bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes nach Satz 1 der Erwerb von Anteilen von Todes wegen außer Betracht zu lassen. Erwerbe von Todes wegen sind solche im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuergesetzes (zur Anwendung im GrEStG vgl. nur Meßbacher-Hönsch in Boruttau, Kommentar zum GrEStG, 18. Auflage, § 1 Rz. 924), also auch solche durch ein Vermächtnis im Sinne des § 2147 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Ein Vermächtnis verschafft jedoch dem Begünstigten nur einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Erben, insbesondere auf Übertragung eines Gegenstandes; es verschafft nicht, so wie bei der Erbfolge gemäß

§ 1922 BGB, den Gegenstand selbst.

Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 1 Abs. 2a Satz 6 GrEStG wird nur der Erwerb des Anteils (selbst) erfasst, also der Gesellschafterwechsel durch Erbfolge gemäß

§ 1922 BGB, das heißt, der unmittelbare Wechsel in die Gesellschafterstellung (vgl. Hofmann, Kommentar zum GrEStG, 8. Auflage, § 1 Rz. 123; Meßbacher-Hönsch a.a.O.,§ 1 Rz. 924; Pahlke, Kommentar zum GrEStG, 5. Auflage, § 1 Rz. 311). In Bezug auf Herrn C erfolgte der Gesellschafterwechsel aber nicht durch Erbfolge gemäß § 1922 BGB mit der Konsequenz der unmittelbaren Erlangung der Anteilsinhaberschaft, sondern aufgrund eines Vermächtnisses und dem daraufhin abgeschlossenen Vertrag Urk. Nr. 2/2010 vom ...2010.

Dies reicht nicht aus, um die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2a Satz 6 GrEStG als erfüllt anzusehen.

Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des § 1 Abs. 2a GrEStG, der einerseits eine missbräuchliche Vermeidung von Grunderwerbsteuer im Zusammenhang mit Grundstücksübertragungen sicherstellen und damit als Ergänzungstatbestand zu § 1 Abs. 1 GrEStG verstanden werden soll (vgl. hierzu Fischer/Meßbach-Hönsch in Boruttau, a.a.O., § 1 Rz. 810, 811) und andererseits Satz 6 der Vorschrift verhindern soll, dass bei jedem Gesellschafterwechsel durch Erbfolge die Rechtsfolge des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG eingreift (Meßbacher-Hönsch a.a.O., § 1 Rz. 924), besteht kein Anlass, Satz 6 der Vorschrift erweiternd auszulegen.

Eine Rechtfertigung dafür, in Fällen wie dem vorliegenden (Vermächtnis für Anteilserwerb nach Abschluss eines Kaufvertrages) eine 100%ige Änderung der Zuordnung eines Grundstücks als nicht steuerbar zu behandeln, während der - unmittelbare, also ohne vorausgegangenes Vermächtnis durchgeführte - 100%ige Erwerb eines Grundstücks durch Kaufvertrag ein steuerbares Rechtsgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 GrEStG ist, lässt sich nicht darstellen.

Der nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG steuerbare, durch die Verträge 1/2010 und 2/2010 bewirkte, 100%ige Übergang der Gesellschaftsanteile auf andere als die bisherigen Gesellschafter ist nicht gemäß § 3 Nr. 2 GrEStG von der Besteuerung ausgenommen.

Nach § 3 Nr. 2 GrEStG ist der Grundstückserwerb von Todes wegen (vgl. hierzu Meßbacher-Hönsch a.a.O. § 1 Rz. 924) von der Grunderwerbsteuer ausgenommen. Auch auf einen fiktiven Grunderwerb gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG ist § 3 Nr. 2 GrEStG grundsätzlich anwendbar (vgl. nur Urteil des BFH vom 12.10.2006 II R 79/05, BStBl II 2007, 409; Meßbacher-Hönsch a.a.O., § 3 Rz. 115; Pahlke a.a.O., 5. Auflage, § 3 Rz. 34).

Im Streitfalle beruht die Entstehung der Grunderwerbsteuer auf der 100%igen Änderung im Gesellschafterbestand der Klägerin, was nach § 1 Abs. 2a GrEStG zu einem fiktiven Grunderwerb der Klägerin führt. Auslöser für die Veränderung im Gesellschafterbestand ist das Vermächtnis des Herrn B, also eine Verfügung von Todes wegen.

Gleichwohl kommt im Streitfalle eine Befreiung von der Grunderwerbsteuer nach § 3 Nr. 2 GrEStG nicht in Betracht.

Zwar ist der (fiktive) Grunderwerb durch Kaufrechtsvermächtnis grundsätzlich nach § 3 Nr. 2 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit (vgl. Urteile des BFH vom 21.07.1993 II R 1118/90, BStBl II 1993, 765 und vom 08.10.2008 II R 15/07, BStBl II 2009, 245). Das für Herrn C ausgebrachte, letztlich zur Verwirklichung des Tatbestandes des § 1 Abs. 2a GrEStG führende, Vermächtnis, ermöglichte diesem aber nur, von der Erbin des Herrn B den Gesellschaftsanteil gegen Zahlung eines Betrages in Höhe des Verkehrswertes für Beteiligungen an Grundbesitz zu erwerben. In einem derartigen Fall hat das Vermächtnis eines Kaufrechts keinen Zuwendungscharakter, sondern bloß instrumentale Bedeutung. Erbschaftsteuerlich ist ein solcher Fall mangels Bereicherung des Bedachten nicht relevant (vgl. hierzu Meßbach-Hönsch, a.a.O., § 3 Rz. 165; Pahlke a.a.O., § 3 Rz. 80). Da der Normzweck des § 3 Nr. 2 GrEStG die Vermeidung einer Doppelbelastung eines Lebenssachverhaltes sowohl mit Erbschaftsteuer als auch mit Grunderwerbsteuer ist (vgl. nur Urteil des BFH vom 23.05.2012 II R 21/10, BStBl II 2012, 793) kommt daher im Streitfalle als erbschaftsteuerlich nicht relevanter Vorgang eine Befreiung von der Grunderwerbsteuer gemäß § 3 Nr. 2 GrEStG nicht in Betracht.

Die Klage war daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte