LG Duisburg, Urteil vom 08.12.2017 - 1 O 175/17
Fundstelle
openJur 2019, 26742
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • nachfolgend: Az. 24 U 28/18
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120% des für die Beklagte vollstreckbaren Betrages abwenden, soweit nicht die Beklagte vor ihrer Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des ihrerseits jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Die Berufung gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten, bei der er eine private Krankenversicherung unterhält, die Bezahlung einer Augenoperation.

Die Beklagte wendet ein, schon aus Rechtsgründen deshalb nicht zur Bezahlung der Operation verpflichtet zu sein, weil diese von einer GmbH und nicht von einem niedergelassenen Arzt durchgeführt worden sei.

Außerdem sei die mit erheblichen Risiken behaftete Operation zur Beseitigung des geringfügigen Zustandes, bei dem sich sogar die Frage stelle, ob es sich überhaupt um einen abnormen Zustand oder nur um eine Normvariante handele, nicht erforderlich gewesen.

Die Parteien sind verbunden durch einen privaten Krankenversicherungsvertrag. Der Versicherungsschein und die allgemeinen Versicherungsbedingungen befinden sich als Anlage K1 (Bl. 5 ff.) bei der Akte.

Bei dem Kläger bestand zumindest eine Presbyopie (Seite 2 der Klageschrift, Bl. 2 d.A.).

Wegen in der Klinik diagnostizierten Sehfehler unterzog sich der Kläger einer refraktiven Operation. Hierfür fielen insgesamt 5.110,- € an. Die Beklagte lehnte die Erstattung dieser Kosten ab, weil die Operation nicht medizinisch notwendig gewesen sei (Seite 2 der Klageschrift, Bl. 2 d.A.).

Mit Schreiben seiner Prozeßbevollmächtigten vom 27. April 2017 (in Kopie als Anlage K4, Bl. 19 f., bei der Akte) ließ der Kläger die Beklagte erneut auffordern, die Kosten zu erstatten. Die Beklagte zahlte weiterhin nicht, blieb vielmehr mit dem in die als Anlage K5 (Bl. 21 f.) bei der Akte befindlichen Schreiben vom 28. April 2017 bei ihrer ablehnenden Auffassung (Seiten 2 f. Klageschrift, Bl. 2 f. d.A.).

Der Kläger trägt vor:

Die refraktive Operation sei medizinisch indiziert gewesen (Seite 2 der Klageschrift, Bl. 2 d.A.). Sie sei auch medizinisch notwendig gewesen (Seite 3 der Klageschrift, Bl. 3 d.A.).

Bei ihm hätten auch eine Hyperopie und ein Astigmatismus vorgelegen (Seite 2 der Klageschrift, Bl. 2 d.A.).

Ohne die Operation habe ein korrekturbedürftiger Zustand bestanden, der ohne seine Beseitigung oder die Anwendung von Hilfsmitteln wie Brille oder Kontaktlinsen zu erheblichen Einschränkungen im täglichen Leben geführt habe. Deshalb sei die Operation indiziert gewesen. Ihre medizinische Notwendigkeit könne nicht mit dem Hinweis darauf, daß die Implantation von Kunstlinsen angeblich nicht unumstritten und risikobehaftet sei, außerdem mit der Möglichkeit des Tragens einer Brille eine Behandlungsmöglichkeit bestehe, durch die die Fehlsichtigkeit gleichermaßen, jedoch ohne jegliches Risiko, ausgeglichen werden könne, verneint werden. Das Tragen einer Brille stelle keine Heilbehandlung dar. Brillen und Kontaktlinsen seien lediglich Hilfsmittel zum Ausgleich körperlicher Defekte, mit deren Hilfe der Defekt jedoch nicht beseitigt werde (Seite 3 der Klageschrift, Bl. 3 d.A.). Den Versicherungsbedingungen sei auch nicht zu entnehmen, daß eine Subsidiarität der Heilbehandlung für den Fall bestehe, daß der Versicherungsnehmer dauerhaft auf ein Hilfsmittel zum Ausgleich oder jedenfalls zur Abschwächung des anormalen Körperzustandes zurückgreifen könne. Nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen sei es vertretbar gewesen, die Heilbehandlung als notwendig anzusehen, weil sie geeignet sei, die Fehlsichtigkeit zu heilen, zu lindern bzw. ihrer Verschlimmerung entgegenzuwirken (Seite 4 der Klageschrift, Bl. 4 d.A.).

Beim Tragen einer Brille habe er zwar keine Sehfehler mehr gehabt. Er habe jedoch unter ständigen Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen gelitten (Seite 1 Replik, Bl. 60 d.A.). Er beschäftige sich mit dem Service und der Restaurierung von Oldtimern, arbeite also häufig unter dem Auto, über Kopf liegend und im Fahrzeug. Das ständige Tragen einer Brille bzw. auch das Auswechseln der Brillen habe bei ihm zu Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen geführt, so daß er am 16. September 2013 einen Kollaps erlitten habe und durch einen Krankenwagen habe ins Krankenhaus gebracht werden müssen. Trotz mehrwöchiger Therapie im Krankenhaus seien Kopfschmerzen und Schwindelgefühle beim Tragen einer Brille verblieben (Seite 2 der Replik, Bl. 61 d.A.). Seit der Durchführung der Operation habe er keine Schwindelgefühle und auch keine Kopfschmerzen mehr und könne seinen Beruf wieder normal ausüben (Seite 2 der Replik, Bl. 61 d.A.).

Für die Notwendigkeit einer Folgeoperation ergebe sich kein Anhalt (Seite 2 der Replik, Bl. 61 d.A.).

Selbstverständlich sei die Behandlung durch einen niedergelassenen und approbierten Arzt, nämlich Herrn Dr. med. , durchgeführt worden (Seiten 2 f. der Replik, Bl. 61 f. d.A.).

Der Kläger beantragt (Seite 1 der Klageschrift vom 27. Juni 2017, Bl. 1 d.A.),

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.110,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Mai 2017 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt (Seite 1 des Schriftsatzes vom 7. September 2017, Bl. 32 d.A.),

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor:

Die Klage sei unbegründet.

Schon deshalb, weil die Rechnung durch eine GmbH gestellt worden sei, habe sie - die Beklagte - sie nicht zu erstatten. Denn der versicherten Person stehe die Wahl unter den niedergelassenen approbierten Ärzten und Zahnärzten frei. Eine juristische Person sei jedoch niemals selbst Arzt, und deshalb bestehe auch bei ambulanten Behandlungen, bei denen der Vertrag mit einer juristischen Person geschlossen werde, keine Einstandsverpflichtung des Krankenversicherers (Seiten 2 f. der Klageerwiderung, Bl. 33 f. d.A.). Sie bestreite, daß die Behandlung durch einen niedergelassenen Arzt durchgeführt worden sei, ebenso, daß zwischen dem Operateur und dem Kläger ein Vertrag bestanden habe. Es habe sich um eine Behandlung durch eine GmbH gehandelt. Die hier streitige Maßnahme sei durch eine GmbH durchgeführt worden (Seiten 4 f. der Klageerwiderung, Bl. 35 f. d.A.).

Daß es sich bei der Klinik um ein Krankenhaus im Sinne des § 4 der allgemein Versicherungsbedingungen handelt, bestreite sie (Seite 5 der Klageerwiderung, Bl. 36 d.A.).

Die Behandlung sei auch nicht erforderlich gewesen. Die Notwendigkeit von medizinischen Behandlungen richte sich nach objektiven Kriterien. Eine notwendige Behandlung liege lediglich in einer zur Zeit ihrer Vornahme vertretbaren Maßnahme, die nach den objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen medizinisch notwendig sei. Die bloße Eignung, den gewünschten Heilerfolg zu erreichen, genüge nicht, um die jeweilige Maßnahme auch als notwendig zu qualifizieren (Seiten 3 f. und 5 der Klageerwiderung, Bl. 34 f. und 36 d.A.).

Schon angesichts des Gefährdungspotentials einer derartigen Operation handele es sich nicht um eine medizinisch notwendige Leistung, da dem hohen Gefährdungspotential hier in Gestalt des Sehfehlers bei nur mäßiger Einschränkung der Sehschärfe doch eher geringgradig ausgeprägte Umstände entgegenstünden, die für deren Durchführung sprächen, und die Fehlsichtigkeit risikofrei durch eine Sehhilfe ausgeglichen werden könne (Seiten 5 f. der Klageerwiderung, Bl. 36 f. d.A.). Der infragestehende operative Eingriff sei mit einer Reihe erheblicher gesundheitlicher Risiken verbunden, und es sei auch nicht auszuschließen, daß die mit der Operation angestrebte Dauerlösung nicht erreichbar sei, weil nicht ausschließen sei, daß künftig Operationen erforderlich würden (Seiten 1 und 6 der Klageerwiderung, Bl. 32 und 37 d.A.).

Soweit in der Anlage K2 und in der Klageschrift Umstände mitgeteilt würden, mit denen die Unumgänglichkeit Operation begründet werden solle, würden sie ihrerseits bestritten (Seite 7 der Klageerwiderung, Bl. 38 d.A.).

Bestritten werde auch (Seiten 1 f. des Schriftsatzes vom 21. November 2017,Bl. 81 f. d.A.),

daß das Berufsbild des Klägers die Operation notwendig gemacht habe,

daß der Einsatz eines Krankenwagens und die dazugehörige Verordnung auf die angebliche Sehschwäche zurückzuführen seien und daß sich die Schwindelgefühle und Kopfschmerzen auf das Tragen einer Brille zurückführen ließen,

daß ohne die Operation eine gefahrfreie Teilnahme am Straßenverkehr nicht möglich gewesen sei, andernfalls wohl kein Brillenträger unfallfrei am Straßenverkehr teilnehmen könne.

Außerdem würden auch das Vorliegen einer Hyperopie und eines Astigmatismus bei dem Kläger bestritten (Seite 7 der Klageerwiderung, Bl. 38 d.A.).

Überdies könnten diese Dinge ebenso wenig wie die Diagnose Ametropie, bei der es sich ohnehin lediglich um einen Sammelbegriff für Fehlsichtigkeit handele, wobei noch zu berücksichtigen sei, daß die überwiegende Mehrzahl aller menschlichen Augen ametrop sei, es sich also meist nicht um einen abnormalen Zustand handele, als Indikation für die durchgeführte Operation dienen (Seite 7 der Klageerwiderung, Bl. 38 d.A.).

Die Sehschärfe des Klägers im Oktober 2015 habe im Bereich einer altersbedingten Erscheinung gelegen, und auch bis zum Jahr 2016 hätten sich die Werte nicht maßgeblich verändert (Seite 7 der Klageerwiderung, Bl. 38 d.A.). Es sei schon zweifelhaft, ob sie überhaupt eine Krankheit darstelle (im einzelnen Seite 8 der Klageerwiderung, Bl. 39 d.A.).

Alles in allem habe es sich bei der hier infragestehenden Operation um eine Lifestylebehandlung, aber keine medizinisch notwendige Behandlung gehandelt (Seite 7 der Klageerwiderung, Bl. 38 d.A.).

Soweit in der Rechnung mehr als der 2,3fache Gebührensatz berechnet werde, werde die Angemessenheit bestritten (Seite 3 des Schriftsatzes vom 21. November viele Titelseite, Bl. 83 d.A.).

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der dazu überreichten Anlagen verwiesen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Die Beklagte muß die infragestehende Operation nicht bezahlen. Diese war nicht medizinisch notwendig.

Denn dem Kläger stand jedenfalls die Möglichkeit zur Verfügung, zum Ausgleich seiner Sehfehler Kontaktlinsen zu tragen, und seinem Vorbringen läßt sich letztlich auch nicht zuverlässig entnehmen, daß das Tragen einer Brille nicht in Betracht kam. Die durch die Brille verursachten Kopfschmerzen können dadurch entstanden sein, daß die Brille nicht ordentlich gearbeitet war.

Es ist zwar einzuräumen, daß durch die Operation dem Kläger die Möglichkeit gegeben wurde, sein weiteres Leben ohne die Sehfehler und auch ohne die Belastung mit dem Tragen eines Hilfsmittels in Gestalt von Kontaktlinsen oder Brille zu führen. Von daher kann die Operation - jedenfalls für den Fall des Gelingens - durchaus als bessere Möglichkeit gegenüber dem mit einer gewissen Belästigung verbundenen Tragen von Hilfsmitteln in Gestalt von Brille und / oder Kontaktlinsen angesehen werden. Dies führt jedoch nicht dazu, daß sie medizinisch notwendig war. Medizinisch notwendig ist eine medizinische Behandlung nämlich nur dann, wenn ihr Aufwand nicht gänzlich außer Verhältnis zu dem mit diesem Aufwand erstrebten Erfolg steht. Der Aufwand für die Durchführung der hier infragestehenden kostspieligen Augenoperation, die überdies die üblichen Operationsrisiken in sich trug, stand jedoch außer Verhältnis zu dem damit erstrebten Erfolg, dem Kläger die letztlich gänzlich geringfügige Belästigung, die mit dem Tragen von Hilfsmitteln in Gestalt von Kontaktlinsen und / oder Brille einhergehen, zu ersparen. Insbesondere können bei dem Aufwand neben deren Kosten auch die mit der Operation verbundenen Risiken nicht außer Betracht bleiben. Denn auch das Eingehen von Risiken gehört im vorstehenden Sinne letztlich zum Aufwand, der mit einer Heilbehandlung verbunden ist. Es mag zwar eine nicht gänzlich irrationale Entscheidung sein, in einem Falle wie demjenigen des Klägers sich statt für das Tragen einer Brille und / oder von Kontaktlinsen für die Operation zu entscheiden. Dies bedeutet aber nicht, daß die Operation über ihre medizinische Indikation hinaus auch medizinisch notwendig ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 709 ZPO.

Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung beruht auf § 511 ZPO.

Da die Beschwer des Klägers mehr als 600,- € beträgt, kommt die Zulassung einer Berufung gemäß § 511 Abs. 4 Nr. 2 ZPO nicht in Betracht.

Es ist klarzustellen, daß die Berufung trotz Nichtzulassung kraft Gesetzes zulässig ist, wenn der Beschwerdegegenstand der Berufung einen Wert von 600,- € übersteigt. Die Entscheidungsformel spricht lediglich aus, daß eine Berufung nicht zugelassen wird, verbietet aber nicht eine auch ohne ihre Zulassung kraft Gesetzes statthafte Berufung. Dies könnte sie auch nicht.

Zitate0
Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte