ArbG Herne, Urteil vom 01.03.2016 - 3 Ca 964/15
Fundstelle
openJur 2019, 30251
  • Rkr:
Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin eine Vergütung nach der Tätigkeitsebene III zuzüglich der Funktionszulage 1 sowie des Garantiebetrages gemäß § 19 Abs. 7 des TV-BA ab dem 01.01.2014 zu zahlen und hierbei die sich ergebenden Bruttodifferenzbeträge zur gezahlten Vergütung ab dem jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt, jedoch frühestens ab dem 16.04.2015 mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

3. Der Streitwert wird auf 18.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die korrekte Eingruppierung der Klägerin.

Die Klägerin ist seit dem 01.06.2005 bei der Beklagten beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestimmt sich nach dem Arbeitsvertrag vom 01.06.2005 in der zuletzt geänderten Fassung vom 18.08.2008. Die Klägerin ist in Vollzeit tätig und derzeit in die Tätigkeitsebene IV eingruppiert. Sie erzielt ein Entgelt in Höhe von 4.086,40 € brutto pro Monat.

Die Klägerin war zunächst als Sachbearbeiterin Bearbeitungsservice im Leistungsbereich des Jobcenters I beschäftigt. Ab dem 01.10.2006 wurde ihr die Tätigkeit einer Sachbearbeiterin Leistungsgewährung in der Bearbeitungsstelle SGG im Bereich SGB II im Jobcenter I übertragen. Die Klägerin wurde sodann ab dem 01.01.2011 der gemeinsamen Einrichtung der Agentur für Arbeit C und der Stadt I im Jobcenter I erneut für die Dauer von fünf Jahren gesetzlich zugewiesen. Im Zusammenhang mit Inkrafttreten des 13. Änderungstarifvertrages zum TV-BA wurde der Klägerin mit Wirkung zum 24.09.2014 die Tätigkeit als "Fachkraft in der Rechtsbehelfsstelle" übertragen. Für die Zeit vom 01.09.2013 - 23.09.2014 wurde der Klägerin vorübergehend die höherwertige Tätigkeit einer Fachexpertin TE III im Jobcenter I übertragen. Die Übertragung erfolgte für die Dauer der Abwesenheit der Mitarbeiterin T. Nach deren Rückkehr wurde der Klägerin mit Wirkung vom 24.09.2014 ihre vorherige Tätigkeit als Fachkraft in der Rechtsbehelfsstelle wieder übertragen.

Gemäß § 2 des Arbeitsvertrages bestimmt sich das Arbeitsverhältnis der Parteien nach dem Tarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit (TV-BA) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der jeweils geltenden Fassung sowie dem Tarifvertrag zur Überleitung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit in den TV-BA und zur Regelung des Übergangsrechts (TVö-BA).

Gemäß § 16 TV-BA besteht das Gehalt aus einem Festgehalt nach § 17 TV-BA, welches sich nach der Eingruppierung in eine von acht Tätigkeitsebenen richtet. Innerhalb einer Tätigkeitsebene gibt es zudem sechs Entwicklungsstufen, die in § 18 TV-BA weiter definiert sind.

§ 14 TV-BA lautet wie folgt:

"§ 14

Eingruppierung

(1) Alle in der BA auszuübenden Tätigkeiten werden von der BA in Fach- und Organisationskonzepten beschrieben und von den Tarifvertragsparteien Tätigkeits- und Kompetenzprofilen (TuK) zugeordnet. Die in den TuK festgelegten Anforderungen sind Grundlage für deren Zuordnung durch die Tarifvertragsparteien zu einer der acht Tätigkeitsebenen. Die/der Beschäftige ist in der Tätigkeitsebene eingruppiert, der die ihr/ihm nicht nur vorübergehend übertragene Tätigkeit gemäß Satz 1 und 2 zugeordnet ist. Die Zuordnung der Tätigkeiten zu TuK und die Zuordnung der TuK zu Tätigkeitsebenen ist in den von den Tarifvertragsparteien vereinbarten Zuordnungstabellen festgelegt (Anlage 1.0 bis 1.11).

Protokollerklärung zu § 14 Abs. 1:

1. Bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die der/dem einzelnen Beschäftigten jeweils übertragene Tätigkeit in einem Fach- und Organisationskonzept beschrieben und von den Tarifvertragsparteien in den Anlage 1.1 bis 1.11 zum TV-BA einem TuK zugeordnet ist, richtet sich die Eingruppierung weiterhin nach §14 TV-BA in der Fassung des 5. Änderungstarifvertrages. Für Beschäftigte, die auf der Basis eines Kern-TuK nach Anlage 1.0 zum TV-BA in der Fassung des 5. Änderungstarifvertrages eingruppiert sind, bleibt dieses Kern-TuK bis zu dem nach Satz 1 genannten Zeitpunktunkt für die Eingruppierung maßgebend.

...

(2) Ist der/dem Beschäftigten eine andere, höherwertige Tätigkeit nicht übertragen worden, hat sich aber die ihr/ihm nach Absatz 1 übertragene Tätigkeit nicht nur vorübergehend derart geändert, dass sie einer Tätigkeit, die einem Tätigkeits- und Kompetenzprofil einer höheren als ihrer/seiner bisherigen Tätigkeitebene zugeordnet ist, entspricht und hat die/der Beschäftigte die höhewertige Tätigkeit ununterbrochen sechs Monate lang ausgeübt, ist sie/er mit Beginn des darauf folgenden Kalendermonats in der höheren Tätigkeitsebene eingruppiert."

Der TV-BA in der Fassung des 5. Änderungstarifvertrages (im Folgenden TV-BA alte Fassung) enthält folgende Regelung:

"§ 14

Eingruppierung

(1) Alle in der BA auszuübenden Tätigkeiten werden in speziellen Tätigkeits- und Kompetenzprofilen (TuK) beschrieben. Soweit die auszuübende Tätigkeit noch nicht in einem speziellen TuK beschrieben ist, sind die allgemeinen TuK (Kern-TuK) auf Basis allgemeiner Anforderungen für jede Tätigkeitsebene maßgebend. Die in den TuK festgelegten Anforderungen sind Grundlage für die Zuordnung der Tätigkeiten zu einer der acht Tätigkeitsebenen. Die/der Beschäftigte ist in der Tätigkeitsebene eingruppiert, der die ihr/ihm nicht nur vorübergehend übertragene Tätigkeit zugeordnet ist. Die Zuordnung der jeweiligen Tätigkeiten und allgemeinen Anforderungskriterien zu Tätigkeitsebenen ist in den Zuordnungstabellen festgelegt (Anlage 1.0 bis 1.11).

(2) [wie oben § 14 Abs. 2 TV- BA]"

Zu dem so ermittelten Grundgehalt können zusätzliche Funktionsstufen nach § 20 TV-BA hinzukommen. Hierzu beinhaltet der TV-BA folgende Regelung:

"§ 20 Funktionsstufen

(1) Beschäftigte erhalten bei Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 2 als weiteren Gehaltsbestandteil monatlich eine oder mehrere reversible Funktionsstufe/n.

(2) Durch Funktionsstufen werden die Wahrnehmung zusätzlich übertragener Aufgaben bzw. Funktionen sowie besondere Schwierigkeitsgrade oder eine - geschäftspolitisch zugewiesene - besondere Bedeutung bestimmter Aufgaben abgegolten. Dabei wird zwischen tätigkeitsspezifischen und tätigkeitsunabhängigen Funktionsstufen der Stufen 1 und 2 unterschieden. Die Voraussetzungen, nach denen die jeweilige Funktionsstufe gezahlt wird, sind für tätigkeitsspezifische Funktionsstufen in den Anlagen 1.1 bis 1.11 und für tätigkeitsunabhängige Funktionsstufen in Anlage 2 dieses Tarifvertrages festgelegt. Tätigkeitsspezifische Funktionsstufen werden nach den Kriterien "Komplexität der Aufgabe", "Grad der Verantwortung" und "Geschäftspolitische Setzung" unterschieden.

(3) In den Fällen, in denen gem. § 14 Abs. 2 ein Eingruppierungsanspruch erwächst, entsteht gleichzeitig ein weiterer Anspruch auf Zahlung einer oder mehrerer gegebenenfalls mit dieser Tätigkeit verbundener Funktionsstufen.

(4) Die Höhe des in der jeweiligen Tätigkeitsebene maßgebenden Betrages der Funktionsstufen 1 und 2 ist in den Gehaltstabellen (Anlage 3) festgelegt. 2Bei Vorliegen der Voraussetzungen werden mehrere Funktionsstufen auch nebeneinander gezahlt. Die/der Beschäftigte erhält die Funktionsstufe für den Zeitraum, in dem die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen."

Mit der 13. Änderung wurden auch die Anlagen 1.1 und 1.10 zum TV-BA teilweise neu gefasst. Hierbei handelt es sich um die Zuordnungstabellen, mittels derer die Dienstposten den Tätigkeitsebenen zugeordnet werden und die zudem die Voraussetzungen der Funktionsstufen enthalten.

Die Anlage 1.1 ist die "Zuordnungstabelle einschließlich tätigkeits-/dienstpostenspezifischer Kriterien für die Funktionsstufen in den Agenturen für Arbeit". Es handelt sich um diejenige Tabelle, die originär Dienstposten in der Bundesagentur für Arbeit selbst, nicht jedoch in den gemeinsamen Einrichtungen ("Jobcenter") beschreibt. In der Anlage 1.10 zum TV-BA findet sich dagegen die "Zuordnungstabelle für den Rechtskreis SGB II (gemeinsame Einrichtungen)"; es handelt sich hierbei um die Anlage 7 zum Änderungstarifvertrag (Bl. 53 ff. d. A). Die Anlage 1.10 beginnt mit folgenden

"Vorbemerkungen zu unterschiedlichen TuK - Systematiken:

1...

2. Die gemeinsamen Einrichtungen können zur Ausbringung von Dienstposten (einschl. Eingruppierung und Funktionsstufen) auf die in Anlage 1.1 zum TV-BA enthaltenen Dienstposten zurückgreifen. In den jeweiligen Dienstpostenbezeichnungen enthaltene agenturspezifische Zusätze sind anzupassen. Ergänzend hierzu stehen die nachstehend aufgeführten Dienstposten zur Verfügung."

Ab Beginn der Tätigkeit der Klägerin bis zum 31.12.2013 ging die Beklagte von einer Eingruppierung der Klägerin in die Tätigkeitsebene IV aus. Die Beklagte bezeichnete sie entsprechend Nr. 49 der seinerzeit noch geltenden Zuordnungstabelle als "Sachbearbeiterin Leistungsgewährung in der Bearbeitungsstelle SGG im Bereich SGB II". Die Bewertung erfolgt aufgrund des TuK mit gleicher Bezeichnung. Damit verbunden war die Funktionsstufe 2.

Mit Inkrafttreten des 13. Änderungstarifvertrages fiel dieser Dienstposten bzw. das zuvor von der Klägerin wahrgenommene TuK als Sachbearbeiterin in der Bearbeitungsstelle im Bereich SGB II weg. Daraufhin änderte die Beklagte die Grundlage der Bewertungsstelle der Klägerin. Da das in § 14 TV-BA vorausgesetzte Fach- und Organisationskonzept bislang lediglich für die Rechtsbehelfsstellen im Bereich SGB III, nicht jedoch für den Bereich der Rechtsbehelfsstellen gemäß SGB II vorlag, ordnete die Beklagte den Dienstposten unter Rückgriff auf die Zuordnungstabelle für die Bundesagentur und die dort für die Rechtsbehelfsstelle im operativen Service vorgesehenen Dienstposten neu und bewertete die Stelle der Klägerin nachfolgend als Fachkraft in der Rechtsbehelfsstelle im operativen Service. Für diese Aufgabenwahrnehmung wird der Klägerin eine Funktionsstufe 1 für die Bearbeitung von Aufgaben nach dem Sozialgerichtsgesetz (ohne Prozessvertretung) nach der Zuordnungstabelle für den Rechtskreis SGB II i. V. m. der Zuordnungstabelle für die Agenturen für Arbeit gemäß Anlage 1.10 i. V. m. Anlage 1.1 zum TV-BA als weiterer Gehaltsbestandteil der Tätigkeitsebene IV gewährt. Außerdem gewährt die Beklagte der Klägerin eine weitere Funktionsstufe 1 für die zusätzliche Übertragung der Aufgabe "Übertragung der Schwerpunktaufgabe Vertretung vor den Sozialgerichten" nach der Zuordnungstabelle nach den Rechtskreis SGB II i. V. m. der Zuordnungstabelle für die Agenturen für Arbeit.

Mit ihrer am 14.04.2015 bei Gericht eingegangenen und der Beklagten am 16.04.2015 zugestellten Klage begehrt die Klägerin die Eingruppierung in die Tätigkeitsebene III ab dem 01.01.2014.

Sie trägt vor, dass ihr ausschließlich Tätigkeiten der Prozessvertretung in I. und II. Instanz im Bereich des SGB II übertragen seien. Bezüglich der Auflistung ihrer Aufgaben wird auf Seite 2 und 3 der Klageschrift verwiesen. Sie übe keine Tätigkeiten im Bereich der Widersprüche aus. Ihrer Auffassung nach ergebe sich nach der Zuordnungstabelle des Tarifvertrages bei gerichtlichen Vertretungen bei der Bundesagentur in der I. und II. Instanz eine Zuordnung zu der Tätigkeitsebene III und zwar konkret der Fallgruppe 21.14 (erste Fachkraft in der Rechtsbehelfsstelle im operativen Service). In der entsprechenden Zuordnungstabelle heiße es: "Gerichtliche Vertretung der BA in der I. und II. Instanz bzw. entsprechende außergerichtliche Vertretung und/oder Wahrnehmung der Abwesenheitsvertretung der/des Teamleiters/in in der Rechtsbehelfsstelle des operativen Service". Die Tätigkeitsebene III grenze sich zur Tätigkeitsebene IV dadurch ab, dass im Bereich der Tätigkeitsebene IV den Mitarbeitern lediglich in einzelnen Fällen die Prozessvertretung vor den Sozialgerichten übertragen werde. Dieser Umstand werde deutlich durch die Wortwahl "individuelle Übertragung der Schwerpunktaufgabe", wie sie sich in der Zuordnungstabelle wiederfinde. Da ihr jedoch generell die Prozessvertretung übertragen worden sei, könne auch von einer Schwerpunktaufgabe nicht gesprochen werden. Sie sei der Ansicht, dass durch das Tätigkeits- und Kompetenzprofil die tarifvertraglich vereinbarten Tätigkeitsmerkmale nicht abgeändert werden könnten. Es sei unstreitig, dass es Tätigkeits- und Kompetenzprofile für den Bereich des SGB II bei der Beklagten nicht gebe. Die Beklagte scheine sich vor diesem Hintergrund auf die intern erstellte Dienstpostenbeschreibung zurückzuziehen. Diese sei jedoch offensichtlich allein für den Bereich des SGB III erstellt worden. Die Dienstpostenbeschreibung könne hier jedoch keinerlei Wirksamkeits- und Bindungswirkung entfalten. Für ihren Bereich gebe es keine Regelung im aktuellen Tarifvertrag, da es in diesem Bereich bislang kein Fach- und auch kein Organisationskonzept gebe. Auch die sogenannten Kern-TuKs, auf die sich die Beklagte nunmehr zurückziehen wolle, seien ebenfalls ausschließlich für den Bereich des SGB III erstellt worden. Die Kern-TuKs würden ohnehin wenig greifbare Voraussetzungen aufführen. Allein der ersten Fachkraft in der Rechtsbehelfsstelle im operativen Service seien Tätigkeiten der gerichtlichen Vertretung der Bundesagentur in der I. und II. Instanz zugeordnet. Durch diese Zuordnung werde eine Wertigkeit herbeigeführt. Die Bearbeitung erst- und zweitinstanzlicher Verfahren impliziere somit eine entsprechende Bewertung der Tätigkeit der Beschäftigten nach der Tätigkeitsebene III. Ihre Tätigkeiten hätten sich tatsächlich seit der Übertragung der höherwertigen Tätigkeit und danach nicht geändert. Ihr sei lediglich nach Einreichung diverser Klagen die Terminsvertretung vor dem Landessozialgericht entzogen worden. Dies habe sich doch ausschließlich auf die Terminsvertretung bezogen. Die Prozessvertretung, etwa die Verfassung von Schriftsätzen in II. Instanz, oblägen ihr auch heute immer noch. Auf die Auflistung der von ihr betreuten Verfahren in 2. Instanz gemäß Seite 2 und 3 des Schriftsatzes der Klägerin vom 13.08.2015 (Bl. 95/96 der Gerichtsakten) 15 wird Bezug genommen. Im Übrigen ergebe sich aus der Protokollerklärung zu Ziffer 12 zu § 14 TV-BA eindeutig, dass es im Rahmen der Zuordnung zu den einzelnen Tätigkeitsebenen ohne Bedeutung sei, in welchem zeitlichen Umfang die Aufgabeninhalte wahrgenommen würden. Soweit sich die Beklagte auf den Standpunkt stelle, dass die von ihr bearbeiteten zweitinstanzlichen Verfahren nicht prägend für ihre Tätigkeit seien, sei dies deshalb überhaupt nicht von Bedeutung. Im Übrigen stünden die Schwankungen der Häufigkeit der Bearbeitung von zweitinstanzlichen Verfahren allein mit der Häufigkeit der Einlegung von Rechtsmitteln im Zusammenhang. Schließlich sei die Bearbeitung zweitinstanzlicher Verfahren deutlich zeitintensiver als die Bearbeitung erstinstanzlicher Verfahren. Selbstverständlich sei auch die Verfassung von Schriftsätzen sowie außergerichtlicher Kontaktaufnahmen mit der Gegenseite Teil der Prozessvertretung II. Instanz. Ihr gesamtes Team führe ausschließlich Tätigkeiten in I. und II. Instanz durch. Die Zuständigkeit der Bearbeitung der einzelnen Verfahren ergebe sich aus einem Turnussystem; insoweit unterstehe sie den Weisungen der Teamleitung. Auch in ihrem Leistungs- und Entwicklungsdialog vom 30.09.2015 heiße es eindeutig, dass sie alle Anforderungen der TE III erfülle. Sie habe weder während des Zeitraums der Übertragung der Tätigkeiten einer ersten Fachkraft Widerspruchssachbearbeitung durchgeführt noch würden die als erste Fachkräfte eingruppierten Mitarbeiter eine solche vornehmen. Genau dieser Umstand spreche auch gegen den Vortrag der Beklagten, dass die in er Dienstpostenbeschreibung aufgeführten Tätigkeiten kumulativ zu erfüllen seien.

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr eine Vergütung nach der Tätigkeitsebene III zuzüglich der Funktionszulage 1 sowie des Garantiebetrages gemäß § 19 Abs. 7 des TV-BA rückwirkend ab dem 01.01.2014 zu zahlen und die Bruttodifferenzbeträge zur gezahlten Vergütung ab dem jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt, frühestens ab dem 16.04.2015 bis zum Zeitpunkt der Rechtskraft des vorliegenden Rechtsstreits mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, dass von den im sogenannten Tätigkeits- und Kompetenzprofil (TuK) festgelegten Anforderungen i. V. m. der Zuordnungstabelle auszugehen sei. Maßgeblich für die Bewertung der Tätigkeiten und damit der Zuordnung zu den Tätigkeitsebenen seien die in den TuK geforderten Kompetenzen. Die Eingruppierung und damit das Auslösen der Tarifautomatik erfolge ausschließlich nach der von der BA übertragenen Tätigkeit entsprechend den in der Dienstpostenbeschreibung enthaltenen Kriterien. Entscheidend sei daher, dass alle ausgeübten Tätigkeiten den fachlichen Anforderungen und den Kompetenzanforderungen des TuK entsprechen. Der von der Klägerin eingereichte Aufgabenkatalog beträfe zum größten Teil Aufgaben der I. Instanz. Die typischen Aufgaben für die Wahrnehmung der Kernaufgaben der Tätigkeitsebene III würden von der Teamleitung und den ersten Fachkräften ausgeübt. Der Klägerin seien diese Aufgaben seit ihrer Beauftragung nicht übertragen worden. Der Anteil der von der Klägerin bearbeiteten zweitinstanzlichen Verfahren sei zu gering, als dass dadurch allein eine Eingruppierung in die Tätigkeitsebene III gerechtfertigt werden könnte. Es handele sich nicht um einen prägenden Charakter der Aufgaben für die Tätigkeit nach der Tätigkeitsebene III. Die Terminswahrnehmung in der II. Instanz sei nach einer Anweisung der Geschäftsführung aus August 2014 vollständig den ersten Fachkräften und der Teamleitung übertragen worden. Der Teamleiter habe auch nicht die Kompetenzen, sich über die Anordnungen der Geschäftsführung hinwegzusetzen und den Beschäftigten Aufgaben zu übertragen, die im Hinblick auf mögliche Höhergruppierungen eingruppierungsrelevant seien. Sie bestreite, dass sämtliche zweitinstanzliche Verfahren, die die Klägerin bearbeitet haben möge, mit Kenntnis und Billigung des zuständigen Teamleiters erfolgt seien. Die Klägerin sei weder federführend verantwortlich für die Konzeption und Durchführung von Schulungsmaßnahmen in operativen Teams noch berate sie als Fachkraft die Geschäftsführung in schwierigen Rechtsfragen. Dies sei jedoch erforderlich für eine Eingruppierung in die Tätigkeitsebene III. Die Erfüllung der Kernaufgaben/Verantwortlichkeiten, wie sie im TuK und in der Dienstpostenbeschreibung aufgeführt seien, müssten kumulativ erfüllt sein. Soweit die Klägerin vortrage, dass sie keinerlei Widersprüche bearbeite, mangele es auch an einer weiteren Voraussetzung für die Tätigkeitsebene III. Zu den Aufgaben gehöre ebenfalls die Ausübung der Fachaufsicht im übertragenen Rahmen.

Die Klägerin sei weder mit der Terminswahrnehmung II. Instanz noch mit der erforderlichen Fachaufsicht betraut. Letztere bestehe in der Wahrnehmung der Gesamtverantwortung in Gestalt der Überprüfung von Fehlerquellen und Fehlerschwerpunkten, der Führung, Steuerung und Organisation der Rechtsbehelfsstelle, der fachlichen Verantwortung für die Durchführung der Aufgaben sowie der Weisungsbefugnis gegenüber den Mitarbeitern der Rechtsbehelfsstelle

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf eine Vergütung gemäß Tätigkeitsebene III zuzüglich einer Funktionszulage 1 sowie des Garantiebetrages gemäß § 19 VII des TV-BA ab dem 01.01.2014 nebst Zinsen.

I.

Die sog. Eingruppierungsfeststellungsklage der Klägerin ist zulässig. Das erforderliche Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO ist gegeben. Durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag wird der Streit insgesamt beseitigt und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt (vgl. BAG 27. August 2014 - 4 AZR 518/12 - Rn. 15). Dies gilt auch soweit Ansprüche die Vergangenheit betreffen. Der verlangte Gegenwartsbezug wird dadurch hergestellt, dass die Klägerin gegenwärtige rechtliche Vorteile in Form eines höheren Entgelts aus einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum erstrebt (BAG, Urteil vom 16. April 2015 - 6 AZR 352/14 -, Rn. 22, juris)

II.

Die Klägerin ist ab dem 01.01.2104 in die Tätigkeitsebene III einzugruppieren.

Die Eingruppierung ergibt sich aus der Zuordnungstabelle für die Bundesagentur, dort Nr. 21.14. Die Kammer nimmt im Rahmen der nachfolgenden Erwägungen auf die Ausführungen der 2. Kammer des Arbeitsgerichts Herne, Az. 2 Ca 1290/15 in dem Urteil vom 10.11.2015 Bezug und schließt sich den dortigen Erwägungen der 2. Kammer ausdrücklich an:

1. Angesichts des Fehlens des Fach- und Organisationskonzeptes kann die Beklagte bei der Eingruppierung grundsätzlich auf beide Zuordnungstabellen zurückgreifen, wobei die Anlage 1.10 ausdrücklich nur "ergänzend" heranzuziehen ist. Dies ergibt sich aus dem ausdrücklichen Verweis in § 14 TV-BA auf die Anlagen und dem Wortlaut der dortigen Vorbemerkung. Insofern konnte die Beklagte die für die Rechtsbehelfsstellen im Operativen Service ausgebrachten Dienstposten auch bei der Bewertung der Klägerin zu Grunde legen.

2. Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen einer Eingruppierung nach dem Dienstposten Nr. 21.14 der Zuordnungstabelle.

Dies ergibt sich aus den von der Beklagten zugrunde gelegten, in Form einer Tabelle dargestellten Dienstpostenbeschreibungen einerseits einer Ersten Fachkraft in der Rechtbehelfsstelle, andererseits einer Fachkraft in der Rechtsbehelfsstelle.

a) Dabei kann dahinstehen, ob diese Dienstpostenbeschreibungen im Hinblick auf die tarifvertraglichen Eingruppierungsmerkmale und (Kern)TuK eine zu Lasten des Klägers einschränkende Funktion zukommen kann. Selbst wenn sie bei Abschluss des Tarifvertrags vorgelegen haben und den Tarifvertragsparteien bekannt waren, stellen sie letztlich nur die Handhabung des Tarifvertrages durch die Beklagte und keine übereinstimmende Erklärung der Tarifvertragsparteien dar.

b) Zu Gunsten der Klägerin binden sie die Beklagte dagegen insofern, als dass es sich um ein abstraktes Bewertungsprinzip handelt, nach dem sich die Beklagte richtet. Jedenfalls bei Erfüllung der Merkmale der Dienstpostenbeschreibung ist die Beklagte schon aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes an ihre eigenen Grundsätze gebunden. Dabei kann dahinstehen, ob sie, wenn sie bei Aufstellung der Dienstpostenbeschreibung einem Rechtsanwendungsfehler unterlegen war, gleichwohl an die Bewertung gebunden wäre oder ob sie in diesem Fall von ihrer eigenen Bewertung abweichen dürfte. In einem solchen Fall müsste sie zumindest, wenn sie von ihrer eigenen generellen Bewertungsmaßstab abweichen wollte, den Rechtsanwendungsfehler konkret benennen und vortragen, inwiefern die Dienstpostenbeschreibung gemessen an den tarifvertraglichen Merkmalen fehlerhafte, insbesondere zu niedrige Anforderungen stellt. Solcher Vortrag liegt nicht vor. Die Beklagte geht vielmehr ausdrücklich von der Richtigkeit dieser Beschreibung aus und verneint die Zuordnung der Klägerin allein mit der vermeintlichen Nichterfüllung der dort geregelten Voraussetzungen. Insofern ist auch die Kammer nicht veranlasst, die Übereinstimmung der Dienstpostenbeschreibung mit den tarifvertraglichen Bestimmungen, insbesondere den (Kern)TuK, zu Lasten der Klägerin weiter zu überprüfen.

c) Zur Erfüllung der Voraussetzungen der Dienstpostenbeschreibung genügt nach Auffassung der Kammer die Ausübung einer der dort genannten, jeweils in drei verschiedenen Zellen der Tabelle unter "Aufgaben" beschriebenen Tätigkeiten; eine kumulative Erfüllung ist nicht gefordert. Dies ergibt sich sowohl aus der mangelnden textlichen Festlegung als auch aus der Handhabung durch die Beklagten.

Die Aufgabenbeschreibungen der Fachkraft einerseits und der Ersten Fachkraft andererseits beinhalten zum einen verschiedenen Tätigkeitsbereiche, die in unterschiedlicher Ausprägung und Tiefe beiden Stellen gemein sind. In beiden Profilen finden sich die Bearbeitung von Widerspruchsangelegenheiten und die Vertretung vor den Sozialgerichten. Zum anderen gibt es Aufgaben, die sich nur bei der Fachkraft oder nur bei der Ersten Fachkraft finden. Während nur für die Erste Fachkraft die Fachaufsicht als weitere Aufgabe genannt ist, gibt es nur im Bereich der Fachkraft die weitere Tätigkeit der Vorbereitung von Verfahren für den Widerspruchsausschuss.

Zumindest bezogen auf die Tätigkeiten in Widerspruchsverfahren und der gerichtlichen Vertretung, die sich bei beiden Stellenprofilen findet, genügt der Beklagten die alternative Ausübung einer dieser Tätigkeiten. Denn unstreitig sind sowohl die Ersten Fachkräfte als auch die Fachkräfte nur in einem der beiden Bereiche eingesetzt. Wer Widersprüche bearbeitet, ist nicht vor Gericht tätig und umgekehrt, was die Beklagte aber gleichwohl nicht zum Anlass nimmt, die Eingruppierung in Frage zu stellen. Insofern reicht ihr entweder die Tätigkeit der Widerspruchsbearbeitung oder die Tätigkeit der Prozessvertretung zur Erfüllung der Voraussetzung.

Allerdings fordert sie für eine Eingruppierung der Klägerin nach Nr. 21.14 zusätzlich zu einer diese beiden Tätigkeiten noch die Wahrnehmung weiterer Aufgaben, die sie der Fachaufsicht zuordnet, und die sei bei der Klägerin vermisst.

Dabei ist allerdings festzustellen, dass sich jedenfalls aus dem Text der Dienstpostenbeschreibung nicht zu erkennen ist, dass einzelne oder Aufgabenbereiche kumulativ zueinander vorliegen müsse. Die optische Aufteilung der drei Aufgabenbereiche in drei Zellen macht deutlich, dass diese Aufgaben drei voneinander zu trennende Themenbereiche darstellen. Sprachliche Verknüpfungen ("und", "oder", "sowohl als auch", "entweder oder") finden sich lediglich innerhalb der jeweiligen Zelle der Tabelle. Dort wird zum Teil ausdrücklich das kumulative Vorliegen ("erst- und zweitinstanzliche Verfahren") gefordert. Eine sprachliche Regelung zum Verhältnis der getrennten Aufgabenbereiche zueinander findet sich dagegen nicht. Dies legt den Schluss nahe, dass nur dort, wo es auf die kumulative Erfüllung ankommen soll, die Beklagte dies ausdrücklich zum Ausdruck gebracht hat, während ansonsten ein alternatives Vorhandensein ausreicht.

d) Demnach genügt entsprechend dem Stellenprofil die Erfüllung der Tätigkeitsanforderung "Bearbeitung, gerichtliche und außergerichtliche Vertretung erst - und zweitinstanzlicher Verfahren", um eine Eingruppierung gem. Nr. 21.14 zu rechtfertigen. Eben diese Voraussetzungen werden von der Klägerin indes erfüllt.

Unerheblich ist dabei, dass der Klägerin zwischenzeitlich die Terminswahrnehmung in der 2. Instanz entzogen worden ist. Eine Vertretung liegt jedoch nicht erst mit einem Auftritt bei Gericht, sondern schon mit Anfertigung und Versendung der Schriftsätze vor, mit der die Klägerin jedenfalls betraut ist. Dass Vertretung in diesem Sinne nicht mit Terminswahrnehmung gleichzusetzen ist, wird auch darin deutlich, dass laut Aufgabenbeschreibung gerade auch die außergerichtliche Vertretung - bei der es von vorneherein keinen Gerichtstermin gibt - den Tatbestand erfüllt. Auch auf die Häufigkeit der Betreuung der zweitinstanzlichen Verfahren kommt es dabei nicht an, da das Stellenprofil keine solchen Anforderungen an eine bestimmte Häufigkeit enthält. Es reicht aus, dass die Klägerin grundsätzlich die Beklagte sowohl in erstinstanzlichen als auch in zweitinstanzliche Verfahren zumindest bis zum, wenn auch nicht im Gerichtstermin der 2. Instanz, vertritt. Da es zwangsläufig immer mehr erstinstanzliche als zweitinstanzliche Verfahren gibt, entspricht selbst ein deutliches Überwiegen erstinstanzlicher Tätigkeiten bei gelegentlicher zweitinstanzlicher Vertretung mangels gegenteiliger Behauptung schlicht der zu erwartenden Verfahrenshäufigkeit. Im Hinblick auf die von der Klägerin durch Nennung von Aktenzeichen im einzelnen bezeichneten Verfahren, die sie in 2. Instanz betreut hat (siehe Seite 2 und 3 des Schriftsatzes der Klägerin vom 13.08.2015), spricht ohnehin einiges dafür, dass es sich um mehr als eine gelegentliche Betreuung von verfahren in der 2. Instanz handelt.

Die übrigen in der Tabelle über die Aufgabenbeschreibung hinausgehenden Anforderungen sind letztlich mit Übertragung der Tätigkeit als erfüllt anzusehen; die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass es der Klägerin an den notwendigen Kompetenzen zur Ausübung der übertragenen Tätigkeiten fehlt. Es kann unterstellt werden, dass die Beklagten die Tätigkeit nur bei entsprechenden Kenntnissen und Fähigkeiten übertragen hat.

III.

Dem Kläger steht auch die Funktionsstufe 1 zu. Dies ergibt sich unmittelbar aus der Zuordnungstabelle zu Nr. 21.14, da die Vertretung in erster und zweiter Instanz durch die Klägerin - wie dargelegt - wahrgenommen wird.

IV.

Die Zuerkennung des Garantiebetrages dem Grunde nach gem. § 19 Abs. 7 TV-BA stellt lediglich eine Klarstellung der sich aus der Umgruppierung ergebenden Rechtsfolge dar.

V.

Die Kosten des Rechtsstreits waren der Beklagten als unterlegener Partei aufzuerlegen, § 46 Abs. 2 ArbGG, § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

VI.

Die Streitwertwertfestsetzung basiert auf § 61 Abs. 1 ArbGG i.v.m. § 42 Abs. 2 Satz 2 GKG. Zugrunde gelegt wurde der 36fache monatliche Differenzbetrag, der seitens der Kammer auf 500,- € geschätzt worden ist.