KG, Beschluss vom 12.04.2004 - 15 W 2/04
Fundstelle
openJur 2012, 1644
  • Rkr:

<dt/><dd><p>Über ein Ablehnungsgesuch gegen einen Einzelrichter hat - im Gegensatz zur Auffassung der herrschenden Meinung - nicht der Spruchkörper in Gänze, sondern wiederum ein Einzelrichter zu entscheiden.</p></dd>

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Beklagten zu 3) gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 24. November 2003 – 13 O 417/02 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert entspricht dem Wert der Hauptsache (§ 3 ZPO).

Gründe

Die gemäß §§ 46 Abs. 2, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet.

Der angefochtene Beschluss ist nicht deshalb rechtswidrig, weil über das Ablehnungsgesuch statt der Kammer allein der geschäftsplanmäßige Vertreter des abgelehnten Richters als Einzelrichter entschieden hat.

Zwar hat nach herrschender Auffassung über ein gegen einen Einzelrichter angebrachtes Ablehnungsgesuch der gesamte Spruchkörper ohne dessen Mitwirkung zu entscheiden (OLG Karlsruhe, OLGZ 78, 256; OLG Düsseldorf, JMBl. NW 1978, 68; Zöller-Vollkommer, ZPO 24. Aufl., § 45 Rdn. 2; Baumbach/Lauterbach-Hartmann, ZPO 62. Aufl., § 45 Rdn. 4; Musielak-Smid, ZPO 3. Aufl., § 45 Rdn. 2; zweifelnd Münchner Kommentar-Feiber, ZPO 2. Aufl., § 45 Rdn. 17).

Diese Auffassung vermag der Senat aber nicht mehr zu teilen. Sie kann jedenfalls nach der Entscheidung des Gesetzgebers für den originären Einzelrichter im Rahmen der Zivilprozessreform keinen Bestand mehr haben.

1. Die herrschende Auffassung findet zunächst keine hinreichende Stütze im Gesetz. Zwar heißt es in § 45 Abs. 1 ZPO, dass über das Ablehnungsgesuch das Gericht entscheidet, dem der Abgelehnte angehört und zwar ohne dessen Mitwirkung. Hieraus kann aber nicht der zwingende Schluss gezogen werden, dass mit „Gericht“ im Sinne des § 45 Abs. 1 ZPO der jeweilige Spruchkörper gemeint ist. Aus dem systematischen Zusammenhang zu § 45 Abs. 2 und Abs. 3 ZPO lässt sich mit der gleichen Berechtigung ableiten, dass ebenso wie dort auch in § 45 Abs. 1 ZPO nur das Gericht im gerichtsverfassungsrechtlichen Sinn (§ 12 GVG) gemeint ist, da es nicht nahe liegend ist, dass der Gesetzgeber einem Begriff innerhalb einer Vorschrift unterschiedliche Bedeutung beimessen wollte. Die h.M. setzt sich im übrigen auch dadurch zu ihrer eigenen Auslegung des § 45 Abs. 1 ZPO in Widerspruch, dass sie es zulässt, dass der Geschäftsverteilungsplan einen anderen Spruchkörper als den, dem der abgelehnte Richter angehört, mit der Entscheidung betraut (vgl. Baumbach/Lauterbach/Hartmann a.a.O.).

2. Kann jedoch aus dem Begriff des „Gerichts“ nicht zwingend der Schluss gezogen werden, dass damit nur der jeweilige Spruchkörper in voller Besetzung gemeint ist, ist die Frage der Zuständigkeit für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch nach Sinn und Zweck des § 45 Abs. 1 ZPO und unter Beachtung der Bedeutung, die der Gesetzgeber der Entscheidung durch den Einzelrichter beimisst, zu beantworten. Nach § 348 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist die Entscheidung durch den Einzelrichter der gesetzliche Regelfall. Dabei sind die Ausnahmen von diesem Grundsatz in § 348 Abs. 1 Satz 2 ZPO abschließend aufgeführt. Die Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch fällt nicht unter eine dieser Ausnahmen. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass die Ausnahmen des § 348 Abs. 1 Satz 2 ZPO streitgegenstandsbezogen sind, so dass aus diesem Grunde eine Anwendung dieser Vorschrift auf den Fall der Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch nicht in Betracht komme. Aus § 348 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO ergibt sich vielmehr, dass auch ein dem Verfahrensrecht zuzuordnender Grund der Entscheidung durch den Einzelrichter entgegenstehen kann. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass über ein Ablehnungsgesuch immer der gesamte Spruchkörper entscheidet, hätte es nahe gelegen, dies als weiteren Ausnahmetatbestand in § 348 Abs. 1 Satz 2 ZPO festzulegen.

II. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht das Ablehnungsgesuch aber auch in der Sache zutreffend zurückgewiesen.

Nach allgemeiner Auffassung kann die Ablehnung grundsätzlich nicht erfolgreich auf die Verfahrensweise oder die Rechtsauffassung eines Richters gestützt werden, weil dies den Kernbereich richterlicher Unabhängigkeit berührt. Im Ablehnungsverfahren geht es allein um die Parteilichkeit des Richters und nicht um die Richtigkeit seiner Handlungen und Entscheidungen, deren Überprüfung allein den Rechtsmittelgerichten vorbehalten ist. Nur im Ausnahmefall sind Verfahrensweise und Rechtsauffassung eines Richters dann Grund für die Ablehnung, wenn die richterliche Handlung ausreichender gesetzlicher Grundlage völlig entbehrt und so grob rechtswidrig ist, dass sie als Willkür erscheint, oder wenn die fehlerhafte Rechtsanwendung eindeutig erkennen lässt, dass sie auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber einer Partei beruht.

Dies ist vorliegend - ausweislich der zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses, die sich der Senat zu Eigen macht - nicht der Fall. Insbesondere weist das Landgericht zutreffend darauf hin, dass bei der Entscheidung über einen Prozesskostenhilfeantrag das Verbot der Beweisantizipation nicht uneingeschränkt gilt und deshalb eine bereits erfolgte Zeugenaussage gewertet werden darf (siehe auch Zöller-Phillipi, § 114 ZPO, Rdn. 26). Selbst wenn dies nicht für den Fall eines bislang lediglich im Rahmen eines vorangegangenen Strafverfahrens gehörten Zeugen gelten sollte, wäre die entgegenstehende Rechtsauffassung des abgelehnten Richters vertretbar und offensichtlich nicht willkürlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die Wertfestsetzung aus § 3 ZPO.