LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24.09.2009 - 10 SaGa 9/09
Fundstelle
openJur 2019, 38948
  • Rkr:
Tenor

1. Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 25. Juni 2009, Az. 7 Ga 19/09, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Verfügungsbeklagte verurteilt wird, die Verfügungsklägerin vorläufig als Junior-Product-Managerin in der Abteilung Marketing und Vertrieb zu beschäftigen und zwar bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dem Zustimmungsersetzungsverfahren vor dem Arbeitsgericht Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied -, Az. 7 BV 18/09, jedoch nicht länger als bis zu der erstinstanzlichen Ersetzung der Zustimmung in diesem Verfahren.

2. Die Verfügungsbeklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Wege der einstweiligen Verfügung über die vertragsgemäße Beschäftigung der Verfügungsklägerin.

Die Verfügungsklägerin (geb. am ... 1971) ist von Beruf Diplom-Betriebswirtin im Fachbereich Marketing. Sie ist seit dem 01.11.2000 bei der Verfügungsbeklagten zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt € 3.354,25 angestellt. Seit dem 17.06.2003 wird sie als Junior-Product-Managerin im Bereich Marketing und Vertrieb im Team Gesundheit eingesetzt. Die Verfügungsbeklagte beschäftigt in A-Stadt ca. 60 Arbeitnehmer. Die Verfügungsklägerin ist Mitglied des Betriebsrates. Im schriftlichen Arbeitsvertrag vom 17.06.2003 haben die Parteien - soweit vorliegend von Interesse - folgendes geregelt:

"1.Arbeitsgebiet

Frau C. wird ab sofort als Junior-Product-Managerin im Bereich Marketing und Vertrieb beschäftigt.

Ihr obliegen folgende Hauptaufgaben:

- Verantwortung für die Produkt- und Programmpolitik innerhalb der zugewiesenen Produktgruppe

- Erarbeitung eines Jahresbudgets mit anschließendem kontinuierlichem SOLL/ IST Vergleich.

Es bleibt vorbehalten, Frau C. entsprechend ihren Kenntnissen und Fähigkeiten unter Beibehaltung der Bezüge auch anderweitig einzusetzen."

Seit dem Jahr 2008 gibt es innerhalb des Teams Gesundheit, das aus vier Arbeitnehmern besteht, Konflikte, insbesondere zwischen der Verfügungsklägerin und der vorgesetzten Teamleiterin. Es liegen schriftliche Beschwerden der Verfügungsklägerin vor. Eine im April 2009 durchgeführte Mediation endete ohne Ergebnis für die weitere Zusammenarbeit. Der Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten entschloss sich, die Verfügungsklägerin aus dem Team Gesundheit herauszunehmen, um die Konflikte zu lösen. Am 02.06.2009 wies er ihr ab dem 03.06.2009 eine Tätigkeit im Bereich Einkauf zu. Eine Zustimmung des Betriebsrates zu dieser Maßnahme holte er (zunächst) nicht ein.

Mit Schriftsatz vom 04.06.2009 beantragte die Verfügungsklägerin den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Ein Hauptsacheverfahren hat sie nicht eingeleitet. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens gemäß § 62 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf die Zusammenfassung im Urteil des Arbeitsgerichts vom 25.06.2009 (dort Seite 2-7= Bl. 62-67 d. A.) Bezug genommen.

Die Verfügungsklägerin hat erstinstanzlich beantragt,

die Verfügungsbeklagte zu verurteilen, sie zu den Bedingungen des Arbeitsvertrags vom 17.06.2003 als Junior-Product-Managerin im Bereich Marketing und Vertrieb/ Team Gesundheit (weiter) zu beschäftigen.

Die Verfügungsbeklagte hat erstinstanzlich beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 25.06.2009 dem Antrag stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, es bestehe ein Verfügungsanspruch, weil die Verfügungsbeklagte nicht berechtigt gewesen sei, der Verfügungsklägerin mit Wirkung ab 03.06.2009 eine Tätigkeit im Einkauf zuzuweisen. Die Maßnahme sei wegen fehlender Zustimmung des Betriebsrates individualrechtlich unwirksam. Bei der Zuweisung der Tätigkeit im Bereich Einkauf handele es sich um eine Versetzung im Sinne des § 95 Abs. 3 BetrVG. Die Verfügungsbeklagte habe der Verfügungsklägerin ab dem 03.06.2009 einen anderen Arbeitsbereich zugewiesen. Im Bereich Einkauf sei die Verfügungsklägerin mit gänzlich anderen Arbeitsaufgaben als im Bereich Marketing und Vertrieb betraut. Dies ergebe sich aus einem Vergleich zwischen der Stellenbeschreibung des bisherigen Arbeitsplatzes im Bereich Marketing und Vertrieb vom 22.05.2003 und der schriftsätzlich von der Verfügungsbeklagten vorgetragenen Aufgabenbeschreibung im Bereich Einkauf. Ein Verfügungsgrund liege wegen der offensichtlichen Unwirksamkeit der Versetzung vor. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird auf Seite 7 bis 13 des Urteils (= Bl. 67-73 d. A.) Bezug genommen.

Die Verfügungsbeklagte, der das Urteil am 02.07.2009 von Amts wegen zugestellt worden ist, hat am 16.07.2009 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese gleichzeitig begründet. Eine Zustellung der einstweiligen Verfügung im Parteibetrieb ist nicht erfolgt. Die Verfügungsbeklagte hat der Verfügungsklägerin mit Schreiben vom 29.06.2009 (Bl. 131 d. A.) außergerichtlich mitgeteilt, sie werde sie entsprechend des mitgeteilten Urteilsinhaltes in der Marketingabteilung einsetzen.

Die Verfügungsbeklagte hat nach Erlass der einstweiligen Verfügung (vorsorglich) die Zustimmung des Betriebsrates zu der Maßnahme beantragt, die dieser verweigert hat. Vor dem Arbeitsgericht ist ein Zustimmungsersetzungsverfahren (Az. 7 BV 18/09) nach § 99 Abs. 4 BetrVG anhängig, das noch nicht abgeschlossen ist.

Die Verfügungsbeklagte ist der Ansicht, die einstweilige Verfügung sei bereits deshalb aufzuheben, weil sie ihr nicht innerhalb der Vollziehungsfrist im Parteibetrieb zugestellt worden sei. Außerdem handele es sich bei der Zuweisung der Tätigkeit im Einkauf nicht um eine Versetzung im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne. Ihre Maßnahme habe deshalb nicht der Zustimmung des Betriebsrates bedurft. Die ursprüngliche Arbeitsplatzbeschreibung aus dem Jahr 2003 sei aufgrund mehrerer Umstrukturierungen seit 2005 nicht mehr gültig. Die aktuelle Tätigkeit der Verfügungsklägerin sei dem Zwischenzeugnis vom 29.05.2009 zu entnehmen, das sie auf deren Wunsch erstellt habe. In der Abteilung Einkauf seien die Aufgaben gleich gelagert. Ihre Maßnahme sei nicht offensichtlich unwirksam, vielmehr habe sie ihr Direktionsrecht ermessensfehlerfrei ausgeübt. Die Verfügungsklägerin könne im Team Gesundheit wegen des Zerwürfnisses mit der Teamleiterin nicht mehr eingesetzt werden. Auch in den anderen Teams im Bereich Marketing bestehe keine Einsatzmöglichkeit. Ein weiteres Team beschäftige sich mit der Organisation von Veranstaltungen und Messen sowie der Ausgestaltung von A.-Geschäftsstellen. An diesem Arbeitsbereich habe die Verfügungsklägerin kein Interesse, wie sich bereits darin zeige, dass sie sich auf eine ausgeschriebene Stelle nicht beworben habe. Ein drittes Team beschäftige sich mit Zielgruppenmarketing, hauptsächlich mit der Neukundengewinnung für die A.´s. Hier fehle es an der notwendigen Qualifikation der Verfügungsklägerin. Im Bereich Einkauf sei die Verfügungsklägerin in wesentlichen Teilen ihres bisherigen Aufgabengebietes tätig, insbesondere im Bereich der Produktinnovation und Abwicklung. Der allgemeine Betriebsfrieden sei ohne Benachteiligung der Verfügungsklägerin gewahrt, denn die Entlohnung in beiden Bereichen erfolge nach Tarifgruppe IV. Bei einer individualrechtlich zulässigen Versetzung entfalle die Beteiligung des Betriebsrates. Im Übrigen sei ein anderer Arbeitsbereich im Sinne des § 95 Abs. 3 BetrVG nicht gegeben. Das Gesamtbild der Tätigkeit der Verfügungsklägerin, insbesondere der Gegenstand der geschuldeten Arbeitsleistung, also der Inhalt der Arbeitsaufgaben, habe sich nicht einschneidend verändert. Sollte eine Versetzung im kollektivrechtlichen Sinne vorliegen, sei die Entscheidung des Arbeitsgerichts zumindest zu eng gefasst. Die Verfügungsklägerin habe keinen Anspruch darauf, im Team Gesundheit beschäftigt zu werden. Im Bereich Marketing gebe es Aufgaben, die nicht in den Zuständigkeitsbereich des Teams Gesundheit fielen und ihr zugewiesen werden können. Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Verfügungsbeklagten vom 13.07.2009 (Bl. 86-92 d. A.) Bezug genommen.

Die Verfügungsbeklagte beantragt zweitinstanzlich,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 25.06.2009, Az. 7 Ga 19/09, abzuändern und den Antrag abzuweisen,

2. den Hilfsantrag der Verfügungsklägerin zurückzuweisen.

Die Verfügungsklägerin beantragt zweitinstanzlich,

1. die Berufung zurückzuweisen,

2. hilfsweise, die Verfügungsbeklagte zu verurteilen, sie zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 17.06.2003 als Junior-Product-Managerin in der Abteilung Marketing und Vertrieb weiterzubeschäftigen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und führt ergänzend aus, die Arbeitsplatzbeschreibung vom 22.05.2003 sei nicht veraltet. Sie habe die dort dargestellten Tätigkeiten bis zur streitigen Versetzung ausgeübt. Aus dem Inhalt des Zwischenzeugnisses vom 29.05.2009, den sie beanstandet habe, könne die Verfügungsbeklagte nichts anders herleiten. Die Aufgaben in den Abteilungen Marketing und Einkauf seien nicht vergleichbar. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Berufungserwiderungsschrift vom 09.09.2009 (Bl. 104-111 d. A.) Bezug genommen.

Gründe

I.

Die nach § 64 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Verfügungsbeklagten ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist somit zulässig.

II.

In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die einstweilige Verfügung mit zutreffender Begründung zu Recht erlassen. Die Verfügungsbeklagte ist verpflichtet, die Verfügungsklägerin vorläufig als Junior-Product-Managerin im Bereich Marketing und Vertrieb zu beschäftigen.

1.Der Verfügungsklägerin steht ein Verfügungsanspruch zu.

Dabei kann dahinstehen, ob die Zuweisung einer Tätigkeit im Einkauf vom Direktionsrecht der Verfügungsbeklagten nach § 106 Satz 1 GewO gedeckt ist. Im Falle eines Konfliktes zwischen Arbeitnehmern ist es ganz allgemein - ohne Rücksicht auf die Ursachen des Konfliktes - Sache des Arbeitgebers zu entscheiden, ob und wie der Konflikt durch Ausübung des Direktionsrechts gelöst werden soll (vgl. BAG Urteil vom 24.04.1996 - 5 AZR 1031/94 - AP Nr. 48 zu § 611 BGB Direktionsrecht Nr. 48). Ist der Konflikt dadurch entstanden, dass ein oder mehrere Arbeitnehmer gegen einen anderen Arbeitnehmer Vorwürfe erhoben haben, so kommt es nicht darauf an, ob diese Vorwürfe begründet sind; vielmehr ist es auch dann Sache des Arbeitgebers zu entscheiden, ob und wie er auf solche Konfliktlagen durch Ausübung des Direktionsrechts reagieren will (vgl. BAG Urteil vom 12.09.1996 - 5 AZR 30/95 - AP Nr. 1 zu § 30 ZDG; zu 3 c der Gründe). Die Berufungskammer folgt dem Arbeitsgericht darin, dass diese Frage dahingestellt bleiben kann. Selbst wenn die Verfügungsbeklagte kraft ihres Direktionsrechts berechtigt sein sollte, der Verfügungsklägerin eine Tätigkeit im Einkauf zuzuweisen, um die unstreitig bestehenden Konflikte im Team Gesundheit zu lösen, bedarf die Maßnahme der Zustimmung des Betriebsrates. Weil diese (bisher) nicht vorliegt, ist die Maßnahme auch individualrechtlich unwirksam.

Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, stellt die Maßnahme der Verfügungsbeklagten eine Versetzung nach §§ 95 Abs. 3, 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG dar. Sie bedarf der Zustimmung des Betriebsrates, weil die Verfügungsbeklagte mehr als zwanzig wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt. Die ohne die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats zum 03.06.2009 erfolgte Versetzung der Verfügungsklägerin ist individualrechtlich unwirksam. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei einer Versetzung dient neben dem Schutz der Belegschaft dem Schutz des von der Maßnahme betroffenen Arbeitnehmers. Dies zeigt § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG. Die fehlende Zustimmung des Betriebsrats hat deshalb nach der vom Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung vertretenen Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung zur Folge, dass die Versetzung auch im Verhältnis der Arbeitsvertragsparteien unwirksam ist; der Arbeitnehmer hat das Recht, die Arbeit zu den geänderten Bedingungen zu verweigern (BAG Urteil vom 29.09.2004 - 1 AZR 473/03 - Juris Rd. 45, zu II 4. b der Gründe; m.w.N.).

Im Sinne der Legaldefinition des § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG ist unter Versetzung die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs zu verstehen, die entweder voraussichtlich länger als einen Monat dauern wird oder - auch bei kürzerer Dauer - mit einer erheblichen Änderung der äußeren Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Der Begriff des Arbeitsbereichs wird in § 81 Abs. 1 Satz 1 BetrVG durch die Aufgabe und Verantwortung sowie die Art der Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebs umschrieben. Arbeitsbereich ist danach der konkrete Arbeitsplatz und seine Beziehung zur betrieblichen Umgebung in räumlicher, technischer und organisatorischer Hinsicht. Die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs ist etwa anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer aus einer betrieblichen Einheit herausgenommen und einer anderen zugeordnet wird (vgl. ausführlich: BAG Beschluss vom 17.06.2008 - 1 ABR 38/07 - AP Nr. 47 zu § 99 BetrVG 1972 Versetzung, m.w.N.).

Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass sich im Streitfall der Arbeitsbereich der Verfügungsklägerin durch die Zuweisung einer Tätigkeit im Einkauf ändert. Das ergibt sich bereits daraus, dass die Verfügungsklägerin dauerhaft aus der betrieblichen Einheit Marketing und Vertrieb herausgenommen und einer anderen Einheit, dem Bereich Einkauf, zugewiesen werden soll. Dabei handelt es sich nach der Betriebsorganisation der Verfügungsbeklagten um unterschiedliche Arbeitsbereiche. Organisatorisch gegliedert ist die Verfügungsbeklagte insoweit, dass sie u.a. einen Bereich "Marketing und Vertrieb" und einen Bereich " Einkauf" gebildet hat. Damit stellt der Bereich Einkauf eine eigene organisatorische Einheit dar, in der die Verfügungsbeklagte bestimmte Zwecke verfolgt. Der Bereich Marketing und Vertrieb sowie der Bereich Einkauf sind auf Dauer angelegte eigene organisatorische Gliederungen. Auch wenn die Arbeitsaufgaben - wie von der Verfügungsbeklagten behauptet - im Wesentlichen gleich bleiben sollten, verändert sich dennoch das Gesamtbild der Tätigkeit, weil bei einem Wechsel vom Bereich Marketing und Vertrieb in den Bereich Einkauf der Wechsel zwischen eigenständigen betrieblichen Einheiten stattfindet. Die Verfügungsklägerin wird in eine andere betriebliche Einheit eingegliedert. Sie muss mit anderen Vorgesetzten sowie mit anderen Kolleginnen und Kollegen zusammenarbeiten.

Die Einbindung der Verfügungsklägerin in eine andere betriebliche Einheit und die Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit anderen Personen wird von der Verfügungsbeklagten gerade bezweckt, um auf die Konfliktlage im Team Gesundheit zu reagieren. Durch die veränderte Zuordnung der Verfügungsklägerin in die betriebliche Organisation in der Weise, dass sie nicht mehr dem Bereich Marketing und Vertrieb, sondern dem Bereich Einkauf zugeordnet ist, soll sich nach dem Willen der Verfügungsbeklagten die Einordnung der Verfügungsklägerin in den Arbeitsablauf verändern. Allein hieraus ergibt sich, dass die Umstände der Arbeitsleistung bei einem Einsatz im Einkauf eine nicht unwesentliche Änderung gegenüber einem Einsatz im Bereich Marketing und Vertrieb erfahren. Durch diese Veränderung ändert sich das Gesamtbild der Tätigkeit der Verfügungsklägerin. Ansonsten macht die vom Arbeitgeber selbst geschaffene Differenzierung zwischen dem Bereich Einkauf und dem Bereich Marketing und Vertrieb keinen Sinn.

2.Das Arbeitsgericht hat ebenfalls zutreffend erkannt, dass der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsgrund im Streitfall ausnahmsweise gegeben ist.

Angesichts der Tatsache, dass die zur Beschäftigung verpflichtende einstweilige Verfügung einen Fall der Leistungsverfügung darstellt und Erfüllungswirkung hat, ist eine umfassende Interessenabwägung erforderlich. Dass die von der erkennenden Kammer neu formulierte Leistungsverfügung zur zeitweiligen Befriedigung des Anspruchs der Verfügungsklägerin auf Beschäftigung führt, ist unschädlich. Ihre Versetzung ist wegen der fehlenden Zustimmung des Betriebsrates offensichtlich unwirksam. Ein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung einer offensichtlich unwirksamen personellen Maßnahme ist nicht erkennbar. Die Interessen der Verfügungsbeklagten sind dadurch gewahrt, dass die Kammer die Wirkung der einstweiligen Verfügung - wie aus dem Tenor ersichtlich - im Hinblick auf das anhängige Zustimmungsersetzungsverfahren zeitlich begrenzt hat. Im Übrigen kann die Verfügungsbeklagte die Verfügungsklägerin im Bereich Marketing und Vertrieb aus dem Team Gesundheit herausnehmen, um auf die Konfliktlage zu reagieren.

3.Die einstweilige Verfügung vom 25.06.2009 ist nicht wegen veränderter Umstände aufzuheben.

Die Verfügungsklägerin hat bisher zwar kein Hauptsacheverfahren anhängig gemacht. Nach § 62 Abs. 2 ArbGG, § 936 ZPO i.V.m. § 926 Abs. 1 ZPO hat das Arbeitsgericht (dort der Rechtspfleger § 20 Nr. 14 RPflG) auf Antrag anzuordnen, dass die Partei, die die einstweilige Verfügung erwirkt hat, binnen einer zu bestimmenden Frist, Klage zu erhaben hat. Wenn die Verfügungsbeklagte keinen entsprechenden Antrag gestellt hat, kann sie mit dem Argument, die Verfügungsklägerin möge ihr Begehren im Hauptsacheverfahren verfolgen, die Aufhebung der einstweiligen Verfügung nicht geltend machen.

Zwar hat die Verfügungsklägerin das am 25.06.2009 verkündete erstinstanzliche Urteil nicht im Parteibetrieb zugestellt. Der Verfügungsbeklagten ist zuzugeben, dass die innerhalb der Monatsfrist vorgenommene Amtszustellung des erstinstanzlichen Urteils nicht die Anforderungen einer Vollziehung i.S.v. § 62 Abs. 2 ArbGG, § 936 ZPO i.V.m. § 929 Abs. 2 ZPO erfüllt. Der Amtszustellung fehlt - weil sie vom Gericht veranlasst wird - das "spezifisch vollstreckungsrechtliche Element", dass der Gläubiger tätig wird und seinen Willen kundgibt, von dem Titel zwangsweise Gebrauch zu machen (vgl. ausführlich: BAG Urteil vom 18.09.2007 - 9 AZR 672/06 - AP Nr. 64 zu Art. 33 Abs. 2 GG, m.w.N.). Vorliegend war die Vollziehung des Beschäftigungstitels (bisher) nicht notwendig. Durch die Versäumung der Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO wird das die einstweilige Verfügung anordnende Urteil formal nicht hinfällig, aus dem Titel kann jedoch nicht mehr vollstreckt werden. Vorliegend hat die Verfügungsbeklagte der Verfügungsklägerin mit außergerichtlichem Schreiben vom 29.06.2009 mitgeteilt, sie werde sie entsprechend des mitgeteilten Urteilsinhaltes in der Marketingabteilung einsetzen. Damit hat sie zu erkennen gegeben, dass sie dem Beschäftigungsgebot ohne Zwangsmaßnahmen Folge leisten wird. Überdies hat sie in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer erklärt, dass sie die Verfügungsklägerin derzeit mit Sonderaufgaben in der Marketingabteilung beschäftigt.

III.

Nach alledem ist die Berufung der Verfügungsbeklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Eine Revision ist in einstweiligen Verfügungsverfahren gemäß § 72 Abs. 4 ArbGG unstatthaft.