OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 29.08.2016 - 2 B 10648/16
Fundstelle
openJur 2019, 39232
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 1. Juli 2016 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 26.101,32 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

I. Dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit dem der Antragsteller seinen Anspruch auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung auf eine der für Polizeihauptkommissare im Wasserschutzpolizeiamt zum Beförderungstermin am 18. Mai 2015 ausgeschriebenen Stellen der Besoldungsgruppe A 12 Landesbesoldungsordnung - LBesO - sichern will, kann nicht stattgegeben werden. Dieser ist zwar als Antrag auf Erlass einer sog. Sicherungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO - zulässig. Der Antragsteller kann insoweit auch einen Anordnungsgrund geltend machen. Denn nach erfolgter Aushändigung der Ernennungsurkunde an einen der beiden Auswahlsieger kann ihm wegen des Grundsatzes der Ämterstabilität und dem Fehlen einer weiteren Planstelle ein Beförderungsamt nicht mehr verliehen werden.

Dem Antrag bleibt gleichwohl der Erfolg versagt. Denn der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Die von ihm gegen dieses vorinstanzliche Ergebnis dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung seiner Beschwerde gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, rechtfertigen keine Abänderung des angefochtenen Beschlusses.

Die getroffene Auswahlentscheidung zu Gunsten der Beigeladenen leidet an keinem Verfahrensfehler und hält auch inhaltlich der verwaltungsgerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle stand. Der Antragsgegner hat bei seiner Entscheidung über die Vergabe der in Rede stehenden Stellen den in Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz - GG -, Art. 19 Verfassung für Rheinland-Pfalz - LV - und § 9 Beamtenstatusgesetz - BeamtStG - niedergelegten Leistungsgrundsatz nicht zu Lasten des Antragstellers verletzt. Dies hat bereits das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt. Auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses, denen sich der Senat inhaltlich anschließt, wird deshalb gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO verwiesen. Im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen ist von daher lediglich ergänzend auszuführen:

Nach Art. 33 Abs. 2 GG, Art. 19 LV und § 9 BeamtStG haben Bewerber um eine Beförderungsstelle einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr über ihre Bewerbung ermessens- und beurteilungsfehlerfrei allein nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung entscheidet (sog. Bewerbungsverfahrensanspruch). Zum Begriff der Eignung im Sinne der vorgenannten Vorschriften gehört auch die persönliche Eignung. Diese umfasst im engeren Sinne insbesondere Persönlichkeit und charakterliche Eigenschaften, die für ein bestimmtes Amt von Bedeutung sind (BVerfG, Beschlüsse vom 20. April 2004 - 1 BvR 838/01 -, BVerfGE 110, 304 [322] und vom 27. Mai 2013 - 2 BvR 462/13 -, juris Rn. 14; VerfGH RP, Beschluss vom 15. Juli 2015 - VGH B 19/15 -, ZBR 2016, 46 [47 f.]).

In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist es seit langem anerkannt, dass es Zweifel an der persönlichen Eignung eines Beamten, der sich um ein höher bewertetes Statusamt bewirbt, wecken kann, wenn gegen diesen ein nicht von vornherein aussichtsloses Disziplinarverfahren eingeleitet worden ist. Denn der Dienstherr würde sich in Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten setzen, wenn er einen Beamten vor der abschließenden Klärung des disziplinarischen Vorwurfs beförderte oder in vergleichbarer Weise förderte und damit die Befähigung und Eignung des Betroffenen für eine höherwertige Verwendung oder Stelle bejahte, obwohl er zuvor mit der Einleitung disziplinarischer Ermittlungen zu erkennen gegeben hat, dass er Anlass sieht, die Amtsführung oder das persönliche Verhalten des Betreffenden in seinem bisherigen Status zu beanstanden (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Mai 1987 - 6 C 32.85 -, NVwZ-RR 1989, 32; Beschluss vom 24. September 1992 - 2 B 56.92 -, Buchholz 236.1 § 42 SG Nr. 1; OVG RP, Beschlüsse vom 3. Juli 1998 - 2 B 11487/98.OVG -; vom 11. Juli 2007 - 2 A 10691/07.OVG -; vom 3. September 2008 - 2 B 10824/08.OVG -; vom 12. September 2013 - 2 B 10837/13.OVG -; und [einen Richter betreffend] vom 27. Mai 2015 - 10 B 10295/15.OVG -; sowie OVG NRW, Beschluss vom 17. Juli 2008 - 1 B 267/08 -, juris).

Dies gilt selbst dann, wenn die Beförderungsurkunde bereits unterschrieben vorliegt (BVerwG, Beschluss vom 24. September 1992 - 2 B 56.92 -, a.a.O.). Hieraus ergeben sich in zeitlicher Hinsicht auch erhebliche Konsequenzen für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage im Rahmen eines Verfahrens nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Wendet sich ein Beamter, gegen den ein Disziplinarverfahren im Verlauf des Auswahlverfahrens eingeleitet worden ist, im Eilverfahren gegen seine Nichtberücksichtigung bei der Stellenvergabe, so ist hierfür der Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung über die beantragte Sicherungsanordnung maßgeblich.

Bei dieser Eilentscheidung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO unterliegt die Herausnahme eines Beamten aus einem laufenden Beförderungsverfahren ohne weitere Berücksichtigung seiner fachlichen Befähigung, Leistung und Eignung allerdings einer verwaltungsgerichtlichen Missbrauchskontrolle. Ergeben sich durchgreifende Anhaltspunkte für die nicht von der Hand zu weisende Annahme, das Disziplinarverfahren sei von vornherein aussichtslos oder aus anderen als rein disziplinarrechtlichen Motiven eingeleitet worden, kann eine Sicherungsanordnung geboten sein, wenn auch sonst bei einer ordnungsgemäßen Auswahl eine Berücksichtigung des Antragstellers zumindest möglich erscheint.

Von einem solchem Ausnahmefall ist vorliegend indessen nach Aktenlage unter Berücksichtigung des Vortrags der Beteiligten nicht auszugehen. Vielmehr bestehen wegen der - vom Antragsteller dem Grunde nach eingeräumten bzw. nicht überzeugend als nur fahrlässig geschehen erklärten - Falscheintragung eines in Wirklichkeit nicht existierenden Schiffes in die Schiffskontrolldatei hinreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Dienstvergehens.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers stehen diesem Ergebnis die für den Fall einer Kürzung der Dienstbezüge oder einer Zurückstufung vorgesehenen Beförderungsverbote gemäß § 6 Abs. 2 bzw. § 7 Abs. 3 Landesdisziplinargesetz nicht entgegen. Denn diese gelten schon nach ihrem Wortlaut lediglich für die Zeit "nach" Verhängung einer solchen Disziplinarmaßnahme. Sie können deshalb von vornherein keine andere Entscheidung in dem hier in Rede stehenden Zusammenhang rechtfertigen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. September 1992 - 2 B 56.92 -, a.a.O.).

Ist nach alledem die Herausnahme des Antragstellers aus dem weiteren Beförderungsverfahren erkennbar rechtmäßig, so kommt es auf die weiteren Rügen des Antragstellers gegen seine - unabhängig vom eingeleiteten Disziplinarverfahren - nicht berücksichtigte Bewerbung aus fachlichen Gründen nicht an. Davon abgesehen bestehen aber auch insoweit erkennbar keine Fehler im Auswahlverfahren, das immerhin auf der Grundlage der besseren dienstlichen Beurteilungen der Beigeladenen zu deren Gunsten ausfiel. Die vom Antragsteller erstinstanzlich gegen die Ergebnisse seiner eigenen bzw. der dienstlichen Beurteilung(en) der Beigeladenen vorgetragenen Rügen sind nicht derart offensichtlich, dass aus ihnen ein Verstoß gegen den Grundsatz der Bestenauslese im Sinne von Art. 33 Abs. 2 GG, Art. 19 LV und § 9 BeamtStG erkennbar wird (vgl. OVG RP, Beschluss vom 2. September 2015 - 2 B 10765/15.OVG -, juris; sowie Beschluss vom heutigen Tag im Verfahren 2 B 10677/16.OVG, der die hier in Rede stehende Bewerbergruppe betrifft).

Hinzu kommt, dass dem Antragsteller im Zusammenhang mit dem gegen ihn eingeleiteten Disziplinarverfahren die Dienstgruppenleitung entzogen wurde (so das Schreiben des Wasserschutzpolizeiamtes vom 1. Juli 2016). Da die Beförderungsstellen für Beförderungsämter nach Besoldungsgruppe A 12 LBesO jedoch nach dem Schreiben des Ministeriums des Innern und für Sport vom 1. Oktober 2014 einer Funktionsbindung unterliegen (vgl. Blatt 40 der Verwaltungsakte), fehlt dem Antragsteller nunmehr der für eine Berücksichtigung bei der Ämtervergabe erforderliche höherwertige Dienstposten. Da auch dieser Umstand zum Zeitpunkt des Ergehens der Beschwerdeentscheidung nach den oben dargestellten Grundsätzen zu berücksichtigen ist, kann er auch aus diesem Grund nicht die vorläufige Verhinderung der Beförderung der Beigeladenen verlangen.

Schließlich sind die Rügen des Antragstellers, der Antragsgegner habe seine Nichtberücksichtigung wegen des eingeleiteten Disziplinarverfahrens im Eilverfahren nicht ausdrücklich erklärt und das Verwaltungsgericht habe ihm das rechtliche Gehör entzogen, nicht zutreffend bzw. nicht beachtlich. Der Antragsgegner hat sowohl durch den Entzug der Leitungsfunktion als auch durch eindeutige Prozesserklärungen die Herausnahme des Antragstellers aus dem laufenden Beförderungsgeschehen wegen des disziplinarisch zu prüfenden Sachverhalts erklärt. Ob die Vorinstanz ihm vor Ergehen des angefochtenen Beschlusses nochmals Gelegenheit zu einer Stellungnahme zu dem letzten Schriftsatz des Antragsgegners hätte geben müssen, kann offen bleiben. Der Antragsteller konnte seine Sicht der Dinge jedenfalls in der Beschwerdeinstanz, in der eine vollständige Prüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erfolgt, vortragen. Damit wird ihm rechtliches Gehör gewährt.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Eine Kostentragungspflicht in Bezug auf die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen entspricht nicht gemäß § 162 Abs. 3 VwGO der Billigkeit, da diese keine Anträge gestellt und sich somit selbst keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).

III. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 6 Gerichtskostengesetz - GKG -. Maßgebend ist nach dieser kostenrechtlichen Regelung die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge der Besoldungsgruppe A 12 LBesO mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen (§ 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 GKG). Da das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts mit einem höheren Endgrundgehalt betrifft, ist der Streitwert gemäß § 52 Abs. 6 Satz 4 GKG auf die Hälfte des sich aus Satz 1 der Vorschrift ergebenden Betrags zu reduzieren (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. November 2012 - 2 VR 5.12 -, S. 15 des Urteilsabdrucks [insofern in BVerwGE 145, 112 ff. nicht abgedruckt]; sowie Beschlüsse vom 20. Juni 2013 - 2 VR 1.13 -, BVerwGE 147, 20; und vom 19. Dezember 2014 - 2 VR 1.14 -, IÖD 2015, 38 und juris, dort Rn. 43 ["in Anlehnung an die Streitwertberechnung im Hauptsacheverfahren"]; OVG RP, Beschluss vom 23. Dezember 2013 - 2 B 11209/13.OVG -, IÖD 2014, 42; NdsOVG, Beschluss vom 25. August 2014 - 5 ME 116/14 -, NVwZ-RR 2014, 941; zur Bedeutung des Streitwertes in Konkurrenteneilverfahren vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 25. November 2015 - 2 BvR 1461/15 -, NJW 2016, 309 [40.000,00 € bei einer nach Besoldungsgruppe R 9 bewerteten Stelle]).